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ist. Heute meldet man, daß die Kämpfe bereits in den Außenbezirken von Tunis u. Biserta stattfinden, sodaß wohl kaum noch etwas abtransportiert werden kann. Es wird, wie es zu erwarten war, ein Dünkirchen geben, oder ein zweites Stalingrad. Damit ist dann Afrika völlig abgeschrieben. Mussolini hat eine große Rede gehalten, aber man erfährt nicht, was er denn eigentlich gesagt hat; hätte er etwas Gutes gesagt, würde es wohl in der Zeitung stehen.

     Man spricht von der bevorstehenden Offensive im Osten. Zu diesem Zweck sollen ungeheure Massen von den berüchtigten Preßluftgranaten an die Ostfront gebracht worden sein, mit denen man eine neue Offensive von riesiger Wucht starten will. Man hat erzählt, daß die Russen auf die Verwendung dieser Munition mit Gas antworten werden. Dann wäre also diese furchtbarste Kriegführung da. Man wird ja bald sehen, was an diesem Gerede ist. –

     Heute Vormittag Gewitter mit mäßigem Regen, der es ermöglichte, Blumensamen auszusähen. Es war kühl, aber abends wurde es wieder klar. Gestern war es sehr warm. Die Trockenheit ist katastrophal.

     Die Anzeigen zur Hochzeit sind fertig beschriftet, morgen beginne ich mit der Absendung.

     Ruth hat aus Regensburg angerufen, sie kommt nun doch zur Hochzeit u. bringt die kleine Ortrun mit. –

Ahr. Sonntag, 9. Mai 1943.     

     Gestern ist Biserta gefallen u. in den Straßen von Tunis wird gekämpft. Damit wäre denn also dem Afrikarorps der Rückzug abgeschnitten u. das gesamte Material ist ebenfalls verloren, denn ein anderer Hafen steht nicht zur Verfügung. Diese Niederlage dürfte Dünkirchen weit in den Schatten stellen. Natürlich wird in unserem Rundfunk diese ganze Angelegenheit als ein Erfolg dargestellt, indem man sagt, wir hätten die Engländer u. Amerikaner sechs Monate lang aufgehalten u. inzwischen Zeit gehabt, anderes zu tun. Worin dieses Andere besteht, soll sich ja wohl in nächster Zeit erweisen.

     Das Wetter ist unbeständig geworden, aber doch ist es vorwiegend warm u. die Sonne scheint. Hoffentlich wird es sich bis zur Hochzeit am Mittwoch halten. Fritz fährt heute ab u. wird morgen Abend in Bln. sein. Gestern habe ich den Bürgermeister u. seine Frau zur Hochzeit eingeladen u. ihm gleichzeitig eine Spende von 50,– Rm. übergeben. Lehrer Deutschmann u. seine Frau haben, wie zu erwarten, bedauert, die Einladung ablehnen zu müssen, da Frau D.'s Schwester vor Kurzem gestorben ist u. sie Trauer hat. Leider werden auch die Nachbarn Papenhagen nicht kommen, weil die gute Frau zu schüchtern ist.

     Heute von Frau Heimann aus Bln. ein Brief. Sie bittet um Abholung meiner Bilder, die immer noch dort stehen, weil sie in ihrer Wohnung bombengefährdet sind. Vielleicht kann ich die Bilder wenigstens teilweise rasch herbekommen, um Fritz damit ein anständiges Hochzeitsgeschenk machen zu können. Martha telephoniert eben mit Rena Blühm in Bln., damit sie wenigstens einige von diesen Bildern abholt, dann kann Fritz oder Ruth morgen Abend etwas davon mit hierher bringen.

Abends.

     Auch Tunis ist gefallen. Der Befehlshaber des Afrikakorps v. Arnim ist auf Kap Bone abgedrängt u. dürfte kaum die Möglichkeit haben; seine Truppen nach Italien zu retten, vom Material ganz zu schweigen. Diese Niederlage ist weit größer als Dünkirchen. Vor allem

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Hans Brass: TBHB 1943-05-06. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-05-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2024)