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Anspruch nahm, ohne sich je zu bedanken, wie sie überhaupt die Tatsache, daß wir die ganze Last der Hochzeit auf uns genommen haben, als selbstverständlich u. ohne Dank hingenommen hat. Es wird sehr gut sein, wenn Margret jetzt von dieser Mutter getrennt ist, denn von ihr ist offensichtlich nichts Gutes zu erwarten.

     Am Sonnabend waren Abends nochmals Otto usw. bei uns u. heute um 11 Uhr sind auch sie abgefahren. Nun ist Ruhe. Fritz bleibt noch bis Mittwoch. Dann werden wir mit Margret allein sein. Es haben sich in diesen Tagen genug Wolken am Horizont aufgetürmt u. wir können nur Gott bitten, daß er alles zum Besten lenken möge.

     Inzwischen ist Afrika erledigt, es steht dort kein deutscher oder italienischer Soldat mehr, es sei denn als Kriegsgefangener. Bisher wird die Zahl der Kriegsgefangenen mit 175000 Mann angegeben, darunter 10 Generäle. – Rommel ist, wie jetzt bekannt gegeben wird, bereits vor längerer Zeit aus Afrika abberufen worden.

     Nachmittags waren wir: Martha, ich, Fritz u. Margret bei Frau Prof. Mariechen Seeberg, gen. „der Silberhase“ zum Kaffee eingeladen. Frau Prof. Seeberg war beim Hochzeitsessen meine Tischdame gewesen. Sie ist die Tochter eines hohen, evangelischen Geistlichen aus Rußland u. war dann mit einem Seeberg verheiratet, der m. W. ebenfalls Theologe war, u. zwar in Rostock. Er ist aber längst verstorben. Frau S. hat ihre Jugend in Petersburg zugebracht u. konnte anschaulich von dem luxuriösen Leben jener längst vergangenen Zeiten erzählen. Jetzt hat sie hier in Ahr. ein Haus, in welchem sie seit einigen Jahren im Sommer u. im Winter lebt, zusammen mit ihrer Tochter Doris, die eine Bildhauerin von durchschnittlicher Begabung, aber von sehr nettem Wesen ist. Frau S. selbst war uns im Geschäft als Kundin stets eine ziemlich fatale Erscheinung, doch zeigte sie sich heute in ihrem Hause von einer wesentlich angenehmeren Seite. Das Haus ist teilweise hübsch eingerichtet, gleichsam mit den Trümmern eines früher luxuriösen Lebens.

     Abends „Stalin“ gelesen.

Montag, 17. Mai 43.     

     Vormittags Rest des Gartens umgegraben u. für Buschbohnen hergerichtet. Nachmittags bei Margret u. Fritz zum Kaffee. Es war sehr gemütlich, das Wohnzimmer ist hübsch eingerichtet, sehr behaglich das Sofa. Martha sah sich die Post durch, die das junge Paar bekommen hat u. die sehr umfangreich ist, aber zum größten Teil auch sehr nichtssagend. Auch hierin Massenproduktion bei abnehmendem, inneren Wert. Es scheint, als ob nach den manchmal gefährlichen Spannungen der ersten Zeit sich langsam eine harmonischere Stimmung herausentwickeln wolle.

     Die letzten Vorgänge in Afrika enthüllen sich langsam immer deutlicher. Es hieß in unserem Herresbericht, daß sich unsere Streitkräfte ergeben hätten, nachdem die letzte Patrone verschossen war, man wollte offenbar die Geschichte vom Heldenkampf in Stalingrad wiederholen. Das ist aber nicht gelungen u. unsere sonst so fleißige Propaganda hat es diesesmal überraschend schnell aufgegeben, diese Walze weiter zu drehen. Es scheint sich immer deutlicher zu ergeben, daß unsere Soldaten sehr gut noch einige Zeit hätten weiter kämpfen können, aber sie haben offenbar keine Lust mehr gehabt, aus Tunis ein Stalingrad zu machen. In Dünkirchen haben die Engländer wohl ihre schweren Waffen u. Fahrzeuge verloren, aber sie haben ihre Armee gerettet, – wir aber haben in Tunis alles verloren. Es ist wohl die größte Niederlage, die die Nazis bisher erlebt haben, – noch größer als Stalingrad. –

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Hans Brass: TBHB 1943-05-16. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-05-17_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.5.2024)