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des Mittelmeeres u. der Nordküste Afrikas nicht weniger eindringlich dargelegt wurde. Dieser Krieg in Afrika hat Italien u. Deutschland zusammen etwa eine Millionen Verlust an Soldaten gekostet. Wozu das, wenn das Ganze nicht lebenswichtig war? Ein teurer Preis für einen Nebenkriegsschauplatz. Aber dieser Schwätzer macht aus Schwarz Weiß u. das dumme Volk glaubt es.

     An der russischen Front herrscht seit Tagen, – seit Wochen eine unheimliche Ruhe. Man weiß nicht, was sich da vorbereitet. Die italienische Armee ist längst zurückgezogen, der Winter hat uns riesige Verluste gebracht, von Stalingrad garnicht zu reden. Unsere Front muß also sehr bedeutend viel schwächer geworden sein. Was wird dort werden?

     Ein Minister in Dänemark hat eine Rundfunkrede gehalten über die Gefahr einer Invasion. Er hat der Bevölkerung empfohlen, in diesem Falle in die Keller zu flüchten u. sich dort jetzt schon so einzurichten, daß man mehrere Tage im Keller bleiben kann. In Holland ist der Belagerungszustand verhängt, alle ehemaligen Soldaten sind festgesetzt worden, soweit man ihrer habhaft geworden ist u. alle Rundfunkgeräte sind beschlagnahmt worden. Auch das ist ein Zeichen der Invasionsangst. Italien zieht seine Truppen, so weit wie irgend entbehrlich aus dem Balkan heraus. Man erwartet eben „mit souveräner Ruhe“ überall die Invasion. Dabei pflastern die Amerikaner u. Engländer ganz Italien mit Fliegerbomben Tag u. Nacht zu. Es muß besonders in Süditalien u. Sizillen gradezu grauenhaft sein, doch schreiben unsere Zeitungen darüber nichts. Die Ueberraschung wird um so größer sein.

Dienstag, 25. Mai 1943.     

     Gestern Abend Besuch Oblt. Dr. Krappmann u. Frau, tranken eine Flasche sehr guten Mosel, den mir irgendwann einmal Dr. Grimm geschenkt hat. Nach K.'s Ansicht werden wir an der Ostfront keine Offensive unternehmen, mit Ausnahme vielleicht gegen Petersburg. Er meint, es habe sich die Ansicht durchgesetzt, daß weiterer Landgewinn im Osten zwecklos sei, da er im Winter doch nicht gehalten werden könnte. Seiner Meinung nach wird man nur die jetzige Stellung im Allgemeinen halten wollen. Nach Ansicht von Offizieren, die den Feldzug im Kaukasus mitgemacht haben, soll unsere Offensive damals infolge Mangels an Betriebsstoff gescheitert sein, – der Rückzug soll uns dann etwa eine Jahresproduktion an Lastwagen gekostet haben, ebenso fast alle schweren Waffen. – In Militärkreisen erwartet man jetzt den Angriff der Engländer u. Amerikaner gegen Sizilien, Sardinien, Kreta u. Griechenland. – Wir sprachen von der sehr auffallenden Tatsache, daß zur Zeit, als Tunis fiel, amtlich in den Zeitungen bekannt gegeben wurde, daß der Führer dem Generalfeldmarschall Rommel bereits am 11. März die Brillanten zum Eichenlaub des Ritterkreuzes verliehen habe. Warum erfuhr man das erst jetzt, wo doch sonst jeder Ritterkreuzträger in Rundfunk u. Presse bekannt gegeben wird? –

     Heute hörte ich aus dem Rheinlande, daß die Sprengung unserer Talsperren durch englischen Bombenwurf mehrere Tausend Menschenleben gekostet haben soll. In der Zeitung werden, „nur“ 700 zugegeben, u. es wird gesagt, es wäre garnicht so schlimm! –

     An allen Fronten hält die unheimliche Ruhe immer noch an. Arbeite jetzt täglich im Geschäft. Auszeichnung der Ware, Organisation der Ware usw. Margret, die mit mir arbeitet, ist überaus eifrig. Wir richten den Turm als Warenlager ein, – wir haben so wenig Ware, daß wir damit auskommen.

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Hans Brass: TBHB 1943-05-23. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-05-25_001.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2024)