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unheimlich anmuteten, so sehr ist die Gnade Gottes bei diesen Menschen spürbar. So erzählte er z. B. von seinem Bruder, der als Marineflieger=Oberleutnand im ersten Weltkriege gefallen ist. Er, wie alle Kinder, – es ist noch eine Schwester da, hatte die natürliche Gewohnheit, seinem Vater zum Geburtstage zu schreiben, der im Oktober war. Nun wurde er aber im September von den Engländern über dem Kanal abgeschossen u. der Geburtstagsbrief fiel aus. Der Vater hatte vorher die Nachricht vom Tode des Sohnes erhalten, doch war die Leiche bislang nicht gefunden worden. Am Geburtstage erhielt der Vater ein Telegramm, daß die Leiche soeben an der holländischen Küste angeschwemmt worden sei. So kam der Sohn doch noch zum Geburtstage seines Vaters. – Solche u. ähnliche Geschichten erzählte er sprudelnd. – Merkwürdig ist auch, daß seine Eltern auf einer Konzertreise in Jerusalem ein Ehepaar aus Bremen kennen lernten. Die Tochter dieses Ehepaares, die damals noch grade unterwegs u. noch nicht geboren war, lernte Walther R. nach vielen Jahren, „zufällig“ kennen, als er irgendwo in Norddeutschland, ich glaube bei Bremen ein Kirchenkonzert gab. Sie gehörte zum Kirchenchor u. wirkte beim Konzert mit. Dieses Mädchen kam dann nach Leipzig, um ihre Stimme weiter ausbilden zu lassen, traf dort Walther R. wieder u. wurde dann seine Frau.

     Fritz, der mit Margret gestern Abend ebenfalls bei uns war, hat sich gestern Nachmittag kurz bei mir ausgesprochen. Er sagte mir, daß er Margret sehr verändert fände, – ich mußte ihm das bestätigen, – leider. Es ist schon seit Wochen so, daß sie zwar willig tut, was man ihr sagt, aber sie zeigt dabei nicht das mindeste Interesse. Es war natürlich nun die Frage zur Sprache gekommen, was sie im Winter tun soll. Diese Frage spielt seit langem eine Rolle u. wurde zwischen ihr u. Klaus schon oft erörtert. Sie will nach Bln., um zu studieren, wogegen Klaus ihr eindeutig gesagt hat, daß das nicht ginge. Sie hat als Fritzens Frau hier zu bleiben, so langweilig das für sie auch sein mag. Studiert sie aber in Bln., so wird sie sich von Fritz entfernen. Sie hat sich deshalb auch an ihren Vater gewandt, der ja ursprünglich nichts lieber gesehen hätte, als wenn sie studiert hätte u. der deshalb gegen diese Heirat war. Sie hat deshalb geglaubt, von ihrem Vater Hilfe zu bekommen. Dieser hat das aber abgelehnt u. hat ihr erklärt, daß darüber allein Fritz zu entscheiden habe. Das hat sie dem Vater sehr übel genommen.

     Fritz ist natürlich auch gegen diese Idee, die sich ja schon rein wirtschaftlich nicht durchführen läßt, da Fritz garnicht in der Lage ist, das Studium zu bezahlen, besonders, da es sich ja nur um eine Laune u. eine Abwechslung handelt. – Ueber diese Frage ist es zwischen beiden schon früher brieflich zu Auseinandersetzungen gekommen, die sich jetzt in anscheinend scharfer Form wiederholt haben. Ich habe Fritz den Rücken gestärkt u. habe ihm empfohlen, fest zu bleiben auf Biegen oder Brechen. – Das Schlimmste ist, daß Margret im September ihre Mutter erwartet, die natürlich die Albernheiten noch unterstützen wird u. überhaupt einen denkbar schlechten Einfluß ausüben wird. Es werden da manche Kämpfe bevorstehen. –

An der Ostfront, wo wir nach unserem Heeresberichten stets alle Angriffe abweisen, haben die Russen Achtyrka genommen, eine Stadt westlich Charkiw. Auch an anderen Stellen sind sie im Vordringen u. greifen unentwegt an. Auf Sizilien haben wir neue Stellungen bezogen, wir halten also nur noch einen kleinen Brückenkopf bei Messina.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-08-13. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-08-13_002.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2024)