Seite:Raisonirendes Journal vom deutschen Theater zu Hamburg (1801) Seite 018.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

sie zu verführen; ein Baron Wartenfels verfolgt sie mit sträflicher Liebe, und eine niederträchtige Tante, die Wittwe Wernau, unterstüzt dessen Plane, um aus Amaliens Verkuppelung für ihren Geiz Gewinn zu ziehen. Die iunge Frau liebt Zerstreuungen, findet an ihnen mehr Geschmak, als an dem monotonischen Umgang mit dem ernsthaften Gatten, als an der stillen häuslichen Einsamkeit – vernachlässiget Jenen, versäumt ihre Wirthschaft, denkt nur an Puz, und Divertissements, hört iede ihrer Schönheit gesagte Schmeicheley mit Wohlgefallen an, schwimmt mit dem Strome, in den sie sich durch den fast täglichen Umgang mit der Tante gestürzt hat, ohne Ueberlegung fort – stüzt sich bey dem Allen sorgenlos auf das innre Bewußtseyn ihrer sittlichen Reinheit, und Unschuld; glaubt, bey einem redlichen Herzen könne man sich kleine Abweichungen von den eingeführten Gesezen des gar zu strengen Wohlstandes mitunter erlauben. Auf diesem Wege geht sie dem wirklichen Verderben desto unvermeidlicher entgegen, ie weniger ihr Mann die rechten Mittel zu ihrer Rettung anwendet. Schon längst sollte er ihr die nahe Gefahr vor Augen stellen, sie ernsthaft warnen, sie mit männlicher Kraft aus dem Labyrinthe führen; statt dessen hatte seine eigne Temperamentsschwäche sie immer geschont, er den Herkules am Spinnroken bey ihr gespielt, für ihrem Hang zum Puz selbst übertrieben gesorgt, sie mit ieder Modetändeley unaufhörlich überrascht, und dadurch die Wünsche weiblicher Eitelkeit mehr angefacht, als gestillt, für ieden ihrer befriedigten Einfälle zehn Neue aufgeregt.