Seite:Volksbuch für Schleswig Holstein und Lauenburg 1844 086.jpg

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Trümmer gesunken, die Möwen aber bewohnen noch immer und jetzt allein die Insel, und rufen. Erich! Erich![1]

Abel war nun König, aber Ruhe fand er nicht mehr und fiel zwei Jahre später in einem Kampfe gegen die Friesen, der Rademacher Wessel Hummer aus Pellworm erschlug ihn auf dem Milderdamm bei Stapelholm. Auch ihn bestattete man wie seinen Bruder im Dome zu Schleswig; aber es duldete ihn nicht im Grabe. Nachts, wenn die Mönche ihr Gebet absangen, erhub sich Gepolter und Stöhnen und störte sie in ihrem heiligen Amte. Nachdem sie vergebens versucht hatten, den ruhelosen Geist zu bannen, ließen sie die Leiche ausgraben und in einen Sumpf im Pöhlerwald[2] versenken und einen Pfahl durch den Sarg und den Körper in die Erde treiben, damit er sich nicht wieder erheben könne. Noch jetzt zeigt der Bauer der dortigen Gegend die Stelle. – Allein es ist Alles vergebens gewesen. In der Nacht steigt der todte König aus seinem Sumpfgrabe und schwingt sich auf ein kleines feuriges Roß; zwei feurige Hunde begleiten ihn. So unter Pfeifen und Hörnerschall braus’t die wilde Jagd hoch durch die Luft hin, über das Gehölz, über die Domkirche dem Möwenberge zu; um diesen wird die Runde gemacht; dann geht es weiter bis nach Missunde hin zu der Stätte des Brudermordes, dann wieder zurück in das Grab im Pöhlersumpf. Das ist


  1. Andre sagen, daß die Möwen der Herzog und seine Gesellen sind, die so arg auf der Insel haus’ten, daß Gott sie in Möwen verwandelte, und es ihnen auflegte, daß sie jährlich sollten geschossen werden. Daher das Möwenschießen, ein Volksfest der Schleswiger. So viel ihrer auch getödtet werden, kommen sie doch jährlich wieder. Vor hundert Jahren ist das Möwenschießen einmal unterblieben; da blieben die Möwen sieben ganze Jahre aus.
  2. Bei der jetzigen Stampfmühle.
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Theodor Storm, Theodor Mommsen: Schleswig-Holsteinische Sagen. Schwers’sche Buchhandlung, Kiel 1844, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Volksbuch_f%C3%BCr_Schleswig_Holstein_und_Lauenburg_1844_086.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)