Zum Inhalt springen

Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 161.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe

Es ist kein schöner Harmonie noch Musik, dann so der Mensch ist innerlich gelik.



Von Clotilde de Vallon-Chalys
(aus dem 15. Jahrhundert)
nach der Ausgabe von Vanderbourg.




O mein lieb Kindelein, wahr Bild vom Vater deine,
     Schlaf an dem Busen, den dein Mund gepreßt!
Schlaf, Kleinchen, ein und schließ auf Mutterschoos das kleine
     Süß Aeugelein im süßen Schlummer fest.

5
Schön Liebchen, schmecke nur, o Freund, mit deinen müden

     Aeuglein den Schlaf, der nicht mehr ist für mich.
Ich wach’ um dich zu schaun, zu nähren, zu behüten,
     Wie süß ist mirs zu wachen nur für dich.

Schlaf ein mein Kindelein, mein Heiligthum und Sorge,

10
     Mir auf dem Schooß, dem Schoose, der dich trug.

Wenn ich noch nicht dem Laute deines Wortes horche,
     Entzückt mich doch dein Lächeln oft genug.

O mein lieb Kindelein, etc.

Wirst lächeln mir vielleicht, mein Kleinod, beym Erwachen,
     Wirst lächeln meinem freudevollen Blick,
Schon kann, daß du mich kennst, der deine kund mir machen,

20
     Hast schon zu spiegeln dich in mir Geschick.


Wie? dein weiß Händchen läßt die Brust auf einmal fahren,
     Wo erst nach Lust geschöpft dein Mündelein?
     Mein süßes Minnepfand, du mußt sie niemal sparen,
     nie schöpfst du gnug nach dem Verlangen mein.

25
Lieb Kleinchen, schöner Freund, zart Söhnlein, mein Entzücken,

     Mein Sorge, meine Liebe, liebstes Kind!
Schau immer dich, schau dich mit nimmersatten Blicken,
     Zu kurz dafür nur Tag und Nacht mir sind.

Verselets à mon premier né.





O cher enfantelet, vray pourtraict de ton pere,
     Dors sur le seyn, que ta bouche a pressé!
Dors, petiot; cloz, amy, sur le sein de ta mère,
     Tien doulx oeillet, par le somme oppressé.

5
Bel amy, cher petiot, que ta pupille tendre

     Gouste ung sommeil, qui plus n’est fait pour moy!
Je veille pour te veoir, te nourrir, te défendre -
     Ainz qu’il m’est doulx ne veiller que pour toy!

Dors, mien enfantelet, mon soulcy, mon idole!

10
     Dors sur mon seyn, le seyn qui t’a porté,

Ne m’esjouit encor le son de ta parole,
     Bien ton soubriz cent fois m’aye enchanté.

O cher enfantelet etc.

Me soubriraz, amy, dez ton réveil peut-estre;
     Tu soubriraz à mes regards joyeulx…
Jà prou m’a dict le tien, que me sçavoiz cognestre,

20
     Jà bien appriz te myrer dans mes yeulx.


Quoy! tes blancs doigtelets abandonnent la mamme,
     Ou vingt puyzer ta bouschette à playzir! … !
Ah! dusses la seschier, cher gage de ma flamme,
     N’y puyzeroiz au gré de mon dezir.

25
Cher petiot, bel amy, tendre fils que j’adore!

     Cher enfançon, mon soulcy, mon amour!
Te voy toujours; te voy et veulx te veoir encore:
     Pour ce trop brief me semblent nuict et jour.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_161.jpg&oldid=- (Version vom 15.2.2018)