Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 07.jpg

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müssen. Nur durch lange Übung konnte sie sich aus zwei recht verschiedenen Dialekten bilden, und das Epos, wie wir es lesen, verwendet Formen und Wörter, die im Leben längst nicht mehr galten, und daneben entschlüpfen den Dichtern unwillkürlich jüngere Bildungen. Wir sind nun wohl so weit, daß wir beides auch nebeneinander gelten lassen. Nun aber ist diese Literatursprache da, früher da, als es Lesebücher gibt, und tausend Jahre lang ist jeder, der epische oder elegische Verse macht, gehalten, sich ihrer zu bedienen. Hesiodos von Askra so gut wie der Silentiar Paulus. Wo sich individuelle Kunst in der Behandlung der epischen Sprache betätigt, bei Empedokles oder Theokrit, Nikander oder Nonnos, wird der Abstand von der lebendigen Sprache nur immer größer. Das Epos ließ meistens noch einige Freiheit. Dagegen wer nach Euripides tragische Verse macht, der ist an seine Sprache und seinen Stil schlechterdings gebunden, wer komische Verse macht, ebenso an Menander. Hier ist denn auch der Erfolg gewesen, daß nichts von bleibender Bedeutung mehr entstand. Auch die chorische Lyrik hatte bereits Ansätze zu einer allgemeinen Kunstsprache gemacht, aber erst so wie sie die attischen Tragiker abgetönt hatten, scheint sie weiter in Gebrauch geblieben zu sein, wieder ohne daß die Nachahmung etwas Bleibendes schuf. Das sind drei oder vier Sprachen und Stile, die wir alle lernen und sorgfältig auseinander halten müssen; es rächt sich schwer, wenn der Textkritiker sie vermischt. Das muß man im Auge behalten, um gegen die klassizistische Reaktion der Caecilius und Dionysios nicht ungerecht zu werden. Denn neben der verhängnisvollen Einseitigkeit, die auf jeden Fortschritt verzichtet und das Leben vergewaltigt, liegt darin derselbe künstlerische Wille, der das, was eine absolute Vollkommenheit erreicht hat und darum ewig vorbildlich bleibt, festhalten will, gleich als ob Nachahmung das Original erreichen könnte. Es ist