„Ausgeblasene“ Kinder

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: „Ausgeblasene“ Kinder
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 240
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[240] „Ausgeblasene“ Kinder. Nach alter Sitte zieht der Berliner am Sonntagnachmittag mit Kind und Kegel aus, um in irgend einem Biergarten seine Erholung zu suchen. Trotz aller elterlicher Warnungen liebt es das kleine Volk, der unmittelbaren Aufsicht zu entwischen, um irgend einem reizvolleren Vergnügen nachzuspüren, als es darin liegt, Vater und Mutter beim Austrinken ihrer Biergläser zuzuschauen. Da lockt ein Hausierer als moderner Rattenfänger von Hameln mit allerlei wunderbarem Tand, dort springen an einer Schießbude geheimnisvolle Thore auf, große Glaskugeln blitzen in der Sonne, kurz, es ist des Neuen und Entzückenden zu viel, als daß ein Kinderherz widerstehen könnte. Weiter strebt es und weiter und „taumelt von Begierde zum Genuß“, bis eines schönen Augenblicks doch das kleine Gewissen schlägt und zur Heimkehr an den elterlichen Stammsitz mahnt. Aber o weh! Grausame Ernüchterung! Ringsum viele Tische mit vielen vielen Menschen, aber lauter fremde Gesichter, ein brausendes Meer ohne Weg und Steg! Dem armen Flüchtling wird wind und weh, und in jammerwürdigem Geheul macht er seinem gepreßten Herzen Luft. Doch der Retter naht. Irgend ein in solchen Zwischenfällen erfahrener Stammgast nimmt den verirrten Mitbürger väterlich auf seine starken Arme und trägt ihn sicher dahin, wo die Musik spielt. Ein schmetterndes Signal – aller Augen wenden sich der Musiktribüne zu: auf den Schranken steht, von einem kräftigen Hoboisten der Menge präsentiert, der heulende Findling, und nicht lange dauert es, da windet sich eine Gestalt mit flatternden Hutbändern eilig durch die Menge – es ist die Mutter, die sich lange schon um den ungetreuen Liebling geängstigt. Mit Thränen in den Augen zieht sie den auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege wiedergefundenen Sohn an ihr Mutterherz: Ob ihn freilich der Vater mit ebenso „zärtlichem Liebesblick“ empfangen wird, das ist nicht so ganz sicher; jedenfalls giebt es sehr viele Väter, deren Erziehungsgrundsätzen dies unbedingt zuwiderlaufen würde.

„Ausgeblasene“ Kinder.
Originalzeichnung von E. Thiel.