1870 (Ernst von Wildenbruch)

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Textdaten
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Autor: Ernst von Wildenbruch
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Titel: 1870
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 485
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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1870.

Zur 25jährigen Erinnerung.
Von Ernst von Wildenbruch.

Ich senke mein träumendes Haupt in die Nacht,
0 In die lautlose Nacht der Vergangenheit –
Die Tiefe regt sich und es erwacht
0 Die alte Zeit, die gestorbene Zeit.

Ich höre noch einmal den Tigerschrei,
0 Mit dem sich Frankreich zum Sprung erhebt,
Die Raben krächzen zum Mahle herbei,
0 Zum Leichenmahle, die Welt erbebt.

Ich höre den Ton, der die Welt durchzückt,
0 Wie Deutschlands Volk auf die Füße springt,
Wie es dröhnend den Helm in die Locken drückt
0 Und um die Lenden den Schwertgurt schlingt.

Die Hörner rufen, die Trommeln gehn,
0 Die Rosse stampfen durch Korn und Sand,
Auf wallenden Fahnen geschrieben stehn
0 Zwei heilige Worte – „Fürs Vaterland“.

Fürs Vaterland, dem der Zwietrachtswurm
0 Die lähmende Tatze aufs Herz gelegt –
Meine Seele geht auf, vom Frühlingssturm
0 Durchrauscht, der die Zwietracht hinweggefegt.

Mein Auge wird sehend, mein Auge sieht
0 Noch einmal das, was da herrlich war,
Vor meinem Auge vorüberzieht,
0 Wie stürmende Adler, Schar auf Schar.

An den Rhein, an den Rhein und hinüber den Rhein
0 Mit schweigendem Groll in die kreischende Wut –
Kanonen brüllen, es sinken die Reihn –
0 Rot schäumen die Bäche von rotem Blut.

Auf steigenden Rossen die Führer voran,
0 Die Schwerter gezogen, voran ins Feld,
Ganz Deutschland dahinter, ein einziger Mann,
0 Ein einziger Mann und ein einziger Held.

So zogst du hinaus für Heimat und Recht
0 In den heiligen Streit, in den heiligen Tod,
Mit den Jünglingsherzen, du Männergeschlecht,
0 Du Deutschlands siegendes Morgenrot!

So hast du geschlagen den schmetternden Schlag,
0 Der den Feind zerbrach und uns baute das Reich,
O, du Deutschland, wie sahst du am herrlichen Tag
0 Dem Drachentöter, dem Siegfried gleich!

Die Jahre wandeln, die Stunde fliegt,
0 Geschlechter der Menschen kommen und gehn –
Wo einer von jenen begraben liegt
0 Du Deutscher von heute, da bleibe stehn.

Da lüfte den Hut und führ’ an der Hand
0 Deinen Sohn und heiße ihn beugen sich
Und sprich zu ihm: „Für dein Vaterland
0 Ließ dieser sein Leben, er starb für dich.“