ADB:Beust, Friedrich Graf von

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Artikel „Beust, Friedrich Ferdinand Freiherr von“ von Bernhard Erdmannsdörffer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 494–532, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Beust,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:10 Uhr UTC)
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Beust: Friedrich Ferdinand Freiherr, später Graf von B., sächsischer, später österreichischer Staatsmann, geboren in Dresden am 13. Januar 1809, † am 24. October 1886 in Altenberg bei Wien. Sein Vater, der sächsischen Linie des weitverzweigten Geschlechts angehörig, war Kammerherr und Oberhofgerichtsrath in Dresden († 1840), die Mutter eine geborene v. Carlowitz; ein älterer Bruder, Friedrich Constantin, hat sich auf dem Gebiet des Berg- und Salinenwesens, sowie als Geolog einen geachteten Namen erworben. Der jüngste Sohn des Hauses, Friedrich Ferdinand, zeigte von früh an gute Begabung, machte seine Studien erst aus der Dresdener Kreuzschule, dann von 1826–1830 auf den Universitäten Göttingen und Leipzig, bestand mit Auszeichnung seine juristischen Examina und dachte eine Zeit lang selbst daran, sich dem akademischen Lehrberuf zu widmen. Familientradition, der Wunsch des Vaters und wol auch die vorwaltende eigene Neigung entschieden indeß für den Staatsdienst; die diplomatische Laufbahn wurde ins Auge gefaßt. Die Anfänge seiner vorbereitenden Beamtenthätigkeit liegen in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre, wo nach dem Ablauf der revolutionären Bewegungen, nach Erlaß der Verfassung vom 4. September 1831 und endlich nach dem Eintritt in den preußisch-deutschen Zollverein für das sächsische Land unter dem „Mitregenten“ Friedrich August (König 1836) und dem Ministerium Lindenau eine Reihe friedlich bewegter und ersprießlicher Jahre begann. Der junge Ministerialassessor war von seiner Göttinger Studienzeit her ein wenig liberal-constitutionell angehaucht; aber so ernst meinte er es damit nicht, um sich die Carriere zu verderben, und nachdem er auf einer längeren Reise die Schweiz, Frankreich und England kennen gelernt, wurde ihm 1836 seine erste diplomatische Anstellung zu Theil, er wurde als Legationssecretär der sächsischen Gesandtschaft in Berlin beigegeben; zwei Jahre später wurde er in der gleichen Eigenschaft nach Paris versetzt. So wenig bedeutend die Stellung eines sächsischen Gesandtschaftssecretärs war, so wußte B. diese diplomatische Lehrzeit doch wohl auszunutzen; besonders der Aufenthalt in Paris, in der Zeit der schweren politischen Krisis von 1840, mußte für einen jungen gut beobachtenden Diplomaten sehr unterrichtend sein. Nach drei Lehrjahren in der französischen Hauptstadt wurde er Ende 1841 bereits als reif erachtet zur Uebernahme eines selbständigen Postens; er wurde als Geschäftsträger nach München versetzt, wo in den folgenden Jahren besonders die Interessen der rührigen sächsischen Eisenbahnpolitik eine geschickte Vertretung erforderten. Der protestantische Vertreter eines katholischen Hofes bei der bairischen Regierung, die damals ganz in der Hand der ultramontanen Partei lag, wußte sich geschmeidig durch alle Schwierigkeiten dieser Stellung hindurchzuwinden, vermied es sich allzusehr um die Angelegenheiten der hartbedrängten bairischen Protestanten zu kümmern, stand mit dem allmächtigen Minister Abel und mit dem päpstlichen Nuntius Viale Prela auf dem besten Fuße und erreichte dadurch für seine politischen Aufgaben, besonders in den Eisenbahnsachen, mancherlei Vortheile. Auch persönlich kam ihm dieses Verhältniß zu statten. Beust verheirathete sich in München 1843 mit einer katholischen Dame, der Tochter des Generals Freiherrn v. Jordan; obgleich er das Versprechen der katholischen Kindererziehung weigerte, erreichte er es doch, daß [495] die Ehe, allein durch protestantische Trauung, unter zahlreicher katholischer Assistenz vollzogen wurde.

Auf eine schwierigere Probe würde seine diplomatische Geschmeidigkeit durch den Lola-Montez-Sturm und den Sturz der ultramontanen Parteiregierung gestellt worden sein; aber kurz zuvor hatte er München verlassen, er war 1846 zum Minister-Residenten in London ernannt worden. Das war schon eine ansehnlichere Stellung, auf einer der wichtigsten Hochschulen des diplomatischen Dienstes. In den nächsten zwei Jahren lebte sich B. aufs intimste in die englischen Verhältnisse ein; er ist später wiederholt dorthin zurückgekehrt, zuletzt für längere Zeit als österreichischer Botschafter, und der für Deutsche oft nur allzu bestrickende Reiz des englischen Lebens in den höheren Gesellschaftskreisen hat auch auf ihn seine Wirkung geübt; wie eine zweite Heimath, sagt er selbst, sei ihm allmählich England geworden. Damals trat er in London in bedeutende und lehrreiche Verhältnisse ein. Die eigenen sächsischen Gesandtschaftsgeschäfte wollten nicht viel besagen, abgesehen etwa von einem Vertrag über den Schutz des litterarischen Eigenthums, der in jener Zeit abgeschlossen wurde und für den Leipziger Buchhandel von Belang war. Aber welche Fülle von Belehrung bot dem jungen, von begünstigter Stelle aus scharf beobachtenden Staatsmann der Anblick des hochbewegten englischen Parteilebens jener Jahre; B. kam nach London, als der Kampf um die Kornzölle sich seiner Krisis nahte; er sah noch Peel im Ministerium, erlebte den Sieg seiner befreienden Kornbill und den bald darauf folgenden Sturz des Ministers; mit ihm und seinem Gegner Lord Russell, mit Palmerston und dem Herzog von Wellington trat er in persönliche Beziehungen. Vielleicht ist damals, auf englischem Boden, sogar die deutsche Frage, die Frage der deutschen Bundesreform, zum ersten Mal in den Kreis seiner politischen Erwägungen getreten. Denn durch ein eigenthümliches Zusammentreffen persönlicher und dynastischer Beziehungen fügte es sich, daß die seit dem Beginn der vierziger Jahre immer mehr in den Vordergrund tretenden Fragen einer Neugestaltung der deutschen Bundesverfassung auch in den führenden Londoner Kreisen Gegenstand lebhafter Erörterung wurden. Der Prinz-Gemahl der Königin Victoria, der sachsen-coburgische Prinz Albert, so sehr er durch seinen englischen Beruf dem lebendigen Zusammenhang mit den deutschen Angelegenheiten entfremdet war, fühlte sich doch, jetzt wie später, gern als maßgebende Autorität in Fragen der deutschen und der preußischen Politik; mit den Männern seines intimen Vertrauens, mit dem Fürsten von Leiningen (einem Halbbruder der Königin Victoria), mit dem preußischen Gesandten Bunsen, mit dem coburgischen Hausorakel Stockmar wurden die deutschen Fragen eifrig besprochen, und es sind aus diesem Kreis eine Anzahl von Denkschriften hervorgegangen, die eine Stelle haben in der Vorgeschichte der deutschen Verfassungskämpfe der folgenden Jahre. B. gehörte nicht zu dem engeren Kreis dieser Vertrauten, aber an Besprechungen mit ihnen wird es nicht gefehlt haben; Prinz Albert jedenfalls zog ihn in sein Vertrauen und theilte ihm seine schriftlichen Aufzeichnungen über die Reform der deutschen Bundesverfassung mit, vielleicht dieselbe etwas lehrhaft anmaßende und praktisch werthlose Denkschrift vom September 1847, die er auch dem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen vorlegte. Der sächsische Diplomat vermied es vorsichtig, zu den hier geäußerten wohlmeinenden Reformplänen Stellung zu nehmen; es wird ihm wahrscheinlich schon damals nicht unbekannt geblieben sein, daß an der für die englische auswärtige Politik entscheidenden Stelle, bei dem Minister Palmerston, alle Gedanken an eine straffere politische und handelspolitische Einigung Deutschlands der entschiedensten Antipathie begegneten.

Die gesandtschaftliche Thätigkeit Beust’s, so sehr sie der Natur der Sache nach wesentlich nur eine berichterstattende sein konnte, hatte inzwischen die Blicke [496] der regierenden Kreise in Dresden auf ihn, als eine auch zu höheren Aufgaben befähigte Kraft gerichtet. Die Zeit des politischen Stilllebens war seit dem Beginn der vierziger Jahre auch in Sachsen vorüber; durch mancherlei Vorboten kündigten sich die Stürme der Revolution an. Das gemäßigt reformfreundliche Ministerium Lindenau war schon 1843 gefallen; das straff conservative Ministerium v. Könneritz[WS 1], das ihm folgte, hielt unter immer wachsenden Schwierigkeiten – schon 1845 kam es zu den bekannten blutigen Unruhen in Leipzig – bis zum März 1848 aus; in das nun unvermeidliche liberale Märzministerium, an dessen Spitze der Advocat und bisherige Kammerpräsident Braun trat, wünschte der König B. als Nachfolger von Könneritz für das Ministerium des Auswärtigen zu berufen. Auf die erste Botschaft eilte B. von London herbei; aber noch ehe er zur Stelle war, hatten sich die Verhältnisse in Dresden geändert; der Drang der Märzstürme forderte eine neue ministerielle Combination, infolge deren der Leipziger Professor und designirte Minister des Inneren von der Pfordten das Ministerium des Cultus und das Auswärtige übernahm. Als B. in Dresden erschien, empfing ihn die Nachricht, daß der ihm zugedachte Posten bereits besetzt sei, zugleich mit der Weisung, sich nicht öffentlich zu zeigen und auf seinen Londoner Posten zurückzukehren. Schließlich glaubte man doch, ihm für diese Fehlgeburt eines Ministeravancements eine Genugthuung schuldig zu sein, und da eben jetzt der Gesandtschaftsposten in Berlin vacant war, wurde ihm im Mai 1848 diese wichtige Stellung übertragen.

So kehrte er zum zweiten Mal in die preußische Hauptstadt zurück, wo er vor zwölf Jahren seine diplomatische Lehrzeit begonnen hatte, und verlebte hier das erschütterungsreiche Jahr. Neben allem anderem blieb ihm bis in späte Zeiten auch die Erinnerung an seine damalige erste Begegnung mit Bismarck lebendig; die beiden Staatsmänner trafen sich zufällig im Hause Savigny’s; das Gespräch kam auf die Erschießung Robert Blum’s in Wien, und B. sprach die Ansicht aus, daß vom österreichischen Standpunkt aus dieser Act ein politischer Fehler gewesen sei; „ganz falsch“, erwiderte der Bismarck vom November 1848, „wenn ich einen Feind in der Gewalt habe, muß ich ihn vernichten“; es war dieselbe Stimmung, in welcher Bismarck damals den eben erfolgten friedlichen Einzug Wrangel’s in Berlin für einen politischen Fehler erachtete; ein kleines Straßengefecht, infolge dessen Berlin als eroberte Stadt hätte betrachtet werden können, wäre ihm lieber gewesen.

Inzwischen neue Wandlungen in der sächsischen Heimath. Das in sich selbst zwiespältige Märzministerium Braun-Pfordten zeigte sich auf die Dauer der übernommenen Aufgabe nicht gewachsen. Immer unbändiger drängten in dem bis vor kurzem noch so stillfriedlichen Lande und in dem demokratischen Landtage von 1849 die radicalen Elemente sich vor, die deutsche Frage, die Thätigkeit des Frankfurter Parlaments steigerte die Leidenschaften von Woche zu Woche; zuletzt ergriff das Ministerium die Frage der von der zweiten Kammer geforderten sofortigen Publication der in Frankfurt beschlossenen deutschen Grundrechte als Anlaß zum Rücktritt. Am 24. Februar 1849 ging nach elfmonatlicher Dauer – mit geringem Ruhm – das Märzministerium zu Ende. Die Zusammensetzung der neuen Regierung erfolgte sofort; demokratische Concessionen an die Landtagsmajorität lehnte der König ab, aber ebenso ein Zurückgreifen[WS 2] auf die alten vormärzlichen bureaukratisch-adeligen Elemente. Das neue Ministerium ward aus politisch bisher wenig hervorgetretenen Männern gebildet, bewährten Geschäftsleuten von tüchtiger Arbeitskraft, ein eigentliches Beamtenministerium, als namengebender Chef an der Spitze der Oberappellationsrath Dr. Held. In das Ministerium des Auswärtigen wurde der bisherige Gesandte in Berlin, Beust berufen; auch er ein Mann, der vermöge seiner [497] langjährigen Abwesenheit im diplomatischen Dienst den Kämpfen des inneren sächsischen Parteilebens bisher äußerlich fern gestanden hatte. Nicht ohne einige Bedenken folgte er dem Ruf; die Gefahr lag nahe genug, daß gegenüber den unberechenbaren Schwierigkeiten der Lage auch dieses Ministerium sich rasch abnutzen und ihn in seinen Mißerfolg hineinziehen werde. Er wagte es dennoch und hat den übernommenen Posten von hier an bis zu der Katastrophe von 1866 behauptet.


Der vierzigjährige Staatsmann, der jetzt das Ministerium des Auswärtigen, nach einigen Monaten auch das des Cultus und Unterrichts übernahm, der bald der volle Vertrauensmann des Königs Friedrich August und das leitende Haupt der sächsischen Regierung wurde, war in der Schule der alten Diplomatie aufgewachsen; nach Naturell, Neigung und allgemeiner Weltansicht ist er eigentlich immer vorwiegend Diplomat geblieben. Eine reiche Lebenserfahrung in der Sphäre der großen Welt war ihm eigen; er kannte die wichtigsten Höfe; von den führenden Staatsmännern der Zeit war er den meisten begegnet, mit vielen hatte er in näherem Verkehr gestanden; die kleinen und die großen Fragen der europäischen Politik waren näher oder ferner in seinen Gesichtskreis getreten. Helläugiges, klar blickendes obersächsisches Naturell und ein glückliches Temperament kamen ihm zu Statten. Es war nichts dämonisch Gewaltsames in ihm; bei allem Ernst in Arbeit und Beruf ein lebensfrohes Kind der Welt, keinem Genusse abhold, ein Meister der Geselligkeit, von gefälligen Lebensformen, witzig und unterhaltend, in Schrift und Rede von verführerisch leichter Productivität, nicht ohne eine gewisse Neigung zu selbstgefälliger Weitschweifigkeit. Seine politischen Grundanschauungen waren im wesentlichen die der diplomatischen Atmosphäre, in der er lebte; er konnte als ein gemäßigt Conservativer gelten, der zeitgemäßen Reformen nicht abgeneigt, zunächst aber entschlossener Gegner der Revolution war. In den Fragen der deutschen Politik steht er nach Tradition und Ueberzeugung auf dem Boden des alten Bundesrechts; seine politischen Sympathien neigen auf die Seite Oesterreichs, Preußen steht er mit allen Vorbehalten der hergebrachten deutschen Mittelstaatspolitik, doch ohne eigentliche Feindseligkeit, gegenüber.

Zunächst hatte das neue Ministerium schwierigste Arbeit daheim. Es begann mit der von Vielen mißbilligten, praktisch im Grunde ziemlich irrelevanten Concession, daß es die von der öffentlichen Meinung geforderte Publication der „Grundrechte“ gewährte, um gegenüber dem Landtag sich den Boden für seine weitere Action zu bereiten. Aber das Mittel blieb ohne Wirkung; immer ungestümer schreitet der tobsüchtige Radicalismus, der jetzt in der sächsischen Hauptstadt eines seiner Hauptquartiere hatte, vorwärts, die gemäßigten Elemente theils mit sich fortreißend, theils einschüchternd – die letzte Entscheidung brachte, hier wie anderwärts, die Krisis der allgemeinen deutschen Frage. Das Frankfurter Parlament hatte sein Verfassungswerk vollendet (28. März 1849); eine Woche später erfolgte die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, und dann der bekannte folgenreiche Umschwung, daß die jetzt von den entscheidenden deutschen Regierungen abgelehnte Verfassung mit dem preußischen Erbkaiserthum von der demokratischen Partei als unveräußerliches Eigen des deutschen Volkes erklärt und ihre Durchführung – mit oder noch lieber ohne die preußische Spitze – die Parole neuer Kämpfe wurde, bei denen in Wirklichkeit ein großer Theil der Vorkämpfer für die Frankfurter Verfassung nicht sowol für diese als für viel weiter gehende demokratische und republikanische Ziele stritt.

[498] In Sachsen führte die von der gesammten Bewegungspartei stürmisch geforderte Annahme der Reichsverfassung zu den gewaltsamsten Erschütterungen. Ein Theil der Minister war für Nachgiebigkeit; B. und der resolute Kriegsminister Rabenhorst stimmten für entschlossenen Widerstand gegen diese ohne Mitwirkung der deutschen Fürsten geschaffene Verfassung, deren principielle Anerkennung als ein halber Verzicht auf die Vollsouveränität des sächsischen Königreichs erschien. In dem gleichen Sinne entschied der König. Der preußische Hof selbst ermuthigte den Widerstand, und da die eine Hälfte der sächsischen Armee auf dem Kriegsschauplatz in Holstein sich befand, wurde von Berlin her militärische Hülfe gegen eine etwaige revolutionäre Erhebung angeboten und in Dresden angenommen. Ende April erfolgte die Auflösung der Kammern; die dissentirenden Minister traten aus, Held an der Spitze, an dessen Stelle der geheime Rath Zschinsky[WS 3] trat; das Ministerium des Inneren übernahm der Freiherr v. Friesen, dessen später geschriebene „Erinnerungen aus meinem Leben“ (1880) eine werthvolle, obwol nicht immer einwandfreie Quelle für die sächsische Zeitgeschichte sind.

Eine Woche später, am 3. Mai, brach die Revolution in Dresden aus, ungefähr gleichzeitig mit den Aufständen in der Pfalz und in Baden; die sächsischen Truppen hielten sich tadellos, aber bei ihrer geringen Zahl konnte die Rebellion erst zu Boden geworfen werden, als die schleunig zu Hülfe gerufenen preußischen Truppen in genügender Stärke zur Stelle waren; am 9. Mai war nach heißen Kämpfen der Aufstand bezwungen.

B. hatte, nachdem der König auf die Festung Königstein in Sicherheit gebracht worden war, in diesen gefahrvollen Tagen gemeinsam mit Rabenhorst und Friesen die Stelle der legitimen Regierung in dem nicht von der Insurrection ergriffenen Theil der Hauptstadt muthig und standhaft behauptet: eine Sache, meint er selbst, die kein besonderes Lob verdient, für das Gegentheil hätte es keinen Namen gegeben. Bald sollten seiner Thätigkeit complicirtere Aufgaben gestellt werden.

Die deutsche Frage trat in ein neues Stadium. Alsbald nach dem definitiven Scheitern des Frankfurter Verfassungsprojects begann die preußische Regierung den Versuch, dem Problem von einer andern Seite her beizukommen. Die von Radowitz inspirirte Unionspolitik Friedrich Wilhelm’s IV. hatte das Verdienst, an gute altpreußische Traditionen anzuknüpfen, die einst eine gewisse beschränkte Wirkungskraft gezeigt hatten, und sie zu combiniren mit einem Theil der in der Paulskirche zur Anerkennung gelangten neuen Gedanken. Sie verzichtete auf das Erbkaiserthum und begnügte sich mit der „Reichsvorstandschaft“ des Königs von Preußen; sie hielt fest an der Ausschließung Oesterreichs aus dem „engeren Bund“ und gründete diesen auf das Princip des freiwilligen Beitritts der deutschen Staaten; sie wäre eine Form gewesen, in welcher das Einheitsverlangen des deutschen Volkes und der auch von dem Frankfurter Parlament anerkannte Anspruch Preußens auf die politische Führung zu vielleicht ersprießlicher Verwirklichung hätten gelangen können, wenn auf preußischer Seite klarer Wille und fester Entschluß vorhanden gewesen wären. Als sächsischer Bevollmächtigter nahm B. Theil an den Verhandlungen über den neuen preußischen Verfassungsentwurf, aus denen die Unionsverfassung vom 26. Mai 1849 und das Dreikönigsbündniß zwischen Preußen, Sachsen und Hannover hervorgingen. Von den anderen mittelstaatlichen Königreichen hielt sich Baiern, jetzt unter der Führung v. d. Pfordten’s, principiell abgeneigt zur Seite; Württemberg hatte in der von ihm ausgesprochenen Anerkennung der Frankfurter Verfassung einen formellen Grund zur Zurückhaltung; Oesterreich war vorläufig noch durch die ungarische Revolution abgehalten, seinen Widerspruch geltend zu machen. Wenn das sächsische Königreich sich jetzt officiell einer politischen [499] Neugestaltung Deutschlands anschloß, welche mit ansehnlichen Executiv-Vorrechten Preußen an die Spitze stellte, welche Oesterreich ausschloß und welche, besonders bei der Nichtbetheiligung von Baiern, nicht sowol eine Verwirklichung des deutschen Einheitsgedankens darzustellen, als vielmehr nur auf eine beträchtliche Erweiterung der preußischen Machtsphäre in Nord- und Mitteldeutschland hinauszulaufen drohte, so ist selbstverständlich, daß König Friedrich August und sein Minister Beust hierbei nur dem für den Augenblick unwiderstehlichen Druck der preußischen Initiative nachgaben. B. hat die Nothwendigkeit einer gewissen Reform der bisherigen Bundesverfassung schon früh erkannt und anerkannt; aber zugleich lebt er in dem starken Gefühl der historischen Selbstberechtigung und der autonomen Lebensfähigkeit der kleinen und mittleren deutschen Staatsbildungen, wie es durch die früheren Entwicklungen und zuletzt durch die deutsche Bundesverfassung groß gezogen worden war. Die Opfer an Selbständigkeit, welche die jetzige Unionsverfassung den Einzelstaaten auferlegte, waren größer als er sie freiwillig darzubringen gesonnen war; sie erschienen ihm wie eine halbe Mediatisirung des Staates, dessen Politik zu führen er jetzt berufen war; er beugte sich dem Druck der Verhältnisse, aber ein aufrichtiger Freund des preußischen Reformprojectes konnte er nicht sein.

So kam es, daß B. das Dreikönigsbündniß unterzeichnete, das allerdings zunächst nur für die Dauer eines Jahres geschlossen wurde; aber zugleich gab er eine formelle schriftliche Erklärung zu den Acten, des Inhalts, daß Sachsen sich inbetreff der Oberhauptsfrage noch weitere Verhandlungen vorbehalte und daß die sächsische Regierung ihren Beitritt zu dem neuen Bunde nur unter der Voraussetzung ausspreche, daß es gelinge auch Baiern und die Gesammtheit der außer-österreichischen deutschen Staaten zum Eintritt in denselben zu gewinnen.

Es war mit dieser Vorbehaltserklärung (der auch der hannöversche Bevollmächtigte sich anschloß) deutlich ausgesprochen, daß Sachsen sich nicht bedingungslos dem Dreikönigsbündniß verpflichtete; die Möglichkeit eines Rücktritts, die Forderung eventueller „Umgestaltung der Verfassung“ war offengehalten für den Fall, daß Baiern sich definitiv versagte, daß also durch die neue Verfassung eine dauernde Trennung von Nord- und Süddeutschland bewirkt werden würde. Die Behauptung ist nicht aufrecht zu erhalten, daß B. hier von Anfang an ein unehrliches Spiel gespielt habe: es ist unzweifelhaft, daß er die preußische Hegemonie, die die Verfassung vom 26. Mai statuirte, nur mit schwerem Bedenken acceptirte; er wußte, daß die Weigerung Baierns sehr ernsthaft gemeint war und es ist nicht unmöglich, daß er seinen Münchener Collegen v. d. Pfordten in seinem Widerstand bestärkte; er wußte, daß auch Fürst Schwarzenberg in Wien sein letztes Wort noch nicht gesprochen hatte, und er sah voraus, daß nach der endlich doch zu erwartenden Niederwerfung der ungarischen Revolution Oesterreich alsbald den preußisch-deutschen Plänen mit starker Hand entgegentreten werde – aber er hatte mit jenem ausdrücklichen Vorbehalt, der auch in der sächsischen Ratificationsurkunde des Dreikönigsbündnisses wiederholt wurde, dem preußischen Partner seine Karten gezeigt; man hätte in Berlin sofort erkennen müssen, daß Sachsen, ebenso wie Hannover, ein Bundesgenosse war, der ungern in den Bund eintrat und zugleich den Blick auf einen möglich baldigsten Austritt gerichtet hielt; wollte man die Union ernstlich durchführen, so wäre eine stärkere Vinculirung der beiden Königreiche vor allem erforderlich gewesen. Bei der matten und entschlußlosen Führung der Unionspolitik von Seiten Friedrich Wilhelm’s IV., bei dem entschiedenen Festhalten an dem Princip voller Freiwilligkeit des Beitritts unterblieb jeder Versuch dieser Art, man nahm die Vorbehalte ohne Widerspruch an. Nun erfolgte im Sommer 1849 die [500] Constituirung der Union durch den allmählichen Beitritt der Mehrzahl der deutschen Kleinstaaten; aber in derselben Zeit wurde Ungarn niedergeworfen, Venedig erobert (August 1849); die Schwarzenberg’sche Politik gewann freie Hand, um nun die vorlängst angekündigte Gegenaction gegen Preußen in der deutschen Frage ins Werk zu setzen. Die Wirkung der neuen Constellation zeigte sich bald genug. Es war ein erster Erfolg der Schwarzenberg’schen Politik, daß man in Berlin sich zu der Einrichtung des sog. Interim herbeiließ (30. September), kraft dessen die bisher von dem Reichsverweser Erzherzog Johann geübten Functionen der Bundesexecutivgewalt provisorisch – bis zum 1. Mai 1850 – von Oesterreich und Preußen gemeinsam übernommen werden sollten; es wurde hiermit, wie in anderen gleichzeitigen Erklärungen, von Preußen ausgesprochen, daß es die alte Bundesverfassung von 1815 doch noch als activ und zu Recht bestehend ansehe. Aber gleich darauf ging man in Berlin auch daran, den engeren Bund der Union definitiv zu constituiren durch das Ausschreiben der Wahlen für den weiterhin nach Erfurt zu berufenden Reichstag. Die preußische Politik befand sich auf diese Weise in der unhaltbaren Lage, mit ihrer Action gleichzeitig in zwei entgegengesetzte Systeme deutscher Politik verflochten zu sein; sie suchte das Unvereinbare zu vereinigen.

Hier aber setzte nun der sächsisch-hannöversche Vorbehalt ein. Beide Cabinette erklärten die Berufung des zur Sanction der neuen Verfassung bestimmten Erfurter Reichstags für unzulässig, da die Bedingung des Beitritts von Baiern und Württemberg zur Union nicht erfüllt und auch über die Stellung Oesterreichs zu ihr erst noch zu verhandeln sei. Es kam zu erregten Debatten; die Majorität des Verwaltungsrathes beschloß, entgegen dem Einspruch der beiden Königreiche, die Ausschreibung der Wahlen für das Erfurter Parlament – worauf am 20. October Sachsen und Hannover ihren Austritt aus dem Verwaltungsrath erklärten. Damit war, noch nicht formell, aber thatsächlich der Bruch mit der Union vollzogen; Baiern hatte schon im Juli seine definitive Absage gegeben (v. d. Pfordten trug sich mit ganz anderen Gedanken, eine künftige deutsche Trias lag ihm im Sinn); und nun erschien am 12. November auch der kategorische Protest Schwarzenberg’s gegen den preußischen Sonderbund, der gegen die Fundamentalsatzungen der alten Bundesacte verstoße und darum verfassungswidrig sei. Die preußische Union war lahm gelegt, nur auf das Bündniß Preußens mit den deutschen Kleinstaaten gestellt; das Erfurter Parlament, welches man dennoch berief, war, so sehr es sich beeilte die Unionsverfassung durch Enbloc–Annahme in Sicherheit zu bringen, doch eine Fehlgeburt, an der der haltlos hin und her schwankende preußische König selbst schon längst alles Interesse verloren hatte.

An all diesen politischen Evolutionen aufs intimste betheiligt, hatte B. jetzt seine Stellung offen auf der wider die preußisch-deutschen Pläne gerichteten Seite genommen. Mit dem Wiener Cabinet kam er in enge Fühlung, und eine persönliche Begegnung mit Schwarzenberg, der an dem gescheuten sächsischen Minister Gefallen fand und seine Brauchbarkeit erkannte – „mon meilleur lieutenant“ nannte er ihn wol gelegentlich – war nicht ohne Wirkung auf ihn; dem Schwarzenberg’schen Project des „Siebzigmillionenreichs“ freilich, mit dem Eintritt von Gesammtösterreich in den deutschen Bund, hat er damals wol nur aus politischer Courtoisie gegen den mächtigen Freund zeitweilig seine Zustimmung geliehen. Seine eigenen politischen Gedanken sind in erster Reihe darauf gewandt, nur einer Gestaltung der deutschen Verfassungsverhältnisse zuzustimmen, bei welcher die Selbständigkeit der Mittelstaaten völlig gewahrt blieb; darüber hinaus schien dann vielleicht auch eine Neuordnung denkbar, die den deutschen Königreichen einen größeren Antheil an der Centralleitung des Bundes gewährte, [501] als die alte Bundesverfassung; diese Chance fand ihren Ausdruck in dem unmittelbar nach der Geburt erstickten unmöglichen „Vierkönigsentwurf“ vom 27. Februar 1850. Auch der Idee einer deutschen Trias, deren Hauptvertreter sonst der bairische Minister v. d. Pfordten war, stand er nicht fern; bereits in einer Denkschrift vom 28. December 1849 weist er auf die Möglichkeit hin, daß vielleicht schließlich „die beiden deutschen Großmächte sich zu einem Bundesverhältniß mit einem aus dem übrigen Deutschland zu bildenden Bundesstaat verstehen wollen“. Neben dem allen lief dann der lange festgehaltene Gedanke her, in einer Art von sächsischer Hausunion die ernestinischen Herzogthümer in Thüringen und vielleicht auch noch andere von den kleinen mitteldeutschen Fürstenthümern zu einem engen Verband unter der Führung des Königreichs Sachsen zusammenzuschließen; mit einem so erweiterten Machtgebiete würde dann Sachsen dieselbe Rolle der leitenden Macht für Mitteldeutschland zugefallen sein, wie sie Preußen im Norden ausübte und Baiern für Süddeutschland beanspruchte.

Am letzten Ende trug über all dieses künstliche Wesen doch die barsche Entschlossenheit der Schwarzenbergischen Politik den Sieg davon. Mit dem 1. Mai 1850 ging das österreichisch-preußische Interim zu Ende; für den 10. Mai lud die Wiener Regierung alle deutschen Staaten ein, bevollmächtigte Gesandte nach Frankfurt a. M. zu schicken, zum Zwecke der Wiederherstellung der legitimen Centralgewalt und geeigneter Verbesserung der alten Bundesverfassung; für dieselben Tage berief König Friedrich Wilhelm IV. auf den Rath des der Union eifrig ergebenen Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg die Fürsten der Unionsstaaten zu einem Congreß nach Berlin. Die Entscheidung mußte fallen zwischen dem reactivirten Bundestag in Frankfurt und der preußisch-deutschen Union. Auf den Rath Beust’s lehnte der König von Sachsen den Besuch des Berliner Fürstentags ab; in dem am 16. Mai in Frankfurt constituirten angeblichen „Plenum“ des Bundestags nahm auch der sächsische Gesandte seine Stelle ein.

Es ist hier nicht der Ort, die verwickelte deutsche Krisis von 1850 zu erzählen. Sie verlief gleichzeitig mit einer inneren sächsischen Krise, welche neben heftigen Finanzconflicten vornehmlich durch den entschiedenen Gegensatz der theils für die Frankfurter Reichsverfassung, theils für den Anschluß an Preußen und die Union gestimmten Kammern gegen die deutsche Politik der Regierung veranlaßt wurde. Im Juni wurden die nach dem Wahlgesetz von 1848 gewählten Kammern aufgelöst und eine neue Ständeversammlung nach Maßgabe der Verfassung von 1831 zum Zweck der Berathung über ein neues definitives Wahlgesetz berufen; strenge Verordnungen gegen die Presse und das Versammlungsrecht traten hinzu, aber auch die Aufhebung des Belagerungszustandes für Dresden; es war eine Art Staatsstreich, mit dem für Sachsen die allgemeine Reactionsströmung der nächsten Jahre eingeleitet wurde; als Unterrichtsminister hatte B. auch namentlich gegen die „gothaisch“ gesinnten Professoren der Leipziger Universität einen heftigen Strauß zu führen.

Als im Herbst dieses schicksalsreichen Jahres mit dem kurhessischen Conflict der Gegensatz zwischen Preußen und der Union auf der einen, Oesterreich und den Mittelstaaten auf der anderen Seite sich zur Entscheidung durch die Waffen zuzuspitzen schien, war es nicht zweifelhaft, auf welcher Seite im Kriegsfall Sachsen stehen würde. Die Verstimmung zwischen Dresden und Berlin nahm zu, die Beziehungen zu dem Wiener Hofe wurden immer intimer. Sachsen konnte bei seiner exponirten Lage sich nicht in so geräuschvollen Herausforderungen gegen Preußen ergehen, wie sie im Süden auf der Königs- und Kaiserzusammenkunft in Bregenz geleistet wurden; aber im Moment der höchsten Spannung wurde [502] auch in Dresden die Mobilmachung der Armee verfügt, freilich auch schnell wieder rückgängig gemacht. Der Umschwung in Berlin entschied für die friedliche Lösung des Conflictes; mit dem Rücktritt von Radowitz, mit dem Eintritt Manteuffel’s, mit den Tagen von Warschau und Olmütz war die Kriegsgefahr beschworen, die Demüthigung Preußens vollendet, Kurhessen und Schleswig-Holstein preisgegeben, die Union aufgelöst, die Wiederherstellung des alten Bundestags anerkannt. Preußen erlangte die einzige Concession, die in der That keine Concession war, daß die Frage der nöthigen Bundesreform vorerst in einer freien Ministerialconferenz aller deutschen Staaten berathen und daß diese Vorberathungen nicht in Wien, sondern in Dresden geführt werden sollten.

Nicht allen Betheiligten war diese friedliche Lösung willkommen. Die Siegeszuversicht in dem österreichisch-mittelstaatlichen Lager war groß, und vielen kam es schwer an, die schon gezückten Waffen ohne Kampf niederzulegen. Auch B. theilte diese Gesinnung; er hatte sich allmählich mit dem Gedanken des Kriegs vertraut gemacht und knüpfte große Hoffnungen an den sicher erwarteten Sieg: „Wäre es zum Krieg gekommen, so würde er noch kürzer gedauert haben als der von 1866“. Als einige Wochen später Schwarzenberg nach Dresden kam, begrüßte er den sächsischen Minister mit den Worten: „Sie hätten lieber gewollt, wir hätten gerauft. Ich auch“. In der That mißbilligte B. aufs entschiedenste die Politik Schwarzenberg’s in Olmütz, die vielleicht mehr die des jungen Kaisers Franz Josef als die seinige war: eine günstige Gelegenheit wurde verscherzt; Oesterreich und die deutschen Königreiche waren kriegsbereit, Preußen war es nicht; ein rascher und vollständiger Sieg war mit Sicherheit zu erwarten; man hätte Preußen auch nicht ein einziges Dorf genommen, das hätte schon Kaiser Nicolaus von Rußland nicht geduldet; aber die preußische Politik wäre in ihre Schranken zurückgewiesen worden „auf zwanzig bis dreißig Jahre hätte man vor Bundesstaat und einheitlicher Spitze Ruhe gehabt“. Statt dessen nun diese Abmachungen von Olmütz, die man in Berlin als eine Demüthigung Preußens ausgibt und die in der That nur ein Zeichen der Schwäche auf Seiten Oesterreichs waren – mir war, erzählt B., als ich die Nachricht von Olmütz erhielt, zu Muthe, „wie einem Whistspieler, der dix-huit à point steht und durch eine Renonce des Partners seinen Robber verliert“. Noch in seinen viel später niedergeschriebenen Lebenserinnerungen kommt er mit Nachdruck auf diese Auffassung der Krisis von 1850 zurück; man darf Zweifel hegen, ob die Wünsche und Hoffnungen Beust’s und seiner mittelstaatlichen Collegen für den Fall eines preußischen Unterliegens wirklich so harmlos und bescheiden waren, wie er betheuert; aber inbezug auf seine kriegerische Zuversicht muß man allerdings der Mittheilungen gedenken, die damals der preußische Kriegsminister v. Stockhausen Bismarck über den desperaten Zustand der preußischen Kriegsbereitschaft gemacht hat (Gedanken und Erinnerungen I, 68 ff.).

Am 23. December 1850 wurden die in Olmütz beschlossenen Ministerconferenzen in Dresden eröffnet, die nun über vier Monate lang sich erfolglos um eine Neugestaltung der deutschen Bundesverfassung mühten. Die entscheidenden Resultate fassen sich in zwei Negativen zusammen: es gelang Oesterreich nicht, den Schwarzenbergischen Plan des Eintritts der Gesammtmonarchie in den deutschen Bund durchzusetzen, und es gelang Preußen, trotz der schneidigen Geschicklichkeit seines Gesandten v. Alvensleben, nicht, für seine Forderung der Parität im Bundespräsidium die Zustimmung Oesterreichs zu gewinnen. An diesen beiden Fragen hing das Schicksal der Conferenzen, und da sie sich unlösbar zeigten, so konnte das Ende vorläufig kein anderes sein, als die Rückkehr zu der alten Verfassung, zu Staatenbund und Bundestag, mit den Actenstößen der fruchtlosen Verhandlungen als „schätzbarem Material“, wie Schwarzenberg [503] resignirt sagte. Am 15. Mai 1851 wurden die Conferenzen geschlossen, die in gewissem Sinne das Ende der Revolutionsära bedeuten; der Bundestag in Frankfurt war wieder das officielle Centrum der deutschen Nation.

B. beobachtet in seinen Lebenserinnerungen über seinen persönlichen Antheil an den Dresdener Conferenzen fast völliges Stillschweigen; wir ersehen aus anderen Quellen, daß es ihm an rührigen Gedanken nicht fehlte, wenn er mit seiner Action auch im zweiten Rang stehen mußte. Den Schwarzenbergischen Plänen diente er, wie v. d. Pfordten, als eifriger Secundant, weil sich in ihnen eine günstige Aussicht auf eine erhöhte Machtstellung und vielleicht selbst Gebietsvergrößerung der Mittelstaaten in dem neuen Bundesstaat zu eröffnen schien: er träumte, erzählt der Herzog Ernst von Coburg-Gotha (II, 20), von einem großen mitteleuropäischen Staatenbund mit Oesterreich, zeigte sich den österreichischen Ideen eines mitteleuropäischen Handels- und Zollsystems geneigt und prophezeite den baldigen Untergang des preußischen Zollvereins als letzter Schranke des großdeutschen Gedankens; in diesem Universalreich werde sich wol auch die Möglichkeit für eine Vergrößerung Sachsens finden; der sächsische Patriotismus fordere die Provinz Sachsen von Preußen zurück u. s. f. Das waren natürlich nur im Gespräch hingeworfene Phantasien; aber sie geben, soweit man die Berichterstattung für völlig zuverlässig halten mag, einen Ausblick auf die innere Gedankenrichtung des ehrgeizigen und phantasievollen Staatsmannes, der dann auch anderseits wieder sich nicht scheute, dem österreichischen Protector gegenüber den liberalen Politiker vorzukehren und gemeinsam mit dem bairischen Collegen ebenso eifrig wie erfolglos für die Schaffung einer, allerdings nur sehr symbolisch gemeinten, Volksvertretung neben dem Bundestag einzutreten. Die völlige Erfolglosigkeit der in der sächsischen Hauptstadt abgehaltenen Conferenzen empfand er als eine Niederlage; aber man war doch den gefährlichen Zumuthungen der preußisch-deutschen Politik fürs erste glücklich entronnen und konnte beruhigt in den sicheren Hafen des alten Frankfurter Bundestages wieder einlaufen.

Ein aufregendes Nachspiel zu allen Verwicklungen dieser Jahre bildete die schwere Zollvereins-Krisis von 1852. Was immer von den angeführten Mittheilungen des Herzogs von Coburg-Gotha über die ausgesprochene Feindseligkeit Beust’s gegen den Zollverein zu halten sein mag, so wird die oft gegen ihn erhobene Anklage, daß er in dieser Krisis auf die Sprengung des preußisch-deutschen Zollvereins hingearbeitet habe, kaum aufrechtzuerhalten sein. B. hegte, weniger aus wirthschaftlichen als aus politischen Gründen, den Wunsch, daß der jetzt von Schwarzenberg nachdrücklich betriebene Eintritt Oesterreichs in die handels- und zollpolitische Einigung des übrigen Deutschland zu ermöglichen sein möchte; aber die Schwierigkeiten des Unternehmens entgingen ihm nicht, und wenn darüber die jetzt bestehende und als so ersprießlich erprobte deutsche Zolleinigung in die Brüche gehen sollte, so mußte schon der Hinblick auf die mercantilen und industriellen Interessen seines sächsischen Landes ihn von so gefährlichen Experimenten zurückhalten. Er hat nicht, wie sein panegyrischer Biograph versichert, trotz der preußischen Politik, den Zollverein gerettet (ebensowenig wie später in der Zollkrisis von 1863); aber er hat auch nicht, wie es z. Th. die süddeutschen Staatsmänner thaten, auf das unberechenbare Chaos hingearbeitet, welches die Folge einer Auflösung des Zollvereins gewesen sein würde. Die Entscheidung über die österreichische Frage wurde auf sechs Jahre vertagt und zugleich ein günstiger Handelsvertrag auf zwölf Jahre mit Oesterreich abgeschlossen.


[504] Die Stellung Beust’s in Sachsen war jetzt bereits die des eigentlich leitenden Ministers, obwol er erst im October 1858 nach dem Tode v. Zschinsky’s formell den Vorsitz im Ministerrath erhielt. Im J. 1853 übernahm er, nach dem Rücktritt Friesen’s, das Ministerium des Inneren, mit dem auch das der Polizei verbunden war, und besonders die Ausbildung dieses Institutes und seine kräftige Handhabung ließ er sich eifrig angelegen sein. Es zogen, nach den Aufregungen der letzten Jahre, stillere Zeiten in Sachsen ein, nicht ohne manche nützliche Fortschritte auf dem Gebiete der inneren Gesetzgebung, wie die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit u. a. Im Sommer 1854 verunglückte König Friedrich August auf einer Reise in Tirol; aber der Nachfolger, König Johann, brachte dem bewährten Minister sein volles Vertrauen entgegen. In den Kreisen der politischen Welt genoß B. bereits das Ansehen einer hervorragenden Kraft, in Wien und an den mittelstaatlichen Höfen sehr geschätzt, in Berlin nicht ohne Mißtrauen beobachtet; in den Briefen Bismarck’s an Gerlach u. A. kehrt häufig der Wunsch wieder, man müsse diesen „eiteln und boshaften“ Intriganten in Dresden womöglich stürzen: „vom Ochsen kann man nichts Anderes erwarten als Rindfleisch, und von Beust nichts Anderes als eine ehrgeizige intrigante Sächsische Hauspolitik“; freilich spricht er in demselben Briefe auch den Satz aus: „unter wahrhaft Deutscher Politik versteht eigentlich jede Regierung etwas Anderes; im Ganzen kann man sagen, daß jeder damit dasjenige bezeichnet, was er von dem Anderen verlangt“ – ein Satz, der doch eine Art unbeabsichtigter Rechtfertigung für den Gegner enthält. In ihm selbst aber der lebhafteste Drang zur Bethätigung im Weiteren, auf einem heller beleuchteten Feld als dem der inneren sächsischen Politik.

Die Verwicklungen, welche die orientalische Krisis und der Krimkrieg auch für Deutschland zur Folge hatten, gaben B. bald Gelegenheit zu einer Excursion auf das Gebiet der großen Politik. Nach langen Verhandlungen hatten Oesterreich und Preußen sich zu dem, von Bismarck so energisch verurtheilten, Bündniß vom 20. April 1854 zusammengefunden, worin die beiden deutschen Großmächte eine scharf pointirte Mittelstellung zwischen Rußland auf der einen, den Westmächten auf der anderen Seite einnahmen, und bei der die Aussicht nicht allzu fern lag, daß bei einem Zusammenstoß Oesterreichs und Rußlands in den Donaufürstenthümern Preußen verpflichtet war, dem verbündeten Donaustaat mit bewaffneter Hand zur Seite zu stehen, eventuell, wenn alle Vermittlungsversuche scheiterten, mit Rußland zu brechen und in den großen europäischen Kampf einzutreten. Dieser Bündnißvertrag wurde den einzelnen deutschen Bundesstaaten mitgetheilt und sie zum Beitritt aufgefordert. Hier aber war nun der Punkt gegeben, wo unter der Führung von B. und Pfordten die deutsche Mittelstaatspolitik einsetzen zu können glaubte, um gegenüber dem autoritären Vorgehen der beiden Großmächte nachdrücklich in Erinnerung zu bringen, daß es auch noch andere selbständige deutsche Staaten und in Frankfurt einen Bundestag gebe. Die Minister von sieben Mittelstaaten (den vier Königreichen, nebst den beiden Hessen und Nassau) traten in Bamberg zu einer Conferenz zusammen und einigten sich über ein an Oesterreich und Preußen zu richtendes Actenstück, dessen Abfassung B. übernahm. Diese „Bamberger Note“ erkennt die Zweckmäßigkeit des österreichisch-preußischen Bündnisses principiell an, corrigirt aber das Verfahren der beiden Mächte in dem Sinne, daß die Einladung zum Beitritt correct nicht an die einzelnen Bundesstaaten, sondern an den deutschen Bundestag zu richten gewesen wäre; sie wünscht zugleich, dem zu schließenden Bündniß einen weniger specifisch antirussischen Charakter dadurch zu geben, daß bei den zu unternehmenden Vermittlungen nicht nur an Rußland die Aufforderung zur Räumung der Donaufürstenthümer, sondern zugleich auch an die Westmächte die zur Einstellung [505] der Feindseligkeiten gerichtet werden solle; sie fordert schließlich, daß der deutsche Bund, wenn er dem vorgeschlagenen Bündniß beitritt, auch als selbständige Macht an allen weiteren Verhandlungen betheiligt und speciell auch durch eine eigene Gesandtschaft bei den künftigen Friedensverhandlungen vertreten sein soll. Das hieß in der praktischen Ausführung, daß neben Oesterreich und Preußen als Großmächten auch der deutsche Bund, natürlich durch einen aus den Kreisen der Mittelstaaten hervorgehenden Deputirten, an allen ferneren diplomatischen Actionen und an den Arbeiten eines künftigen europäischen Friedenscongresses theilnehmen sollte; und die Ansicht Beust’s war dabei jedenfalls, daß keinem Anderen als ihm diese Aufgabe zufallen könne; worüber man freilich in München anders dachte.

Man hat diese Bamberger Note als das erste officielle Programm der Triaspolitik bezeichnet (das erste war es in der That nicht); wenn sie ein solches war, so brachte sie nur zu Tage, wie ungefährlich und unausführbar doch solche Projecte waren. Man nahm in Oesterreich und in Preußen die mittelstaatliche Note ziemlich gelassen hin; in Wien mit einigem Aerger über die ungewohnte Selbständigkeitsregung; in Berlin fand man den Schritt sogar bequem, um im gegebenen Fall mit dem stricten Neutralitätsverlangen der Mittelstaaten einen Gegendruck ausüben zu können gegen die allzu kriegslustige Stimmung in Wien gegen Rußland; selbst Bismarck war dies Mal mit dem Auftreten des fatalen sächsischen Ministers zufrieden: „ich kann dem staatsmännischen Gebaren und der Courage, mit welcher die Firma Beust, Pfordten & Co. operirt, meine Anerkennung nicht versagen“; eine Gefahr sah er in dem Triaspronunciamento nicht. Beide Mächte aber sprachen im allgemeinen ihre Zustimmung zu den Forderungen der Bamberger aus; darauf hin erfolgte die Beitrittserklärung des Bundestags – und im weiteren haben dann Oesterreich wie Preußen ihre schwankende und wechselvolle Politik in der orientalischen Krisis ohne irgend ersichtliche Rücksicht auf die mittelstaatlichen Velleitäten geführt, während allerdings auch diese fortfuhren, mit geschäftiger und erfolgloser Betriebsamkeit ihre Fäden in das Gewebe der diplomatischen Actionen einzuschlagen.

Für B. hatte dieses Intermezzo noch eine Folge, die ihm jedenfalls sehr willkommen war als eine gute Gelegenheit, sein Licht weithin leuchten zu lassen. Die Bamberger Note fand natürlich in Petersburg vollen Beifall; umso mehr mißfiel sie in London, und der Minister des Auswärtigen Lord Clarendon beging die Ungeschicklichkeit, in einer an seinen Agenten in Dresden gerichteten, zur officiellen Vorlesung bestimmten Depesche (die anderen in Bamberg betheiligten Regierungen blieben verschont) der sächsischen Regierung in sehr anmaßendem Hofmeisterton den Text zu lesen über die unbefugte Einmischung („ill advised interference“) der mittelstaatlichen Minister in die Angelegenheiten der hohen Politik. B. beeilte sich, in einem Schreiben an den sächsischen Ministerresidenten Grafen Vitzthum in London (9. Juli 1854) dem Lord Clarendon eine sehr kräftige Abfertigung zukommen zu lassen und dessen Einmischung in eine rein deutsche Angelegenheit aufs entschiedenste zurückzuweisen. Die Depesche war in würdiger Haltung, aber mit aller gebührenden Schärfe geschrieben; sie würde, wenn etwas kürzer, vielleicht noch wirkungsreicher gewesen sein; aber nicht nur in den Kreisen der „Bamberger“, sondern auch in Berlin wurde sie mit lebhafter Zustimmung aufgenommen, und von Frankfurt her belobte sie sogar Bismarck als „sehr gut geschrieben“, freilich mit dem Zusatz: „sie würde noch besser sein, wenn Sachsen stärker wäre“. Natürlich kam das Actenstück – „ohne mein Zuthun“ (?) – alsbald in die Zeitungen, und so überwiegend die öffentliche Meinung in Deutschland für die Westmächte gestimmt war, so [506] wurde der schneidige Protest des sächsischen Ministers gegen die englische Anmaßung doch mit großer Genugthuung gelesen und brachte dem Verfasser allgemeine Anerkennung ein.

Im weiteren Fortgang des Orientkrieges hielt Sachsen, ebenso wie die anderen Mittelstaaten, fest an der deutschen Neutralitätspolitik, und allen Versuchen Oesterreichs, hinter dem Rücken Preußens den deutschen Bund für eine Action gegen Rußland zu gewinnen, setzte auch B. sein entschiedenes Veto entgegen. Sein Ehrgeiz wäre es gewesen, bei den Friedensverhandlungen eine Rolle zu spielen. Bald nach dem Fall Sewastopols benutzte er einen Besuch der Pariser Weltausstellung, um sich bei Napoleon III. als geeignete Mittelsperson zwischen Paris und Petersburg zu empfehlen, aber der Versuch scheiterte in Petersburg; später benutzte er den Umstand, daß der sächsische Gesandte in Paris, der Baron v. Seebach, Schwiegersohn des russischen Reichskanzlers Nesselrode war, um eine diplomatische Sendung Seebach’s nach Petersburg zu bewirken, die denn in der That von einem gewissen Einfluß auf das Zustandekommen der Friedensunterhandlungen gewesen ist. So erlangte er wenigstens die Genugthuung, daß die sächsische Politik einen kleinen Antheil an dem großen Friedenswerk zu haben schien; die Erreichung des höchsten Ziels, als Vertreter des deutschen Bundes an dem Pariser Friedenscongreß theilnehmen zu dürfen, blieb ihm versagt.

Neue Verwicklungen und schwierige Aufgaben brachte daß Jahr 1859 und der französisch-österreichische Krieg in Italien. Die fast allgemein damals in Deutschland – bei den Regierungen wie bei dem Volke – herrschende Sympathie für das durch die Herausforderung Napoleon’s III. bedrohte Oesterreich wurde natürlich auch in Dresden getheilt; aber während die stürmisch erregten Stimmungen in Süddeutschland auf eine sofortige Parteinahme des deutschen Bundes hindrängten, schloß sich Sachsen zunächst mehr der in Berlin vorwaltenden Vermittlungsrichtung an, mit der Aussicht jedoch, wie sie auch dort bestand, daß dem von Frankreich und Sardinien angegriffenen Oesterreich die deutsche Bundeshülfe nicht fehlen dürfe. B. entfaltete sofort eine vielgeschäftige diplomatische Thätigkeit; im Laufe des April 1859 war er in Berlin, in München, in Paris, an dem belgischen Hof in Laeken, zuletzt in London; wir haben seine Berichte über diese Reisen; sie waren sehr instructiv für den sächsischen Minister, aber ohne jeden Einfluß auf den Gang der Ereignisse; B. sprach in seiner Audienz bei Napoleon aufs nachdrücklichste aus, daß Frankreich im Kriegsfall auf die Neutralität Deutschlands nicht zu rechnen habe; aber die Entschlüsse Napoleon’s wurden dadurch nicht gewandelt. Inzwischen hatte der Wiener Hof durch sein nach Turin gesandtes Ultimatum alle Vermittlungsbemühungen kurz abgeschnitten; drei Tage nach der erfolgten Ablehnung eröffnete Oesterreich den Krieg (29. April 1859), und am 3. Mai verkündete Napoleon III. sein Programm: frei bis zur Adria.

Neben allen diesen Entscheidungen und neben den folgenden Kriegsläufen in Italien nun die verschlungenen Verhandlungen über die Kriegsbereitschaft und das eventuelle Eintreten Preußens und des deutschen Bundes in die Action. Schon am 23. April war in Frankfurt auf Antrag Preußens die Kriegsbereitschaft der deutschen Bundescontingente beschlossen worden; aber von hier aus gehen nun Ansichten und Richtungen weit auseinander. Während die Wiener Staatsmänner in ungeschickt hoffährtigem Tone die Unterstützung der deutschen Bundesgenossen als selbstverständliche Pflichterfüllung forderten und jeder Gegenleistung an Preußen aus dem Wege zu gehen suchten, stellte die preußische Politik des Prinz-Regenten Wilhelm sich auf den Boden der selbständigen Großmacht unabhängig von den Beschlüssen des Bundestags, und erbot sich zur bewaffneten [507] Vermittlung mit Mobilisirung seiner ganzen Armee, wobei dann auch die Streitkräfte der übrigen deutschen Bundesstaaten der preußischen Führung untergeben werden müßten. Diesem Plan aber steht nun mit schroffer Ablehnung nicht nur die innerste Gesinnung des Wiener Cabinets, sondern auch die der deutschen Mittelstaaten entgegen. In Dresden wie in München hielt man die Gelegenheit für günstig, um neben Oesterreich und Preußen für den deutschen Bund eine selbständige Action in Anspruch zu nehmen. Auf die nach den ersten französischen Siegen in der Lombardei sich immer mehr erhitzenden antifranzösischen Stimmungen in der Bevölkerung gestützt, arbeiteten die mittelstaatlichen Regierungen in Frankfurt immer dringender auf die Aufstellung einer deutschen Observationsarmee am Rhein hin: am besten gemeinsam mit Preußen, aber falls dieses sich nicht betheiligt, auch allein mit den Contingenten der außerpreußischen Staaten, die auf 200 000 Mann gebracht werden können, und unter einem eigenen Bundesfeldherrn. Also die dritte deutsche Macht, neben Oesterreich und Preußen, in selbständiger militärischer Action; die militärische Trias zunächst, als Vorstufe zu der politischen. Aus den Briefen Beust’s ist ersichtlich, wie man die Stellung des Bundesoberfeldherrn Preußen nicht versagen zu können meinte, wenn sie von diesem, nicht erwünschter Weise, begehrt würde; andernfalls wurde an den österreichischen Erzherzog Albrecht oder an den König von Württemberg gedacht, neben den dann der österreichische Feldzeugmeister Heß als „Generallieutenant des Bundes“ treten sollte, und derselbe Heß wurde für diese Charge „auch im Fall einer preußischen Oberbefehlshaberschaft“ in Aussicht genommen (!). Im letzten Hintergrund aller dieser Speculationen stand dann doch immer die Hoffnung, gestützt auch auf die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Prinz-Regenten und dem König Johann von Sachsen, daß man damit schließlich das Widerstreben Preußens überwinden und den Prinz-Regenten zum bundesmäßigen Eintritt in die Action gegen Frankreich fortreißen könne.

Zuletzt wurden auch hier die großen Entscheidungen nicht durch die kleinen Operationen im zweiten Rang herbeigeführt, sondern durch die maßgebenden Interessengegensätze zwischen den beiden deutschen Großmächten. Nach der Schlacht bei Solferino erhob sich der preußische Prinz-Regent zur bewaffneten Vermittlung im Interesse der Integrität des österreichischen Staatsgebietes, er mobilisirte die ganze Armee, aber er forderte zugleich den Oberbefehl über die sämmtlichen deutschen Bundestruppen. Der österreichischen Politik erschien diese Erhöhung Preußens unvereinbar mit der deutschen Machtstellung des Kaiserstaates; lieber verzichtete sie auf die Lombardei, trat diese an Napoleon ab, schloß die Präliminarien von Villafranca und wies die preußischen Erbietungen und Forderungen in schroffer Weise zurück. Damit waren für Deutschland die großen Fragen erledigt und die kleinen Nebenfragen stillschweigend bei Seite geschoben; der preußische Vorstoß nach der militärischen Führung war zurückgewiesen, die deutsche Vormachtstellung Oesterreichs behauptet; tiefste Verstimmung zwischen den beiden deutschen Großmächten; die Anläufe mittelstaatlicher Triaspolitik auf dem Boden der Bundestagsverfassung treten – still aber unvergessen – in den Schatten zurück.

Für B. war dieser Ausgang der italienischen Krisis eine Enttäuschung und er war wenig zufrieden mit der Führung der österreichischen Politik. Eine persönliche Genugthuung hatte er indeß davongetragen. Der russische Premierminister Fürst Gortschakoff hatte im Mai 1859 sich gemüssigt gesehen, gegenüber den drängenden mittelstaatlichen Versuchen zur Einführung des deutschen Bundes die große politische Action, sich an die deutschen Regierungen mit einer Note zu wenden, die in überaus anmaßendem Tone daran zu erinnern sich erlaubte, [508] daß der deutsche Bund seiner Natur und Verfassung nach eine ausschließlich defensive „Combination“ sei und daß seine jetzige feindliche Haltung gegen Frankreich einen unerlaubten Uebergriff auf ein ihm nicht gestattetes Gebiet darstelle. Die insolente Verwarnung galt natürlich den deutschen Mittelstaaten, und B. fühlte sich berufen, wie fünf Jahre früher dem Lord Clarendon, jetzt dem russischen Premier eine energische Antwort zu Theil werden zu lassen. Seine an den sächsischen Ministerresidenten v. Könneritz in Petersburg gerichtete Note (15. Juni) ist ein vortrefflich geschriebenes Actenstück, worin mit großer Finesse und zugleich mit schneidender Schärfe die Argumentationen Gortschakoff’s widerlegt und seine unbefugte Belehrung zurückgewiesen werden. Es ist ja gewiß zu sagen, daß die einen so scharfen Ton anschlagende diplomatische Manifestation des sächsischen Ministers gewissermaßen unter dem Schutz der Kleinheit seines Staates stand – ein gleicher Verkehrston zwischen Großmacht und Großmacht müßte Consequenzen haben – aber immerhin war die Beust’sche Note ein gutes Wort zur rechten Zeit. Sie wurde alsbald bekannt und trug ihrem Verfasser, als deutschem Fürsprecher gegen russischen Uebermuth, die Anerkennung weitester Kreise ein; auch in England klatschte man dies Mal, wo der Streich Rußland galt, Beifall; Prinz Albert sprach seine volle Freude aus über die „vortreffliche Antwort auf die Gortschakoff’sche Flegelei“. B. hatte eine lebhafte Empfänglichkeit für Popularität und verstand es den richtigen Ton dafür anzuschlagen, nicht nur in diplomatischen Noten, sondern auch als geschickter und schwungvoller Redner; als in diesem Jahre die hundertjährige Geburtstagsfeier Schiller’s aller Orten in Deutschland in gehobenster Stimmung begangen wurde, ergriff auch er die Gelegenheit, bei der Feier in Dresden dem nationalen Dichter seine Huldigung darzubringen. Seine Schillerrede war eine wirkungsvolle oratorische Leistung, voll Geist und Wärme, und wenn er zuletzt sich mahnend an die Zeitgenossen wandte, denen über der Speculation die Ideale entrückt seien, an diese „Mitwelt, deren Blicke nicht mehr nach den Sternen gerichtet sind, sondern deren Aufmerksamkeit, im Großen und Ganzen gesprochen, mit fieberhafter Spannung am Drahte des Telegraphen und am Druckbogen der Schnellpresse haftet“, so waren das Worte, die bei jenem Anlaß am Platze waren und auch noch für spätere Tage gelten können.

Der Ausgang des italienischen Kriegs versetzte die Fürsten und Staatsmänner der deutschen Mittelstaaten in bedrängte Lage. Sie waren von Oesterreich für das sie so viel zu thun bereit gewesen waren, im Stiche gelassen. Sie waren für den Augenblick den preußischen Führungsansprüchen entgangen; aber seit der „neuen Aera“ wehte von Berlin her ein anderer Wind, noch sehr schwach und wenig aggressiv, aber doch die Besorgniß weckend, daß der schwankende Boden über Nacht sinken und brechen könne. Die Lehren, die der italienische Krieg und die Möglichkeit eines Zusammenstoßes mit dem Napoleonischen Frankreich gegeben hatte über die militärische und politische Ohnmacht des deutschen Bundes, waren allzu eindringlich. Nun entstand der Nationalverein, der die alten unitarischen und kleindeutschen Gedanken von 1849/50 wieder lebendig werden ließ, der die Augen der Nation auf Preußen richtete und von den Regierungen der Mittelstaaten sofort als natürlicher Feind erkannt wurde. Der nationale Gedanke begann sich wieder anspruchsvoll zu regen; es ist eine Zeit der Denkschriften und Programme, der politischen und militärischen Reformprojecte; alle Parteien und Interessen, alle Capacitäten und Velleitäten mischen ihre Stimmen in den allgemeinen Chorus.

Auch die Mittelstaaten gaben ihr Spiel und die Hoffnung auf eine ihren Interessen Gewähr leistende Gestaltung der deutschen Bundesverhältnisse nicht verloren. Mit rühriger Geschäftigkeit waren besonders B. und Pfordten am [509] Werk. Das Fundament aller dieser Bestrebungen ist der Glaube an die unerschütterliche Rechtsbeständigkeit und an die Leistungsfähigkeit der Bundesverfassung von 1815; aber zugleich erkennt man ihre partielle Unvollkommenheit und das Bedürfniß der Besserung an: kein besseres Mittel, die Bedeutung der Mittelstaaten in den Augen der Nation zu erhöhen, als wenn diese selbst die Frage der Bundesreform in die Hand nehmen, Preußen darin zuvorkommen und allen gefährlichen preußischen Plänen dadurch von vornherein die Spitze abbrechen. Conferenzen folgten auf Conferenzen, in München, in Würzburg; wirkliche Einigkeit aber bestand selbst in der Grundfrage nicht; König Georg von Hannover bestritt überhaupt den Satz, daß die Verfassung von 1815 reformbedürftig sei, Kurhessen stimmte dieser Auffassung bei, Großherzog Friedrich von Baden aber sprach klar und entschlossen den Satz aus, an dem er immer festhielt, daß eine heilsame Bundesreform überhaupt nur denkbar sei als Resultat einer Verständigung zwischen Preußen und Oesterreich. Schließlich gelang es B. (Sept. 1859), in Verbindung mit den Baiern v. Schrenk und v. d. Pfordten und dem Württemberger v. Hügel, die vier Königreiche nebst Hessen-Darmstadt und Nassau zu einem Antrag beim Bundestag zu einigen, der ohne wesentlichen eigenen positiven Inhalt nur darauf hinauskam, daß die Frage der Reform der Bundeskriegsverfassung der Bundesmilitärcommission zur Berichterstattung überwiesen werden solle. Dem konnte auch Preußen zustimmen, welches aber sofort seine Auffassung von der vorzunehmenden Reform dahin präcisirte, daß bei jedem Bundeskrieg Preußen das Commando über die beiden norddeutschen Bundescorps beanspruche, die beiden süddeutschen Corps unter österreichischen Oberbefehl zu treten hätten, ohne weitere Rücksicht auf Bund und Bundestag. Dieser preußische Vorschlag wurde natürlich unannehmbar befunden, auch von Oesterreich. Immer widerspruchsvoller spitzten sich die Gegensätze zu, verschärft auch durch die streitenden Ansichten über den kurhessischen Verfassungsstreit und die holsteinische Sache. Im November und December 1859 eine neue mittelstaatliche Conferenz in Würzburg; man kam nicht weiter: die Frage der Bundeskriegsverfassung vor allem war und blieb das unlösbare Problem. Im Januar 1860 faßte B. die Anschauungen der „Würzburger“ in einer Denkschrift zusammen, die im wesentlichen wieder auf das einzige praktikable Auskunftsmittel hinauskam, daß die militärische Selbständigkeit der Einzelstaaten aufs strengste gewahrt werden müsse und eventuell ihre Contingente als ein eigener dritter Heereskörper, neben dem österreichischen und dem preußischen, zu organisiren seien. Es war nicht daran zu denken, daß Preußen auf solche Gedanken einging; ein unersprießlicher Notenwechsel zwischen Berlin und Dresden stellte nur die Nutzlosigkeit weiterer Verständigungsversuche fest. Auch bei der Fürstenzusammenkunft in Baden (Juni 1860), im Anschluß an den Besuch des Kaisers Napoleon, wurde ein vergeblicher Versuch gemacht; es war über den principiellen Gegensatz nicht hinwegzukommen; der mittelstaatliche Plan der militärischen Trias war für Preußen ebenso unannehmbar, wie die Mittelstaaten die militärische Angliederung ihrer Truppen an die Armeen der beiden Großmächte sich nicht bieten zu lassen entschlossen waren: diese „rein deutschen“, an großen geschichtlichen Erinnerungen und Verdiensten so reichen Stämme der Sachsen und Baiern, der Schwaben und Franken sollten, „wenn es sich um die Wehrkraft der Nation und um den Kampf für das Vaterland handelt, nur als Anhängsel der Armeen von Oesterreich und Preußen erscheinen“? Es ist begreiflich, daß diese Regungen eines in sich nicht unberechtigten Stammesselbstgefühls die Fürsten, Staatsmänner und Militärs der deutschen Mittelstaaten mit derselben Ueberzeugungswärme beseelten, wie das starke staatliche Selbstgefühl der preußischen Macht in entgegengesetzter Richtung vorwärts strebte; beide auf das ideale Ziel nationaler [510] Einheit, Macht und Größe gerichtet – die Entscheidung zwischen ihnen konnten nicht Gründe und Verhandlungen, sondern nur Thaten und unwiderstehliche Erfolge bringen.

Zunächst aber war der Berathungen, Projecte und Experimente noch kein Ende. Seit dem Regierungsantritt Wilhelm’s I. in Preußen trat neben der Militärfrage auch die allgemeinere der Bundesreform wieder mehr in den Vordergrund. Im October 1861 trat B. mit einem eigenen Reformproject auf den Plan. Die schaffenslustige Betriebsamkeit und Zuversicht, die ihn beseelte, ließ ihn den Versuch wagen; auch das Drängen der sächsischen Kammern auf ein festes deutsches Programm wies ihn darauf hin, und zudem hatte König Johann den lebhaften persönlichen Wunsch, daß es gerade Sachsen gelingen möchte, eine Verständigung zwischen den beiden befreundeten Höfen von Wien und Berlin herbeizuführen; B. ging diesmal ganz selbständig vor, ohne Fühlung mit den Verbündeten „Würzburgern“ zu nehmen.

Das Project, von einer ausführlichen Denkschrift begleitet, gibt sich als „zeitgemäße Umgestaltung“ von vier Artikeln der alten Bundesacte, deren Bestand im übrigen als unverbrüchlich anerkannt wird. Die Hauptbestimmungen gehen auf die folgenden Sätze hinaus: an Stelle des bisherigen ständigen Bundestags in Frankfurt tritt eine neue Bundesversammlung, von den Vertretern der deutschen Regierungen gebildet, die nur zwei Mal im Jahr zu längstens vierwöchentlicher Sitzung zusammentritt, und zwar ein Mal im Süden, in Regensburg, und ein Mal im Norden, in Hamburg; im ersteren Fall führt Oesterreich, im zweiten Preußen den Vorsitz, und in der fünfmonatlichen Zwischenzeit von einem Bundestag zum andern haben abwechselnd Oesterreich und Preußen die Präsidialgeschäfte desselben wahrzunehmen. In derselben Zwischenzeit tritt eine Bundesexecutiv-Behörde in Wirksamkeit, bestehend aus dem Kaiser von Oesterreich, dem König von Preußen und einem dritten Bundesfürsten, der durch Wahl oder Turnus bestimmt wird; sie hat die Ausführung der Bundestagsbeschlüsse zu überwachen und wird „für den Eintritt außerordentlicher politischer Conjuncturen“ mit ausgedehnten Vollmachten, auch militärischer Natur, ausgestattet. Endlich tritt als populäres Element neben den Bundestag eine „Abgeordnetenversammlung“, die aber nicht aus freien Wahlen hervorgeht, sondern aus Deputirten der einzelnen deutschen Landtage besteht, also eine Delegirtenversammlung, die nicht in regelmäßigen Fristen, sondern nur nach Bedürfniß auf Berufung des Bundestags zusammentritt, um über vorgelegte Gesetze zu beschließen. Ueber streitige Rechtsfragen zwischen den einzelnen Bundesgliedern, namentlich auch über Conflicte inbetreff der „Anwendung und Auslegung der Verfassungen“ in den Einzelstaaten entscheidet ein Bundesgericht.

Man kann sagen, daß dieses Beust’sche Project einige ansprechende Gedanken aufweist, wie die Ersetzung des ewigwährenden Bundestags in Frankfurt durch zwei je vierwöchentliche, schnell arbeitende Bundesconferenzen, wie die Gleichstellung von Oesterreich und Preußen im Bundespräsidium, wie die Herstellung einer Art von Volksvertretung neben dem Bundestag. Es ist nicht schwer, auch die Schwächen des Projectes herauszufinden. B. vertheidigt noch zwanzig Jahre später, als er seine Memoiren schrieb, nachdrücklich die Zweckmäßigkeit seiner Schöpfung; er weist darauf hin, daß Preußen in der wichtigen Frage des alternirenden Bundespräsidiums Genüge gethan sei und ist der Ueberzeugung, daß Oesterreich sich bei dieser Bundesreform besser gestanden haben würde als bei dem Project des Frankfurter Fürstentags von 1863; jedenfalls würde die Maschinerie des Bundes in ein rascheres Tempo gebracht und ihm das Interesse und die Theilnahme der Nation in gesteigertem Maaße gewonnen worden sein.

[511] Indeß, welches immer der Werth dieser klüglichen Combinationen sein mochte, sie fanden an keiner der entscheidenden Stellen Beifall. In den mittelstaatlichen Kreisen war man von dem einseitigen Vorgehen des alten Führers keineswegs erbaut und stellte sich seinen Vorschlägen mit kühler Ablehnung gegenüber; von Baden her erschien ein Gegenproject des Ministers v. Roggenbach, welches, anstreifend an die alten preußischen Unionsgedanken, nur in einer straffen Durchführung des bundesstaatlichen Gedankens das Heil der Zukunft sah; von einem anderen süddeutschen Staatsmann, dem nassauischen Minister Prinzen Wittgenstein, wird das Wort erzählt: „Ja, wie kann man den Bund umgestalten? Wenn man einem Buckligen den Buckel abschneidet, so stirbt er“. In Wien, wo B. persönlich das Project präsentirte, nahm man es anfangs mit höflichem Entgegenkommen auf, um es nach näherer Erwägung entschieden zu verwerfen; die Gewährung des Alternates im Bundespräsidium an Preußen war eine Klippe, über die man in der Hofburg nicht hinwegkam; das österreichische Cabinet wies ebenso schroff die Beust’schen Vorschläge wie die Anregungen Roggenbach’s zurück; Oesterreich könne und wolle auf seine historische Stellung an der Spitze Deutschlands nicht verzichten und werde etwa wieder auftauchenden preußisch-deutschen Unionsplänen seinen peremtorischen Widerstand entgegensetzen. Damit war die Debatte auf eine andere, die eigentlich entscheidende Frage hinübergelenkt, und als nun auch das preußische Cabinet seine Antwort auf die Beust’sche Frage zu geben hatte, so ging man jetzt entschlossen auf die neue Wendung ein; eine Note des Grafen Bernstorff vom 20. Decbr. 1861 lehnte mit höflicher, etwas spöttischer Anerkennung der staatsmännischen Verdienste des Verfassers die „sinnreichen“ sächsischen Vorschläge als unausführbar ab; aber zugleich sprach sie offen aus, daß nach preußischer Auffassung bei der Macht- und Interessenverschiedenheit der deutschen Staaten eine Gesammtföderation überhaupt nicht aufrecht zu erhalten sei und nur eine freie Vereinigung der gleichgearteten Staaten zu einem engeren Bund innerhalb des großen Gesammtbundes angestrebt werden könne.

Damit verkündete Preußen seine Rückkehr zu der alten Unionspolitik, der Gegensatz von kleindeutscher und großdeutscher Politik war von neuem gestellt. Die nächste Folge war, daß unter der Führung Oesterreichs eine Anzahl mittelstaatlicher Regierungen einen gemeinschaftlichen Protest gegen die preußische Kundgebung beschlossen; am 2. Februar 1862 wurde er in „identischen Noten“ in Berlin überreicht; eine scharfe Antwort Bernstorff’s blieb nicht aus, die Spannung wuchs, und das auf friedlichen Ausgleich bedachte sächsische Reformproject hatte auf diese Weise schließlich den entgegengesetzten Erfolg, daß es die Kluft zwischen den Parteien erweiterte und die Mittelstaaten immer mehr ins österreichische Lager trieb. In der nächsten Zeit ist wenigstens ein Theil des Beust’schen Programms, das Delegirtenproject am Bundestag, noch Gegenstand langwieriger, aber fruchtloser Verhandlungen geworden.

B. war über diesen Ausgang verstimmt; er betheiligte sich nicht an den Berathungen über die identischen Noten, noch an ihrer Uebergabe in Berlin; er hielt den Schritt für nicht opportun; doch trat auch er in einer eigenen Erklärung dem preußischen Programm des engeren Bundes entgegen.

Wenn B. bei diesen Vorgängen sich in einer gewissen Differenz mit seinen mittelstaatlichen Collegen befunden hatte, so war dies noch mehr der Fall bei der bald darauf ausbrechenden neuen Zollvereinskrisis von 1862. Die erste Veranlassung dazu gab der von Preußen für den Zollverein in Aussicht genommene Handelsvertrag mit Frankreich, mit wesentlichen Verkehrserleichterungen und einer Revision des Zolltarifs in gemäßigt freihändlerischem Sinne. Es gab in den Zollvereinsstaaten, besonders in Süddeutschland, eine starke schutzzöllnerische [512] Partei; indeß würde dieselbe keinen den Vertrag mit Frankreich gefährdenden Einfluß gewonnen haben, wenn nicht eben jetzt noch ein stärkeres Motiv der Zwietracht hinzugetreten wäre. Die österreichische Politik des Grafen Rechberg hielt jetzt die Zeit gekommen, um von neuem die 1853 vertagte Frage des Eintritts von Oesterreich in den preußisch-deutschen Zollverband anzuregen und diesen Eintritt als ein durch jene früheren Verhandlungen bereits erworbenes Recht in Anspruch zu nehmen; zugleich wurde erklärt, daß der mit Frankreich angebahnte Handelsvertrag unvereinbar sei mit den commerciellen und industriellen Interessen des Kaiserstaats und das daher von diesem Abstand genommen werden müsse, um für Oesterreich den Eintritt in den deutschen Verband möglich zu machen. Es war ein höchst gewaltsamer Angriff auf den Bestand des Oesterreich so verhaßten preußisch-deutschen Zollvereins: falls Oesterreich seine Aufnahme in denselben erzwang, so gewann es nicht nur für sich die erheblichsten ökonomischen Vortheile, sondern es zerstörte auch zugleich den ganzen wirthschaftlichen und politischen Charakter der preußischen Schöpfung, des „ersten Nagels zum Sarge des deutschen Bundes“; falls der Eintritt Oesterreichs nicht zu erwirken war, so galt es, den Zollverein zu sprengen. Und dieses Ziel schien erreichbar. Preußen versagte sich aus allen Gründen, politischen und wirthschaftlichen, principiell dem österreichischen Anspruch; es würde schlimmsten Falles eher die Auflösung des Zollvereins hingenommen, als den Eintritt Oesterreichs zugegeben haben. Ganz entgegengesetzt war die Stimmung in der Mehrzahl der Mittelstaaten; schutzzöllnerische Interessen und österreichische Neigungen standen hier im Bunde; in München und Stuttgart, in Hessen und Nassau wurde der von Preußen vorgelegte französische Handelsvertrag einfach verworfen und damit ausgesprochen, daß man dem Eintritt Oesterreichs in den deutschen Zollverband den Weg offen halte; die preußische Gegenerklärung sprach aus, daß man die Ablehnung des französischen Handelsvetrags als die Einleitung zur Kündigung des Zollvereins ansehe (dessen Bestand allerdings zunächst noch bis zum Ende des Jahres 1865 durch die Verträge gesichert war).

In dieser Krisis war Sachsen der einzige von den Mittelstaaten, der sich auf die Seite Preußens, oder richtiger gesagt, des Zollvereins stellte. Bei allem politischen Antagonismus gegen Preußen war B. keinen Augenblick darüber im Zweifel, daß für eine Regierung, die den Großhandel von Leipzig und die Blüthe der sächsischen Industrie im Auge zu halten hatte, die Erhaltung des Zollvereins oberstes Gesetz war. Der französische Handelsvertrag wurde in Dresden gebilligt und von dem Landtag einstimmig angenommen; man sprach es hier wie in Berlin offen aus, daß Deutschland und der Zollverein nicht gehalten seien, sich die nothwendigen Fortschritte in seiner Entwicklung zu versagen, weil Oesterreich bei dem rückständigen Charakter seines Wirthschaftslebens noch nicht befähigt sei, in jene höhere Gemeinschaft einzutreten. B. nahm sich mit Eifer der Vermittlung zwischen den feindlichen Lagern an; eine schwierige und z. Th. undankbare Aufgabe. In Wien, München und Stuttgart war man über die preußische Haltung des sächsischen Ministers in dieser Frage ziemlich ungehalten; in Berlin hatte er alle Noth, gegen die schroffe Unnachgiebigkeit des preußischen Cabinets aufzukommen; zuletzt gelang es ihm doch, eine Annäherung zwischen Preußen und Oesterreich herbeizuführen, wodurch der Bruch vermieden und die Erhaltung des Zollvereins sichergestellt wurde; bis ins Frühjahr 1865 dauerten die Verhandlungen, und unstreitig hat B. an ihrem befriedigenden Ausgang, der freilich eine ökonomische Lebensfrage für Sachsen bedeutete, einen sehr verdienstlichen Antheil gehabt.

Aber schon waren neue Probleme in den Vordergrund getreten. Das [513] Capitalereigniß für die deutsche Zukunft hatte sich vollzogen: im September 1862 war Bismarck an die Spitze der preußischen Regierung getreten.

Von der seltsamen, völlig in der Luft schwebenden Angabe Ebeling’s, daß König Wilhelm I., bevor er Bismarck berief, an ein Ministerium Beust gedacht, dieser aber den Antrag abgelehnt habe, ist nicht weiter zu reden. Wol aber hatte die Action des sächsischen Ministers in der Zollkrisis zeitweilig eine günstigere Stimmung für seine Person in Berlin aufkommen lassen; König Wilhelm hatte ihm „mit warmem Händedruck“ für seine Thätigkeit gedankt, und Bismarck richtete kurz nach seinem Amtsantritt ein Schreiben von fast intimer Vertraulichkeit an B. (10. Oct. 1862), worin er ihm die Anknüpfung eines fortgesetzten nichtamtlichen brieflichen Verkehrs bietet, die verbreiteten Gerüchte von abenteuerlichen politischen Plänen zurückweist und sogar bei Besprechung des preußischen Verfassungsconflictes an seinen guten Rath appellirt, „den Ihre Erfahrung in ähnlichen Erlebnissen Ihnen eingibt“. Einige Zeit darauf (27. Febr. 1863) ließ Bismarck durch Herrn v. Savigny, der bis vor kurzem preußischer Gesandter in Dresden gewesen war, B. den dringenden Wunsch nach einer mündlichen Aussprache mit ihm vorlegen, mit der Bitte um einen Besuch in Berlin; Savigny fügte hinzu, daß es sich vornehmlich um Fragen der deutschen Bundespolitik handle, für die B. „ein seltenes Verständniß“ habe und in denen man vor allem mit dem sächsischen Cabinet in unmittelbare Fühlung zu treten wünsche. Die gewünschte Reise nach Berlin kam nicht zu Stande; B. trug Bedenken sie zu unternehmen, ohne dem österreichischen und den mittelstaatlichen Höfen eine erläuternde Mittheilung darüber zu machen, und dies wiederum fand Bismarck nicht opportun. Savigny reiste sogar noch einmal nach Dresden, um persönlich die Bedenken Beust’s zu widerlegen, und dabei – so erzählt dieser in seinen Lebenserinnerungen – fielen Worte, „obwol sehr verblümt“, welche von B. so verstanden wurden, als ob die Absicht Bismarck’s dahin ginge, ihn für den Eintritt in das preußische Ministerium zu gewinnen; er habe, so fügt der Erzähler hinzu, sich sehr vorsichtig zurückgehalten und weitere Eröffnungen seien dann nicht erfolgt. Der sehr problematische Vorgang, über den keinerlei andere Bezeugung vorliegt, der aber offenbar dem Selbstgefühl Beust’s sehr schmeichelte, würde ja an und für sich nicht ganz undenkbar sein; eben damals war Bismarck in der Neubildung seine Ministeriums begriffen; die Kräfte, über die er zu verfügen hatte, waren weder sehr zahlreich, noch sehr hervorragend – tauchte etwa einmal vorübergehend bei ihm der Gedanke auf, sich dieses klugen und geriebenen sächsischen Ministers zu bemächtigen, mit dem er in den Grundfragen der inneren Politik ziemlich übereinstimmte, und den er für seine Auffassung der deutschen Politik gewinnen zu können hoffte? So lange nicht anderweitige Bezeugung hinzutritt, wird man die Sache doch bezweifeln müssen; wobei allerdings nicht ausgeschlossen ist, daß vielleicht ein im Gespräch von Savigny hingeworfenes Wort von rein persönlichem Charakter Anlaß zu dem Mißverständniß gab. Einige Monate später kam B. doch nach Berlin, bald darauf empfing er Bismarck’s Gegenbesuch in Dresden; die beiden Staatsmänner verkehrten auf dem freundschaftlichsten Fuße, aber von einem Ministerposten war nicht die Rede.

Bald jedoch gingen die Wege wieder weit auseinander. Der August 1863 brachte die österreichische Improvisation des Frankfurter Fürstentags, mit einem neuen Bundesreformproject. Der damals an vielen Stellen gehegte Verdacht, daß B. dabei die Hand im Spiele gehabt habe, ist unbegründet. Eine patriotische, im Grunde sehr unverfängliche Festrede, die er eben damals auf dem allgemeinen deutschen Turnerfest in Leipzig, in Gegenwart auch sehr zahlreicher [514] österreichischer Turnerschaaren hielt, wurde ihm in Berlin sehr übel gedeutet als eine auf geheimer Verabredung mit Wien beruhende populäre Demonstration für Oesterreich; auch Bismarck theilte damals das Mißtrauen und sprach Heß offen gegen B. aus; in den „Gedanken und Erinnerungen“ kommt er darauf nicht mehr zurück. In der That war die sächsische Regierung durch den kühnen österreichischen Handstreich der Berufung des Fürstentags ebenso überrascht, wie alle anderen, glaubte aber, wie alle außer Preußen, dem Rufe des Kaisers Franz Josef sich nicht entziehen zu dürfen: „ein sehr gewagtes Spiel“, schrieb B. an den sächsischen Gesandten in Wien, „da aber einmal gespielt werden soll, werden wir mitspielen“. Gegen das Biegeleben-Fröbel’sche Bundesreformproject, das in Frankfurt vorgelegt wurde, wird er sich schon in jenen Tagen ebenso skeptisch verhalten haben, wie er später in seinen Memoiren es einer scharfen Kritik unterwirft – schon die einseitige Begünstigung Baierns in dem Entwurf mußte als eine empfindliche Zurücksetzung der anderen Königreiche gefühlt werden[WS 4]. Aber die geschickte Inscenesetzung, eine gewisse ehrfürchtige Scheu vor dem kaiserlichen Regisseur und das Gefühl, daß ein Fürstentag nicht so resultatlos enden[WS 5] dürfe, wie so viele Ministerconferenzen vor ihm, siegte jetzt über viele Bedenken. Auch König Johann von Sachsen stand mit aufrichtiger persönlicher Hingebung an den kaiserlichen Freund in dieser Gesinnung, und dies bestimmte natürlich auch Beust’s Verhalten auf dem Fürstentag. Der Verlauf der Verhandlungen über die vorgelegte Reformacte ist hier nicht zu erzählen; König Johann stand an der Spitze der für das österreichische Project gestimmten Majorität, sowie der Großherzog Friedrich von Baden der entschlossene Führer der kleinen Minorität war. In der Weigerung des preußischen Königs, an dem unzeitig übereilten Congreß sich zu betheiligen, lag die Entscheidung über das ganze Unternehmen. Als am 19. August König Johann seine denkwürdige Gesandtschaftsreise nach Baden zu König Wilhelm antrat, um ihn im Namen der versammelten Fürsten zum Erscheinen in Frankfurt einzuladen, war B. in seiner Begleitung. Er hatte eine erregte Unterredung mit Bismarck; das Ende war, daß er, in später Nachtstunde aus dem Schlafe geweckt, aus der Hand des preußischen Ministers das Antwortschreiben König Wilhelm’s mit der definitiven Ablehnung entgegenzunehmen hatte, zugleich mit der dringenden Aufforderung, im Interesse der Gesundheit des von der Cur in Gastein kommenden Königs ohne weitere Versuche am nächsten Morgen abzureisen.

Das „gewagte Spiel“ war damit für Oesterreich verloren, so sehr man durch resultatlose Fortsetzung der Verhandlungen die Thatsache zu verschleiern suchte. Es steht dahin, ob B. das Scheitern des Projectes sehr bedauerte. Graf Rechberg aber trug die Einsicht davon, daß ohne Verständigung mit Preußen, auch bei der wohlgesinntesten Mitwirkung der Mittel- und Kleinstaaten, die österreichische Politik nicht weiter komme; und in der That, als kurz nach dem Schluß des Frankfurter Tages auf den Ministerconferenzen in Nürnberg (October 1863) mit der Ausführung der gefaßten Beschlüsse Ernst gemacht werden sollte, zeigte sich alsbald, daß bei den führenden Mittelstaaten bereits der Muth erlahmt war und die Bedenken überwogen: „wenn Ihr es so haben wollt“, sagte Rechberg zu B., „mit Preußen können wir uns auch verständigen“. Eine Drohung, die bald zur Wahrheit werden sollte.


Der schleswig-holsteinsche Conflict trat auf den Plan; er schob scheinbar alle anderen deutschen Fragen in den Hintergrund, in Wirklichkeit rückte er sie alle erst für die Möglichkeit einer Lösung zurecht und bahnte in Verlauf und Folgen der heilvollen Lösung den Weg. Eine der bewunderungswürdigsten staatsmännischen Leistungen, Bismarck’s Führung des Kampfes um die Elbherzogthümer; [515] sein diplomatisches Meisterstück hat er sie selbst genannt. Aber es war ein großes einsames Meisterwerk, in seinen verschlungenen Gängen lange unverstanden von Freund und Feind – und unverstehbar, bis das glorreiche Ende den verborgenen Sinn offenbarte. Die öffentliche Meinung in Deutschland, hoch erregt als die alte Herzensangelegenheit wieder in Fluß kam, ging ihre anderen Wege, gerade aufs Ziel, wie sie vermeinte, mit enthusiastischer Siegesgewißheit, aber ohne nur den kleinsten Theil der Hemmnisse zu kennen und zu verstehen, welche die allgemeine europäische Lage einem solchen geradlinigen Verfahren entgegensetzte. Als im November 1863 König Friedrich VII. von Dänemark starb, als sein Glücksburger Nachfolger Christian IX., von dem eiderdänischen Radicalismus gedrängt, der vertragsbrecherischen Vergewaltigung der Herzogthümer freien Lauf ließ, und als dann der Herzog Friedrich von Augustenburg seinen etwas problematischen Erbanspruch auf Schleswig und Holstein verkündigte und den Schutz des deutschen Bundes anrief, da stand das populäre Programm bald fest, im Nationalverein und in der Presse, in den Landtagen, am Bundestag und bei der Mehrzahl der deutschen Höfe, daß jetzt der Augenblick gekommen sei, dem deutschen Nationalinteresse endlich seine Genugthuung zu verschaffen, die Lösung der Herzogthümer aus dem dänischen Staatsverband zu erzwingen und dem bereitwillig anerkannten Augustenburgischen Prätendenten zu seinem Rechte zu verhelfen.

Die Politik der deutschen Mittelstaaten ergriff mit Eifer die günstige Gelegenheit, der guten Sache und zugleich der eigenen Sache zu dienen, indem sie sich den populären Stimmungen und Forderungen anschloß und sich, an der Spitze der gleichgestimmten kleineren Staaten, in die vorderste Reihe der Kämpfer für das nationale Recht zu stellen suchte. Es war für sie von dem höchsten natürlichen Interesse, daß der deutsche Bund der Initiative und der Führung in dem bevorstehenden Kampfe sich bemächtigte; nahm der Bund die große nationale Action in die Hand, so war damit eine bedeutsame Stärkung der Macht und der Autorität dieses wankenden Instituts gewonnen, dessen Bestand für sie so unentbehrlich war. Und wenn in den befreiten Elbherzogthümern ein neues deutsches Bundesfürstenthum unter Augustenburgischer Herrschaft etablirt wurde, so war dies ein Machtzuwachs für die mittelstaatliche Partei, der namentlich Preußen gegenüber höchst erwünscht sein mußte.

Die Politik der beiden deutschen Großmächte ging nun aber andere Wege. Es gelang Bismarck, den österreichischen Collegen Rechberg, der seit dem Mißerfolg des Fürstentags ohnedies auf die Mittelstaaten schlecht zu sprechen war, ganz zu seiner Auffassung herüberzuziehen: Preußen und Oesterreich haben als europäische Mächte das Londoner Protokoll von 1852 unterzeichnet, welches die Erbfolgefrage in der dänischen Monarchie zu Gunsten des Hauses Glücksburg regelt; auf Grund desselben ist jetzt Christian IX. König von Dänemark und Herzog von Schleswig und Holstein; aber er hat die Verpflichtungen nicht erfüllt, die ihm das Protokoll inbezug auf die provinzielle Selbständigkeit Schleswigs auferlegt hat; er hat in Holstein einer vertragswidrigen Gewaltherrschaft freien Lauf gelassen und die unauflösliche staatsrechtliche Verbindung der beiden „ungedeelten“ Herzogthümer thatsächlich aufzuheben unternommen; ein Verfahren gegen ihn ist daher nothwendig und berechtigt; aber Preußen und Oesterreich als Unterzeichner des Londoner Protokolls, eines europäischen Staatsactes, sind „vorläufig“ an dieses gebunden und können zunächst nur einem Verfahren zustimmen, welches Christian IX. als deutschen Bundesfürsten von Holstein anerkennt. Oesterreich und Preußen stellten demgemäß den Antrag auf Bundesexecution gegen den Herzog von Holstein: „sind die deutschen Truppen, schrieb [516] Bismarck damals vertraulich, erst einmal im Lande, so wird sich alles Weitere finden, und die Situation kann sich in kurzem ändern“.

Indem nun die mittelstaatliche Gegenpartei das Londoner Protokoll als unverbindlich erklärte für den deutschen Bund, der demselben nicht beigetreten war, indem sie das Augustenburgische Erbrecht auf Schleswig und Holstein anerkannte, so spitzte sich der Gegensatz zu auf die Frage: Execution oder Occupation, d. h. bundesrechtliches Executivverfahren gegen den als legitimen Inhaber von Holstein betrachteten Herzog-König, zur Erzwingung gewisser Reformforderungen, oder kriegsmäßiges Occupationsverfahren gegen den widerrechtlichen Inhaber der beiden Herzogthümer bis zur definitiven Entscheidung der Erbrechtsfrage. Das eine Verfahren mit kluger Vorsicht zunächst nur einen zweifellos berechtigten ersten Schritt thuend und mit der Festhaltung am Londoner Protokoll jedem Einspruch der dänenfreundlichen Protocollmächte, besonders Englands, vorbeugend; das andere ein offenes Vorgehen direct auf das letzte Ziel, mit fliegenden Fahnen, unter stürmischer Zustimmung der erregten nationalen Begeisterung – und mit sehr geringer Rücksicht auf die trüben Erfahrungen von 1849/50.

Am 7. December fiel die erste Entscheidung in Frankfurt: mit einer Stimme Majorität siegte der preußisch-österreichische Antrag auf Eröffnung des Bundesexecutionsverfahrens in Holstein. Infolge früherer Beschlüsse waren Sachsen und Hannover zur Vollziehung der Execution bestimmt, die nun sofort ins Werk gesetzt wurde. Dem sächsischen General v. Hake wurde das Commando über die Bundesexecutionsarmee übertragen; als die deutschen Truppen die Grenze überschritten, wichen die Dänen ohne Kampf zurück und räumten Holstein – die Aufgabe der Bundesexecution war damit vollbracht, aber die größeren Schwierigkeiten standen noch bevor.

Bei all diesen Verhandlungen und Vorgängen hatte B. seine alte Rolle als Wortführer der mittelstaatlichen Politik mit rührigstem Eifer wieder aufgenommen. Er hatte an König Johann, an dem Kronprinzen Albert und an dem auf eine Politik der nationalen That drängenden sächsischen Landtag festen Rückhalt; mit Schrenck und Pfordten in München, mit Hügel in Stuttgart, mit Roggenbach in Karlsruhe, mit Dalwigk in Darmstadt stand er in unablässigem Verkehr; nicht selten ging von Dresden die Parole aus; den verbündeten Collegen gegenüber erscheint er wiederholt als der gemäßigtere, der noch immer nach Verständigung mit Preußen strebt, der namentlich auch die voreilige Uebersiedlung des Augustenburgers nach Kiel nicht billigte. Eine kleine Verlegenheit hatte die sächsische Regierung daran, daß sie, wie auch verschiedene andere, 1852 das Londoner Protocoll für ihren Theil formell angenommen hatte; aber eine damals beigefügte Clausel des Vorbehalts für die Entschließungen des Bundestags (der als solcher das Protocoll nicht anerkannt hatte) half über diese Schwierigkeit hinweg. Es ist bezeichnend, daß B. auch jetzt in die Lage kam, eine unziemliche Einmischung des Auslandes mit öffentlichem Eclat zurückzuweisen. Wie in früheren Fällen Clarendon und Gortschakoff, so sah sich jetzt der dänenfreundliche englische Minister John Russell veranlaßt, dem sächsischen Cabinet durch seinen Gesandten Murray in Dresden eine sehr anmaßliche Rüge zu ertheilen über seine schleswig-holsteinsche Politik beim Bundestag und weiter sogar über das angeblich ungebührliche Verhalten der sächsischen Executionstruppen in Holstein in tadelnden und drohenden Ausdrücken Klage zu führen. Besonders die letztere Anschuldigung glaubte B. nicht unerwidert lassen zu dürfen und gab darauf eine „etwas gepfefferte Antwort“, worin er dem englischen Geschäftsträger zu Gemüthe führte, daß „das Benehmen der Bundestruppen in einem Bundeslande, in welchem sie sich in Folge eines Bundesbeschlusses befinden, ein Gegenstand ist, der eine fremde Regierung durchaus [517] nichts angeht“, und daß man im übrigen sich durch die englischen Drohungen keineswegs schrecken lasse. Freilich, bemerkte Bismarck, als ihm bald darauf der Briefwechsel bekannt wurde, etwas boshaft, „die sächsische Regierung würde sich weniger unhöflich ausgesprochen haben, wenn England eine benachbarte Macht mit einer großen Armee oder wenn Sachsen ein an der See gelegener Staat wäre“.

Für die Mittelstaaten war der Executionsbeschluß vom 7. December eine erste schwere Niederlage; die neue Combination, in welcher die beiden Großmächte verbündet gegen die Mittelstaaten standen, verwirrte alle ihre Kreise. B. eilte nach München, um über einen neuen Actionsplan zu berathen; man konnte sich über nichts weiter verständigen, als daß am Bundestag jetzt sofort die Prüfung des Augustenburgischen Erbrechts vorgenommen werden müsse, nach deren voraussichtlich günstiger Entscheidung dann weitere Schritte zu thun seien. Das hatte gute Wege, aber inzwischen säumte Bismarck nicht, den Gegnern zuvorzukommen und ihnen überhaupt alle weiteren Wege zu verbauen. Am 28. December richteten Oesterreich und Preußen an den Bundestag die Aufforderung, von der dänischen Regierung die sofortige Aufhebung der für Schleswig beschlossenen Incorporationsverfassung und die Erfüllung der Zusagen von 1852 zu verlangen, widrigenfalls der deutsche Bund das Herzogthum als Pfand militärisch besetzen werde. Also: der Bund soll Schleswig occupiren, aber nicht nach seinem alten Programm zum Zwecke der Losreißung desselben von Dänemark und zu Gunsten eines anderen legitimen Prätendenten, sondern nur als Zwangsmittel für die Erfüllung der Verfügungen des Londoner Protokolls, nach welchem Christian IX. legitimer Herzog von Schleswig war; das hieß, es wurde von dem Bundestag das Aufgeben der Basis verlangt, auf dem seine ganze bisherige Action geruht hatte.

Die Entrüstung über die österreichisch-preußische Zumuthung war allgemein, an den mittleren und kleinen Höfen wie in den weitesten Volkskreisen. Am Bundestag war die überwiegende Majorität jetzt gegen den Antrag der Großmächte; man war entschlossen, nicht in die gelegte Falle zu gehen, und ahnte nicht, daß die eigentliche Falle auf der anderen Seite gelegt war. In der sicheren Voraussicht der ablehnenden Entscheidung verständigte sich Bismarck mit dem Wiener Cabinet über das dann einzuschlagende Verfahren. Am 14. Januar 1864 fand die Abstimmung über den österreichisch-preußischen Antrag statt, er wurde mit großer Majorität abgelehnt, und sofort folgte hierauf die Erklärung, daß infolge dieses Beschlusses Oesterreich und Preußen als europäische Großmächte vorgehen und Dänemark zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zwingen würden. Mit diesem Schlage war die bundestägliche Politik in der schleswig-holsteinschen Frage thatsächlich mattgesetzt; der Bund hatte seine Executionsarmee in Holstein, aber die eigentlichen Entscheidungen nahmen nun Oesterreich und Preußen in die Hand. Auf das von ihnen in Kopenhagen gestellte Ultimatum erfolgte am 18. Januar die ablehnende Antwort der dänischen Regierung, der Kriegsfall war gegeben, der die Truppen der beiden Verbündeten über das Danewerk nach Düppel und Alsen führen sollte.

Schwer ertrugen die bei Seite geschobenen Mittelstaaten das Scheitern ihrer stolzen Entwürfe. Im ersten Zorn vermaß sich wol B., daß die Bundesexecutionstruppen in Holstein den preußischen und österreichischen Truppen den Durchzug verwehren würden; aber er beeilte sich, diese Donquixoterie selbst wieder abzuleugnen. Die Aufforderung zur Theilnahme der Bundestruppen an dem Feldzug nach Schleswig wurde abgelehnt, und in mißlicher eingeengter Lage behaupteten die sächsischen und hannöverischen Truppen thatenlos ihre Stellung in Holstein, während Preußen und Oesterreicher von Sieg zu Siege schritten. [518] Die Spannung nahm zeitweilig den drohendsten Charakter an; es war die Rede davon, die in Holstein stehenden sächsischen und hannöverischen Bundesexecutionstruppen durch Theile der süddeutschen Armeecorps zu verstärken und eventuell im Namen des Bundes den Herzog von Augustenburg als legitimen Landesherrn einzusetzen – was natürlich zum offenen Conflict mit Oesterreich und Preußen hätte führen müssen; zu kleinen militärischen Reibereien kam es schon jetzt. Zugleich wurde von München her eine neue mittelstaatliche Conferenz in Würzburg inscenirt. Zuletzt verliefen die Dinge doch gelinder, und besonders in Dresden wurde das Signal zum Einlenken gegeben. Ein vertraulicher Briefwechsel zwischen König Wilhelm von Preußen und dem König Johann bahnte die Verständigung an; zugleich erschien als Vertrauensmann des preußischen Königs der General Edwin v. Manteuffel in Dresden, um Oel auf die bewegten Wogen zu gießen, und wenn dann in einem Gespräch mit B. der politisirende General sich eine der ihm geläufigen Improvisationen erlaubte: der erste Schuß auf preußische Uniformen in Holstein würde zur unmittelbaren Folge die Besetzung Sachsens haben, so blieb diese nicht in seiner Instruction stehende Drohung wol auch nicht ganz ohne Wirkung. Man lenkte in Dresden ein; zum äußersten gedachte König Johann es doch nicht zu treiben, zumal da es unverkennbar war, daß die öffentliche Meinung in Deutschland sich allmählich der Seite zuzuwenden begann, wo deutsche Waffen geführt und deutsche Siege erfochten wurden. Die Krisis ging vorüber, und auch B. schloß sich den versöhnlicheren Ansichten des Königs an.

Ihm ward jetzt an anderer Stelle eine Aufgabe zu Theil, die seinem Ehrgeiz die höchste Befriedigung gewährte. Auf den Antrag Englands trat im April 1864 eine neue Londoner Conferenz zur Schlichtung des deutsch-dänischen Streites zusammen; auch der deutsche Bund erhielt die Aufforderung zur Betheiligung, und auf den Vorschlag Bismarck’s wurde B. von dem Bundestag in Frankfurt als Vertreter nach London entsandt, mit Umgehung v. d. Pfordten’s, den man in München dafür ins Auge gefaßt hatte. Diese Londoner Mission bildete in den Augen Beust’s einen Glanzpunkt seines Lebens; die Vollmacht, mit der er zum Vertreter des deutschen Bundes auf der Conferenz ernannt wurde, hing seitdem unter Glas und Rahmen in seinem Arbeitszimmer. Er durfte sich fühlen als bevollmächtigter Wortführer des officiellen „reinen“ Deutschland bei diesem vornehmen Diplomatencongreß, und zugleich als Vertreter der eigentlichen und offenkundigen nationalen Wünsche, gegenüber den dunklen und unverständlichen Plänen der beiden kriegführenden Großmächte. Eben in diesem Sinne hatte auch Bismarck, wie es scheint, seine Wahl begünstigt: es war ihm erwünscht, wenn auf dem Congreß neben der strengen und nüchternen Diplomatenarbeit auch das deutsche nationale Pathos zu Worte kam, und dafür war der wohlredende und wortreiche sächsische Minister das geeignetste Organ – „Sie sollen, sagte er scherzend zu ihm, in London die Rolle des enfant terrible übernehmen“; der österreichische Minister Graf Rechberg motivirte seine Zustimmung etwas derber: Beust sei geschmeidiger, eitler und verführbarer als v. d. Pfordten und darum vorzuziehen. In der That hat B., mit seiner unendlichen Rührigkeit und Beredsamkeit, auf dem Congreß eine gewisse Rolle gespielt – nur daß die Rolle des Congresses selbst in dem Gang der Ereignisse nur die einer secundären Episode blieb. Kampflustig und schlagfertig focht er manchen Strauß besonders mit den englischen und russischen Bevollmächtigten aus, trat von Anfang an für die völlige und definitive Loslösung der Herzogthümer von Dänemark ein, immer im Hinblick auf das vorbehaltene Augustenburgische Erbrecht, und wußte dabei in den meisten Fällen eine gewisse Linie des äußerlichen Zusammengehens mit den preußischen und österreichischen Gesandten innezuhalten. [519] Auf die vielverschlungenen Verhandlungen ist hier nicht im einzelnen einzugehen; die Berichte Beust’s an den Bundestag, die er in einer (allerdings nicht immer recht verständlichen) Auswahl in seinen Memoiren mittheilt, geben ein sehr lebhaft gefärbtes Bild, etwas allzu lebhaft jedenfalls inbezug auf die Wichtigkeit seiner eigenen Bethätigung, und wenn er später sogar das wichtigste Resultat, die Lossagung Oesterreichs und Preußens von dem Londoner Protokoll von 1852, als sein eigenes Verdienst in Anspruch nimmt, so ist das eine sehr seltsame Verkennung der Thatsachen. Am 25. Juni ging der Congreß zu Ende; er hatte im wesentlichen nichts erreicht, als daß die Gefahr einer europäischen Intervention abgewandt war; von neuem lag die Entscheidung bei den Waffen. Die Wirksamkeit Beust’s in London aber hatte in hohem Maaße die populäre Zustimmung in weiten Kreisen gefunden; als er nach Dresden heimkehrte, wurde er von den Behörden feierlich empfangen, von der Bevölkerung mit Fackelzug und Serenade wie ein Triumphator gefeiert.

In Wirklichkeit verlief nun doch alles anderes als in den von ihm gewünschten Bahnen. Auf den Schluß des Congresses folgten in raschem Zuge die großen Entscheidungsthatsachen der nächsten Monate: die Eroberung von Alsen, Waffenstillstand und Präliminarien, endlich der Wiener Friede vom 30. October 1864. Die beiden deutschen Großmächte waren Rechtsbesitzer von Schleswig, Holstein und Lauenburg. Das große nationale Befreiungswerk war vollbracht.

Die Politik des deutschen Bundes und der Mittelstaaten aber hatte völlig Schiffbruch gelitten, und noch in seinen viel später geschriebenen Lebenserinnerungen kann B. nicht umhin, einen elegischen Rückblick auf den Gang dieser Ereignisse zu werfen, deren Resultat ja unverwerflich sei, die aber, besser geleitet, nicht zu dem Krieg von 1866 hätten zu führen brauchen – wenn man seinen Rathschlägen gefolgt wäre, wenn das österreichische Cabinet alsbald nach dem Wiener Frieden den „kühnen Griff“ gewagt hätte, sich offen, im Einverständniß mit dem Bundestag und der öffentlichen Meinung, für die Sache des Augustenburgers zu erklären und seine Einsetzung zu erwirken, immerhin auch mit den weitgehendsten Zugeständnissen und Sicherstellungen für Preußen: dann hätte es kein Condominium, keinen Vertrag von Gastein, kein 1866 gegeben.

B. hielt auch in der Folge an dem Programm der Augustenburgischen Erbfolge mit Zähigkeit fest, während sein Kampfgenosse v. d. Pfordten jetzt zeitweilig seine bairischen Machtpläne sogar mit der Zustimmung zu einer preußischen Annexion der Herzogthümer in Einklang zu bringen versuchte. Die Beziehungen zwischen Dresden und Berlin wurden immer gereizter; in Holstein kam es zwischen den preußischen und sächsischen Truppen zu den bedenklichsten Reibungen; die Sachsen mußten auf das kategorische Verlangen des Prinzen Friedrich Karl die Festung Rendsburg räumen, was natürlich wirkungslose Proteste und Verhandlungen am Bundestage zur Folge hatte, wogegen Preußen wieder die Aufgabe der Bundesexecutionstruppen überhaupt für erledigt erklärte und selbst unter Androhung von Selbsthülfe ihren Abzug aus Holstein forderte. In der That war die Abberufung der Bundescontingente nicht mehr zu umgehen. B. bestand darauf, daß sie bundescorrect nur erfolgen könne auf Grund eines formellen Beschlusses des Bundestags; als dieser erfolgt war, verfügte er, daß die sächsischen Truppen nicht auf dem geraden Wege durch preußisches Gebiet heimkehrten, sondern auf einem weiten kostspieligen Umweg über Hannover, Hessen, Thüringen und Baiern; der „Abderitenstreich“, wie Treitschke damals die Maßregel nannte, wurde natürlich von der öffentlichen Meinung, und schwerlich ganz mit Unrecht, als eine beleidigende Demonstration gegen Preußen aufgefaßt.

[520] Die Verhandlungen am Bundestag nahmen inzwischen ihren immer mehr erlahmenden Verlauf, während zugleich die Beziehungen zwischen Oesterreich und Preußen einen bedenklichen Charakter anzunehmen begannen. B. entfaltete nach wie vor eine unermüdliche Thätigkeit, in Luftstreichen freilich, die niemand trafen; unmittelbar nachdem er persönlich in Wien dem österreichischen Cabinet ein neues Project zur Lösung des Conflictes vorgelegt hatte, wurde er überrascht durch die Kunde, daß Oesterreich und Preußen sich noch einmal ohne sein Zuthun verständigt hatten; der Gasteiner Vertrag vom 14. August 1865 war geschlossen. Ein Nothbehelf für den Augenblick, zur Hinausschiebung der unvermeidlichen Krisis, aber für die mittelstaatliche Politik ein empfindlicher Schlag, eine neue Documentirung der vollkommenen Ohnmacht des Bundestags. Die Verbitterung zwischen Berlin und Dresden wuchs; der Kampf in der Presse nahm so heftige Formen an, daß es selbst zu diplomatischen Anklagen und Gegenklagen kam, und in den „Preußischen Jahrbüchern“ ließ auf eigene Faust Heinrich v. Treitschke seine wuchtigsten Keulenschläge auf das Haupt des ihm besonders verhaßten sächsischen Ministers niederprasseln.

Die unhaltbaren Zustände, die der Gasteiner Vertrag in den Elbherzogthümern schuf, das unzweideutige Hervortreten der Bismarck’schen Annexionspläne und die immer ersichtlichere Erschütterung des preußisch-österreichischen Bündnisses hatten zur natürlichen Folge eine allmähliche Wiederannäherung Oesterreichs an den Bundestag und die führenden Mittelstaaten. Der Krieg trat in Sicht, und damit die Gewißheit, daß, wenn er geführt werden mußte, er in erster Reihe nicht der schleswig-holsteinschen, sondern der deutschen Frage galt. Ebenso gewiß war, daß in diesem Falle die Mittelstaaten an der Seite Oesterreichs gegen Preußen kämpfen würden; aber man kann nicht behaupten, wie wol geschehen, daß sie Oesterreich systematisch zum Kriege angereizt hätten. In Dresden hat man die Möglichkeit eines Bruches zwischen den beiden Großmächten schon im Januar 1865 ins Auge gefaßt; wie sehr König Johann ein solches „National-Unglück“ scheuen mochte, so schien es doch bei der bedrohten geographischen Lage Sachsens gerathen, für alle Fälle auch jetzt schon an die dann nothwendige Kriegsrüstung zu denken. B. hat eine Zeit lang den unausführbaren Gedanken einer Neutralität des deutschen Bundes bei dem Duell zwischen Oesterreich und Preußen gehegt; man sagte sich bald, daß Bismarck einen solchen papierenen Grenzwall zum Schutz der sächsisch-böhmischen Pässe mit einer Handbewegung über den Haufen werfen würde. Eine andere Möglichkeit war die einer Verständigung zwischen Preußen und den Mittelstaaten. Bismarck glaubte sie finden zu können auf dem Wege eines neuen Bundesreformprogramms, mit Berufung eines deutschen Parlamentes, daß er nun in den Vordergrund stellte (Circulardepesche vom 24. März 1866). Bundesreform und Parlament waren zwei Programmworte, die sowol v. d. Pfordten in München, wie B. in Dresden bei früheren Gelegenheiten wiederholt als brauchbar befunden hatten: als jetzt die Initiative Preußens Entscheidung forderte, konnte man sich weder hier noch dort entschließen, vom Worte zur That überzugehen. Mit v. d. Pfordten gab es langwierige schwankende Verhandlungen, deren Resultat schließlich doch die Ablehnung eines Zusammengehens mit Preußen war; in Dresden war man rascher entschlossen: „der Moment eines häuslichen Zwistes in einer Familie, sagte B., ist nicht der geeignete Zeitpunkt um das Haus umzubauen“; der Ministerrath beschloß, daß Sachsen auf dem Boden des geltenden Bundesrechts zu beharren gedenke. Für Sachsen war dieser conservative Standpunkt in der That der natürliche: vor den Augen v. d. Pfordten’s konnte Bismarck gewisse Perspectiven aufgehen lassen, auf bairische Führerschaft in Süddeutschland u. dgl., die den Ehrgeiz des bairischen Ministers zu reizen [521] vermochten; für Sachsen wurde keine Art von Erhöhung geboten; es fiel einfach in die Machtsphäre Preußens, und darum erkannte man in Dresden mit Recht das Beharren bei dem alten schützenden Bundesrecht als die relativ sicherste Politik. Der Standpunkt Beust’s läßt sich einfach in der Formel ausdrücken: wenn wir vor die Wahl zwischen Oesterreich und Preußen gestellt werden, so wählen wir zunächst den deutschen Bund; und da nach der Lage der Dinge Oesterreich gleichfalls an der Erhaltung der Bundesverfassung interessirt ist, Preußen aber nicht, so müssen wir, aber erst im Falle des Conflictes, Oesterreich wählen, und der Bund hat die Verpflichtung uns zu schützen.

Unter allen unablässigen Verständigungs-, Aufschubs-, Abrüstungs- und Congreßplänen, welche die erste Hälfte des Jahres 1866 erfüllen, schritt man der großen unaufhaltsamen Krisis entgegen. Noch einmal trat (15. Mai) eine mittelstaatliche Conferenz in Bamberg zusammen; sie constatirte nur, wie zerfahren und entschlußlos die Partei war; B. erhielt den Eindruck, daß Sachsen für den Fall eines preußischen Angriffs der Hülfe Baierns und des Bundes sich nicht völlig versichert halten könne; um so mehr galt es, Sicherheit bei Oesterreich zu suchen. Der vielbesprochene Gablenz’sche Vermittlungsversuch in letzter Stunde (Mai 1866) hatte, als er schon als gescheitert zu betrachten war, noch ein Nachspiel in Dresden. Gablenz legte persönlich B. sein Project vor und bat um seine Vermittlung in Wien: es war eine etwas seltsame Zumuthung, daß der sächsische Minister für dieses Programm eintreten sollte, welches im Grunde auf eine dualistische Neuordnung des deutschen Bundes auf Kosten der Mittelstaaten hinauslief. B. lehnte es einfach ab, das Project zu befürworten (31. Mai), zumal er ganz sicher wußte, daß dies in Wien jetzt ganz aussichtslos sein würde. Zu den persönlichen Verhandlungen zwischen dem König Johann und dem Großherzog Friedrich von Baden, der zu einem letzten Friedensversuch in Pillnitz erschien (2. Juni), scheint B. nicht zugezogen worden zu sein. Inzwischen waren die sächsischen Rüstungen schon längst vollendet, die nöthigen militärischen Vereinbarungen mit den in Böhmen stehenden österreichischen Heerestheilen wurden getroffen. Ein eigentliches politisches Sonderbündniß zwischen Oesterreich und Sachsen ist nicht geschlossen worden; B. hielt, ebenso wie König Johann, consequent daran fest, daß alle weiteren Entscheidungen sich formell nur auf dem Wege der correcten bundesrechtlichen Action bewegen dürften. Wenn aber der Krieg unvermeidlich war, so sah man ihm in den sächsischen politischen und militärischen Kreisen muthig und nicht ohne gute Hoffnung entgegen. Manche zweifelten in seltsamen Illusionen selbst an dem Ernst des preußischen Wollens: vielleicht gibt Bismarck doch noch klein bei, und dann bekommen wir ein neues Olmütz; oder, noch besser, Preußen unterliegt im Kampfe und dann haben wir ein neues Jena; so oder so, „kriegen wir die Großmacht an der Spree am Ende doch noch kurz und klein“, schreibt ein angesehener sächsischer Politiker noch im Mai 1866 (Friesen bei Vitzthum). Auch König Johann war, wie es scheint, guter Zuversicht; B. erzählt sogar von einer Unterredung unmittelbar vor Beginn des Krieges, worin ihm der König ausdrücklich erklärte, er wünsche nicht, daß im Fall des zu hoffenden Sieges die Abtretung der Provinz Sachsen von Preußen verlangt werde; das würde nur dazu führen, „alte Feindschaften zu verewigen“; B. behielt sich vor, wenn der Fall eintreten sollte, „die Frage auch nach anderen Gesichtspunkten zu beleuchten“.

Die Stellung der sächsischen Politik zu den großen letzten Entscheidungen in Frankfurt war klar vorgezeichnet. B. war scharfsinnig genug, um sofort die bundesrechtliche Uncorrectheit des österreichischen Mobilmachungsantrags vom 11. Juni einzusehen; er richtete noch in letzter Stunde ein abmahnendes Telegramm [522] nach Wien; ebenso wie er noch kurz zuvor dringend die Ablehnung des von Napoleon vorgeschlagenen Congresses widerrathen hatte. Aber bei der Abstimmung am Schicksalstag des 14. Juni gehörte die sächsische Stimme zu der gegen Preußen entscheidenden Majorität. Die Würfel waren gefallen; bereits am folgenden Morgen hatte B. die kategorische Aufforderung des preußischen Gesandten, Grafen Schulenburg, in Dresden entgegenzunehmen, welche auf Reduction der sächsischen Armee auf den Friedensfuß, Abschluß eines Bündnisses mit Preußen, Zustimmung zur Berufung eines deutschen Parlamentes ging. Die Antwort konnte bei consequentem Beharren auf dem bundesrechtlichen Standpunkt nicht anders als ablehnend sein: Sachsen könne nicht einseitig entwaffnen, nachdem der Bundestag in legaler Form die Mobilmachung beschlossen habe; „Bundespflicht und Ehre, sagte König Johann, untersagten ihm die Annahme des angebotenen Bündnisses“. Darauf noch an demselben Tage die preußische Kriegserklärung; die preußischen Truppen überschritten die Grenze, die sächsischen vereinigten sich in Böhmen mit den österreichischen, zum ehrenvollen Antheil an einem nur aus Niederlagen bestehenden Feldzug.

Drei Wochen später war die Schlacht von Königgrätz geschlagen. B. empfing die erschütternde Nachricht aus dem Munde des Kaisers Franz Josef, als er in der Nacht des 3. Juli mit dem König Johann in Wien eintraf. „Der arme deutsche Michel“, sagte er gleich darauf mit nicht gerade sehr monumentalen Worten zu Vitzthum, „der wird dran glauben müssen, dem wird das Fell schön über die Ohren gezogen werden“. Am folgenden Tage nahm er in Schönbrunn an dem entscheidenden Conseil Theil, in welchem die formelle Cession von Venezien an den zur Vermittelung angerufenen Kaiser Napoleon beschlossen wurde. Im Zusammenhang damit stand der kurz darauf von Kaiser Franz Josef an ihn gerichtete Wunsch, sich sofort nach Paris zu begeben, um eine möglichst nachdrückliche Action der französischen Vermittlung zu Gunsten Oesterreichs und Sachsens bei Napoleon zu erwirken. B. übernahm, wie er nicht wol anders konnte, mit Zustimmung des Königs Johann, die heikle Aufgabe; in der Folge wurde ihm daraus in Berlin und in der preußischen Presse ein schwerer Vorwurf gemacht. Die Sendung blieb aber gänzlich erfolglos. Was er, nach seinem eigenen Bericht, von Napoleon verlangte, war, wie er ausdrücklich betheuert, nicht ein Eintreten in den Krieg; es genüge vollkommen, wenn er ein Observationscorps von 100 000 Mann an die Grenze und eine französische Flotte in die Nordsee schicke: das werde der französischen Vermittlung den nöthigen Nachdruck geben; „thun Sie dies nicht“, fügte er nach seinem Bericht wörtlich hinzu, „so werden Sie vielleicht selbst in fünf oder sechs Jahren den Krieg mit Preußen haben, und dann, versichere ich Ihnen, wird ganz Deutschland mit Preußen marschiren“. Die Mühe war vergeblich; wenige Tage zuvor hatte Bismarck das Pariser Terrain durch den Gesandten v. d. Goltz und den Prinzen Reuß völlig für sich occupirt; Napoleon lehnte jede militärische Demonstration ab, B. konnte sich höchstens mit dem Glauben trösten, daß er den Kaiser für die Integrität Sachsens interessirt und dadurch „Sachsen vor der gänzlichen Vernichtung gerettet habe“. Eine freilich sehr anfechtbare Verdienstschätzung; denn wenn Sachsen vor der preußischen Annexion und selbst vor der Abtretung des Leipziger und des Bautzener Kreises (die König Wilhelm aufs dringendste forderte) gerettet wurde, so fiel dabei die französische Fürsprache wol auch ins Gewicht, aber viel entscheidender war das feste Eintreten des Kaisers Franz Josef für seinen treuesten und thätigsten Bundesgenossen, und vor allem das drängende Verlangen Bismarck’s, so schnell als möglich zum Abschluß der Friedenspräliminarien zu gelangen, um mit der vollendeten Thatsache sowol dem drohenden russischen Plan eines europäischen Congresses, wie den zu erwartenden [523] französischen Compensationsforderungen den Boden abzugraben. So daß in Wirklichkeit die Erhaltung der Integrität Sachsens mehr Bismarck als B. zuzuschreiben wäre; Napoleon hat jedenfalls wiederholt zu erkennen gegeben, daß er gegen eine Annexion des protestantischen Sachsen durch Preußen nichts einwenden würde, wenn man dem katholischen Wettiner dafür etwa ein geeignetes Stück der katholischen preußischen Rheinlande auf dem linken Rheinufer überlassen wollte.

Kurz nachdem B. – schlecht bedankt, wie er klagt – von seiner erfolglosen Pariser Reise zurückgekehrt war, begannen die Friedensverhandlungen in Nikolsburg (22. Juli). B. nahm daran nicht persönlich Theil, die Vertretung der sächsischen Interessen wurde den österreichischen Bevollmächtigten übertragen. Friesen macht in seinen Memoiren ihm darüber heftige Vorwürfe; es ist kaum zu denken, daß Beust’s Anwesenheit das Resultat wesentlich anders gestaltet haben würde; wahrscheinlich aber, meint B., hätte Bismarck ihn überhaupt nicht als Unterhändler angenommen, sondern ihn „ohne Umstände nach Spandau abführen lassen“. In den Nikolsburger Präliminarien (26. Juli) wurde die Integrität des Königreich Sachsen in seinem bisherigen Territorialbestand von Preußen zugestanden; als die weitere Forderung erhoben wurde (angeblich auf französische Anregung), daß es Sachsen freistehen solle, in den zu bildenden Süddeutschen Bund einzutreten, wies Bismarck diesen Gedanken mit einer höchst ungestümen Kraftäußerung als ganz unmöglich zurück: Sachsen tritt in den Norddeutschen Bund ein, über die näheren Bedingungen wird ein Separatfrieden in Berlin verhandelt werden. B. hat nachmals behauptet, daß er diese Forderung inbetreff des Südbundes, deren Unausführbarkeit er klar vorausgesehen, nur als einen Punkt zum Nachlassen in die Verhandlung gebracht habe; er nannte sehr richtig schon damals das ganze Südbundproject „un enfant mort avant de naître“.

Die große Krisis nahte sich ihrem Ende. Es lag nahe, daß B., der in Berlin bestgehaßte und als der gefährlichste betrachtete unter den mittelstaatlichen Ministern, in der neuen Ordnung der Dinge nicht sächsischer Minister bleiben konnte. Der Vorwurf ist ihm nicht zu ersparen, daß er selbst dies langsamer einsah und zögernder zur Ausführung brachte, als unter den gegebenen Umständen angezeigt war. Er trennte sich schwer von seinem Amte; die politische Thätigkeit, das höfische Parquet, der diplomatische Salon waren ihm zum Lebensbedürfniß geworden. Er hegte sogar den Wunsch, daß die Friedensverhandlungen in Berlin ihm übertragen würden und traute sich zu, daß es ihm gelingen werde, Bismarck zu versöhnen und sich mit ihm zu verständigen. Das war eine starke Täuschung; Bismarck forderte kategorisch die Entlassung Beust’s vor der Eröffnung der Verhandlungen in Berlin; sie wurden in der Folge von dem Minister v. Friesen und dem Gesandten in Berlin, Grafen Hohenthal geführt. Am 15. August reichte B. sein Entlassungsgesuch ein, welches König Johann am folgenden Tage mit einem Schreiben voll warmer, dankbarer Anerkennung für die geleisteten Dienste beantwortete; die sofortige Veröffentlichung dieses königlichen Lob- und Dankschreibens in den Zeitungen war vielleicht wenig tactvoll, die etwas starke Empfindlichkeit, die man darüber in Berlin affichirte, ist wol mehr als ein diplomatischer Kunstgriff zu verstehen, mit dem man bei den sächsischen Friedensverhandlungen einen Druck auszuüben gedachte.

So ging die siebzehnjährige sächsische Ministerlaufbahn dieses Staatsmanns zu Ende. Der Schwerpunkt seiner politischen Thätigkeit hatte für ihn immer in der Behandlung der deutschen Frage gelegen, und eben hierin war er nach langer, beharrlicher Gegenwehr vollkommen gescheitert. Das Urtheil der Zeitgenossen [524] über ihn war schwankend, aber im ganzen mehr ungünstig, als anerkennend. In den preußischen Regierungskreisen, in der preußischen und in der nationalen kleindeutschen Presse, bei dem Liberalismus fast aller Schattirungen herrscht ihm gegenüber der Ton der Feindseligkeit oder Geringschätzung: er ist der specifisch „preußenfeindliche“ Particularist, er ist leichtfertig und frivol, er ist eitel, von ruhelos geschäftigem Ehrgeiz und von unerträglicher Großmannssucht; Bismarck, der in ihm immer einen, wenn nicht gefährlichen, so doch unbequemen Gegner sah, hat manches mehr harte als gerechte Wort über ihn gesprochen; Treitschke wollte ihn überhaupt nicht als praktischen Staatsmann gelten lassen, er war ihm nur ein eminentes journalistisches Talent, das „seinen Beruf verfehlt hat“. In der heißen Atmosphäre großer nationaler Entscheidungskämpfe ist für die gerechte Ruhe abwägenden Urtheils unter den Kämpfern kein Platz; die politische Gegnerschaft, auch zum Haß gesteigert, beherrscht das Urtheil und führt das Wort; es könnte nicht anders sein, aber dieses Wort wird auch nicht das letzte bleiben. Die deutsche Ministerthätigkeit Beust’s liegt in den sturmerfüllten deutschen Schicksalsjahren von 1849 bis 1866. Die Sache, für die er an hervorragender Stelle stritt, erlag, und zum Heil des deutschen Volkes; aber ein ehrenwerther und auf rechtlichem Grunde beruhender Kampf war es doch, den die Besiegten geführt hatten. Der Rechtsboden der deutschen Bundesverfassung und die in ihr wurzelnde Autonomie der Mittelstaaten war eine historisch gegebene Thatsache, die ihre äußersten Wurzeln in den entferntesten Jahrhunderten der deutschen Geschichte hatte. Es war kein Frevel, für dieses historische Recht zu kämpfen; es war möglich, diesen Kampf zu führen, mit aufrichtigem Patriotismus und mit aufrichtigem Glauben an die Möglichkeit einer doch endlich zu findenden befriedigenden Reform der deutschen Bundesverfassung. Wie lange hat König Wilhelm an diesem Glauben aus Ueberzeugung festgehalten und wie lange Bismarck mit dieser Möglichkeit unwillig rechnen müssen. Es war ein unberechenbares Elementarereigniß, als endlich die große Ueberzeugung sich zur That umsetzte, daß der deutsche Bund nur zu reformiren sei, indem man ihn zertrümmerte. Die Fürsten und Staatsmänner, die für seine Erhaltung, für das Verbleiben Oesterreichs in dem deutschen Staatsverband, für eine erhöhte Machtstellung der Mittelstaaten sich einsetzten, hatten Pflichten und Rechte, die sie auf den Kampf für das Bestehende gegen eine Neuschöpfung hinwiesen, deren vollen Werth erst der Erfolg ans Licht stellen konnte. In diesem Sinne hat B. als der verpflichtete Minister eines deutschen Mittelstaates gewirkt, der sich bedrohter glauben durfte als mancher andere. Das große nationale Pathos lag nicht auf der Seite dieser Defensivstellung und auch nicht in der Geistesart Beust’s; aber Ueberzeugung, Zusammenhang und Consequenz war in seinem Thun; über Kampfesweise und Kampfmittel ist bei so gewaltigen Krisen im einzelnen nicht zu rechten. Geist, Talent und Willenskraft sprachen ihm auch die unbefangeneren Gegner nicht ab, während eine gewisse leichtfertig-geistreiche Petulanz in Rede und Lebensführung ihn zu einem beliebten Gegenstand anecdotischer Mythenbildung in diplomatischen und anderen Kreisen machte. Alles in allem würde er in dem Urtheil der Zeitgenossen vielleicht einen höheren Rang einnehmen, wenn nicht der gigantische Maßstab des schöpferischen deutschen Nationalhelden uns an andere Dimensionen bei der Bewerthung staatsmännischer Größe gewöhnt hätte.


Die politische Laufbahn Beust’s war mit seinem Fall in Sachsen nicht zu Ende. Vierzehn Tage nach seiner Entlassung in Dresden empfing er eine Botschaft des Kaisers Franz Josef, der ihn als Minister des Auswärtigen nach Oesterreich berief, und B. nahm ohne Zögern diese Berufung an. So überraschend [525] die Wendung kam, so war der Gedanke doch nicht ganz neu; in der diplomatischen Welt waren Gerüchte von einem Uebertritt Beust’s in österreichische Dienste schon längst umgegangen; schon 1859 hatte der alte Fürst Metternich Befürchtungen ausgesprochen, daß man etwa „diesen politischen Seiltänzer“ zum österreichischen Minister machen möchte; zuletzt waren unmittelbar vor dem Kriege die gleichen Gerüchte wieder aufgetaucht. Jetzt entsprang der Antrag, wie es scheint, der persönlichen Initiative des Kaisers Franz Josef, der die bedeutenden Fähigkeiten des sächsischen Ministers schätzen gelernt hatte und gerade jetzt einer hervorragenden neuen Kraft zur Wiederaufrichtung des erschütterten Kaiserstaates zu bedürfen glaubte; vielleicht war dabei auch die Empfehlung des Kronprinzen Albert von Sachsen von Einfluß gewesen. Aus Rücksicht auf die noch schwebenden österreichischen und sächsischen Friedensverhandlungen mit Preußen und auf die nicht mit Unrecht vermuthete Mißstimmung der Berliner Kreise über die Ernennung Beust’s wurde die officielle Verkündigung mehrere Wochen hinausgeschoben; erst am 30. October 1866, mit dem Tage des Prager Friedens, trat der neue Minister des Auswärtigen, unter der Präsidentschaft des im Amt verbleibenden Grafen Belcredi, seinen Posten an.

Fünf Jahre lang hat von hier an B. an der Leitung der österreichischen äußeren und inneren Politik hervorragenden, zum Theil entscheidenden Antheil gehabt. Im Februar 1867 übernahm er, nach dem Rücktritt Belcredi’s, das Ministerpräsidium; im Juni desselben Jahres ernannte ihn der Kaiser zum österreichisch-ungarischen Reichskanzler; im December 1868 verlieh er ihm die erbliche Grafenwürde; am 8. November 1871 erhielt B. seine Entlassung und wurde zum Botschafter in London ernannt. In dem Rahmen dieser äußeren Daten liegt eine überaus rege und vielseitige Thätigkeit; mit erstaunlicher Elasticität lebte sich B. in die neuen und schwierigen Aufgaben seines jetzigen Ressorts ein und zeigte sich ihren viel größeren Dimensionen gewachsen. Er war in der großen Politik bisher gleichsam nur ein gelegentlicher Eindringling gewesen; jetzt war er der verantwortliche Minister einer europäischen Großmacht und arbeitete mit deren Hülfsmitteln und Autorität. In dem wirren Gewebe aller österreichischen Staatsfragen hat er in diesen fünf Jahren seine Fäden eingeschlagen, in der inneren und äußeren Politik, in kirchlichen und Verfassungsfragen; eigentlich neue Bahnen hat er nicht gewiesen, aber indem er vorhandenen Gedanken und Strömungen die Wege ebnete und ihnen zum Siege verhalf, erschien er selbst als siegreicher Neuerer.

Vor allem die grundlegende Verfassungsthatsache des neuen Oesterreich ist unlöslich mit seinem Namen verbunden: das System des österreichisch-ungarischen Dualismus, der „Ausgleich“ mit Ungarn. Es ist selbstverständlich, daß dieses epochemachende Werk nicht der Initiative Beust’s entsprang. Die Ausscheidung der Länder der ungarischen Krone aus dem engeren Einheitsverband der österreichischen Monarchie zu einer autonomen Staatsbildung auf Grund des alten Landesrechts und im Bunde mit der anderen Reichshälfte jenseits der Leitha war schon längst durch die Ereignisse vorbereitet; nach Königgrätz wurde sie eine unvermeidliche, nicht länger aufzuschiebende Nothwendigkeit, eine „Operation auf Tod und Leben“; „als ich kam“, sagt B. selbst, „war der halbe Weg schon zurückgelegt“. Aber die letzten zur Entscheidung führenden Schritte waren sein Werk, und vielleicht war gerade der neu zwischen die Parteien tretende, gleichsam neutrale Ausländer dafür die geeignetste Person. So kam es im Februar 1867 zu dem vielgelobten und vielgescholtenen „Ausgleich mit Ungarn“, auf dem seitdem das Verfassungsleben der dualistischen Monarchie beruht. Die nächste Consequenz war nun auch für die cisleithanischen deutschen und slavischen Lande die [526] Rückkehr zum constitutionellen Regiment, die Revidirung und Wiederherstellung der von dem Dreigrafenministerium 1865 sistirten Februarverfassung von 1861; das an legislatorischen und Reformverdiensten reiche „Bürgerministerium“, unter dem Vorsitz des Fürsten Carlos Auersperg, begann in glücklichem Zusammenarbeiten mit B. als Reichskanzler die innere Politik in die Bahnen des neuen Verfassungslebens überzuleiten. Vor allem trat nun auch die vorlängst begonnene Agitation gegen das Concordat von 1855 in das entscheidende Stadium; sein Fall war die nothwendige Consequenz der neuen Ordnung der Dinge; eine einfache „Verfassungsfrage“, sagte der Minister Herbst, und unter dem ungemessenen Jubel aller liberalen Elemente wurden noch im J. 1868 die neuen organischen Gesetze votirt und vom Kaiser bestätigt (Ehegesetz, Schulgesetz, interconfessionelles Gesetz), welche das Concordat thatsächlich beseitigten, bevor es im J. 1870, nach der Proclamirung der päpstlichen Unfehlbarkeit, für definitiv erloschen erklärt wurde. Für B., als Protestanten, war bei diesen Actionen eine gewisse Zurückhaltung geboten; doch ließ er sich dadurch nicht abhalten, seine entschiedene Ueberzeugung von der Verderblichkeit des Concordats, besonders auch dem Cardinal Rauscher gegenüber, in aller Schärfe auszusprechen; eine an diesen gerichtete Denkschrift, die er zum ersten Mal in seinen Lebenserinnerungen veröffentlicht (II, 146 ff.), zeigt die Entschlossenheit seiner Gesinnung, während er anderseits es seine diplomatische Aufgabe in Rom sein ließ, den nothwendigen Uebergang ohne einen eigentlichen Bruch mit der Curie durchzuführen. Wir dürfen den Antheil Beust’s an den weiteren Wandlungen der inneren österreichischen Politik hier übergehen; wenn bald mehr und mehr die slavischen Fragen sich stürmisch in den Vordergrund drängten, so hatte der leitende Minister die Aufgabe, das gegründete Verfassungswerk gegen diesen Ansturm zu vertheidigen; zu einer Entscheidung konnten diese Kämpfe in den Jahren des Beust’schen Ministeriums ebenso wenig gelangen, wie in vielen späteren. Seine Hauptaction aber mußte auf dem Gebiete der auswärtigen Politik liegen.

Daß seine gesammte auswärtige Politik, wie man behauptet hat, beherrscht war von dem Gedanken der Vorbereitung für eine künftige Revanche, dürfte schwer zu erweisen sein; ebenso wenig aber wäre zu behaupten, daß solche Hoffnungen ganz außer dem Bereich seiner Combinationen gelegen hätten; jedenfalls bildeten sie zunächst nur einen sehr fernen Hintergrund. Die erste Aufgabe war, dem politisch so schwer gedemüthigten und jetzt fast ganz isolirten Kaiserstaat wieder Verbindungen und eine angesehene Stellung unter den Großmächten zu verschaffen. Mit einer auffälligen Rührigkeit, wie sie auch seinem Naturell so ganz entspricht, wirft sich B. sofort in alle vorhandenen oder auftauchenden Fragen der großen Politik: es darf keinen Augenblick der Schein aufkommen, als ob Oesterreich, durch seine Niederlagen geschwächt, sich auf sich selbst zurückziehen wolle oder müsse.

Die erste Probe war freilich nicht glücklich, als B. auf Anlaß der 1867 beginnenden orientalischen Wirren mit dem Vorschlag einer Revision des Pariser Vertrags von 1856, besonders inbezug auf die Neutralisirung des schwarzen Meeres und das „widernatürliche“ Verbot der Haltung von Kriegsschiffen auf ihm, hervortrat. Die Anregung war augenscheinlich als Courtoisie für Rußland gedacht, das seinen im Krimkrieg gefaßten Groll gegen Oesterreich noch immer nicht aufgegeben hatte; aber der Annäherungsversuch schlug gänzlich fehl; nicht nur in Paris und London wies man den Antrag zurück, sondern auch das Petersburger Cabinet lehnte die Gefälligkeit kühl ab; der Beust’sche Antrag blieb ohne alle Folgen; drei Jahre später, 1870, nahm Rußland thatsächlich und aus eigener Macht sein Kriegs- und Flottenrecht auf dem schwarzen Meere wieder in Besitz.

[527] Aber auf anderen Gebieten wies die Diplomatie Beust’s bessere Erfolge auf, namentlich in der Behandlung der verworrenen Verhältnisse in den Balkanstaaten und bei der Beilegung der kretischen und griechischen Verwicklungen mit der Pforte; von besonderer Wichtigkeit war, daß bei allen diesen Fragen die österreichische Politik mit der französischen sich in bestem Einverständniß befand und eine ziemlich intime Annäherung an Frankreich gewonnen wurde.

Am wichtigsten war die Gestaltung der Verhältnisse zu Preußen und dem Norddeutschen Bund. Auf dem Schlachtfeld von Königgrätz hatte Bismarck das große Zukunftswort gesprochen: „die Streitfrage ist jetzt entschieden, nun gilt es, die alte Freundschaft mit Oesterreich wieder zu gewinnen“. Es lag in der Natur der Dinge, daß dieses Programm nur langsam zur Erfüllung kommen konnte; jedenfalls aber war für die Beschleunigung des Processes es nicht förderlich, daß jetzt B. an der Spitze der österreichischen Regierung stand. Bald nach dessen Ernennung zum Minister wurde Bismarck einmal gefragt, ob er es nicht bereue, durch den Sturz Beust’s in Sachsen diesem indirect in Wien in den Sattel geholfen zu haben; er verneinte es; „in Wien wünsche ich ihm alles Glück; übrigens, so lange er das Concordat nicht los wird, ist er nicht zu fürchten“. Trotzdem ist es unverkennbar, daß die Erhöhung des alten „Preußenfeindes“ Beust in Berlin eine unwillkommene Ueberraschung war; das Concordat wurde er in der That bald los, und daß es ihm gelang, ein gutes Einvernehmen zwischen Oesterreich und dem französischen Hofe anzubahnen, fand man in preußischen Regierungskreisen, wenn nicht gefährlich, so doch unbequem und vielleicht verdächtig; die Berichte des österreichischen Gesandten, Grafen Wimpffen, aus Berlin kommen, vielleicht mit einiger Uebertreibung, immer wieder auf das feindselige Mißtrauen zurück, womit man dort das Wirken und die geheimen Hintergedanken des österreichischen Ministers verfolge.

Es war durch die ganze Lage der Dinge geboten, daß man in Wien sich der preußisch-norddeutschen Regierung gegenüber einer kühlen, beobachtenden, jede Herausforderung vermeidenden Zurückhaltung befleißigen mußte. Bei einzelnen Gelegenheiten wurde doch auch entschiedene Kundgebung des bestehenden Gegensatzes nicht gescheut. Als im März 1867 das Bismarck’sche Meisterstück der geheimen Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten vom August 1866 enthüllt wurde, empfand man in Wien diese Verträge als einen schweren Schlag; gewisse vage Hoffnungen auf den durch den Prager Frieden stipulirten deutschen „Südbund“ hatte man doch noch immer gehegt; damit war es nun vorbei. An eine österreichische Gegenwirkung war nicht zu denken; aber in einem zur Mittheilung bestimmten Erlaß an Graf Wimpffen in Berlin (28. März 1867) sprach B. unverholen seine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit dieser Verträge aus: Oesterreich würde die Berechtigung zu einem Proteste gegen diese „anticipirte Verletzung des Prager Friedens“ (wie er sie später einmal nennt) haben, aber es mache bei der Lage der Dinge von derselben keinen Gebrauch. Noch in seinen Lebenserinnerungen nennt er den genialen Act der Bismarck’schen Politik (über dessen Buchstabengerechtigkeit gegenüber dem Prager Frieden sich ja streiten läßt) „ein Meisterstück deloyaler Handlungsweise und das Aeußerste, was an Macchiavellismus geleistet werden konnte“; man erräth aus dem so lange festgehaltenen Ingrimm, wie empfindlich die süddeutschen Verträge damals die Combinationen des Besiegten von 1866 gestört haben mögen.

Einen anderen Anlaß zur Kundgebung kühl zurückhaltender Gesinnung gab B. die vielbesprochene Tauffkirchen’sche Mission (April 1867). Bei Gelegenheit der Luxemburgischen Verwicklungen kam in München in dem Ministerium Hohenlohe der Gedanke auf, daß zwischen den Staaten des projectirten Südbundes und dem Norddeutschen Bunde eine engere internationale Verbindung zu schließen [528] sei, und daß dieser vereinigte Staatenbund dann das österreichische Cabinet zum Abschluß einer völkerrechtlichen Allianz auffordern könne. B. erwiderte auf die von München her gemachte Eröffnung, daß ein solcher Vorschlag nur zu erörtern sei, wenn er von Preußen gemacht würde und Oesterreich genügende Vortheile biete. Der bairische Ministerialrath Graf Tauffkirchen wurde darauf nach Berlin geschickt, um dort das Project zu fördern, und Bismarck ging darauf ein, zumal da B. gleichzeitig in dem Luxemburger Handel sich entgegenkommend zur Vermittlung erboten hatte. Graf Tauffkirchen wurde bevollmächtigt, im Namen Preußens und Baierns der österreichischen Regierung ein Vertheidigungsbündniß zur Sicherung des europäischen Frieden anzutragen. Es wäre ein wichtiger erster Erfolg im Sinne des Bismarck’schen Programms gewesen. Aber als Tauffkirchen in Wien erschien, lehnte B. das Allianzerbieten einfach ab: die von Bismarck gebotenen Vortheile – Garantie der deutschen Besitzungen für immer und der ungarischen auf eine zu bestimmende Reihe von Jahren – seien für Oesterreich nicht werthvoll genug, um ein solches Bündniß zu rechtfertigen. Der wahre Grund der Ablehnung war, daß eine bindende Allianz mit Preußen weitab von seinem Gedankenkreise lag; dieses jetzt vorgeschlagene Bündniß hätte mehr oder minder eine Spitze gegen Frankreich gehabt, und gerade ein gutes Einverständniß mit dieser Macht war doch – für alle möglichen Fälle – das feststehende Ziel aller seiner Bemühungen. Er verfehlte nicht, dem Herzog von Gramont seine Zurückweisung der Tauffkirchenschen Anträge im Lichte der dankerfüllten Verehrung für die Politik Napoleon’s darzustellen: „vor kaum zehn Monaten hat Napoleon Wien und die Unverletzlichkeit unseres Gebietes gerettet, und heute wagt man uns zu einem Bund gegen Frankreich aufzufordern – wie wird Kaiser Franz Josef sich zu einer solchen Ungeheuerlichkeit herbeilassen!“ In Paris hörte man solche Betheuerungen gern, in Berlin zog man aus der kleinen Niederlage, welche die Tauffkirchen’sche Mission doch war, die geeigneten Lehren über die verschwiegenen Gedanken der Beust’schen Politik.

Die preußische Allianz war abgelehnt; aber auch zu einem formellen französischen Bündniß, das sich gegen Preußen gerichtet hätte, waren die Umstände noch nicht geeignet. Weder bei dem Condolenzbesuch Napoleon’s und der Kaiserin Eugenie in Salzburg (August 1867), aus Anlaß der Katastrophe von Queretaro, noch bei dem Gegenbesuch des Kaisers Franz Josef in Paris (Oct.) ging man über allgemeine unverbindliche politische Besprechungen hinaus; aber in diesen fand man sich vollkommen gleichgesinnt; und wenn in Salzburg B. es als die nächste Aufgabe der österreichischen Politik hinstellte, „durch fortgesetzte Entwicklung eines liberalen und aufrichtig constitutionellen Systems sich die Sympathien des südlichen Deutschlands zu erhalten“, so war damit ein vielsagender Vorsatz von nicht bloß innerpolitischem Charakter angedeutet. Das Streben Beust’s ging vor allem dahin, einer weiteren Ausdehnung und Befestigung des preußischen Einflusses in Süddeutschland vorzubeugen, den Status quo des Prager Friedens aufrecht und so für Oesterreich die Möglichkeit einer neuen Annäherung an die süddeutschen Staaten offen zu halten. Zu diesem Zwecke bedurfte er des dauernden guten Einverständnisses mit Frankreich; aber zu kriegerischen Abenteuern sich von Napoleon fortreißen zu lassen, lehnte er aufs vorsichtigste ab, schon aus Rücksicht auf die wenig ermuthigende innere Lage Oesterreichs, auf Heer und Finanzen, auf die deutschfreundliche Gesinnung der entscheidenden ungarischen Staatsmänner, auf die abgeneigte Stimmung Rußlands und besonders auch auf die drohende Unsicherheit der orientalischen Verhältnisse in den Balkanländern. In scharf accentuirter Weise ließ er durch Vitzthum in Paris aussprechen (October 1868), daß ein preußisch-französischer [529] Krieg unfehlbar Süddeutschland in die Arme Preußens treiben und daß es sich dann für Frankreich um Elsaß und Lothringen handeln würde. Auch bei den von Napoleon angeregten Verhandlungen über einen französisch-italienisch-österreichischen Dreibund im Frühjahr 1869 ließ B. keinen Zweifel darüber bestehen, daß für den Fall eines deutsch-französischen Krieges Oesterreich sich das Recht der Neutralität ausdrücklich vorbehalte. Bei dieser Gesinnung war auch ein Nachlassen der Spannung zwischen Wien und Berlin möglich; als im October 1869 der preußische Kronprinz zum Besuch in der Hofburg erschien, erklärte B. zwar offen, daß inbezug auf die süddeutsche Frage die österreichische Politik in ihrer bisherigen Haltung verharren müsse, aber im übrigen wurde der preußische Besuch in Wien als ein verheißungsvoller Anfang der Wiederannäherung betrachtet.

Die große Krisis des deutsch-französischen Krieges brach herein. Die verwickelte Vorgeschichte, in der noch so vieles unklar ist, kann hier nicht erörtert werden. Was B. und die von ihm geleitete österreichische Politik betrifft, so ist, nach den bis jetzt vorliegenden Informationen, die Annahme einer schon seit 1869 bestehenden Kriegsabsicht gegen Preußen im Bunde mit Napoleon eine noch nicht bewiesene Hypothese, trotz der vermeintlichen Enthüllungen Gramont’s und auch trotz der in ihrer Bedeutung überschätzten „Feldzugspläne“ des Erzherzogs Albrecht und des Generals Lebrun. Die Haltung Beust’s dem nahenden französisch-preußischen Zusammenstoß gegenüber war unzweifelhaft bestimmt von entschiedenster Sympathie für Frankreich und von der Erwartung französischer Siege; aber der österreichische Staatsmann hat, im richtig verstandenen Interesse seines Staates, den Krieg nicht gewünscht, hat sich bemüht, ihn zu verhindern und hat bis zuletzt der französischen Regierung keinerlei Zusagen ertheilt, welche sie berechtigt hätten, den Eintritt Oesterreich in den Kampf gegen Preußen zu fordern oder zu erwarten. Die schon lange zuvor in Aussicht gestellte Neutralität wurde festgehalten, und die begonnenen militärischen Rüstungen sind kein Beweis gegen den Ernst dieser Absicht. Welche Entscheidungen man im Fall durchschlagender französischer Siege etwa in Wien getroffen haben würde, ist unbestimmbar; nachdem die Kriegserklärung ausgesprochen war, sind, wie B. selbst bekennt, „zwar keine bindenden Zusicherungen, wohl aber freundliche Kundgebungen nach Paris gegangen“, der österreichische Gesandte Metternich in Paris theilte dem Herzog von Gramont mit, bei dem Stande der Rüstungen könne Oesterreich unmöglich vor Anfang September ins Feld ziehen; es kam B. offenbar darauf an, für den Fall der Niederlage Preußens sich den Weg zu einem französischen Bündniß offen, vorher aber so lange als möglich sich die Hände frei zu halten. Und dies war für den österreichischen Staatsmann keine verwerfliche Politik; eine ausgiebige neue Abrechnung mit Preußen unter günstigen Umständen hätte er nicht anders als willkommen heißen müssen; aber er war von Revanchelust doch nicht so verblendet, um nicht einzusehen, daß die Folgen eines entscheidenden französischen Sieges für Oesterreich ebenso bedenklich werden konnten, wie die eines preußischen.

Der Gang der Ereignisse nöthigte ihn, sich mit den vollendeten Thatsachen abzufinden; eine versuchte Vermittlungsaction der Neutralen, die er eifrig betrieb, kam nicht zu Stande; die Resultate des großen Krieges waren zuletzt doch auch eine schwere Niederlage der österreichischen Politik, mit der Gründung des Deutschen Reiches gingen die letzten Hoffnungen auf eine Wiederanknüpfung näherer Beziehungen zu Süddeutschland unwiederbringlich verloren. B. hat mit der geschmeidigen Anpassungsfähigkeit, die ihm eigen war, sich in die neue Lage zu finden gewußt; er erkannte offen an, daß „die Einigung Deutschlands unter [530] Preußens Führung ein Act von historischer Bedeutung, eine Thatsache ersten Ranges in der Entwicklung Europa’s“ sei; die österreichisch-ungarische Monarchie müsse nun sich in ein geeignetes Verhältniß zu der neuen staatlichen Schöpfung setzen. Noch im December 1870 eröffnete B. den entscheidungsvollen Briefwechsel mit Bismarck, der die Einleitung zu der weiterhin immer engeren Annäherung der beiden Mächte wurde; Bismarck kam dem österreichischen Reichskanzler, den er immer als seinen „objectivsten und liebenswürdigsten Gegner verehrt habe“, mit ausgestreckter Rechten entgegen und B. schlug eifrig ein. In der österreichischen Delegationssitzung im Juli 1871 verkündete er die neu eingeschlagene Bahn: die aufrichtige Freundschaft zwischen Oesterreich und dem deutschen Reich soll der Anfang werden für ein künftiges „mitteleuropäisches Bollwerk des Friedens“. Bald darauf, im August, fanden sich die beiden alten Gegner in Gastein zusammen. B. schildert in seinen Lebenserinnerungen anziehend das dreiwöchentliche Zusammensein mit Bismarck und den fast täglichen Verkehr mit ihm. Zu bindenden politischen Abmachungen war es noch nicht Zeit; aber über die Nothwendigkeit und Natürlichkeit eines engen und hülfreichen Freundschaftsverhältnisses zwischen den beiden Reichen herrschte volle Uebereinstimmung; „die beiderseitigen Ansichten“, sagt B., „paßten zu einander, wie der Schlüssel ins Schlüsselloch“. Daß ein Größerer ihn meisterte, daß die politische Hauptarbeit seines Lebens gescheitert war, ertrug er ohne allzu schweren Druck; die Unerschütterlichkeit seines Selbstgefühls und die leichtbewegliche Liebenswürdigkeit seines Naturells halfen ihm darüber hinweg; „es war“, sagt der Herzog Ernst von Coburg bei anderer Gelegenheit von ihm, „ein klargezeichneter Vorzug seines Wesens, daß er sich von allem doctrinären Eigensinn in der Politik fern hielt; seine Rücksichten auf die Opportunität durfte man jederzeit eher zu hoch als zu niedrig anschlagen“. Jedenfalls wäre er jetzt bereit gewesen – mit den selbstverständlichen Vorbehalten natürlich – sich auf den Boden der verwandelten Weltverhältnisse zu stellen und, ohne seine Vergangenheit zu verleugnen, doch die alten Feindschaften bei Seite zu setzen oder sie, soweit thunlich, in neue Freundschaften umzugestalten. Aber die Tage seiner politischen Führerschaft in Oesterreich waren gezählt.

B. hatte den „Ausgleich“ mit Ungarn herbeigeführt; die Frage des unfindbaren Ausgleichs mit den Czechen gestaltete sich unendlich schwieriger. Die letzten Monate seines Reichskanzleramtes hatten zum Hauptinhalt die Vertheidigung der gegründeten Verfassung des österreichisch-ungarischen Dualismus gegen den Ansturm des Czechenthums, das seit dem Eintritt des cisleithanischen Ministeriums Hohenwart (Febr. 1871) bereits in bedenklichster Weise Boden gewonnen hatte, mit rücksichtslosem Uebermuth gegen das Deutschthum in Böhmen vorging und sich anschickte, mit den sogenannten „Fundamentalartikeln“ vom 10. October 1871 das Reich auf eine neue föderalistische Basis im czechischen Sinn und Interesse zu stellen. Hier hat B., im Bunde mit dem ungarischen Minister Andrássy, seinen letzten großen politischen Kampf geführt, und einen der verdienstlichsten, für die Sache der Verfassung und des Deutschthums gegen die verderblichen Aspirationen des Czechenthums, mit erneuter Concordats- und Revanchepolitik im Hintergrund. Mit dem Fall des Ministeriums Hohenwart (26. October 1871) errang er noch einmal einen vollständigen Sieg; aber es war sein letzter. Wenige Tage darauf (6. Novbr.) erhielt er die Aufforderung des Kaisers, um seine Entlassung einzukommen. Die Gründe der vielleicht nur scheinbar plötzlichen Katastrophe sind nicht völlig ersichtlich. Was B. in seinen Lebenserinnerungen darüber angibt, ist nicht ausreichend und macht den Eindruck absichtlicher Zurückhaltung. Er hatte sich viele Feindschaften zugezogen; wirksamer vielleicht waren die Rivalitäten; ob auch auswärtige Einflüsse dabei mitgespielt [531] haben, worüber man Vermuthungen aufstellen könnte, ist bis jetzt nicht zu erkennen. Die Wiener Zeitungen der nächsten Tage brachten eine Blüthenlese von Deutungen, die in ihrer Verschiedenartigkeit zeigen, dass sicheres nicht bekannt war – eine sichere und bedeutsame Thatsache war nur, daß zwei Tage später (8. November) an die Stelle des gestürzten Reichskanzlers (aber ohne diesen in Ungarn mißliebigen Titel) ein magyarischer Staatsmann trat, der Graf Julius Andrássy. Von den meist sympathischen Nachrufen der Wiener Presse für B. sei nur der der „Neuen Freien Presse“ vom 7. November erwähnt: „Beust“, heißt es dort, „steht vorläufig am Ende einer Laufbahn, auf welcher er bisweilen gestrauchelt sein mag, auf die er aber dennoch heute mit einigem Stolze zurückblicken kann. Zerschmettert lag Oesterreich nach dem Kriege mit Deutschland und Italien darnieder. Er richtete es auf, er beseitigte Belcredi’s Sistirungspolitik, kehrte zur Verfassung zurück, überwand die ungarische Feindschaft durch den Ausgleich, förderte die freisinnige Revision unserer Staatsgrundgesetze, installirte das erste parlamentarische Ministerium, befreite Oesterreich vom Konkordate, stellte die Freundschaft mit Italien her, erhielt uns den Frieden während des deutsch-französischen Krieges, führte die Versöhnung Oesterreichs mit Deutschland herbei und brachte endlich das czechische Verfassungsproject zu Falle. Seine Erfolge sind groß genug, um heute den leisesten Vorwurf zum Schweigen zu bringen“. Daß es an Stimmen anderen Klanges aus dem czechischen und clerikalen Lager nicht fehlte, war selbstverständlich.

Unmittelbar nach seiner Demission als Reichskanzler wurde B. zum Botschafter in London ernannt und trat sofort diesen neuen Posten an. Seine selbständige politische Laufbahn ist hiermit zu Ende; er hatte die Politik seiner Amtsnachfolger zu vertreten, und diese, Andrássy voran, waren nicht von der Art, um ihn einen eigenen maßgebenden Einfluß gewinnen zu lassen. Wir dürfen über die Jahre, in denen er erst Botschafter in London, dann in Paris war, rasch hinwegblicken. Das diplomatische Metier, an jenen beiden wichtigen Stellen ausgeübt, mochte ihm mit seinem politischen Interesse und mit seinen socialen Reizen eine gewisse Befriedigung bieten; aber die abhängige Stellung war nicht leicht zu ertragen für den, der mit so hohem Selbstgefühl und mit so bewußtem Genuß des Machtbesitzes an der ersten Stelle gestanden hatte. Aber es lag nicht in seiner Natur, der Theilnahme an dem activen politischen Leben freiwillig zu entsagen; er blieb der rührige, vielschreibende Diplomat von vordem; bisweilen allzurührig seinen eigenen Gedanken folgend, wobei es ihm zuletzt in Paris geschah, daß er den Machthabern daheim unbequem wurde; eine rügende Bemerkung, die Bismarck in einer Rede im deutschen Reichstag gegen ihn richtete und gegen die er lebhaft reclamirte, wurde, wie es scheint, die Veranlassung, daß er bald darauf von Paris abberufen und in Ruhestand versetzt wurde (Mai 1882).

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er zumeist auf seiner Besitzung Altenberg an der Donau. In dem stürmisch bewegten österreichischen Parteileben wurde der einst so populäre „Ausländer“ bald ein fast vergessener Mann. Die schwer ertragene Muße des Privatlebens suchte er wol mit der Pflege seiner künstlerischen und litterarischen Neigungen auszufüllen; er war auch in dieser Richtung nicht ohne kleine Talente; es gelang ihm bisweilen ein Vers und in jungen Jahren hatte er sogar Gedichte drucken lassen; auch in leichten musikalischen Compositionen hatte er sich oft versucht. Aber seine Hauptbeschäftigung galt dem Memoirenwerk, das er noch bei Lebzeiten zu veröffentlichen gedachte. Je drückender der unbefriedigende Abschluß seiner Laufbahn auf ihm lastete, um so stärker empfand er das Bedürfniß, der Mit- und Nachwelt einen authentischen Bericht über den ganzen Verlauf seines staatsmännischen Wirkens vorzulegen. [532] Er war im Besitz umfangreicher zeitgeschichtlicher Materialsammlungen; die Benutzung des Dresdener und des Wiener Archivs wurde ihm gestattet; ein bis in seine letzten Jahre ungeschwächtes Gedächtniß erleichterte ihm die Arbeit. So kamen die „Erinnerungen und Aufzeichnungen aus drei Viertel-Jahrhunderten“ zu Stande. Ihr vorwiegender litterarischer Charakter ist der einer Rechtfertigungsschrift, ja einer Selbstverherrlichung in noch stärkerem Maaße als es bei Memoiren gemeinhin der Fall ist. Es ist ein Uebermaß von eitler Selbstgerechtigkeit darin, die selten einen Irrthum gesteht, aber um so zuversichtlicher über die Fehler und Verschuldungen Anderer Buch führt: der ganze Verlauf der behandelten Jahrzehnte würde ein anderer und heilvollerer geworden sein, wenn man in den entscheidenden Momenten seinen immer bereitwillig ertheilten Rathschlägen gefolgt wäre. Trotz dieser aufdringlichen Einseitigkeit und vielfältiger Ungenauigkeiten im einzelnen gehört das Werk doch zu den werthvolleren Stücken unserer neueren Memoirenlitteratur. Es ist geistvoll und anziehend geschrieben, mit einer Fülle von persönlichem und sachlichem Detail aus den verschiedensten Kreisen der politischen und diplomatischen Welt ausgestattet, mit wichtigen Actenstücken illustrirt; der Verfasser hat einen weiten Ueberblick über Welt und Leben; er ist scharfsinnig, beredt und von reicher Erfahrung; die politischen Grundanschauungen, in denen er steht, sind überwunden; aber da sie, besonders für die Geschichte der deutschen Frage, doch einst ein wichtiges Element waren, so ist es von hohem Werthe, daß diesen Anschauungen hier ein belehrendes Denkmal errichtet worden ist von einem Manne, der ein Menschenalter hindurch einer ihrer hervorragendsten Vertreter war. Die ausführliche Darstellung reicht nur bis zum Ende seiner österreichischen Reichskanzlerschaft; die Schilderung seiner Botschafterthätigkeit in London und Paris blieb unvollendet und ungedruckt.

B. erlebte nicht mehr die Veröffentlichung des Werkes. Im Frühjahr 1886 schloß er es ab, am 24. October erlag er einem Schlaganfall. In seinem Testament bestimmte er für seinen Grabstein die Inschrift: „Friede seiner Asche, Gerechtigkeit seinem Andenken“.

Außer den allgemeinen zeitgeschichtlichen Darstellungen und Materialsammlungen sei hier nur verwiesen auf: v. Friesen, Erinnerungen aus meinem Leben, 2. Aufl. 1882, und dazu (kritisch) v. Beust, Erinnerungen zu Erinnerungen, 1881. – Herzog Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha, Aus meinem Leben und aus meiner Zeit, 1887. – Graf Vitzthum v. Eckstädt, Berlin und Wien 1845–1852, 2. Aufl.; – Derselbe, St. Petersburg und London 1852–1864 (1886); – Derselbe, London, Gastein und Sadowa 1864–1866 (1889). – Rothan, l’Allemagne et l’Italie 1870/71 (1885); – von demselben La France et sa politique extérieure en 1867 (1885) und besonders L’affaire du Luxembourg (1895). – Graf v. Beust, Aus drei Viertel-Jahrhunderten, Erinnerungen und Aufzeichnungen, 2 Bde., 1887. – Flathe, Neuere Geschichte Sachsens 1806–1866 (1873). – Biedermann, Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte. – Hassel, Aus dem Leben des Königs Albert von Sachsen I, II (1898 f.). – Friedjung’s und Lettow-Vorbeck’s Werke über den Krieg von 1866. – W. Rogge, Oesterreich von Világos bis zur Gegenwart (1873). – Die französische Enthüllungslitteratur von Gramont, Prinz Napoleon, Jarras, Lebrun etc. – Ebeling, Friedrich Ferdinand Graf v. Beust (1870 f.).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Julius Traugott Jakob von Könneritz (1792–1866), ein sächsischer Politiker. Er war von 1843 bis 1848 Vorsitzender des sächsischen Gesamtministeriums.
  2. Vorlage: Zürückgreifen
  3. Ferdinand von Zschinsky (1797–1858), deutscher Jurist und Politiker. Er war Innenminister, Justizminister sowie Vorsitzender des Gesamtministeriums im Königreich Sachsen
  4. Vorlage: erden
  5. Vorlage: wenden