ADB:Greuter, Bernhard

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Artikel „Greuter, Bernhard“ von Hermann Wartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 645–647, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Greuter,_Bernhard&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 15:39 Uhr UTC)
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Greuter: Bernhard G., Fabrikant und Kaufmann, geb. den 20. Febr. 1745 bei Wattwil, Kanton St. Gallen, † den 11. Septbr. 1822 in Islikon, Kanton Thurgau. – Der Vater von Bernhard G., Konrad G. von Kefikon, war als junger Mann in holländische Kriegsdienste getreten und hatte seine Dienstjahre in Batavia durchgemacht. In die Heimath zurückgekehrt, verheirathete er sich 1742 mit einer Tochter aus der Olensbacher Mühle bei Wattwil im Toggenburg und kam auf den für jene Zeit noch etwas abenteuerlichen Gedanken, den Unterhalt für sich und die Seinigen damit zu erwerben, daß er mit Schweizerfabrikaten nach Ostindien reiste, sie dort gegen Landesprodukte umtauschte und diese wiederum in der Schweiz mit Vortheil zu verwerthen suchte. Die erste Expedition gelang nicht übel; bei der zweiten starb G. auf hoher See und hinterließ seine Frau mittellos mit 3 kleinen Kindern. Die brave Toggenburgerin setzte ihr Letztes daran, um ihre zwei Knaben so weit unterrichten zu lassen, daß sie als Hauslehrer bei wohlhabenden Familien am Zürchersee ihr Brod verdienen konnten. Die Mühen dieses Amtes und der sehr spärliche Lohn, daneben aber wol auch angeborne Neigung, veranlaßten den jungen G., den ihm nicht zusagenden Lehrberuf aufzugeben und als Arbeiter in die Kattundruckerei des Hrn. Landmajor Streif in Glarus einzutreten, wo eben durch einen gewissen Fatio von Genf die Indigofärberei eingerichtet wurde. Das mit großer Sorgfalt geheim gehaltene Verfahren reizte die Wißbegierde des intelligenten Jünglings aufs höchste. Er schlich sich auf den Dachboden des Färbhauses und beobachtete durch dessen Spalten, was in dem Färbraume vorging, wurde jedoch dabei entdeckt und sah sich genöthigt, vor dem Zorne und der Rache seines einflußreichen Brodherrn schleunigst aus dem Lande Glarus zu fliehen. G. trat nun für einige Zeit in eine herisauische Druckerei und machte dort Versuche im Kleinen zur Einführung des Blaudrucks, ohne jedoch zu recht befriedigenden Ergebnissen zu gelangen. Nach ein paar Jahren übersiedelte er nach seinem Vaterorte Kefikon und richtete hier auf eigene Rechnung eine kleine Lohnfärberei und Druckerei für die Bedürfnisse der ländlichen Bewohner der Umgegend ein. Allein kaum hatte er sein bescheidenes Gewerbe in Gang gesetzt, [646] so führte sein Unstern den Landmajor Streif als thurgauischen Landvogt nach dem benachbarten Frauenfeld. Verfolgungen dieses Mannes fürchtend, beschloß G., ihm lieber für die Zeit der zwei Amtsjahre aus dem Wege zu gehen und als Färbergeselle zu weiterer Ausbildung in seinem Beruf in die Welt zu ziehen. Er übergab die kleine Färberei und Druckerei seinem Bruder und machte sich 1767 auf den Weg nach Holland. Am Niederrhein fiel er preußischen Werbern in die Hände und in Amsterdam Seelenverkäufern, die unerfahrene Fremde in ihre Spelunke lockten und dort mit Gewalt festhielten, um sie auf Schiffe zu liefern. Durch sein gutes Glück und rasche Benutzung günstiger Umstände entging er beiden Gefahren, fand gute Anstellung und kehrte 1770 mit reichen Erfahrungen nach Kefikon zurück. Die Färberei und Druckerei traf er in schlimmen Umständen, da sein Bruder das Geschäft nicht gehörig verstanden hatte. Der Bruder wurde dem Lehrerberufe zurückgegeben, während G. nun alle seine Kraft und Erfahrung einsetzte, um zu dem vorgesteckten Ziele zu kommen und zunächst sein Fabrikat wieder in Credit zu bringen. Die nöthigsten ersten Betriebsmittel verschaffte er sich durch Hinterlage seiner silbernen Uhr und Schuhschnallen bei dem zürcherischen Gerichtsherrn Escher zu Kefikon, der ihm bei näherer Bekanntschaft bald einige hundert Gulden auf freie Hand anvertraute. Im J. 1777 hatte es G. bereits so weit gebracht, daß er sich in dem nahe liegenden Islikon ein eigenes Haus erbauen und mit seinem Gewerbe dorthin übersiedeln konnte. Seine Waare war inzwischen auch in weiteren Kreisen bekannt geworden, da er augenblicklich verfügbare Mittel jeweilen dazu benutzt hatte, einige rohe Baumwolltücher auf eigene Rechnung anzukaufen, zu färben und zu drucken und nach Winterthur und Zürich zum Verkaufe zu bringen. Dadurch wurde das Winterthurer Haus Steiner zur Harfe auf die Thätigkeit des G. aufmerksam und lieferte ihm die Mittel zur Vergrößerung seines Geschäftes, wogegen die Greuter’sche Färberei und Druckerei ausschließlich für jenes Haus arbeitete, bis die empfangenen Vorschüsse zurückbezahlt waren. Von diesem Zeitpunkte an stellte sich G., durch neue größere Anleihen des Hrn. Escher in Kefikon unterstützt, auf eigene Füße und besuchte mit seiner Indienne besonders die damals noch sehr bedeutenden Messen von Zurzach. Dort fand sie so reißenden Absatz, daß ihm das Auspacken oft erspart wurde, weil schon vorher Alles verkauft war. Schließlich trat der Färber und Drucker von Islikon und Frauenfeld – auch hier wurde mit der Zeit ein Fabrikgebäude errichtet – als Gleichberechtigter mit einem Winterthurer Handelshause zu der Firma „Gebrüder Greuter & Rieter“ zusammen, die nun den kaufmännischen Vertrieb des Fabrikats im Großen organisirte. Gebrüder G. & Rieter nannte sich die Firma, weil Bernhard G., im Jahre 1798 zum Vertreter des neugeschaffenen Kantons Thurgau in den Großen Rath der einen und untheilbaren helvetischen Republik gewählt, schon seit jener Zeit das Geschäft in der Hauptsache seinen zwei älteren Söhnen übertragen, nach Abschluß der helvetischen Verfassungswirren aber sich ganz von demselben zurückgezogen hatte. Er lebte bis zu seinem am 4. Sept. 1822 erfolgten Tode nur noch der Landwirthschaft. Der Name G. blieb bis zum heutigen Tage in der Firma des von ihm und seinen Söhnen gegründeten Hauses erhalten, das sich alle Vervollkommnungen der neueren Färberei und Druckerei angeeignet, seinen Absatz über die ganze Welt ausgedehnt hat und in den feineren Artikeln als eines von wenigen Schweizerhäusern sogar erfolgreich mit der so hoch entwickelten Elsäßer Druckerei wetteifert. Sicher bleibt es auch, daß der gute Ruf der Winterthurer Indienne vorzüglich oder doch nicht zum geringen Theil auf Bernhard G. zurückgeführt werden darf und daß der Absatz der gefärbten und gedruckten Baumwolltücher – besonders in der ersten Hälfte [647] unseres Jahrhunderts – nicht die letzte Quelle des bis vor Kurzem noch mit Recht berühmten Wohlstandes der Stadt Winterthur gewesen ist.

Vgl. Thurgauisches Neujahrsblatt für 1833.