ADB:Neuwied, Max Prinz von Wied zu

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Artikel „Wied-Neuwied, Max Prinz von“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 559–564, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neuwied,_Max_Prinz_von_Wied_zu&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:32 Uhr UTC)
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Neuwied: Max Prinz von Wied-N. *), Reisender, Naturforscher und Ethnograph, geb. am 23. September 1782 zu Neuwied als achtes Kind der mit zehn Sprößlingen gesegneten Ehe des Fürsten Friedrich Karl. Prinz Max zeigte schon als Knabe eine ausgesprochene Vorliebe für Naturgeschichte, die der Einfluß seines Erziehers Hofmann, vor allem aber später seines Universitätslehrers Blumenbach, kräftig nährte. Einige Bestandtheile seiner reichen Sammlungen führen auf die Knabenzeit zurück. An Blumenbach erinnerte sich der Prinz zeitlebens mit warmer Dankbarkeit und schöpfte aus seinem Unterrichte besonders die Vorliebe für das Studium der Menschheit, welche das erste Motiv seiner Forschungsreisen wurde. 1802 trat er in preußische Kriegsdienste, machte die [560] Schlacht bei Jena mit und wurde am 28. Oct. 1806 bei Prenzlau gefangen. Aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, widmete er sich in der Zurückgezogenheit Neuwieds dem Studium der Geographie, Naturgeschichte und Völkerkunde, immer die brasilianische Reise im Auge haltend, welche seit Jahren geplant war. Das Sturmjahr 1813 unterbrach diese Vorbereitungen, der Prinz trat wieder in die preußische Armee, focht als Major im brandenburgischen Husarenregiment bei Châlons, Chateau Thierry, wo er das eiserne Kreuz empfing, La Fère, endlich bei St. Martin und zog mit den Monarchen in Paris ein. Kaum war der Pariser Friede geschlossen, so trieb es den Prinzen, seine Reisevorbereitungen zu vollenden und er verließ, begleitet von dem Jäger Dreikoppel und dem Gärtner Simonis, früh im J. 1815 die Heimath, um über London nach Brasilien zu gehen. Am 16. Juli traf er nach 72tägiger Reise dort ein und war durch das Entgegenkommen des für die wissenschaftliche Erforschung Brasiliens eingenommenen Ministers Conde da Barca schon am 4. August im Stande, den Weg über die Bucht von Rio nach C. Frio und weiterhin an der Ostküste aufwärts anzutreten. Zwei deutsche Forscher, Freyreiß und Sellow, die schon in Brasilien gereist waren, letzterer ein kenntnißreicher Botaniker, hatten sich dem Prinzen angeschlossen, der 10 Treiber und Träger mit 16 Maulthieren gemiethet hatte. Der Weg ging ohne besondere Fährlichkeiten nach C. Frio, dann nordwärts zum Paraiba und über diesen Strom weg in die Urwälder, wo die Stämme der Puris, Coroados und Coropos hausten. Ein junger Mann des letzteren Stammes erwies sich als Jäger und Dolmetsch brauchbar. In der Villa San Salvador erhielten die Reisenden die erste Nachricht von der Schlacht bei Belle-Alliance. Der Paraiba wurde dann bis zur Mündung verfolgt und darauf in das Botocudenland am Rio Doce vorgedrungen. Im Januar 1816 wurden die Flüsse St. Mateo und Mucuri erreicht, im Juni Caravelas, dann wurde die Reise, nachdem die meisten Sammlungen nach Rio gesandt worden waren, zu den Patachos und Machacaris fortgesetzt. 3½ Monate gegen Ende dieses Jahres wurden neuerdings dem Studium der Botokuden am Rio Grande de Belmonte gewidmet. Der Anfang des Jahres 1817 sah den Prinzen an den Grenzen von Minas Geraes bei den Camacons und im April in Bahia, von wo aus er über Lissabon und London nach der Heimath zurückkehrte, welche ihn anfangs August 1817 empfing. Seine Neuwieder Begleiter, ferner einen Neger und einen Botokuden hatte er heil mit nach Hause gebracht. Alsbald machte sich der Prinz an die Ordnung der ungemein reichen Sammlungen, die besonders viel Neues aus der höheren Thierwelt Brasiliens und aus dem merkwürdigen, wenn auch armen Culturbesitz der dortigen Völker umschlossen und er war in der Lage, noch im Jahre seiner Rückkehr in der Isis (Nr. 190 und 191) einen Bericht über die eben abgeschlossene Reise zu veröffentlichen, dem Oken die anerkennenden Worte beifügte, daß „so etwas nur ins Werk zu setzen war durch den festen Willen des Prinzen, durch seine Einsicht in den Werth der Naturgeschichte, durch die großen Aufopferungen, die er demgemäß nicht gescheut hat“. Ohne lange Rast, noch unter den frischen Eindrücken der Reise wurden die theils vom Prinzen selbst, theils von seinem Begleiter Sellow entworfenen Skizzen mit Hilfe seiner kunstgeübten Geschwister Karl und Luise für den Kupferstich fertig gemacht und die Tagebücher zu der großen „Reise nach Brasilien in den Jahren 1815 bis 1817“ umgegossen, welche 1820 und 1821 in zwei Foliobänden erschien. In dieser Reiseschilderung tritt uns der Prinz als einfacher, schmuckloser Erzähler gegenüber. Aber wenn er den damals bei den Classikern der Reisebeschreibung üblichen Redepomp vermeidet, wirkt seine Erzählung um so mehr durch den Reichthum an Thatsachen, die er mitzutheilen hat, durch das ruhige klare Urtheil und das wohlthuende Gefühl, einem gründlichen Forscher gegenüberzustehen, das besonders [561] bei allen naturgeschichtlichen und ethnographischen Erörterungen uns umfängt. Als durch die Angriffe eines französischen Kritikers, A. de St. Hilaire, veranlaßt, der eine schlechte französische Ausgabe dieser „Reise“ vor sich hatte, der Prinz 1850 „Brasilien, Nachträge, Berichtigungen, Zusätze“ herausgab, zeigte es sich, wie wenig wirkliche Fehler die sorgfältige Berichtigung auf Grund der neueren Litteratur ergab, zugleich aber auch, wie offen der Prinz im Stande war Versehen einzugestehen und selbst hervorzuheben, wo er welche gemacht hatte. Die monographischen Abhandlungen, die dem zweiten Bande eingefügt sind („Einige Worte über die Botokuden“, „Proben brasilianischer Indianersprachen“ und „Ueber die Art in Brasilien naturhistorische Reisen zu unternehmen“) zeigen uns die Gabe, einen Gegenstand eingehend und zugleich umfassend, im höchsten wissenschaftlichen Sinne des Wortes Monographie, zu behandeln, welche dann im Text zu den „Abbildungen zur Naturgeschichte Brasiliens“ (1823–1831, 15 Hefte) und den „Beiträgen zur Naturgeschichte Brasiliens“ (4 Bde., 1824–1833) sich auf größerem Felde bewährt. Wenn hier in der Einleitung zum Bande der Säugethiere der Prinz seine Arbeit als einen Nachtrag zu Azara’s Werk über die Vierfüßer von Paraguay bezeichnet, so zeigt dieses, wie bescheiden er von seinen Beiträgen dachte, aber in Wirklichkeit liegt die Sache so, daß beide Werke, einander ergänzend, die Grundsäulen der heutigen Kenntniß der höheren Thierwelt Südamerikas zwischen 23 und 15° südlicher Breite bilden und daß des Prinzen Arbeiten durch die nothwendigen Beschränkungen, die der reisende Beobachter sich auferlegt sieht, öfters fragmentarischer, nirgends aber weniger genau, und an vielen Stellen eindringender, lebensvoller sind als die seines großen, von ihm bei jeder Gelegenheit lebhaft anerkannten Vorgängers in der Erforschung Südamerikas, A. v. Humboldt’s. Die Einleitungen in die Bände der Säugethiere, Vögel und Reptilien (mit Amphibien) sind gedankenreiche und litteraturkundige Uebersichten, die man noch heute mit Gewinn liest. Alles zusammengenommen sind des Prinzen brasilianische Studien das bedeutendste, was zwischen Marcgraf und Martius über Brasilien geleistet worden war.

Das Manuscript zu den „Beiträgen“ war eben vollendet, als der Prinz eine neue Reise antrat. Am 17. Mai 1832 schiffte er sich mit dem Zeichner Bodmer und dem Jäger Dreidoppel zu Helvoetfluys nach Nordamerika ein und landete am 4. Juli in Boston. Ueber New-York und Philadelphia reiste er nach den Niederlassungen der mährischen Brüder in den pennsylvanischen Alleghanies und verbrachte den Herbst mit Jagen und Botanisieren hauptsächlich in der Umgebung von Bethlehem. Ueber Pittsburg ging er dann nach Neu-Harmony am Wabashflusse (Indiana), wo er bis Mitte März 1833 Winterquartier nahm. Diese Rapp’sche Gründung umschloß damals einige der hervorragendsten Naturforscher Amerikas, wie Lesueur, Say, die Söhne Owens, dazu die Maclure’sche Bibliothek naturgeschichtlicher Werke, welche in den Vereinigten Staaten jener Tage wenige ihres Gleichen zählte. Hier legte der Prinz den Grund zu der hervorragenden Kenntniß der nordamerikanischen Fauna, sowie der Ethnographie der Indianer Nordamerikas, welche in seiner Reisebeschreibung und mehr noch in späteren monographischen Arbeiten hervortritt. Auch machte er eingehendere Studien über die Flora als auf der früheren Reise, wo dieser Zweig Sellow überlassen gewesen war. Mitte März wurde die Reise über St. Louis und von da auf dem Mississippi und Missouri nach Fort Leavenworth (22. April), Fort Pierre (30. Mai), Fort Clarke (16. Juni), Fort Union (24. Juni) und Fort Mackenzie (19. August) fortgesetzt, wo er bei den Schwarzfußindianern fast einen Monat verweilte. Diese Reise wurde auf einem Dampfer der amerikanischen Pelzgesellschaft gemacht, der die Aufgabe hatte, außer dem Tauschhandel mit den Indianern auch den Verkehr mit den Forts und den durch Verträge mit den Vereinigten Staaten verbundenen [562] Indianern und ihren Regierungsagenten zu vermitteln. Der Prinz gewann dadurch Gelegenheit mit fast allen Stämmen, welche damals am Missouri und Yellowstone wohnten, einen näheren Verkehr zu pflegen, von welchem seine eingehenden ethnographischen Schilderungen und die vortrefflichen Zeichnungen seines Begleiters Bodmer Zeugniß ablegen. Am 28. August hatte er im Fort Mackenzie sogar das seltene Schauspiel eines Angriffes von ca. 600 Assiniboins und Krihs, der mit Hilfe eines Trupps der Schwarzfüße abgeschlagen ward. Leider war dieses aber nur der Anfang weiterer kriegerischer Verwickelungen, welche den Lieblingsplan des Prinzen durchkreuzten, den Winter zu einem Zuge durch die Felsengebirge zu benutzen. Er mußte auf einem unzureichenden, in der Eile gebauten Boote die Rückreise nach Fort Clarke antreten, wo er nun vom 8. November 1833 bis 14. April 1834 sein Winterquartier aufschlug. Hier wurden vor allem die früher vielfach unterbrochenen Studien über die Stämme der Mandanen, Mönnitaries und Arrikaris wieder aufgenommen, deren Ergebnisse in den Capiteln XXV bis XXVII des 2. Bandes und in der demselben angehängten Sammlung von Sprachproben, in der Abhandlung über die Zeichensprache der Indianer u. a. niedergelegt sind, die heute zu den werthvolleren Quellen für die Ethnographie der nordamerikanischen Indianer gerechnet werden. Nach schwerer scorbutartiger Krankheit, die ihn am Schlusse dieses entbehrungsreichen Winteraufenthalts befallen, wurde im Frühling die Rückreise auf dem Missouri und Ohio über St. Louis (27. Mai) und Cincinnati (16. Juni) angetreten. Auf dem Ohiokanal wurde der Eriesee erreicht, dann die Niagarafälle besichtigt. In New-York traf der Prinz am 16. Juli ein, besuchte noch einmal Philadelphia, wo besonders einige wissenschaftlich thätige Männer, wie Lea, Harlan, Duponceau und die Museen ihn anzogen, und schiffte sich am 16. Juli in New-York nach Havre ein, welches er am 8. August erreichte. Einen Schatten warf über diese erfolgreiche Reise nur der Umstand, daß ein Schiff der amerikanischen Pelzcompagnie, dem der Prinz den größten Theil seiner im fernen Westen zusammengebrachten naturwissenschaftlichen Schätze anvertraut hatte, auf dem Missouri verbrannte, so daß viele der wichtigsten Ergebnisse dieser Reise nicht nach Europa gelangten. Um so bedauerlicher war dieser Verlust, als der Prinz nach seiner Rückkehr einen großen Theil seiner Thätigkeit der Ausstellung und Vervollständigung der Sammlungen zuwandte, welche er auf seinen Reisen gemacht und sehr ausgiebig durch Tausch und Kauf erweitert hatte.

Von 1838–1841 erschien die „Reise durch Nordamerika“ in zwei Ausgaben, deren feinere ein Prachtwerk, wie es bis dahin in Deutschland kaum je ans Licht getreten war. Die Darstellung nimmt hier seltener den warmen Charakter an, welcher in der brasilianischen Reise das Glück der ersten großen Forschungsreise wiederspiegelt. Der Ton neigt eher dazu, trocken zu sein, wird oft wissenschaftlich-geschäftsmäßig und zahlreiche rein wissenschaftliche Erörterungen sind jedem Abschnitte angeschlossen. Der Prinz verschloß sich indessen auch hier nicht den großen Zügen der kolumbischen Natur und des nordamerikanischen Lebens und daß er auch für andere Naturerscheinungen als die in Thierarten sich ausprägenden einen regen Sinn besaß, beweisen neben manchen in wenigen kräftigen Worten gezeichneten Stimmungsbildern u. a. die anregende Besprechung, welche er später der nordamerikanischen Herbstfärbung (in Wiegmann’s Archiv) angedeihen ließ. Aber man merkt, daß Sammeln und Beobachten auf den bestimmten Lieblingsgebieten dieses Mal als Hauptaufgabe galten und so sind denn auch die Ergebnisse dieser Reise am eingehendsten wissenschaftlich bearbeitet worden und am liebevollsten offenbar wieder die zoologischen. Es waren Säugethiere, Vögel, Reptilien und Amphibien, in den späteren Jahren auch Fische, welche ihn am meisten beschäftigten. In den von ihm begründeten Neuwieder Sammlungen hat er 400 Arten von Säugethieren, 1600 Vögel, 400 [563] Reptilien und Amphibien und 500 Fische aufgestellt. Seine rein wissenschaftlichen Arbeiten gehören fast alle diesem Felde an, auf welchem er eifrig sammelnd und die neueste Litteratur verfolgend, bis zum Ende seines Lebens gearbeitet hat. Außer den früher genannten „Beiträgen“ sind von seinen zoologischen Arbeiten besonders zahlreiche kleinere Mittheilungen, meist Beschreibungen neuerer Arten enthaltend, in Oken’s Isis, deren Mitarbeiter er von 1817–1842 war, dann mehr monographische Arbeiten, öfters mit Zeichnungen von der Meisterhand Bodmer’s in den von Cabanis und Wiegmann herausgegebenen ornithologischen und allgemein naturwissenschaftlichen Zeitschriften, endlich größere Arbeiten in den Acta der Leopoldinisch-Karolinischen Akademie zu nennen. Als selbständige Werke sind von diesen ausführliche Verzeichnisse der auf der nordamerikanischen Reise beobachteten Säugethiere und Reptilien erschienen. Das letztere, als Separatabdruck aus den „Acta“ 1865 veröffentlicht, stellt überhaupt die letzte größere Arbeit des Prinzen dar. Die in derselben hervortretende Betonung des biologischen Elementes, sowie die Hervorhebung der feineren Eigenthümlichkeiten, der Färbung u. dgl. der lebenden Thiere gegenüber der von dem Prinzen zeitlebens bestrittenen Museumszoologie und ihrer Speciesmacherei lassen doppelt bedauern, daß ein so erfahrener, gründlicher und klardenkender Forscher sein Wort in dem zu dieser Zeit erst recht entbrennenden Artstreit nicht mehr in die Wage werfen konnte. Aus der Stille seines Forscherlebens, dessen liebste Erholung die Jagd bildete, trat der Prinz in diesen äußerlich einförmig dahinfließenden Jahren selten hervor. Kleine Reisen, meist Badereisen, bildeten unbedeutende Unterbrechungen. Als im J. 1863 der Naturhistorische Verein für Rheinland und Westfalen seine Generalversammlung in Neuwied abhielt, die sich zu einer herzlichen Huldigung für den Prinzen gestaltete, ergriff der rüstige, fast noch jugendlich lebhafte Greis das Wort und sprach über „Die amerikanischen Urnationen“ in einer Weise, welche zeigte, wie er, den Ausspruch seines verehrten Lehrers Blumenbach beherzigend, daß es für den denkenden Menschen kein anziehenderes Studium als das der Urvölker geben könne, den Fortschritten der Ethnographie gefolgt war. Indem er besonders gegen d’Orbigny’s Zerlegung der amerikanischen Rasse Front machte, wahrte er, ebenso wie in vielen seiner zoologischen Arbeiten, der unbefangenen Beobachtung ihr Recht, sich nicht von den Versuchen der hypothetischen Construction übervortheilen zu lassen. Der Forscher im Fürstenhut beschloß sein thätiges Leben am 3. Februar 1867 zu Neuwied.

Prinz N. nimmt unter den deutschen wissenschaftlichen Reisenden seiner Zeit eine der ersten Stellen ein. Wenige haben ihre Reisen mit einer gleich trefflichen Vorbereitung und mit so gereiftem Urtheil angetreten. An vielen Stellen gibt der Prinz Beweise von der vortrefflichen Vorbereitung, mit welcher er die Reise gemacht hatte. Die Litteratur war ihm geläufig. Keiner seiner Nachfolger hat dieselbe, von Hans Staden und Marcgraf bis auf Langsdorff und Mawe, gleich eingehend berücksichtigt. Die vergleichenden Betrachtungen, besonders über ethnographische Erscheinungen, beweisen indessen, daß auch weit entlegene Gebiete berücksichtigt wurden. Der Prinz war schon dadurch im Stande, den Thatsachen, die seiner Beobachtung sich darboten, gründlicher gerecht zu werden als fast alle Vorgänger. Wir nennen hier nur die den Begriffen seiner Zeitgenossen weit vorauseilenden Anschauungen über die Religion der brasilianischen Eingebornen (Reise nach Brasilien I, S. 147); die zahlreichen Richtigstellungen ungenauer Nachrichten selbst so hervorragender Naturforscher wie A. v. Humboldt und Spix, und überhaupt naturgeschichtlicher Fabeln, über welche der Prinz eine eigene kleine Arbeit veröffentlicht hat; die selbst heute noch so selten zu findende eingehende und kritische Betrachtung der Namen, welche die Eingebornen den Thieren [564] und Pflanzen beilegen, sowie der geographischen Ortsnamen, für deren Kenntniß besonders im Missourigebiet er zahlreiche Beiträge von höherem Werth als die Angaben aller Vorgänger geliefert hat. Die oben erwähnten Nachträge zu seinen eigenen Arbeiten geben eine ebenso hohe Vorstellung von seiner Gründlichkeit wie das über 1000 Nummern umfassende Verzeichniß der Druckfehler in der ohne seine Mithilfe veranstalteten französischen Ausgabe der nordamerikanischen Reise, das er ohne weitere kritische Bemerkungen, so nahe dieselben auch lagen, s. l. et a. erscheinen ließ. In den Gebieten der Zoologie und Ethnographie, denen er seine Kräfte hauptsächlich widmete, war sein sorgsames Bestreben, die besten Abbildungen schaffen zu lassen, keineswegs nur äußerlich. Mit Energie hat er noch in seiner letzten Veröffentlichung auf den Werth guter Abbildungen als Ergänzung der verblaßten Spiritus- und Trockenexemplare der Museen hingewiesen. Außerdem halfen seine prachtvoll ausgestatteten Werke die deutsche Reiselitteratur in den Augen des Auslandes heben, dem endlich zugleich die Theilnahme eines Fürsten an der bescheidensten wissenschaftlichen Mitarbeit einen lange vermißten Begriff von der weiten Verbreitung wissenschaftlicher Interessen in unserem Lande verschafften.

Dr. Ph. Wirtgen, Zum Andenken an Prinz Maximilian zu Wied, sein Leben und wissenschaftliche Thätigkeit. 1867.

[559] *) Da der Name Neuwied in der wissenschaftlichen Litteratur üblich geworden ist, führen auch wir den Prinzen unter diesem Namen hier auf.