ADB:Stifft, Andreas Joseph Freiherr von

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Artikel „Stifft, Andreas Joseph Freiherr von“ von Julius Pagel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 216–217, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stifft,_Andreas_Joseph_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 05:55 Uhr UTC)
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Stifft: Andreas Joseph Freiherr v. St., berühmter österreichischer Arzt, ist am 30. Nov. 1760 zu Röschitz in Niederösterreich geboren. Er studirte in Wien, erlangte hier 1784 die medicinische Doctorwürde und ließ sich darauf als Arzt in Wien nieder, wo er sehr bald eine ebenso ausgedehnte wie vornehme Clientel gewann. Nachdem er gleich zu Beginn seiner ärztlichen Thätigkeit ein zweibändiges Werk „Praktische Heilmittellehre“ (Wien 1790-92) geschrieben hatte, gewann er 1795 mit einer weiteren Arbeit über die zweckmäßigste Reorganisation der medicinisch-chirurgischen Josephs-Akademie eine Preismedaille und lenkte hierdurch die Aufmerksamkeit der damaligen ärztlichen Koryphäen der Residenzstadt, besonders des kaiserlichen Leibarztes v. Stoerck auf sich, sodaß er zum 2. Wiener Stadtphysikus und Sanitäts-Magister ernannt wurde. Diese Stellung verwaltete er mit so großem Erfolge, daß er bereits 1796 zum Hofarzt, 1798 zum wirklichen k. k. Leibarzt ernannt und ihm 1802 der Hofrathscharakter verliehen wurde. Nach Stoerck’s Tod (1803) wurde St. sein Nachfolger als Leibarzt, Director des medicinischen Studiums an der Universität, Büchercensor im medicinischen Fache, Protomedicus und Präses der Facultät, gab jedoch 1808 das Amt als Director des medicinischen Studiums und des Sanitätswesens wieder auf. 1813 zum wirklichen Staats- und Conferenzrath ernannt, begleitete er den Kaiser auf den Feldzügen von 1813–15, wo er ununterbrochen an dessen Seite blieb und wiederholt das Glück hatte, ihn von lebensgefährlichen Erkrankungen zu heilen. 1826 wurde er in den niederösterreichischen Ritterstand erhoben, erhielt 1834 auf Ansuchen seinen Abschied und feierte am 21. Aug. desselben Jahres sein 50jähriges Doctorjubiläum, wobei ihm Ovationen verschiedener Art bereitet wurden. Sein Tod erfolgte am 16. Juni 1836 zu Schönbrunn bei Wien. St. spielt in der Geschichte der Universität Wien sowie des österreichischen Sanitätswesens eine bedeutende Rolle. Sein Hauptverdienst besteht darin, eine gründliche Reform des Medicinalwesens durchgeführt zu haben. Durch das Vertrauen des österreichischen Kaisers mit großer Macht ausgerüstet gelang es ihm, wesentlich nach seinen Entwürfen eine Neugestaltung des medicinisch-chirurgischen Studiums an allen Lehranstalten der Monarchie vorzunehmen, neue Lehrstühle zu errichten, eine Studien-Hofcommission zu organisiren und andre Reformen vorzunehmen, sowie vermöge seines Vorsitzes im Studien-Departement überhaupt auch auf Aenderungen im Studium der Rechts- und polytechnischen Wissenschaften hinzuwirken. St. machte sich ferner durch Einführung der Kuhpockenimpfung verdient, impfte selbst zunächst mehrere Mitglieder der kaiserlichen Familie, sorgte für eine Erweiterung und Vervollkommnung des Thierarznei-Instituts, das auf seine Veranlassung der Oberaufsicht des Hofkriegsraths entzogen und der Studien-Hofcommission unterstellt wurde, und bewirkte die Errichtung eines eigenen Militär-Sanitätscorps. Beim ersten Erscheinen der Cholera 1831 gelang es ihm noch als 70jährigem Greise durch sein energisches Auftreten bei dem allgemeinen Chaos den gesunkenen Muth der Bevölkerung zu heben. Als Nicht-Contagionist sorgte er für Aufhebung aller Sperren und stellte damit den freien gesellschaftlichen Verkehr wieder her. – [217] Weniger verdienstvoll ist Stifft’s Wirken in rein wissenschaftlicher Beziehung. Zwar war er vom 17. Bande an zusammen mit seinem Collegen J. N. v. Raimann Mitherausgeber der „Medicinischen Jahrbücher der k. k. österreichischen Staaten“, auch hat er noch einige kleinere Arbeiten geschrieben, im übrigen aber ist er nicht frei von dem Vorwurf, „daß er in seiner unbeschränkten Herrschaft über alle Theile des öffentlichen Sanitätswesens“ vielfach willkürlich und nach persönlichen Interessen verfuhr, manches Talent eher unterdrückte als förderte und nur Strebern, Schmeichlern und solchen wohlwollte, die für seine Institutionen blindes Lob hatten, sodaß Männer wie P. Frank und J. N. Rust sich seiner Protection nicht zu erfreuen hatten und Wien verlassen mußten.

Vgl. Puschmann, Die Medicin in Wien während der letzten 100 Jahre (Wien 1884). – Biogr. Lexikon hervorr. Aerzte V, 538 und die daselbst angegebenen Quellen.