ADB:Stizenberger, Ernst

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Artikel „Stizenberger, Ernst“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 534–535, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stizenberger,_Ernst&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 17:32 Uhr UTC)
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Stizenberger: Ernst St., praktischer Arzt und botanischer Schriftsteller, geboren am 14. Juni 1827 in Konstanz, † ebendaselbst am 27. September 1895. Nach dem Besuche des Lyceums seiner Vaterstadt studirte St. von 1844 an zunächst in Freiburg im Breisgau, darauf in Zürich Medicin und daneben mit gleichem Eifer auch Naturwissenschaften, wobei er in Freiburg in dem Botaniker A. Braun einen ihm wohlwollenden Lehrer fand, mit dem er später noch in regem Verkehr geblieben ist. Einen vorläufigen Abschluß fanden seine Studien durch die 1850 erfolgte Promotion zum Dr. med. auf Grund seiner Dissertation: „Uebersicht der Versteinerungen des Großherzogthums Baden“. Zu weiterer ärztlicher Ausbildung besuchte St. dann noch die Universitäten Prag und Wien und ließ sich nach bestandener Staatsprüfung Ende 1851 in seiner Vaterstadt als praktischer Arzt nieder. Hier wirkte er bis zu seinem Tode. Gleich in den ersten Jahren nach seiner Niederlassung berief ihn das Vertrauen der städtischen Behörden zum leitenden Arzte des Konstanzer Stadtspitals, welches Amt er lange Jahre hindurch erfolgreich verwaltete. Daneben wurde er zweiter Gerichtsarzt und fungirte über vierzig Jahre als Visitator der Apotheken seines heimathlichen Bezirkes. Seine Mußestunden galten den Naturwissenschaften und der Musik. Durch den Besuch der Naturforscherversammlungen und durch brieflichen Verkehr mit botanischen Freunden blieb er mit der Wissenschaft im Zusammenhang. Die Pflege der Musik aber und die Freude daran bewahrte er bis an sein Lebensende, ist auch schriftstellerisch auf diesem Gebiete thätig gewesen, indem er 1833 „Grundlinien einer Geschichte der Tonkunst im Lande Baden“ veröffentlichte. Seine botanischen Arbeiten erstrecken sich fast durchweg auf blüthenlose Gewächse. Nach einigen kleineren Aufsätzen in der Hedwigia (1854 u. 1855) über Algenformen folgte 1860 eine systematisch geordnete Aufzählung der von Ludwig Rabenhorst herausgegebenen Algen Sachsens resp. Mitteleuropas unter Zugrundelegung eines von St. aufgestellten neuen Systems, wovon 100 Dekaden erschienen sind. Außerdem betheiligte er sich seit 1857 im Verein mit Braun und Rabenhorst bei der Herausgabe der „Characeen Europas“, wovon der letzte Fascikel 1878 herauskam. Den Gegenstand seiner Specialforschung indessen bildeten die Flechten. In seinem „Beitrag zur Flechtensystematik“ (Bericht der St. Gallischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft 1861) gab er ein neues, von ihm aufgestelltes System jener Pflanzengruppe, woran sich ein Jahr später eine kurze Skizze: „Ueber den gegenwärtigen Stand der Flechtenkunde“ (Flora 1862) anschloß. Zwei größere Abhandlungen erschienen 1863 und 1864 in den Verhandlungen der Leopoldina (Bd. 30 und 31): „Kritische Bemerkungen über die Lecideaceen mit nadelförmigen Sporen“ und „Ueber die steinbewohnenden Opegrapha-Arten“, beide Arbeiten von 2 Tafeln begleitet. Diesen ließ er 1867 eine gründliche Monographie mit 3 Tafeln unter dem Titel: „Lecidea sabuletorum Flörke an demselben Orte folgen. Außerdem beschäftigte sich St. eingehend mit dem Studium außereuropäischer Flechten. Im Anschluß an ein „Verzeichniß der von Th. v. Heuglin auf Nowaja Semlja gesammelten Lichenen“ (Petermann’s geogr. Mittheilungen, Heft 11, 1872) verdankt ihm die Wissenschaft in dem lateinisch geschriebenen „Index lichenum hyperboreorum“ eine Zusammenstellung der zur Zeit bekannten Flechten des arktischen Asiens und Amerikas (Bericht der St. Gallischen naturwiss. Gesellsch. 1875) und zwei ebendort veröffentlichte umfangreiche [535] und werthvolle Bearbeitungen der „Lichenaea africana“ (1888 und 1889). Die Novara-Expedition lieferte ihm das Material zu einem in der „Flora“ 1886 publicirten Aufsatz: „Nachtrag zur botanischen Ausbeute der Novara-Expedition“, worin 29 Flechtenarten aufgezählt werden. Das Erscheinen einer von ihm herausgegebenen „List of lichens collected by Mr. Robert Reuleaux in the Western parts of North-America“ erlebte er nicht mehr; doch konnte er noch in seinem Todesjahre sich der Vollendung einer größeren Arbeit über „Die Grübchenflechten und ihre geographische Verbreitung“ (Flora 1895) erfreuen.

Neben seinen wissenschaftlichen Untersuchungen fand der rastlos thätige Mann trotz ausgedehnter ärztlicher Praxis auch noch Zeit zur Abfassung populär geschriebener Aufsätze, zu reger Betheiligung am Vereinsleben im Interesse seiner Standesgenossen und wie schon erwähnt, zur intensiven Pflege der Musik. Er wurde im Alter von etwas mehr als 68 Jahren durch einen Schlaganfall seinem verdienten Wirken entrissen. Sein reiches Flechtenherbar hat St. testamentarisch als Geschenk der technischen Hochschule in Zürich vermacht. Ein Verzeichniß seiner sämmtlichen Schriften gibt der nachstehende Nekrolog.

Nachruf von Jos. B. Jack in den Berichten der Deutschen Botan. Gesellsch., XIV. Jahrg., 1896, und in Hedwigia, Bd. XXXV, 1896.