ADB:Straß, Friedrich

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Artikel „Straß, Friedrich“ von Hugo Holstein in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 498–501, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stra%C3%9F,_Friedrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:07 Uhr UTC)
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Straß: Joh. Gottl. Friedrich St., Historiker und Schulmann. Er war geboren am 10. März 1766 zu Grüneberg in der Neumark als der Sohn eines Predigers, besuchte das Gymnasium zu Königsberg i. N. und das [499] Joachimsthal’sche Gymnasium zu Berlin, studirte in Halle Theologie und Philologie, wurde 1791 Gouverneur in dem erst neu organisirten Cadettencorps in Berlin und erhielt in dieser Stellung 1795 das Prädicat eines Professors. Als der gelehrte und pädagogisch tüchtig geschulte Gurlitt (s. A. D. B. X, 182) 1802 einem ehrenvollen Rufe zur Uebernahme des Directorats des Johanneums in Hamburg folgte, wurde St. zu seinem Nachfolger ernannt und in sein Amt als Director des Pädagogiums zu Kloster Berge bei Magdeburg am 15. März 1803 eingeführt. Die Schule hat unter seiner Leitung die angesehene Stellung, die ihr Gurlitt wieder verschafft hatte, bis zu ihrer Aufhebung bewahrt, obwol sich die Anzeichen ihres Verfalles allenthalben geltend machten. Die Schülerzahl war verhältnißmäßig gering (1803 und 1804: 71, 1805: 54); der fortwährende Lehrerwechsel mußte auf die Entwicklung der Anstalt nachtheilig wirken; ebensowenig war es günstig, daß auf einem engbegrenzten Raume und in unmittelbarer Nähe vier Gelehrtenanstalten sich befanden, die sämmtlich ihre Zöglinge für die Universitätsstudien vorbereiteten, und von denen zwei, das Domgymnasium und das Pädagogium zum Kloster U. L. Fr. unter der Leitung zweier bewährter Directoren, des Consistorialraths Funk (s. A. D. B. VIII, 201) und des Propstes Rötger (s. A. D. B. XXIX, 303) sich eines bedeutenden Rufes erfreuten. Dazu kam, daß in Kloster Berge von 1805 an der lateinische Unterricht aufhörte, obligatorisch zu sein, indem für diejenigen Schüler, die sich nicht für akademische Studien bestimmt hatten, Unterricht im Französischen, im geometrischen, militärischen und architektonischen Zeichnen eintrat. Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena brachen unruhige Tage für Kloster Berge herein, und nach der Uebergabe der Stadt Magdeburg durch den General v. Kleist (11. Nov. 1806) setzte die Schule ihre Thätigkeit unter der französischen Herrschaft fort, bis daß Decret der westfälischen Regierung vom 10. December 1809 die Aufhebung des Pädagogiums anordnete; am 30. März 1810 schlossen sich für alle Zeiten die Hörsäle der berühmten Anstalt, die von 1686 an 2200 Zöglingen Unterricht und Erziehung gewährt hatte. Eine sehr ernste Stunde vereinigte Lehrer und Schüler des Klosters zum letzten Male an jenem Tage. St. hielt die Rede, die er 1815 im Programm des Gymnasiums zu Nordhausen veröffentlichte und die, wie er im Vorbericht bemerkt, in den Zeiten der Schmach nicht gedruckt werden durfte.

St. hat sich um die Schulanstalt von Kloster Berge die größten Verdienste erworben. Zwar konnte er, wie Johannes Schulze (s. A. D. B. XXXIII, 5), der langjährige Decernent im höheren preußischen Unterrichtswesen, der Ostern 1805 als Abiturient entlassen wurde, urtheilt, den durch gründliche und umfassende classische Gelehrsamkeit im Griechischen und Lateinischen ausgezeichneten Gurlitt nicht ersetzen, aber er übte doch durch seine würdige Haltung, durch sein strenges Pflichtgefühl und seine frischen Vorträge, namentlich über preußische Geschichte, einen wohlthätigen Einfluß aus.

Seine litterarische Thätigkeit bewährte er auf dem Gebiete der Pädagogik und der Geschichte. Er übersetzte „Denina, Geschichte Piemonts und der übrigen Staaten des Königs von Sardinien“ aus dem Italienischen (Berlin 1800) und verfaßte eine „Geschichte der Teutschen mit besonderer Rücksicht auf die preußischen Staaten, in Tabellen für Schulen“ (Berlin 1802). Eine große Verbreitung erfuhr sein „Strom der Zeiten“, eine historische Uebersichtskarte, die sogar den Beifall des Auslandes fand. Der dazu gehörige Commentar „Ueberblick der Weltgeschichte, zur Erläuterung der bildlichen Darstellung derselben“ (Berlin 1803) ist in die meisten lebenden Sprachen übersetzt worden. Die zweite Auflage, bis zum Pariser Frieden reichend, erschien 1813. Außerdem veröffentlichte St. in Kloster Berge mehrere Programmabhandlungen. Im Programm von 1803 erschien [500] seine Antrittsrede vom 15. März, 1804 „Fragment über die Pflicht des Erziehers, auf den Geist des Zeitalters Rücksicht zu nehmen“, 1805 „Versuch einer allgemeinen Einleitung in die Wissenschaftskunde“, 1806 „Zwei Schulreden zur Austheilung der Prämien und zur Entlassung der Abiturienten“, 1807 „Nachricht von den Ereignissen am Pädagogium zu Kloster Berge vom October 1806 bis dahin 1807“, 1809 „Ausführliche Nachricht von der jetzigen Einrichtung des Pädagogiums zu Kloster Berge“.

Nach der Aufhebung des Pädagogiums zu Kloster Berge sollte ihm zwar, falls er nicht wieder angestellt würde, sein Einkommen als Pension verbleiben; er würde aber mit der lebhaftesten Freude der Berufung des preußischen Ministeriums zum Director der Ritterakademie zu Liegnitz gefolgt sein, wenn ihm dieselbe rechtzeitig bekannt geworden und nicht bei der barbarischen Grenzsperre unterschlagen worden wäre. Er nahm nun den von westfälischer Seite an ihn ergangenen Ruf zur Uebernahme des Directorats des Gymnasiums zu Nordhausen an, welches Amt er am 19. October 1812 antrat. Auch in dieser verantwortlichen Stellung bewährte er sich als tüchtiger Schulmann, der mit großem sittlichen Ernste eine reiche, pädagogische Erfahrung und Einsicht verband. Auch in Nordhausen veröffentlichte er mehrere Programmabhandlungen, u. a. „Beiträge zur Geschichte der technischen Cultur“ (1813), „Ueber das Turnwesen und dessen Verbindung mit der öffentlichen Schule“ (Halle 1819). Obgleich er sich die allgemeinste Anerkennung seiner Amtsgenossen und Mitbürger erworben hatte, so ließ er sich doch durch die Anfeindungen eines Mannes, der „mit altreichsstädtischer Anmaßung ihm und seiner Wirksamkeit entgegentrat“, bewegen, Nordhausen zu verlassen und dem Rufe der preußischen Regierung, ein neues evangelisches Gymnasium in Erfurt zu begründen, zu folgen. Am 2. Juni 1820 hielt er die „Einweihungsrede“ (abgedruckt im Erfurter Programm 1820) und gab im Programm von 1821 „Nachrichten von der Einrichtung des neuen Königlichen Gymnasiums zu Erfurt“. Ferner veröffentlichte er 1835 die Abhandlung „Der preußische Staat durch weise Reformen im Besitze der Güter und Vortheile, nach welchen Revolutionen vergeblich ringen“. Bei seinem 50jährigen Dienstjubiläum, das er am 18. August 1841 feierte (die Beschreibung der Feier gab er im Programm von 1842), ward ihm die Anerkennung seiner Behörde in reichstem Maaße, durch Verleihung des Rothen Adlerordens 2. Classe mit Eichenlaub, zu theil. Schon im Anfang des nächsten Jahres mußte er um Urlaub nachsuchen und legte bald darauf sein Amt nieder. Er nahm seinen Wohnsitz in Glatz, um im Kreise der Seinigen seine Tage zu beschließen, und starb am 17. März 1845 im achtzigsten Lebensjahre in Berlin.

Als Geschichtschreiber hat er sich einen Namen durch Herausgabe eines „Handbuches der Weltgeschichte“ erworben, das lange Zeit als ein bewährtes Hülfsmittel für den Geschichtsunterricht auf Gymnasien benutzt worden ist. Der 1. und 2. Theil, welche die alte Geschichte behandeln, erschienen in Jena 1830. Bei strenger Wahrheitsliebe hatte St. überall auf Gründlichkeit, Klarheit und Lebendigkeit hingearbeitet; die Quellen und ihre wichtigsten Bearbeitungen waren sorgfältig benutzt worden. Die freundliche Aufnahme, welche das Handbuch der alten Geschichte gefunden hatte, und die beifälligen und aufmunternden Urtheile, die über dasselbe gefällt waren, bewogen ihn zur Fortsetzung des Werkes. Als 3. Theil erschien zu Jena 1837 das „Handbuch der mittleren Geschichte“. Der 4., 5. und 6. Theil, welche die neuere Geschichte enthalten und mit der Julirevolution von 1830 schließen, sind von dem ordentlichen Professor der Geschichte Dr. Wilh. Havemann in Göttingen bearbeitet worden und zu Jena in den Jahren 1841–1844 erschienen.

Nekrolog d. Deutschen 1845, S. 217–220. – Verschiedene Schulprogramme [501] von Kloster Berge, Nordhausen und Erfurt. – Holstein, Geschichte der ehemaligen Schule zu Kloster Berge, Leipzig 1886, S. 102–113. – Festschrift zur Feier des 50jährigen Stiftungsfestes des Königlichen Gymnasiums zu Erfurt 1870, darin Dietrich, Uebersicht der Geschichte des Königl. Gymnasiums von 1820–1869.