ADB:Thal, Johann

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Artikel „Thal, Johann“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 642–643, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thal,_Johann&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:41 Uhr UTC)
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Thal: Johann Th. (auch Dal), bedeutender Arzt und Pflanzenforscher, geboren um 1542 zu Erfurt, † am 18. Juli 1583 zu Peseckendorf bei Oschersleben. Seinem gleichnamigen, aus einer wohlhabenden Bauernfamilie zu Ottenhausen, Kreis Weißensee, stammenden Vater, einem Pfarrer, der sich um die Reformation verdient gemacht und wegen seines Bekenntnisses von Herzog Georg von Sachsen Verfolgungen erlitten hat (vergl. z. B. Harzzeitschr. 24 S. 483 f.) wurde er von dessen dritter Frau Margarethe, der Pflegetochter des Erfurter Bürgers Elias Butzbach, als deren erster Sohn geboren. Nachdem er seinen ersten Unterricht in der Hauptstadt Thüringens genossen hatte, begab er sich schon frühzeitig – jedenfalls vor 1558 – auf die unter Mich. Neander blühende Klosterschule zu Ilfeld. Jener wackere Schulmann stellt nicht nur seinem Fleiße, seinem Streben und seiner Begabung das schönste Zeugniß aus, sondern der Jüngling wuchs ihm so sehr ans Herz, daß er ihn wohl als sein halbes Leben bezeichnet, während andrerseits der früh seines leiblichen Vaters beraubte Schüler in Neander seinen zweiten Vater verehrte. Schon in Ilfeld, wo die Reize der Natur einen großen Eindruck auf ihn machten, tritt Thal’s Richtung auf die Pflanzenkunde kräftig hervor und er bestimmte hier innerhalb zweier Monate 72 Grasarten. In den ersten sechziger Jahren bezog er die Universität Jena, wo der Botaniker Lor. Hiel († 1568) zu seinen Lehrern gehörte. Ohne einen akademischen Grad erworben zu haben, fand Th. wohl schon bald nach seinem Weggang von der Hochschule eine Thätigkeit als Arzt in Stendal. Anfangs 1572 – er hielt sich damals bei Wilhelm Reifenstein, einem Schüler Melanchthon’s, in Wernigerode auf – bestellten ihn die Grafen zu Stolberg für sich und ihre Hofdiener zu ihrem Leibarzt mit eigentlichem Sitze in Stolberg, wo er auch die Stelle eines Stadtarztes versah. Da nun aber von beiden fast allein inbetracht kommenden Grafen Albrecht Georg und Wolf Ernst nur der letzte dauernder am Harz weilte und seinen Hofhalt in Wernigerode hatte, so war auch Th. sehr viel hier anwesend, stand auch mit jenem wissenschaftlich gerichteten Herrn in lebhaftem und vertraulichem Briefwechsel. Dieser stolbergische Dienst dauerte bis Mai 1581, zu welcher Zeit er mit 80 Gulden Gehalt und einem Garten für die Apotheke als Stadtarzt in Nordhausen angestellt wurde. Nur noch ein paar Jahre war es ihm vergönnt, in dieser Stellung zu wirken, als er, im Begriff von einem Besuche bei Joh. Ernst v. Asseburg zu Peseckendorf aus den seiner Pflege befohlenen Nikolaus v. Bortfeld zu besuchen, bei Schermcke, weil die Pferde durchgegangen waren. vom Wagen stürzte und einen schweren Unterschenkelbruch erlitt. Trotz treuer Pflege verschied er nach ein paar Wochen zu Peseckendorf, wohin man ihn zurückgebracht hatte, nur etwa 41 Jahre alt, zur großen Betrübniß eines weitern Kreises befreundeter und wissenschaftlicher Männer.

Für die Wissenschaft von nachwirkender Bedeutung war die Zeit seines Dienstes im Stolbergischen, weil er in dieser die einzige auf uns gekommene im J. 1577 vollendete Schrift, seine „Sylva Hercynia sive catalogus plantarum sponte nascentium in montibus et locis vicinis Hercyniae, quae respicit Saxoniam“, verfaßte, die sein Freund Joachim Camerarius d. J., dem er sie gewidmet hatte, fünf Jahre nach des Verfassers Tode 1588 zu Frankfurt a. M. bei Joh. Feyerabend drucken ließ. Aus der Schrift ergibt sich, daß wie am Südharz neben Ilfeld besonders Stolberg der Ausgangspunkt seiner Kräuterfahrten war, er diese westlich bis Scharzfeld und Osterode, südlich und südöstlich bis gegen Frankenhausen und Sondershausen ausdehnte. Schon der Titel der Schrift aber läßt besonders den nördlichen, nach dem Lande der Sachsen zu gelegenen Harz als das Feld seiner Arbeit erkennen. Hier war es nun Wernigerode, das mit seinem Schloß, Himmelpforten, seinen Teichen und benachbarten [643] Bergen 25 mal als Standort von Pflanzen genannt wird. Von hier aus wurden dann auch Ausflüge bis Quedlinburg und Gernrode gen Osten und nach Ilsenburg und Goslar in westlicher Richtung unternommen. Nicht weniger als 28 mal ist der Brocken mit seinen Sümpfen und Nachbarhöhen genannt, auch scheint Andreasberg aufgesucht zu sein. Achtmal gedenkt er der gräflich stolbergischen Gestütswiese der Lange bei Elbingerode, die er bei seinen Fahrten zwischen Wernigerode und Stolberg berührte.

Th. hinterließ auch andere handschriftliche Arbeiten, die aber später verloren gingen. Bei seinem weiten wissenschaftlichen Blick und seinem Sinn für die Geschichte trug er sich mit einem größeren Werke über den Harz, in welchem dessen Natur und Geschichte, besonders auch die der Völker und Stämme, die sich über ihn bewegten, die Geschichte der Besiedelung, der Kirchen, Klöster und Burgen und so die Wechselbeziehungen zwischen Natur und Geschichte dargestellt werden sollten.

Trotz solcher Verluste und der wegen eines frühen Todes unausgeführt gebliebenen Pläne sichert die „Sylva Hercynia“ ihrem Verfasser eine ehrenvolle Stelle in der deutschen Pflanzenkunde. Sie war das erste Werk dieser Art in Deutschland. Die heutige Wissenschaft, die den geschichtlichen Wandel auch in den pflanzlichen Erscheinungen in Betracht zieht, mißt dem vor über drei Jahrhunderten geschriebenen Werke noch eine besondere Bedeutung bei, indem darin die Pflanzen desjenigen norddeutschen Gebiets behandelt sind, das von der Cultur noch am wenigsten verändert war. Bemerkenswerth ist, daß Th. auch schon einen vorsichtig prüfenden Sinn offenbart und an ihm übermittelten Standortsangaben Kritik übt (vergl. S. 15 Aquifolium). Bei der 300jährigen Wiederkehr seines Todestags wurde zu Sondershausen ein der Pflanzenkunde sich widmender Verein gegründet und die Errichtung eines in Nordhausen aufzustellenden Denkmals beschlossen.

Irmisch, Ueber einige Botaniker des 16. Jahrhunderts, Jahresschrift des Gymnasiums zu Sondershausen v. J. 1862 S. 44–58. – Derselbe in der Zeitschr. des Harzvereins f. Gesch. u. Alterthumskunde 8 (1875) S. 149–161.