ADB:Thielmann, Johann Adolf Freiherr von

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Artikel „Thielmann, Johann Adolf Freiherr von“ von Hermann von Petersdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 755–759, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thielmann,_Johann_Adolf_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:57 Uhr UTC)
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Thielmann: Johann Adolf Freiherr v. Th., General der napoleonischen Zeit, geboren zu Dresden am 27. April 1765 als der Sohn des kurfürstlich-sächsischen Oberrechnungsraths Th., besuchte 1776–1779 die Fürstenschule zu Meißen und genoß dann eine Zeit lang Privatunterricht. Vom Vater zum Studium der Rechtswissenschaft bestimmt, zeigte er indeß früh besondere Neigung [756] für den Militärdienst und als der Vater 1782 starb, trat er beim Chevaulegersregiment Kurland in Grimma als Junker ein. Am 30. März 1784 zum Souslieutenant befördert brachte er lange Jahre bei langsamer Beförderung in verschiedenen kleinen Städten zu, nicht ohne seine wissenschaftliche und litterarische Bildung nach allen Seiten hin zu vervollkommnen. Besondere Freundschaft verband ihn mit Chr. G. Körner. 1791 wurde er in das neuerrichtete Husarenregiment versetzt und am 13. Juli desselben Jahres zum Premierlieutenant ernannt. 1793, 1795 und 1796 nahm er an den Rheinfeldzügen theil und zeichnete sich besonders im Gefecht bei Uckerath am 19. Juni 1796 aus. In den Friedensjahren wurde er mit dem in Eisenach lebendenden emigrirten Grafen Narbonne näher bekannt. Am 3. Mai 1798 zum Stabsrittmeister ernannt, unternahm er 1801 eine Reise nach Paris. Des langsamen Avancements müde kaufte er sich 1804 eine österreichische Schwadron, doch wurde dieser Schritt wieder rückgängig gemacht, weil man Werth darauf legte, den tüchtigen Officier dem sächsischen Dienst zu erhalten. 1805 führte Th. beim Besuch Zar Alexander’s in Weimar ein Commando zur Bedeckung desselben gegen die im Baireuthischen stehenden französischen Truppen. Bald darauf wurde er bei der Vereinigung der sächsischen und preußischen Truppen an der Grenze in Zwickau dem Prinzen Louis Ferdinand als Adjutant zugetheilt. 1806 befehligte er die Oberstlieutenantsschwadron seines Husarenregiments und nahm an der Schlacht bei Jena theil. Nach der Katastrophe wurde er vom sächsischen Befehlshaber in das französische Hauptquartier geschickt, um Unterhandlungen wegen der sächsischen Truppen anzuknüpfen. Napoleon gewann den empfänglichen Rittmeister durch sein huldvolles Wesen; die Trennung der sächsischen Truppen von den preußischen Verbündeten war im wesentlichen das Ergebniß der Thielmann’schen Sendung. 1807 nahm er an der Belagerung von Danzig und der Schlacht von Friedland gegen Preußen und Russen theil. Im Frieden wurde er von seinem König dem Marschall Davout zur Dienstleistung in Warschau und später in Erfurt beigegeben. Er erwarb sich Davout’s Vertrauen in hohem Maaße. Bemerkenswerth ist dabei seine Beeinflussung der sächsischen Presse im preußenfeindlichen Sinne. Am 1. März 1809 zum Oberstlieutenant und bereits am 12. April desselben Jahres zum Obersten und Generaladjutanten des Königs ernannt, befehligte er in diesem Jahre ein kleines Corps, das das Königreich Sachsen gegen Böhmen zu decken hatte. Durch den geschickten kleinen Krieg, den er damals zu führen verstand, begründete er seinen militärischen Ruf. Am 17. Juli 1809 zum Generalmajor, 26. Februar 1810 zum Generallieutenant befördert, hatte er in der Friedenszeit namhaften Antheil an der Erneuerung des sächsischen Heerwesens. 1812 wurde ihm eine sächsische Reiterbrigade unterstellt, mit der er in dem Reitercorps des Generals Latour-Maubourg den russischen Feldzug mitmachte und namentlich in der Schlacht bei Borodino u. a. durch die Erstürmung der Rajefskyschanze großen Ruhm erwarb. In Anerkennung seiner Tapferkeit erhob ihn König Friedrich August in den Freiherrenstand (8. Octbr. 1812). Obwol unverwundet, kam er doch nur mit erschütterter Gesundheit in die Heimath zurück. Seine Brigade war fast vollständig vernichtet, nachdem sie schon bei Borodino zum größeren Theile aufgerieben worden war.

Am 24. Februar 1813 wurde er zum Gouverneur der Festung Torgau ernannt, in der allmählich der größte Theil der sächsischen Truppen vereinigt wurde. Er erhielt die Weisung sich neutral zu verhalten. Im Feldzuge gegen Rußland war infolge des schonungslosen französischen Ausbeutesystems sein deutsches Gewissen erwacht. Es vollzog sich ein Bruch mit seiner bisherigen napoleonischen Gesinnung und er nahm nunmehr eine den Verbündeten [757] durchaus freundliche Haltung ein. Sehr bald merkten die französischen Feldherren, das dem alten Freunde nicht mehr zu trauen sei; die Preußen und Russen dagegen erfüllte das entgegenkommende Wesen des sächsischen Generals mit großen Hoffnungen. Die Aussichten, den wichtigen Elbpaß durch Unterhandlung für die Verbündeten zu gewinnen, lagen sehr günstig und Th. arbeitete eifrig bei seinem König darauf hin, ihn zum Anschluß an die Sache der Verbündeten zu bewegen. Durch die Umgebung des Königs in seinen Hoffnungen auf eine deutsche Politik desselben bestärkt, dachte er den entscheidenden Schritt noch im Einverständniß mit Friedrich August thun zu können. Als dieser sich jedoch unschlüssig zeigte, machte Th., wesentlich auch bestimmt durch eine Conferenz mit Stein und Boyen in Dresden am 25. April, auf einem Feste an seinem Geburtstage in Torgau den Versuch, seine Officiere zu einer Erklärung für die Verbündeten zu veranlassen. Dieser Versuch scheiterte im wesentlichen. Die Schlacht von Großgörschen und der unter dem Eindruck derselben erlassene Befehl des Königs von Sachsen Torgau an die Franzosen zu übergeben, vereitelten alle sonstigen Hoffnungen Torgau mit seinem Elbübergang, seinen erheblichen Waffenvorräthen und 11 000 Mann Besatzung für die deutsche Sache zu gewinnen. Am 10. Mai legte Th. infolge dessen, ohnehin schon vor den Franzosen zu sehr compromittirt, seinen Befehl nieder, verließ mit seinem Generalstabschef, dem berühmten Ingenieur, damaligen Oberstlieutenant Ernst Ludwig Aster, die Festung und begab sich mit diesem in das Lager der Verbündeten. Zar Alexander empfing ihn mit Auszeichnung und ernannte ihn zum kaiserlich russischen Generallieutenant. Bis nach der Schlacht bei Kulm blieb Th. in Begleitung Alexander’s. Sodann wurde er Anführer eines Streifcorps, mit dem er auf dem heimathlichen Boden in der Naumburg-Weißenfelser Gegend überaus geschickte Züge die Kreuz und Quer unternahm und den Franzosen unaufhörlich namhaften Schaden zufügte. Von den Gefechten waren die erheblichsten das bei Weißenfels am 11. September und die großen Gefechte bei Altenburg, Meuselwitz und Zeitz am 28. September (gegen den General Lefebvre-Desnouettes), ferner das blutige Gefecht bei Stöhsen gegen Augereau am 10. October. An der Schlacht bei Leipzig war er bei Lindenau unter Gyulai auf dem äußersten linken Flügel der böhmischen Armee betheiligt, der bekanntlich zu schwach war, um wesentliche Erfolge gegen die Franzosen, deren Rückzugslinie hier abzuschneiden gewesen wäre, zu erringen. Nach der Schlacht übernahm Th. mit seiner Reiterei die Verfolgung der Franzosen. Er erhielt jedoch alsbald den Befehl, die Organisation der übergetretenen sächsischen Truppen zu übernehmen. Mit Eifer und Verständniß widmete er sich dieser mühevollen Aufgabe, um dann im März 1814 mit dem letzten Theile der Truppen zum 3. deutschen Bundesarmeecorps, das in den Niederlanden unter der Führung Herzog Karl August’s von Sachsen-Weimar operirte, zu stoßen. Bei den dortigen Bewegungen gegen den General Maison erlitt Th. mit seinen Truppen bei Courtray am 31. März wesentlich durch vorschnellen Angriff eine Schlappe. Der mit Maison abgeschlossene Waffenstillstand vom 12. April machte dem Krieg in den Niederlanden ein schnelles Ende. In der Friedenszeit verfolgte Th. mit besonderem Interesse die Verhandlungen über das Schicksal Sachsens. Sein temperamentvolles Wesen verleitete ihn dabei zu rücksichtsloser Hervorhebung seiner Ansichten. Im April 1815 trat er als Generallieutenant in den preußischen Dienst. Man übertrug ihm den Befehl des dritten Armeecorps und gab ihm zum Generalstabschef Clausewitz. In dieser Stellung fiel ihm bei Ligny die Aufgabe zu, die große Heerstraße zu decken. Am 18. und 19. Juni hat er den beiden Corps unter Grouchy das Treffen bei Wavre an der Dyle geliefert und durch Festhalten der mehr als doppelten Uebermacht desselben [758] das Eingreifen Grouchy’s bei Belle-Alliance verhindert, wodurch Napoleon’s Niederlage besiegelt wurde. Nach dem Frieden (1816) wurde er commandirender General in Münster, einige Jahre darauf in derselben Eigenschaft nach Koblenz versetzt und März 1824 General der Cavallerie. Am 10. October 1824 ist er infolge der Leiden, die er sich durch den russischen Feldzug zugezogen hatte, gestorben. Verheirathet war er mit der ältesten Tochter des Berghauptmanns v. Charpentier zu Freiberg, wodurch er in nähere Beziehung mit Novalis kam. Drei Söhne und zwei Töchter überlebten ihn.

Th. ist eine der interessantesten Erscheinungen aus der napoleonischen Zeit. Er gehört zu den wenigen Individualitäten unter den Militärs. Die kurze Skizze, die hier gegeben werden kann, vermag nur allzu dürftig sein Wesen zu veranschaulichen. Vor allem ist es nicht möglich die unleugbaren problematischen Züge, die sein Charakter bietet, zu erläutern. Der Parteien Haß und Gunst haben sein Bild vielfach entstellt. Voller Ehrgeiz und Thatendrang und zugleich voll Geist und Bildungstrieb, voll politischen Sinnes und Umgangstalents, hat er das Glück gehabt auf der für ihn als Bürgerlichen sehr schwierigen militärischen Laufbahn zu hohen Ehren aufzusteigen. Nachdem er lange im Hinterwinkel den eintönigen Garnisondienst gethan, ist es ihm von seinem 41. Jahre an fast ununterbrochen vergönnt gewesen, an bemerkenswerther, selbstständiger Stelle zu stehen und er hat dadurch mannichfache Gelegenheit gefunden sich auszuzeichnen. Seine Erfolge und seine reiche schönwissenschaftliche Bildung verbunden damit, daß er sich seinen meisten Kameraden überlegen fühlte, reiften in ihm ein hohes Selbstbewußtsein, das er zuweilen deutlich zur Schau trug. Um in Torgau die große Rolle York’s zu spielen, fehlte es ihm etwas an dem kühnen Zug der Initiative; aber es ist auch zu erwägen, daß er nicht die Umgebung eines York hatte. Hätte er gleich diesem handeln können, Sachsens Schicksal wäre ein anderes geworden. Anfangs von der weltgeschichtlichen Größe Napoleon’s überrumpelt hat er sich in der Folge zu einem aufrichtig großdenkenden deutschen Patrioten entwickelt, der sich die warme Zuneigung des einst auch von ihm angefeindeten und hart über ihn urtheilenden Frhrn. vom Stein erwarb.

Eine ausführlichere Biographie Thielmann’s, vom Schreiber dieser Zeilen verfaßt, ist in Vorbereitung[WS 1]. Unter den zahlreichen Quellen seien hervorgehoben: A. Graf v. Holtzendorff, Beiträge zur Biogr. d. Generals Frhrn. v. Thielmann. Leipzig 1830. (Das Hauptwerk.) – R. v. Hüttel, Der General der Kavallerie Frhr. v. Thielmann. Berlin 1828. – Louis de l’Or, Berichtigung d. Irrthümer in der biogr. Skizze R. v. Hüttel’s. Dresden und Leipzig 1829. – H. Oberreit, Beiträge zur Biographie u. Charakteristik des Generals Frhrn. v. Thielmann. 1830. – Friedrich Bülau, Geheime Geschichten und räthselhafte Menschen X, 327–419. 2. Aufl., Leipzig 1864. General Thielmann. – XII, 331–352. Leipzig 1864. Noch einmal über General Thielmann. – Ferner: Archib. Graf v. Keyserling, Der Thielmann’sche Streifzug. Berlin 1847. – (J. v. Zezschwitz,) Mittheilungen aus den Papieren eines sächs. Staatsmannes. Camenz 1858. – F. Heller v. Hellwald, Erinnerungen aus den Freiheitskriegen. Stuttgart 1864. – Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls H. v. Boyen. Herausg. von F. Nippold. III, Leipzig 1890. – Pertz, Stein; und Pertz, Gneisenau, passim. – Aus dem Leben des Generals Oldwig v. Natzmer. Von Gneomar E. v. Natzmer. 1. Thl. Berlin 1876. – v. Montbé, Die Chursächsischen Truppen im Feldzuge 1806. II. Dresden 1860. – v. Ollech, Feldzug von 1815. – v. Plotho, Krieg 1813 und 14. – (v. Damitz,) Krieg 1813 und 1814. – Roth v. Schreckenstein, Die Kavallerie in der Schlacht an der Moskwa. Münster 1858. – v. Minckwitz, Die Brigade Thielmann. Dresden 1879. – v. Meerheim, Erlebnisse [759] eines Veteranen 1812. Dresden 1860. – Dorow, Erlebtes. – Correspondance du maréchal Davout. Paris 1885, etc. etc.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Herman v. Petersdorff, „General Johann Adolph Freiherr von Thielmann: ein Charakterbild aus napoleonischer Zeit“. Leipzig: Verlag von S. Hirzel, 1894, 352 S.