ADB:Vega, Georg Freiherr von

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Artikel „Vega, Georg Freiherr von“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 523–525, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vega,_Georg_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:34 Uhr UTC)
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Vega: Georg Freiherr v. V., Artillerieofficier und Mathematiker, geboren 1754 zu Zagoriza in Krain, † im September 1802 bei Nußdorf unweit Wien. Er war ein armer Bauernsohn, zeigte aber bereits im ersten Schulunterrichte eine so hervorragende Begabung, daß ihm die höhere Schule, das Lyceum in Laibach, sich öffnete, aus welchem er 1775 mit Auszeichnung herauskam, so daß er mit 21 Jahren sofort eine gut bezahlte Anstellung als Navigationsingenieur in Innerösterreich fand und an der Correctur der Save beschäftigt wurde. Vega’s [vielleicht lautete der Name ursprünglich Veha-Spundloch] Neigung zog ihn zum Militär. Er gab 1780 die ihn nicht befriedigende Stellung auf und trat als gemeiner Kanonier in das 2. k. k. Feldartillerieregiment. Schon nach einem Jahre war er Unterlieutenant, 1784 Oberlieutenant, 1787 Hauptmann, 1793 Major, 1802 Oberstlieutenant, nachdem schon das Jahr 1800 ihm die Erhebung in den Freiherrnstand gebracht hatte. Diese ungewöhnlich raschen Beförderungen verdankte V. theils theoretischen, theils praktischen Leistungen. Als Unterlieutenant erhielt er 1782 die Ernennung zum Lehrer der Mathematik an den Schulen des österreichischen Artilleriecorps, und noch im gleichen Jahre erschien der I. Band seiner Vorlesungen über die Mathematik, welchem ein II., III., IV. Band in den Jahren 1784, 1788, 1800 folgte, während zugleich 1793 eine zweite, späterhin noch weitere Auflagen nöthig wurden, was bei der Stärke gleich der ersten Auflage mit 1500 Exemplaren ein günstiges Vorurtheil für jene Vorlesungen hervorrufen darf. Man war ja damals nichts weniger als verwöhnt und stellte an ein Lehrbuch kaum eine andere Anforderung als die der Faßlichkeit. Was mathematische Strenge sei, wußte man nicht, konnte sie mithin auch nicht verlangen. Faßlich aber waren Vega’s Schriften in hohem Grade. Sie mußten es sein, wenn er überhaupt auf Verständniß bei seinen Schülern – Kanoniere und etliche Unterofficiere – sich Hoffnung machen wollte, und sie wurden es um so mehr, da er nichts versäumte, sich beim mündlichen Vortrage zu versichern, wo etwa noch Zweifel geblieben sein mochten, und diese Stellen alsdann für den Druck aber und abermals umarbeitete, eine Sorgfalt die er auch den späteren Auflagen, so lange er sie besorgen konnte, angedeihen ließ. Der Inhalt der Vorlesungen gliederte sich dahin, daß der I. Band Rechenkunst und Algebra enthielt, der II. Band Planimetrie, Stereometrie, ebene und sphärische Trigonometrie, praktische Geometrie, etwas analytische Geometrie der Ebene, Anfangsgründe der Differential- und Integralrechnung, der III. Band die Mechanik der festen Körper, der IV. Band eine Anleitung zur Hydrodynamik. Man muß gestehen, daß, wenn man diesen Inhalt mit dem Schülerkreise Vega’s in Vergleich bringt, es immerhin eine sehr bedeutende Leistung war, einfache Kanoniere so weit zu bringen, und daß man [524] es begreiflich findet, daß eine so vorgebildete Artillerie eine Ueberlegenheit besaß, auf welche sie stolz war, wenn sie auch den Sieg nicht an die österreichischen Fahnen zu fesseln vermochte. V. bediente sich der von ihm herangebildeten Schüler bei Herstellung eines Werkes, welches zwischen dem I. und II. Band an die Oeffentlichkeit trat, seiner 7-stelligen Logarithmentafeln für die Grundzahl 10 von 1783. In dem Vorberichte sagte V.: „Durch den Beystand meiner Schüler, welche theils aus Kanonieren, theils aus einigen Unterofficieren des k. k. zweyten Feldartillerieregiments bestehen, durch den eyfrigsten Beystand dieser meiner Schüler unterstützet, und mit allen erforderlichen Hilfsmitteln versehen, wagte ich es, den Wunsch derjenigen einigermaaßen zu befriedigen, welche einer hinlänglich ausgedehnten, dabei so viel als möglich fehlerfreyen, und um einen mäßigen Preis zu verkaufenden Sammlung von mathematischen Hilfstafeln und Formeln schon lange vergebens entgegensahen.“ Was er hier zusagte, hat er auch geleistet. Die Vega’schen Logarithmentafeln vermehrt um 24 Abschnitte der verschiedensten Formeln aus Mathematik und Geographie sind in ihrer neuen Berechnung allen früheren ähnlichen Werken überlegen gewesen und haben sich nicht am wenigsten dadurch auf ihrer Höhe erhalten, daß von Anfang an der Preis eines Ducatens auf jede erste Anzeige eines entdeckten Fehlers gesetzt wurde, ein Preis der bis zum October 1784 nur zweimal auszuzahlen war. Um so mehr Fehler älterer Tafelwerke waren durch V. bemerkt und angezeigt worden. Bis dahin war Vega’s Beschäftigung eine ausschließlich friedliche gewesen. Im Jahre 1788 begann der Krieg gegen die Türken. Der damalige Hauptmann V. sollte seiner Lehrthätigkeit in Wien nicht entzogen werden. Er bat aber selbst um die Vergünstigung dem Feinde begegnen zu dürfen und erhielt den Befehl über mehrere Mörserbatterien vor Belgrad. Hier ersann er eine neue Art die schweren Geschütze zu laden, deren Schußweite sich erheblich vergrößerte. Das Bombardement gestaltete sich dadurch, da alle Geschosse ihr Ziel erreichten, wesentlich erfolgreicher, und schon nach drei Tagen capitulirte die Festung. V. vergaß aber auch im Felde seine Rechnungen nicht. Es wird erzählt, er sei während der Belagerung vermißt worden, und als man ihn suchte, fand man ihn in einem Laufgraben in der Nähe einer geplatzten Bombe in die Berechnung von Logarithmen vertieft. Das waren Vorarbeiten zu den beiden Veröffentlichungen von 1794. Die eine: „Logarithmisch-trigonometrisches Handbuch, anstatt der kleinen Blackischen, Wolfischen und anderen dergleichen, meistens sehr fehlerhaften, logarithmisch-trigonometrischen Tafeln für die Mathematik-Beflissenen eingerichtet“, die andere: „Thesaurus logarithmorum completus, vollständige Sammlung größerer logarithmisch-trigonometrischer Tafeln nach Adrian Black’s Arithmetica Logarithmica und Trigonometria artificialis, verbessert, neugeordnet und vermehrt“. So waren also drei Logarithmentafeln vorhanden, das „Handbuch“ von 1794, die „Tafeln“ von 1783, der „Thesaurus“ von 1794. Nach Vega’s in dem Thesaurus ausgesprochener Absicht sollte das Handbuch dem nur oberflächlich in der Mathematik Ausgebildeten dienen, Tafeln waren für den Mathematiker von Fach bestimmt, der ihre Formelsammlung zu würdigen wissen werde, der Thesaurus mit seinen 10-stelligen Logarithmen sollte bei astronomischen Rechnungen und überhaupt bei solchen, welche große Genauigkeit fordern, benutzt werden. Das Handbuch hat in der That einen beispiellosen buchhändlerischen Erfolg gehabt. Von der 6. Auslage an stereotypirt ist es unter wechselnden Herausgebern bis zur 74. Auflage gediehen und hat erst dadurch an Verbreitung verloren, daß man kürzere 5-stellige, mitunter sogar 4-stellige Logarithmen in den Schulunterricht einführte. Die Einleitung zum Thesaurus schließt mit den Worten: „Geschrieben bei der kaiserlich königlichen Armee am oberen Rhein am ersten October 1794.“ Sie beweisen, daß V., jetzt Major V., wie 1788 im Osten [525] der Monarchie nunmehr im Westen activen Kriegsdienst leistete. An die Festung Lauterburg ritt er mit geringer Begleitung heran und forderte sie laut zur Uebergabe auf, die sofort erfolgte, und nun besetzte er die feindliche Stadt und behielt 14 Stunden lang den Befehl, selbst alle Patrouillen führend, bis von der Oberleitung die nöthigen Maßregeln getroffen werden konnten. Wichtiger noch war die Beschießung des Fort Louis, durch welche diese stark befestigte Rheininsel binnen 24 Stunden zur Uebergabe genöthigt wurde. V. erzielte dieses unerwartete, aber von ihm vorausverkündete Ergebniß dadurch, daß er seine Mörser nicht wie es üblich war, unter 50°–75°, sondern nur unter 15°–16° richten ließ. So kamen die Geschosse nicht in fast senkrechter Richtung von oben herab, sondern unmittelbar an ihr Ziel. Der Befehlshaber, General Lauer, hatte zugesagt, wenn Major V. sein Versprechen, das Fort in 24 Stunden zu überwältigen, löse, ihn für den Maria-Theresienorden vorzuschlagen. V. wurde diese höchste kriegerische Auszeichnung auch einstimmig zuerkannt, allein irgend ein niemals aufgeklärtes Mißverständniß hinderte die Ausfertigung, welche erst 1796 erfolgte, nachdem Vega’s weittreibende Mörser sich bei der Belagerung von Mannheim bewährt hatten. Das war Vega’s letzte Waffenthat. Von da an wirkte er in Wien an einer durchgreifenden Reform des Artilleriewesens. Im September 1802 war V. einmal bei einem Müller in Nußdorf, der einen schönen Schimmel besaß. V. kaufte diesen um einen hohen Preis. Als der Müller V. nun nach dem Stalle führte, mußten sie über einen Steg. Auf ihm schlug der Müller V. meuchlings nieder und warf ihn in die Donau, in welcher er am 26. September aufgefunden wurde. Damals glaubte man an einen allerdings ganz unbegreiflichen Selbstmord. Erst neun Jahre später 1811 kam der wahre Sachverhalt durch einen Zufall an den Tag.

Vgl. Andreas Wretschko, Georg Freiherr v. Vega. Wien 1885. – Karl Doelemann, Georg v. Vega in der Zeitschr. Math. Phys. XXXIX, Hist.-liter. Abthlg. S. 204–211.