ADB:Wilhelm I. (Markgraf von Meißen)

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Artikel „Wilhelm I., Markgraf von Meißen“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 118–124, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_I._(Markgraf_von_Mei%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 15:12 Uhr UTC)
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Wilhelm I., Markgraf von Meißen, nach dem Vorgange der Magdeburger Schöppenchronik auch der Einäugige genannt, geboren am 14. December 1343, † am 10. Februar 1407, der jüngste von den vier Söhnen des Markgrafen Friedrich des Ernsthaften und Mathildens, der Tochter Kaiser Ludwig’s des Baiern, ist einer der tüchtigsten und thatkräftigsten Wettiner und unter die Hauptbegründer der neuen Machtstellung seines Hauses zu zählen. Bei des Vaters Tode erst sechs Jahre alt, stand er anfangs unter der Vormundschaft seines ältesten Bruders Friedrich des Strengen, der für sich und seine Brüder die gemeinschaftliche Regierung führte. Denn eingedenk der schweren Nachtheile, welche die früheren Theilungen ihren Vorfahren gebracht hatten, scheuten sie die Wiederholung derselben und versuchten die verschiedensten Formen der gemeinschaftlichen Regierung, um sie zu vermeiden und die Einheit zu wahren. Jene anfängliche Einrichtung ersetzten die drei Brüder Friedrich, Balthasar und Wilhelm – Ludwig war inzwischen geistlich geworden – 1. November 1368 durch eine andere, die auf dem Grundsatze vollständiger Gleichberechtigung beruhte. Ein neuer Vertrag vom 27. October 1371, der 1378 etwas modificirt wurde, bestimmte, daß die drei Brüder abwechselnd je zwei Jahre lang die Vormundschaft führen und sämmtliche Regierungsrechte ausüben sollten. Immer mehr tritt jedoch W. als das eigentliche Haupt des Hauses hervor. Ein Zögling Kaiser Karl ’s IV., ihm an diplomatischer Klugheit, an Geschick in Benutzung günstiger Umstände ebenbürtig, an Energie überlegen, genoß er bei seinen Zeitgenossen das höchste Ansehen; „her was berümit vor den wisesten forsten, den dutzsche land hattin“, rühmt von ihm eine thüringische Chronik (bei Schöttgen und Kreyßig I, 106). Zweierlei macht seine Regierung besonders bedeutsam: sein erfolgreiches Streben nach Befestigung der landesherrlichen Macht im Innern, nach außen sein Verhalten gegen die Krone Böhmen, indem er je nach den Umständen bald sich der freundschaftlichen Beziehungen zu derselben für die Durchsetzung seiner politischen Zwecke bediente, bald der den wettinischen Länderbestand gefährdenden Erwerbspolitik der Luxemburger, namentlich Karl’s IV., Widerstand leistete. Die Annäherung ergab sich von selbst aus den Verhältnissen. Hatten die Wettiner schon unter Ludwig IV. aus einer kaisertreuen Politik manchen Vortheil zu ziehen gewußt, so wurde der Anschluß an den Kaiser für sie förmlich zur Nothwendigkeit, seitdem die Hausmacht der Luxemburger die meißnisch-thüringischen Lande umspannt hielt, und andererseits war für Karl IV., so lange er sich auf dem Throne noch nicht sicher fühlte, die Freundschaft der Wettiner von höchstem Werthe. So verständigten er und W. sich 1354 und 1358 zu gemeinschaftlichem Angriffe auf die Vögte von Weida, Plauen und Gera, die gezwungen wurden, die Lehensabhängigkeit der meisten ihrer Besitzungen von dem Markgrafen anzuerkennen, und auch weiterhin verstand dieser ein Stück des Vogtlandes nach dem Andern an sich zu bringen, wenn es ihm auch nicht gelang, [119] den böhmischen Mitbesitz ganz daraus zu verdrängen. Im J. 1356 befand sich W. in des Kaisers Gefolge auf dem Reichstage zu Metz. Bald darauf fesselte ihn dieser durch noch engere Bande an sein Haus. Im März 1358 wurde bei Gelegenheit eines neuen Bündnisses zum Schutze der beiderseitigen Lande ein Verlöbniß zwischen W. und Elisabeth, der Tochter Markgraf Jobst’s von Mähren und Nichte des Kaisers, geschlossen, die Heirath auch, obgleich zunächst wegen des jugendlichen Alters der Brautleute auf acht Jahre hinausgeschoben, nach deren Ablauf 1366 wirklich vollzogen, und W. hat mit dieser seiner Gemahlin in überaus glücklicher Ehe gelebt. Auch in den folgenden Jahren treffen wir W. fast beständig in der Umgebung des Kaisers, oft weilte er monatelang in Prag, wo ihm wohl das vom Kaiser den Markgrafen geschenkte Haus zur Wohnung gedient haben mag. Im Sommer 1360 nahm er an Karl’s Zuge gegen die Grafen von Württemberg theil, 1365 leistete er ihm Beistand gegen die Räuberbanden englischer Söldner, die im Elsaß ihr Unwesen trieben, 1368 begleitete er den Kaiser nach Italien. Es konnte jedoch nicht ausbleiben, daß ihr beiderseitiges Verhältniß späterhin mancherlei Trübungen erlitt. Denn einmal im gesicherten Besitze des Throns nahm Karl weniger Rücksicht auf die Wettiner. Machte er sich durch sein Bestreben, in den böhmischen Grenzgebieten Fuß zu fassen, durch die Gewandtheit, mit der er mittelst Geld oder Gnadenerweisungen zahlreiche kleine Gewalten in den böhmischen Lehensverband zu ziehen wußte, allen seinen Nachbarn gefährlich, so wurden in besonderem Maße die durch viele reichsunmittelbare Herrschaften durchbrochenen wettinischen Länder der Schauplatz dieser ausgreifenden böhmischen Politik, während andererseits die Wettiner consequent das Ziel verfolgten, ihre landesherrliche Stellung durch Ausfüllung der darin klaffenden Lücken und Spalten zu befestigen. Hatten sie schon 1364 die Lausitz, nachdem die Wittelsbacher Karl gestattet hatten, sie von ihnen einzulösen, gegen Zahlung der Pfandsumme an Böhmen überlassen müssen, so benutzten sie doch das empfangene Geld zum Ankauf von Besitzungen innerhalb ihrer Lande, wogegen es jenem gelang, der Ausbreitung der meißnischen Herrschaft im Vogtlande Einhalt zu thun, ja sie zum Theil aus der errungenen Position zu verdrängen. Die hieraus entstandene Verstimmung führte 1371 zum offenen Bruche; die Wettiner schlossen sich dem großen Bunde an, der Karl’s Absichten auf die Erwerbung Brandenburgs entgegentrat. Doch näherten sie sich einander bald wieder, und am 25. November 1372 kam zwischen ihnen, Karl und seinem Sohne Wenzel unter Erneuerung der böhmisch-meißnischen Erbeinigung ein ewiges Bündniß zu Stande, kraft dessen die Wettiner Karl als Markgrafen von Brandenburg anerkannten. Der Kaiser dagegen trat in dem Streite zwischen Ludwig, Wilhelm’s Bruder, und Adolf von Nassau um den Erzstuhl von Mainz offen auf die Seite des ersteren.

Mit dem Regierungsantritt Wenzel’s, dessen Krönung zu Aachen am 6. Juli 1376 W. beiwohnte, erfolgte ein doppelter Umschwung. War der neue König nicht in gleichem Maaße auf die Erhaltung freundlicher Beziehungen zu den Meißner Markgrafen bedacht, so ruhte dagegen jetzt die böhmische Erwerbspolitik, und eine Theilung der wettinischen Lande, die sich aus verschiedenen Gründen empfahl, konnte nach dieser Richtung hin nicht mehr gefahrdrohend erscheinen. Durch die auf zwei Jahre geschlossene Oerterung vom 3. Juli 1379 wurde das bisherige System der gemeinschaftlichen Regierung verlassen, nur die Ausübung der wichtigsten Hoheitsrechte blieb gemeinsam. W., dem als dem Jüngsten die Wahl gestellt wurde, nahm Meißen. Erst nach dem Tode Friedrich’s einigten sich die drei Linien zu Chemnitz am 13. November 1382 über die gänzliche Theilung ihrer Lande; nur die Bergwerke und die Stadt Freiberg blieben diesmal gemeinsam. W. behielt Meißen, vergrößert durch Stücke des [120] Osterlandes, des Pleißnerlandes und den größten Theil des Vogtlandes. Eifrig auf die Niederhaltung des Raubritterthums bedacht, nahm W. theil an den Verhandlungen, aus denen der Landfriede vom 11. März 1383 hervorging, einigte sich auch am 4. August 1384 über dessen genaue Haltung mit den Bischöfen Nicolaus von Meißen und Christian von Naumburg und einer Anzahl meißnischer Herren. Auch dem westfälischen Landfrieden trat er bei und erlangte am 10. Februar 1386 vom König Vollmacht, einen Landrichter zu setzen, der nach Art des Landstuhls in Westfalen in allen Sachen Recht sprechen sollte, also, daß Niemand aus der Markgrafschaft Meißen vor einen anderen Richter geladen werden dürfe. Noch am 18. December 1398 schloß er mit seinem Schwager Jobst eine Einigung zur Aufrechterhaltung des Landfriedens. Im Verein mit seinen osterländischen Vettern rückte er vor Veit’s v. Schönburg Feste Waldenburg, der sich Uebergriffe erlaubt hatte, und zwang ihn zu einem Vergleiche.

Unterdeß hatten sich Wilhelm’s Beziehungen zu Wenzel mehr und mehr verschlechtert. Erst nach einiger Zögerung trat er im Verein mit Markgraf Balthasar und den Bischöfen von Meißen und Naumburg am 30. April 1390 dem Egerer Landfrieden bei, und seitdem von den Fürsten Wenzel’s Absetzung in Aussicht genommen wurde, suchte er aus des Königs bedrängter Lage, wo es ging, den größtmöglichen Vortheil für sich zu ziehen. Er überfiel und verbrannte die Stadt Mühlberg, wo ein böhmischer Hauptmann saß, ging auch gegen andere böhmische Besitzungen mit Feuer und Schwert vor, bis am 4. Juni 1392 ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Aber trotzdem blieb die durch beständige Grenzstreitigkeiten genährte Spannung bestehen und drohte immer wieder in offene Fehde auszubrechen. Mit gewohntem Geschick wußte er die Uneinigkeit der Luxemburger und die sinkende Staatskraft Böhmens auszubeuten, indem er sich immer derjenigen Partei anschloß, welche ihm den höchsten Preis zahlte. Am 18. December 1393 trat er gegen erhebliche Zugeständnisse zu Znaim mit Jobst, Siegismund und Albrecht von Oesterreich in ein Bündniß, das offen gegen Wenzel gerichtet war, dann, als Jobst seine Versprechungen nicht erfüllen konnte, söhnte er sich am 7. April 1394 zu Prag mit Wenzel aus, bis dessen Unzuverlässigkeit ihn in das frühere Bundesverhältniß zurücktrieb. An den folgenden Verwickelungen in Böhmen hat er sich nicht betheiligt, seine Thätigkeit wurde um diese Zeit nach anderer Seite gezogen.

Am 8. September 1393 hatte ihm Jobst in Brünn für 12 000 Goldgulden die Städte Bautzen, Belitz, Mittenwalde, Trebbin und Sarmund verpfändet. Da aber diese Städte sich weigerten, dem neuen Herrn die Huldigung zu leisten, und W. demnach nicht in ihren Besitz gelangen konnte, war die Schuldsumme auf 40 000 Gulden angewachsen. Nun übertrug Jobst am 2. April 1395 dem Markgrafen die Mark Brandenburg, ob nur als wirklichem Pfandinhaber oder als seinem Statthalter ist eine viel erörterte Streitfrage; er scheint eine Mittelstellung zwischen beiden innegehabt zu haben derart, daß aus den Einkünften des Landes die Schuld allmählich getilgt werden, dabei aber doch auch das von völliger Anarchie bedrohte Land eine bessere Leitung erhalten sollte. W. selbst nennt sich „maechtiger (bevollmächtigter) Vorsteher der Mark“. Bis über den Schluß des Jahres im Lande verweilend, gewann er die märkischen Städte durch Bestätigung ihrer Freiheiten, schloß auch am 9. December zu Perleberg mit Herzog Albrecht von Mecklenburg einen Landfrieden auf sechs Jahre. Hier mehr zu thun hinderten ihn seine anderweiten Beschäftigungen.

Denn nachdem in Böhmen zwischen Wenzel und seinen Gegnern eine Aussöhnung stattgefunden hatte, mußte auch W. daran liegen, in ein besseres Verhältniß zum Könige zu treten. Am 9. August 1396 gelangte zu Prag ein Bündniß zwischen beiden zum Abschluß, das im December desselben Jahres noch [121] erweitert wurde, und von da an erfolgte für beide eine Periode gemeinsamen politischen Handelns, wobei sich Wenzel meist von der höheren politischen Einsicht des Markgrafen leiten ließ. Seiner bediente er sich, um seine Aussöhnung mit Jobst herbeizuführen, W. übernahm es, den König auf dem von den rheinischen Fürsten nach Nürnberg ausgeschriebenen Tage zu vertreten, er half die langjährigen, durch den Bruch des Verlöbnisses zwischen Wenzel’s Schwester Anna und dem Markgrafen Friedrich veranlaßten Streitigkeiten zwischen Wenzel und den osterländischen Wettinern beizulegen, er begleitete ihn zu dem von demselben berufenen Reichstage nach Nürnberg, von ihm berathen raffte sich Wenzel jetzt überhaupt zu einem kaum mehr von ihm erwarteten kräftigen Handeln auf. Nur war W. weit entfernt, solche Dienste uneigennützig zu leisten, vielmehr setzte er sein altes Verfahren, die Freundschaft des Königs für sich nutzbar zu machen, mit verstärktem Nachdrucke fort. Wahrscheinlich der Fürsprache Wenzel’s hatte er es u. a. zu verdanken, daß ein Gesuch bei Papst Bonifacius IX. Gehör fand, dessen Gewährung für die Befestigung seiner Landeshoheit von der höchsten Wichtigkeit war. Die Ausbreitung der böhmischen Macht in der Diöcese Meißen hatte unter Kaiser Karl IV. solche Fortschritte gemacht, daß dieser den Plan fassen konnte, Meißen auch in kirchliche Abhängigkeit von Böhmen zu bringen. 1363 hatte er die Ernennung des Erzbischofs von Prag zum beständigen Legaten in den Diöcesen Meißen, Bamberg und Regensburg erreicht, 1376 hatte ein Böhme, Johann v. Jenzenstein, den Meißner Stuhl bestiegen. Diesem Umsichgreifen der böhmischen Kirchenmacht stellte sich aber nun W. entgegen. In diesem Sinne war es schon gewesen, daß er sich 1384 der vom König betriebenen Erhebung Andreas v. d. Duba’s zum Bischof von Merseburg widersetzte und den Erwählten des Capitels, Heinrich von Stolberg, unterstützte. Jetzt eröffnete sich ihm durch seine guten Beziehungen zu Wenzel sowol als auch zu Bonifacius IX., dessen Pontificat vom ersten bis zum letzten Tage reich an Gnadenerweisungen für ihn und seine Gemahlin gewesen ist, der ihm 1393 erlaubt hatte, das drei Jahre zuvor gefeierte Jubeljahr, dessen Indulgenzen nur wenige aus Wilhelm’s Landen durch persönliches Erscheinen in Rom hatten erlangen können, 1394 nochmals in Meißen abzuhalten, eine günstige Gelegenheit, noch Wichtigeres zu erreichen. Als er auf Grund einer gefälschten Bulle Johann’s XIII. von 968 die Exemtion des Bisthums Meißen vom Aufsichtsrechte und der Jurisdiction sowohl des Magdeburger als auch des Prager Erzbischofs betrieb, wurde ihm diese durch die Bulle vom 12. December 1399 bewilligt und das gleichzeitig ihm und seinen Nachfolgern zugestandene Patronatsrecht über vier Meißner Domherrenstellen sicherte dem Markgrafen ebensoviel zuverlässige Anhänger im Domcapitel. Er und seine Gemahlin sind seitdem durch reiche Geschenke und Stiftungen hochherzige Wohlthäter des Meißner Stifts geblieben. Auch sonst ließ W. in seinem Bestreben, alle kleineren Herrschaften aus seinem Lande zu verdrängen, nicht nach, und seine treffliche Finanzwirthschaft kam ihm dabei sehr zu Statten. Nachdem er schon 1365 die Burggrafen von Leisnig durch Waffengewalt gezwungen hatte, ihm ihre Burggrafschaft erb- und eigenthümlich zu verkaufen, gingen Herbst 1398 auch die Städte Leisnig und Geithain aus dem Besitze der Herren von Riesenburg für 10 000 Schock böhmische Groschen in den seinigen über. Von den reich begüterten Herren von Colditz überkam er im Verein mit seiner Gemahlin 1394 die Stadt Eilenburg, die sie als böhmisches Lehen besaßen, in Pfandbesitz und kaufte ihnen dazu benachbarte Güter und halb Düben ab. Selbst nach Böhmen übergreifend brachte er am 4. Febr. 1398 von Borso v. Riesenburg für 40 000 Mark Silber Riesenburg, Kloster Osseg und die Stadt Doxau an sich. Alle diese Erwerbungen wurden jedoch an Bedeutung übertroffen durch die gelungene Verdrängung der mächtigen Burggrafen [122] von Dohna, die, da sie zu zwei Dritteln ihrer Besitzungen von der Krone Böhmen, zu einem Drittel von der Markgrafschaft Meißen zu Lehen gingen, in dieser Zwischenstellung sich keinem der beiden Lehensherren zu strengem Gehorsam verpflichtet fühlten. Vielleicht war es nicht ohne Wilhelm’s Zuthun geschehen, daß der dohnasche Dienstmann Hans v. Korbitz, eine persönliche Beleidigung zu rächen, durch Ueberfall den Burggrafen Otto Heyde II. in seine Gewalt brachte und bis zu dessen Tode in Gefangenschaft hielt. Raub- und Plünderungszüge, welche die Söhne des Verstorbenen gegen fahrende Kaufleute unter Mißachtung des markgräflichen Gebiets verübten, gaben W. begründeten Anlaß, gegen die Wegelagerer einzuschreiten. Mit den Markgrafen vereint kämpften die Bürger verschiedener Städte gegen den gemeinsamen Feind. Dohna, Weesenstein, Königstein wurden eins nach dem andern erobert, die Burggrafen zur Flucht nach Böhmen genöthigt und der ganze Landstrich, den die Dohnas bisher als böhmisches Lehen besessen hatten, der Mark Meißen einverleibt. Die Burg Dohna verschrieb W. für den Fall seines kinderlosen Todes seinen Neffen zum Danke für die geleistete Hülfe. In der Lausitz Fuß zu fassen war W. ebenfalls bemüht. Allein die mit den Herren von Camenz wegen Verkaufs ihrer Burg angeknüpften Verhandlungen vereitelten die Städte, indem sie dieselbe besetzten. Es kam darüber zu Feindseligkeiten, es glückte sogar den Städtern, den Königstein durch Verrath einzunehmen, nach zwei Jahren fiel er aber wieder in die Hände der Meißner. Dieses consequente und zielbewußte Umsichgreifen machte ein wahrhaft freundliches Verhältniß Wilhelm’s zur Krone Böhmen auf die Dauer unmöglich. Wilhelm’s Ansehen und Macht waren im nördlichen Böhmen größer als die des Königs. Dazu kam, daß er sich bald von Wenzel’s Unfähigkeit, sich unter seiner Leitung zu wirklicher Selbstthätigkeit aufzuraffen, überzeugte. Er fing an, sich von ihm zurückzuziehen und überließ ihn seinem Schicksale. Am 23. Mai 1398 verabredete er mit des Königs Vetter Procop ein Bündniß, durch das sich beide verpflichteten, dem Könige zu dienen, solange er in seinen ehrlichen und nützlichen Sachen ihnen folgen wolle, andernfalls sich ihm entgegenzustellen und gemeinsam von ihm Urlaub zu nehmen. Das letztere führten sie auch aus. So schien es der pfälzischen Opposition leicht, W. zu sich herüberzuziehen. Wirklich nahm W. gleich den übrigen Wettinern an den Verhandlungen der Fürsten zu Forchheim, Mainz und Frankfurt, wo über Wenzel’s Absetzung berathen wurde, theil; aber abgestoßen durch das herrschsüchtige Auftreten des Erzbischofs von Mainz gehörten W. und sein Bruder zu denjenigen, welche, bevor es zu einer Neuwahl kam, den Frankfurter Tag verließen. Sie betheiligten sich auch nicht an der Wahl Ruprecht’s, wol aber schlossen sich sämmtliche Wettiner dessen Heereszug gegen Böhmen bis vor Prag an, der jedoch infolge der schlaffen Führung und der Uneinigkeit der Verbündeten völlig scheiterte. Diese Beschäftigungen waren die Ursache, weshalb W. der Mark Brandenburg fern blieb, deren Verwesung Jobst ihm am 12. October 1402 von neuem übertragen hatte. Er begnügte sich durch seine Dienstmannen Otto Pflug und Heinrich Herstein seinem Schwager Unterstützung zu schicken und ihm neue Darlehen zu gewähren, und bei einer Zusammenkunft beider wurde jene Stellvertretung bald wieder aufgehoben. Von Sigismund gleichmäßig bedroht, schlossen auch Wenzel und W. Frieden und Freundschaft, und bald erhielt dieser Gelegenheit, sich dem Könige nützlich zu machen. Als Wenzel sich gegen Sigismund und die Herzöge von Oesterreich mit Wladislaw von Polen zu verbinden wünschte, war es W., unter dessen Vermittlung das Bündniß zwischen beiden zu Breslau zu Stande kam. Zum Dank verschrieb ihm der König, wöchentlich 24 Mark auf der Münze zu Kuttenberg zu beziehen, und jährlich 100 Mark auf das Kloster Osseg, er setzte ihm sogar 1404 die Stadt Pirna für 3000 Schock [123] böhmische Groschen zum Pfande und erließ ihm davon noch 1000 Schock. Doch mußte sich W. mit Gewalt in den Besitz der Stadt setzen. Dies und der Kauf des Städtchens Gottleube von Jan von Wartenberg schlossen die Reihe seiner Erwerbungen.

Auch in die Verhältnisse des Westens griff W. mehrfach ein, meist in Gemeinschaft mit seinen Verwandten, besonders seinem Bruder Balthasar. Je fester auf den anderen Seiten die Ummauerung ihrer Territorien durch die luxemburgische Macht war, umso größer war für sie die Versuchung, in jener Richtung ein gewinnverheißendes Thätigkeitsfeld zu suchen. Die Fehde gegen Herzog Albrecht von Braunschweig-Grubenhagen 1364 trug ihm den Besitz der Schlösser Hindenburg und Windhausen ein, die jedoch etwas später zu dem früheren Herrn zurückkehrten. Dem Landgrafen Hermann von Hessen leisteten die wettinischen Brüder Beistand gegen den Sternerbund, soweit dies ihr damaliges Zerwürfniß mit dem Kaiser zuließ, und erneuerten bei dieser Gelegenheit 1373 die alte hessisch-meißnische Erbverbrüderung. Gegen die Mainzer Kirche verübte W. während des Bischofsstreites solche Gewaltthätigkeiten, daß er es nöthig fand, sich deshalb von seinem Bruder Ludwig, dann auch vom Papst absolviren zu lassen. Gegen Erfurt, die alte Feindin der Wettiner, die in dem Mainzer Bischofsstreite ein Hauptbollwerk Adolf’s von Nassau gebildet hatte, eröffnete er Feindseligkeiten unter dem Vorwande, daß sie durch Hinrichtung einiger Raubritter sich eines Landfriedensbruches schuldig gemacht habe; Wenzel erwies ihm die Gefälligkeit, am 12. August 1396 über Erfurt, sowie über Mühlhausen und Nordhausen die Acht zu verhängen und deren Vollstreckung ihm zu übertragen, worauf am 22. November zu Delitzsch ein Waffenstillstand geschlossen wurde, nach dessen Ablauf unter Vermittlung der Wittelsbacher und des Burggrafen Friedrich von Nürnberg ein endgültiger Friede zu Stande kam. Beim Ausbruch der Fehde der Landgrafen von Hessen und der Herzöge von Braunschweig gegen den Erzbischof Johann von Mainz, der der Anstiftung zur Ermordung des Herzogs Friedrich von Braunschweig bezichtigt wurde, traten die Wettiner den Gegnern des Erzbischofs bei. Durch eine Doppelheirath schlossen sie sich den Welfen noch enger an, indem W., obgleich bereits achtundfünfzigjährig, Anna, die Tochter Otto’s des Quaden, zur zweiten Gemahlin nahm, während Friedrich der Streitbare sich mit Heinrich’s von Braunschweig Tochter Katharina vermählte. Der Kampf wurde mit großer Erbitterung geführt und erst 1404 beigelegt. Mit besonderem Groll verfolgte Erzbischof Johann den Markgrafen W., „den alten Schulmeister und ihrer aller Anstifter.“

Im Innern seines Landes führte W. ein festes und geordnetes Regiment. Als die Bürger von Zwickau den markgräflichen Landvogt, der sie um ihre Privilegien bringen wollte und mit unerhörten Auflagen beschwerte, hatten hinrichten lassen, forderte er erzürnt die Anstifter, vier Rathsherren, vor sich nach Meißen und ließ sie sogleich enthaupten. Obgleich noch keine feste Residenz bestand, bildete sich doch Dresden, wo er sich wie in verschiedenen andern Städten ein Schloß baute, unter ihm mehr und mehr zur Hauptstadt aus. Von seiner Fürsorge für Dresdens Kirchen und Wohlthätigkeitsanstalten liegen zahlreiche Zeugnisse vor. Nicht zur Ausführung gelangte sein Plan, bei der dortigen Kreuzcapelle ein Domcapitel zu errichten. Dem offenen Flecken Alden-Dresden verlieh er 1403 Stadtrecht. Auch andere Städte verdankten ihm vielfache Wohlthaten, alle förderte er durch eifrige Begünstigung ihres Handels. Er starb kinderlos und ruht neben seiner geliebten ersten Gemahlin im Meißner Dom.

Böttiger-Flathe, Geschichte von Sachsen. Gotha 1867, I, 307 ff. – Wenck, Die Wettiner im XIV. Jahrhundert, insbesondere Markgraf Wilhelm und König Wenzel. Leipzig 1877. – Ahrens, Die Wettiner und Kaiser [124] Karl IV. 1364–1379. Leipzig 1895. – Ueber die Verwesung Brandenburgs: Tschirch in Forschungen z. brandenb.-preuß. Geschichte VI, 2 und Voigt in Märkische Forschungen IX, 164 ff.