ADB:Berthold (Reformtheologe)

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Artikel „Bertold, Bischof von Chiemsee“ von Julius Hamberger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 519, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berthold_(Reformtheologe)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:41 Uhr UTC)
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Bertold, Bischof von Chiemsee, geb. 1465 in Salzburg, † 1543. Sein Familienname war Pirstinger, und seine Eltern gehörten wahrscheinlich dem Bürgerstande an. Kaum 30 Jahre alt, wurde B. vom Erzbischof von Salzburg zu seinem Kämmerer und im J. 1508 zum Bischof von Chiemsee ernannt, als welcher er gleichwol seinen Sitz in Salzburg hatte. Schon 1525 verzichtete er auf die bischöfliche Würde, weil er, bei dem milden sanften Wesen, das ihm eigen war, der Zuchtlosigkeit und Verwilderung gegenüber, die in den Klöstern und bei der Weltgeistlichkeit herrschend geworden war, sich nicht kräftig genug fühlte, der ihm obliegenden Aufgabe zu genügen. Im Kloster Raitenhaslach bei Burghausen, wohin er sich zurückgezogen, verfaßte er, auf besonderen Wunsch des Erzbischofs von Salzburg, ein Werk über die christliche Glaubenslehre, das der Unwissenheit zunächst bei den Geistlichen steuern, zugleich aber auch den Laien zur Belehrung dienen und ebendarum in deutscher Sprache geschrieben werden sollte. B. verwendete auf dieses Werk ungefähr zwei Jahre und es erschien dasselbe zu München im J. 1528 unter dem Titel „Tewtsche Theologei“. Die Erwartung des Erzbischofs, daß das in der Muttersprache verfaßte Buch, gleich den Schriften Luther’s, einen ansehnlichen Leserkreis gewinnen werde, erfüllte sich nicht, wie es denn eine weitere Auflage damals nicht mehr erfuhr. Im J. 1529 lieferte dann B. eine lateinische Uebersetzung unter dem Titel „Theologica germanica“, welche 1531 zu Augsburg in Druck erschien, gleichfalls aber nicht weiter mehr aufgelegt wurde. Außer zwei kleineren Schriften über die Messe und über den Kelch im hl. Abendmahl wird ihm noch, und gewiß mit gutem Grunde, ein anderes Buch „Onus ecclesiae“ zugeschrieben, worin er sich mit großem Freimuth über die damaligen kirchlichen Zustände, namentlich auch über den Unfug, der mit dem Ablaß getrieben wurde, vernehmen ließ. Bereits im J. 1519 verfaßt, erschien diese Schrift zuerst 1524 zu Landshut, dann zweimal in einem und demselben Jahre, 1531, zu Köln, eine vierte Ausgabe folgte noch 1620. Seine letzten Lebensjahre brachte B. zu Saalfelden im Pinzgau zu, wo er 1543 in einem Alter von 78 Jahren starb. Er war ein durchaus reiner Charakter, erfüllt von aufrichtiger, lebendiger Frömmigkeit, und in seiner „tewtschen Theologey“ erweist er sich nicht blos als einen äußerst gelehrten Theologen, sondern auch als einen sehr tiefen Denker. Wie großartig er die christliche Lehre in ihrer kosmischen Bedeutung zu erfassen wußte, wird wol schon aus einer einzigen Stelle erhellen, welche wir der „Theologey“ entnehmen. Nachdem er von der „geistlichen und himmlischen oder englischen“, dann von der „lieblichen und irdischen Creatur“ und endlich vom Menschen gesprochen, als in welchem „geistliche und leibliche Natur beisammen“ seien, so sagt er nun: „Damit ist also gantze erschaffene weld beslossen. Aber noch was Got und sein creatur nit bey einander. Darumb hat Got alle ding, genannt totum universum, das ist gothait unnd alle geschöpf, zur letzt beschlossen mit ayniger person Christi, der warer Got und mensch, als öbrist geschöpf ist, in dem alle creatur hangt und geewigt wirt. Dann die unwandelbar person Gottes sun hat an sich genommen die wandelbar menschait, domit dieselb auch unwandelbar wurde mit sambt aller anderr creatur so in der menschait beschlossen ist.“ – Wilh. Wackernagel hat in seinen „Proben der deutschen Prosa seit MD“, Bd. I. S. 274 f. verschiedene Abschnitte aus der „tewtschen Theologey“ mitgetheilt; Dr. Wolfgang Reithmeier aber hat das ganze sehr umfangreiche Werk, München 1852, in einer neuen Ausgabe erscheinen lassen.