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ADB:Candidus, Pantaleon

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Artikel „Candidus, Pantaleon“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 746–748, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Candidus,_Pantaleon&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 02:34 Uhr UTC)
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Candidus: Pantaleon C. (Weiß), ein in der allgemeinen Kirchengeschichte wie speciell in der des ehemaligen Herzogthums Zweibrücken viel genannter und berühmter Theolog, geb. 7. Octbr. 1540 zu Ips im Erzherzogthum Oesterreich als das 14. Kind seiner Eltern, wie es scheint, nicht ganz unbemittelter Bauersleute, † 3. Jan. 1608. In seinem zehnten Jahre finden wir ihn in dem Hause eines Pfarrers Cupicius (Kupik oder Kubiz) aus Krain, welcher in Weißenkirchen stand und der seit 1521 auch der in Oesterreich sich verbreitenden Reformation zugethan war. Bald jedoch wurde die protestantische Wirksamkeit dieses Geistlichen entdeckt und er als Gefangener nach Wien abgeführt, wohin ihn der damals 13jährige Pantaleon begleitete und im Gefängniß bediente. Es diente dies ohne Zweifel zur wesentlichen Förderung seines Charakters. Denn er war zu wiederholten Malen Zeuge, wie der seit 1552 nach Wien berufene Hofprediger und Jesuite Canisius durch Ueberredungen und Versprechungen den Cupicius zum Widerruf zu bewegen suchte und wie weder die große Kunst des Jesuiten noch die heitere Zukunft, die derselbe in Aussicht stellte, die Standhaftigkeit seines Herrn erschütterte. So vergingen fast zehn Monate, als die beiden Gefangenen Mittel und Wege fanden, nach Ungarn zu entfliehen. Zwei Jahre später treffen wir Pantaleon wieder in der alten Heimath und zwar in dem in der Nähe von Ips gelegenen Kloster Seisenstein, dessen Abt Veit Nuber sein Gönner war und durch den er auch Gelegenheit fand, seine Studien fortzusetzen. Da dieser jedoch heirathete und deshalb in ein [747] protestantisches Land zu entfliehen genöthigt war, gelangte Pantaleon, auch diesen wieder begleitend, mit ihm nach Amberg, der Hauptstadt der Oberpfalz, wo Pantaleon in die dortge von Georg Agricola geleitete blühende Schule (Schweiger, Chronika von Amberg. Wittenb. 1664) eintrat. Und als der damalige Statthalter der Oberpfalz, Herzog Wolfgang von Zweibrücken, 1556 in sein Herzogthum zurückging, nahm er sich beider Flüchtlinge an und brachte sie nach Meisenheim. Nuber wurde Wolfgangs Hofprediger, Pantaleon aber scheint die Meisenheimer Schule benutzt zu haben. Aber schon im J. 1557 erscheint der 17jährige Jüngling als Instructor eines Sohnes des Kanzlers Sitzinger in Zweibrücken. Der Fürsprache dieses einflußreichen Mannes, dessen er auch stets mit größter Anerkennung gedenkt, verdankte er es denn auch, daß ihm Herzog Wolfgang ein Stipendium zum Besuche einer Universität bewilligte. Pantaleon wählte Wittenberg, wohin ihn Melanchthon zog. Hier verblieb er sieben Jahre, doch besuchte er auch wol nur auf kürzere Zeit Jena. In Wittenberg trat Pantaleon als Privatsecretär in den Dienst des Hubert Languet aus Viteaux in Burgund, eines humanistisch gebildeten Juristen und Politikers. Die außerordentliche Gewandtheit im Gebrauch der lateinischen Sprache, die ihn später auszeichnete, mag er unter anderem auch der Uebung verdanken, die er als Secretär dieses vielbeschäftigten Mannes hatte. Eigentliche Lehrer aber waren ihm Paul Eber, Major und vor allem Melanchthon, dessen näheren Umgangs er sich auch erfreute, wie denn auch Melanchthon seiner Werthschätzung dieses Schülers dadurch Ausdruck gab, daß er ihm den Familiennamen Weiß ins Lateinische durch das Wort Candidus übersetzte, was weniger die Farbe als die Sittenreinheit bezeichnet. Fortan bediente sich Pantaleon stets dieses Namens. Seine Gegner zwar haben später vorgezogen, ihn Weiß zu nennen und behauptet, sein Wesen sei mehr durch den Namen „Pantaleon“ bezeichnet, indem sie sich auf jene Löwen im 10. Psalm bezogen, die im Verborgenen lauern. Dagegen behauptet der Altorfer Jurist Konrad Rittershaus in einem griechischen Epigramm, Candidus’ Natur sei durchaus die eines Lammes gewesen, nur, wenn es die Ehre Gottes galt, habe er sich πάγτα-λέωγ, d. h. durchaus als ein Löwe, erzeigt. Andere wieder bezeichneten ihn als Niger und im Volke hieß er auch „Pantelweiß“. Nachdem C. im J. 1564 in Wittenberg zum Magister der Philosophie ernannt worden war, fand er seine erste Anstellung an der Trivialschule in Zweibrücken. Doch blieb er nicht lange in dieser Stellung, indem er noch im nämlichen Jahre die Pfarrei zu Hinzweiler im pfälz. Cantone Lauterecken, dann das Diaconat zu Meisenheim und am 3. März 1568 jenes zu Zweibrücken erhielt, worauf er am 11. Sept. 1571 zum Superintendenten des Herzogthums Zweibrücken ernannt wurde.

Da die brennende Frage auf dem kirchlichen Gebiete in Deutschland damals die kirchliche und staatliche Berechtigung des Calvinismus war, so ergaben sich für C. mit der Uebernahme der Superintendentur eigenthümliche Schwierigkeiten, wozu kam, daß die Grenzen zwischen Kirche und Staat oder die Befugnisse des Landesherrn und des Superintendenten noch sehr schwankend waren. Landesherr war bis zum 11. Juni 1569 Herzog Wolfgang gewesen, der sein Land dem reinen Lutherthum erhalten wollte. Aber seine einflußreichsten Räthe waren nicht gesinnt wie ihr Herr. Sie folgten der Zeitrichtung, die den Calvinismus begünstigte. Und als nach Wolfgangs Tode für den minderjährigen neuen Fürsten, Johann, eine vormundschaftliche Regierung eintrat, war das einflußreichste Regentschaftsmitglied Heinrich Schwebel, ein Sohn Joh. Schwebel’s aus Pforzheim, des ersten protestantischen Predigers in Zweibrücken, der entschiedenste Calvinist, und eben unter dessen Regimente trat C. das Amt eines Superintendenten an. Zwar verliefen die ersten Jahre (1571 bis 75), in [748] denen wie auch später noch C., getreu dem Vorgange seines Lehrers Melanchthon, zwischen den Parteien eine vermittelnde, unirende Stellung einzunehmen versuchte – dem neuen Superintendenten in ungestörter Wirksamkeit. Als aber Johann I. die Regierung in Zweibrücken selbst antrat (1575), wurde C. in dessen Umgebung als Philippist verdächtig, doch aber für rechtgläubig anerkannt, nachdem er sich bei der Verurtheilung einiger Calvinisten betheiligt hatte. Der junge Fürst hielt es im Herzen viel mehr mit dem Lutherthum, dem Markgrafen von Baden und dem Herzoge von Würtemberg, aber er unterschrieb schließlich die Concordienformel und ließ sie auch von seiner Geistlichkeit unterschreiben. Auch C. unterschrieb. Die calvinische Lehre wurde nun in Kirche und Schule aufgenommen und die meisten Geistlichen fügten sich, wol nicht selten zur Unterschrift bewogen durch weltliches Interesse und jene drastische in den protestantischen Wirren des Reformationszeitalters nicht selten mit Erfolg angewandte Formel aus weiblichem Munde: „Ach, lieber, lieber Herre, schreibt, auf daß ihr bei der Pfarre bleibt!“ Aber erst 1588, in demselben Jahre, in welchem zu Neustadt a. d. Hardt die calvinisch erläuterte Bibel erschien, sah C. den Schlußstein zu der calvinisch eingerichteten Zweibrücker Kirche eingesetzt vermittelst des durch Herzog Johann eingeführten Katechismus. Und somit war das Lutherthum beseitigt und das, was man deutsch-reformirte Kirche nennt, hergestellt. Doch ganz calvinisch war auch diese Kirche nicht. Sie hatte zwar die Kirchenlehre des Genfer Reformators angenommen, aber nicht dessen Prädestinationslehre, nicht dessen Kirchenordnung und besonders nicht dessen charakteristische Kirchenzucht. In diesen Stücken beließ sie es bei dem, was seit der Reformation in deutschen Landen sich ausgebildet hatte, und eben so wenig wollten C. und seine Freunde dafür angesehen werden, als sagten sie sich von Luther los. – Ueber Candidus’ Wirken außerhalb des Fürstenthums Zweibrücken ist erwähnenswerth, daß er als Begleiter seines Fürsten den zum Calvinismus übergetretenen Erzbischof von Köln, Gebhard v. Truchseß, zu bewegen suchte, sein Bisthum zu reformiren, wie dies ja auch Erzbischof Joachim Friedrich von Brandenburg gethan hatte, und daß er ihn am 2. Febr. 1583 mit Agnes v. Mansfeld traute. Verheirathet war C. drei Mal und von einem Sohne seiner zweiten Ehe, Samuel, nachmals Pfarrer und Professor am Hornbacher Gymnasium, stammt die noch in der Pfalz, im Elsaß, in Rußland und in Amerika verbreitete Familie Candidus ab. Er selbst starb zu Zweibrücken, nachdem er sich selbst einen Tag vor seinem Tode die Grabschrift ausgedacht hatte:

Post annos sexaginta prope et octo subivit
Mens mea laeta polum, corpus inane solum.

Unter seinen gedruckten Schriften (Predigten, Gedichte, Annalen, sämmtlich in lateinischer Sprache) ist die beste und die er noch zu Wittenberg verfaßte, das Gedicht: „Concio Christi, quam habuit ad duos disipulos euntes in Emaus“. Ueber andere seiner Werke ist zu vergleichen Clessius, Elenchus I, p. 33. 380.

Melch. Adami Vitae. Fr. Butter’s Pantaleon Candidus, Zweibrücken 1865, woselbst auch in fast vollständiger Aufzählung seine Schriften eingehend besprochen werden.