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ADB:Ellenrieder, Anna Marie

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Artikel „Ellenrieder, Marie“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 49–50, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ellenrieder,_Anna_Marie&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 11:14 Uhr UTC)
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Ellenrieder: Marie E., Historienmalerin, geb. 20. März 1791 zu Constanz, † 5. Juni 1863 ebenda. Diese merkwürdige Frau muß unstreitig die bedeutendste deutsche Malerin der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts genannt werden und dürfte auch ihrer berühmteren Vorgängerin Angelica Kaufmann an Eigenthümlichkeit, Tiefe und Liebenswürdigkeit des Talents überlegen sein. – Einer bemittelten Bürgerfamilie angehörend und früh ihre Begabung offenbarend, kam sie schon 1813 nach München, wo sie im Hause des Directors Langer Aufnahme fand, an der dortigen Akademie ihre ersten Studien machte und bis 1820 blieb. So zeigen denn ihre Bilder aus dieser Periode noch die eklektische Richtung des Lehrers, doch sind sie bereits tiefer und seelenvoller, haben mehr Naturgefühl, sind weniger frostig akademisch und besser colorirt, so eine Madonnna in trono, heil. Cäcilie u. a. m. – Auch eine Anzahl ganz vortrefflicher Radirungen, meist Portraite im Geschmacke des Rembrandt, entstand um diese Zeit. Im J. 1822 ging sie dann nach Rom, wo sie im Umgange mit Overbeck und unter der Einwirkung der classischen Kunst ihren Stil vollständig änderte und sich dem des ersteren wenigstens in der Composition anschloß. In der Malerei blieb sie aber durchaus selbständig und übertrifft durch ihre auffallende coloristische Begabung alles was in jener Zeit derartiges in Deutschland geschaffen wurde weit an Weichheit, Fülle und Reiz des Tons. Religiös bis zur Schwärmerei, voll Adel und Reinheit des Charakters, dabei von fast kindlicher Naivetät, gelingt ihr denn auch die Darstellung des süßen Reizes reiner Kindlichkeit und frommer Frauennatur, das Ahnungsvolle, die Hingebung an Gott am besten. Zunächst brachte sie als Frucht des ersten römischen Aufenthalts eine lebensgroße Madonna mit dem Kinde an der Hand aus dem Himmel herabschreitend in die Heimath zurück, voll hoher Würde und Formenschönheit bei bewunderungswürdiger Weichheit des Helldunkels wie Tiefe des Colorits und einer Breite der Behandlung, wie sie Overbeck selbst nie erreichte. Eine Wiederholung dieses Bildes findet sich in Stuttgart. Meist in Constanz bleibend, malte sie nun eine große Zahl von Kirchenbildern, so einen heil. Bartholomäus, die Steinigung des Stephanus mit 18 bis 20 Figuren für den Hochaltar der katholischen Kirche in Karlsruhe, und viele geistvolle Portraite. Ihre vollendetste Leistung ist eine Madonna im Rosenhag voll tiefer Liebenswürdigkeit des Ausdrucks und reizend naiver Anmuth in den Kindern, deren lichtvolles und harmonisch gesättigtes Colorit wiederum alles in jener frühen Periode 1834 in Deutschland geleistete übertrifft. Es ist eine künstlerische Verklärung der Mutterliebe, wie jenes erste Bild eine der jungfräulichen Reinheit und um so bewundernswerther, als sie das Gemälde in Constanz fern von aller classischen Kunst schuf, von der es doch so getränkt erscheint, wie denn auch ihr Colorit an die Italiener erinnert, wenn es gleich durchaus selbständig, [50] ja in hohem Grade originell ist. Nachdem sie nun noch eine Menge religiöser Bilder gemalt, die bei ihrem großen Ruf in alle Welt zerstreut wurden, brachte sie die J. 1838–40 wiederum in Rom zu, wo sie Studien für einen göttlichen Kinderfreund, ein großes Bild: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ für die Gräfin Langenstein u. a. m. machte. In die Heimath zurückgekehrt, verließ sie dieselbe nun nicht mehr bis zu ihrem Tode, arbeitete aber rastlos fort. Die feine und edle Gestalt der bis ins späteste Alter schönen Frau mit dem Ausdrucke stiller Seligkeit, schwärmerischer Hingebung und doch wiederum scharfer Beobachtung in dem blassen verklärten Gesicht, machte den Eindruck einer echten Heiligen, wenn sie einem in ihrer Werkstatt, umgeben von betenden Frauen und Kindern, die sie geschaffen, entgegenkam. Wer die später durch Taubheit von der Außenwelt fast abgeschlossene mit den großen durchdringend forschenden Augen vor sich sah, wird diese wunderbare Erscheinung wol niemals vergessen. Sie holte sich den Tod bei einem Kirchgang im Winter, ein Opfer jener Frömmigkeit, welche die Seele ihrer Kunst war, und deren reiner Ausdruck im Verein mit dem bewunderungswürdigen Verständniß der Kindernatur ihren meisten Werken einen unvergänglichen Werth verleiht.