ADB:Fellenberg, Philipp Emanuel

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Artikel „Fellenberg, Philipp Emanuel v.“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 612–613, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fellenberg,_Philipp_Emanuel&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 04:36 Uhr UTC)
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Fellenberg: Philipp Emanuel v. F., geboren am 27. Juni 1771, gestorben am 21. November 1844. F. war aus einer Familie des sog. Patriciats der Stadt Bern gebürtig. Durch einen gelehrten Vater und eine edle, tief religiöse Mutter schon frühe für die höchsten Ideale der Menschheit begeistert, erhielt er durch Privatlehrer – unter diesen auch der spätere helvetische Minister Rengger –, dann im Pfeffel’schen Institut in Colmar eine treffliche Erziehung, welche durch den Besuch deutscher Universitäten und ausgedehnte Reisen abgeschlossen [613] wurde. Während der französischen Revolution weilte er eine Zeit lang in Paris und suchte von hier aus der bedrohten Vaterstadt nützlich zu sein; zurückgekehrt betheiligte er sich 1798 an dem Widerstande gegen den Einfall der französischen Armee. Nur mit Mühe von der über ihn ausgesprochenen Aechtung befreit, kaufte er 1799 das Gut Hofwyl, die Stätte seiner 45jährigen Thätigkeit und seines Ruhmes. Die Erziehung hielt er für das einzig wahre Mittel, eine wahrhafte geistige und sittliche Wiedergeburt der in Sinnenknechtschaft versunkenen Völker zu erzeugen; das Eigenthümliche seiner erzieherischen Grundsätze lag darin, daß er erstlich den Menschen nicht als Einzelwesen, sondern blos als wesentlichen Theil eines organischen Weltganzen auffaßte, und daß er zweitens die landwirthschaftliche Arbeit als das hauptsächlichste Mittel dieser Charakterbildung betrachtete und in großem Maßstabe in Anwendung brachte. Er begann mit umfassenden Verbesserungen seiner Besitzung; im J. 1804 begründete er die Armenschule unter der trefflichen Leitung von J. J. Wehrli; 1807 entstand das landwirthschaftliche Institut, und 1808 die Erziehungs- und Bildungsanstalt für Söhne höherer Stände, welche durch Anstellung einer Reihe ausgezeichneter Lehrer bald zur höchsten Blüthe gelangte und Hofwyl zu einem höchst einflußreichen geistigen Brennpunkte machte. Im J. 1816 errichtete er eine eigene Armenkindercolonie in der Nähe, welche das Problem lösen sollte, durch zweckmäßige Arbeit sich selbst zu erhalten; seine Gattin stiftete zu gleicher Zeit eine Erziehungsanstalt für Mädchen; an alle diese unter einander in engster Verbindung stehenden, einen großartigen Complex von Gebäuden mit Leben erfüllenden Institute schloß sich endlich 1830 eine Realschule für Söhne des Mittelstandes und zuletzt eine Kleinkinderschule an. Ueber 2000 Schüler und Zöglinge sollen in Hofwyl gebildet worden sein. Daneben wirkte er Großes durch Veranstaltung von Schullehrerbildungscursen; allein manche seiner weiteren pädagogischen Bestrebungen scheiterten theils an den Vorurtheilen seiner Standesgenossen und der Gleichgültigkeit der Behörden, die seinem Idealismus nicht zu folgen vermochten, theils an seinem ungewöhnlich selbstherrlichen Wesen, das sich z. B. mit Pestalozzi nie zu vertragen vermochte. Im J. 1830 betheiligte sich F. neuerdings am politischen Leben; er hoffte von den neuen liberalen Staatseinrichtungen eine Verwirklichung seiner Ideen. Er wurde auch in den Verfassungsrath und in dessen vorberathende Commission, später in den Großen Rath des Cantons erwählt, fand aber für seine Anträge kaum mehr Verständniß als früher; seine Wahl zum Landammann des Cantons im J. 1833 war ein ehrenvolles Zeugniß der Achtung, die er genoß, nicht ein Beweis von politischem Einfluß. F. starb mitten in seiner Arbeit und wurde zu Hofwyl begraben. F. war ein Charakter mit großen Licht- und Schattenseiten, der im folgenden treffend geschildert worden ist: „ein Aristokrat in seinem Privatleben, Demokrat im Rathe, liberal mit Fremden, Despot gegen seine Gehülfen, radical im Zweck, conservativ in den Mitteln, ein reicher Stoff zu einem großen Mann, der doch so still gelebt hat, so still von dannen ging!“ Der schwärmerische Idealismus Pestalozzi’s war in ihm auf merkwürdige Weise mit praktisch realistischer Thatkraft verbunden. Obwol nicht schriftstellerisch thätig, wie jener, und deshalb weniger gekannt, hat er durch die große Zahl seiner Schüler und der von ihm erzogenen Lehrer, durch die Maße der von ihm ausgegangenen Anregungen, auf die Schweiz insbesondere und auf Bern ganz vorzüglich, kaum weniger fördernd als jener gewirkt.

Neben einer Masse kleiner Aufsätze und Charakteristiken: Dr. Theodor Müller, Rede bei des Leichenfeier der Alt-Landammann F., Bern 1844. W. Hamm, E. Fellenberg’s Leben und Wirken, Bern 1845. Dr. Robert Schöne, E. Ph. v. F., Bern 1871.