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ADB:Friedrich IV. (Kurfürst von der Pfalz)

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Artikel „Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz“ von Moriz Ritter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 612–621, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_IV._(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 11:35 Uhr UTC)
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Friedrich IV., der Sohn und Nachfolger des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz, der dritte in der Reihe der Kurfürsten aus dem Hause Simmern, wurde geboren zu Amberg am 5. März 1574. Der Name dieses Fürsten, dessen Regirung von tiefgreifender Bedeutung für die Vorzeit des dreißigjährigen Krieges ist, wird nicht nur in der provinzialen, sondern auch in der allgemeinen deutschen Geschichte mit Auszeichnung genannt; in Wahrheit jedoch verdankt F. seine Bedeutung nicht so sehr der eigenen Tüchtigkeit, als der hohen Stellung des pfälzischen Hauses und der bestimmten Richtung pfälzischer Politik, die er von seinen Vorgängern überkommen hatte. Man kann sich daher seine Entwicklung und Wirksamkeit nicht vergegenwärtigen, ohne von den Schöpfungen und Bestrebungen seiner Vorfahren auszugehen. Unter diesen war es sein Großvater Friedrich III., welcher dadurch, daß er die Landeskirche nach den Lehren der protestantischen Gemeinden in Genf und Frankreich gestaltete, den geistigen Verkehr zwischen dem pfälzischen Hof und der pfälzischen Kirche einerseits und den Reformirten in Frankreich und den Niederlanden anderseits begründete: ein Verkehr, unter dessen Einwirkung die niederländische reformirte Kirche erwachsen ist. Derselbe Fürst, indem er den Grundsatz von der Gemeinsamkeit der protestantischen Sache in und außer Deutschland verfocht, indem er im deutschen Reich die vielen Ansprüche seiner Glaubensgenossen zu Schutz und Erweiterung der protestantischen Macht am entschiedensten vertrat, und als Vornehmster der weltlichen Fürsten die Berathungen protestantischer Stände bei den Reichsversammlungen leitete, beförderte den Zusammenschluß protestantischer Stände zu einer Partei, sowie die Bestrebungen derselben zur Gründung eines Bündnisses, er befürwortete die Verbindung der deutschen mit den französischen und niederländischen Protestanten zu gegenseitiger Unterstützung. Die Bemühungen Friedrichs III. errangen – vornehmlich wegen der conservativen und lutherischen Bedenken der protestantischen Stände im Norden und Osten – nur halben Erfolg; aber als er zwei Jahre nach der Geburt Friedrichs IV. starb, war doch der pfälzische Hof in den Mittelpunkt deutsch-protestantischer Politik getreten. Beides, die Richtung und der Nachdruck dieser Politik wurde jedoch wieder schwer gefährdet, als der Sohn Friedrichs III., der den calvinistischen Anschauungen feindliche Kurfürst Ludwig, die Regierung übernahm und nun die pfälzische Kirche und Politik nach den Grundsätzen der lutherischen Partei umzugestalten versuchte. Damals kam eine Reaction und im Gefolge derselben eine Zeit von Kämpfen und Schwankungen über die Pfalz. Und diese Zeit war es, unter deren Eindrücken die Jugend Friedrichs IV. stand. Dem Vater des im ersten Knabenalter stehenden Prinzen lag es vor allem am [613] Herzen, daß die lutherische Lehre, wie sie eben in der Concordienformel gefaßt war, dem kindlichen Geiste eingeprägt würde. Seinen Absichten mußte ein pedantischer Erziehungsplan dienen. Aber nur wenige Jahre war der Zögling dieser ersten Zucht unterworfen gewesen, als Ludwig im October 1583 im besten Mannesalter starb. Da kam nun die Vormundschaft über den minderjährigen Nachfolger an dessen Onkel Johann Casimir, einen Gegner von Ludwigs kirchlichen Neuerungen, der damit begann, daß er die in Ludwigs Testament ihm zugeordneten lutherischen Vormünder mit Berufung auf die goldene Bulle fern hielt, der dann seine Regentschaft benutzte, um die kirchlichen Ordnungen seines Vaters herzustellen und eine Politik zu befolgen, die sich von der Friedrichs III. nur durch größere Schroffheit und Thatkraft unterschied. Ein neuer Geist durchdrang unter diesem Fürsten alle Verhältnisse, und am wenigsten konnte die Entwicklung Friedrichs davon unberührt bleiben. Der verwaiste Prinz stand damals in seinem zehnten Jahre; er nebst zwei Schwestern waren die einzigen Ueberlebenden von elf Kindern; und wie auch von diesen dreien später keiner ein höheres Alter erreicht hat, so erscheint F. schon damals als kränklicher und deshalb sorgsam gehüteter, gegen strenge Zucht privilegirter Knabe. Nun war es einer der ersten Eingriffe Johann Casimirs, daß er seinen Mündel aus der ängstlichen Obhut der Erzieher an seine fürstliche Tafel und in seine Umgebung zog, daß er den schwachen Prinzen zu einem tüchtigen Reiter und eifrigen Jäger ausbildete. Als die Erzieher diese Lebensweise tadelten, weil dabei der Unterricht zu kurz komme, sprach der Vormund den Grundsatz aus, daß sein Mündel kein Doctor werden solle. Und in der That unter Johann Casimirs Leitung erwarb F. IV. keine höhere Bildung; als Regent scheint er z. B. nicht einmal der französischen Sprache mächtig gewesen zu sein. Sein Unterricht war nur in einem Punkte sorgfältig, in der Religionslehre. Hier galt es vor allem, den Glauben an die Abendmahlslehre nach lutherischer Fassung aus dem Geiste des Knaben zu tilgen und ihn mit der calvinischen Anschauung zu durchdringen: ein Ziel, welches Johann Casimir mit offener Verletzung einer testamentarischen Verordnung Ludwigs erreichte. Aber dieser Theil von Friedrichs Erziehungsgeschichte führt auch wieder zurück auf das ganze von Johann Casimir unternommene Werk religiöser und politischer Restauration. Nur dadurch nämlich, daß die Herrschaft des Calvinismus in der Pfalz durch die Sinnesweise des künftigen Kurfürsten verbürgt wurde, sicherte man zugleich die von Friedrich III. begründete, von Ludwig gestörte geistige Gemeinschaft zwischen der Pfalz und den reformirten Kirchen und Mächten des Auslandes. Man gab durch dieselbe That auch der deutschen Politik der Pfalz die Möglichkeit freierer Bewegung. Denn ein pfälzischer Kurfürst als Führer der protestantischen reichsständischen Partei mußte doch lutherische und calvinisirende Stände unter sich vereinigen; da aber unter den pfälzischen Reformirten der Grundsatz galt, daß die zwischen Lutheranern und Calvinisten streitigen Glaubenslehren die Bedingung der Seligkeit nicht berührten, so konnte ein Staatsmann von solcher Anschauung die Führung der gemischten Schaar in viel freierem Geiste übernehmen, als es einem lutherischen Fürsten, der von seinen Theologen jenen Grundsatz der Reformirten meistens bestreiten hörte, möglich war. Also nicht blos um die religiöse Wandlung der Person Friedrichs IV. handelte es sich, sondern um die Befestigung der protestantischen Politik Friedrichs III. und Johann Casimirs. Noch einmal mußte nun aber dasjenige, was diese Männer geschaffen, durch eine Krisis hindurchgehen. Am 16. Januar 1592 starb Johann Casimir, noch bevor er sein fünfzigstes Jahr erreicht, und bevor F. IV. sein achtzehntes Jahr vollendet hatte. Auf die Kunde von diesem neuen Wechsel erhoben sich sofort die Gegner des pfälzischen Calvinismus: da erschien der alte streng lutherische Pfalzgraf Richard [614] von Simmern und erklärte, daß kraft zweier Bullen Kaiser Sigismunds die vormundschaftliche Regierung ihm gebühre und bis zum vollendeten 25. Jahre Friedrichs IV. ihm bleiben müsse; in denselben Tagen stand die lutherische Bürgerschaft in Amberg und das Volk in andern oberpfälzischen Orten auf, und verübte, gereizt durch die Begünstigung des Calvinismus offene Gewaltthaten; man wußte außerdem, daß, wie Städte und Adel der Oberpfalz noch im allgemeinen lutherisch waren, so auch in den gesammten pfälzischen Landen die Reformirten wol die meisten Kirchen und Kirchenämter inne hatten, aber der Zahl nach vor den lutherisch Gesinnten zurückstanden, wie denn auch eine nicht unbedeutende Anzahl von Katholiken ohne das Recht des Gottesdienstes bestand. Nicht weniger schwierig als im eigenen Lande gestalteten sich damals für die pfälzische Regierung die Dinge im Auslande. Johann Casimir hatte in seinen letzten Zeiten hoffen dürfen, die Trennung unter den protestantischen Ständen zu überwinden. Er hatte mit dem Haupte der lutherisch und conservativ gesinnten Stände, dem Kurhaus Sachsen, eine enge Verständigung erzielt; mit dem Kurfürsten dieses Hauses und dem von Brandenburg hatte er dem Kaiser die mit dem Kammergericht concurrirende Jurisdiction seines Reichshofrathes abgesprochen und dadurch die energische Protestantenpartei noch schärfer den Katholiken und der sie beschützenden kaiserlichen Gewalt gegenüber gestellt; unter seiner Führung und der des Kurfürsten von Sachsen waren die meisten der angesehenen protestantischen Fürsten zur Unterstützung König Heinrichs IV., der gegen Papst und Spanien um seine Krone focht, und zu dem Versuch eines deutsch-protestantischen Bündnisses, welches aus der zerfallenden Reichsverfassung als eigene Macht heraustreten sollte, vereinigt. Dann aber, nur wenige Monate vor Johann Casimir, war sein Mitarbeiter, der Kurfürst Christian I. von Sachsen gestorben. Für dessen gleichnamigen Sohn trat eine vormundschaftliche Regierung ein, welche zu Gunsten der lutherischen und conservativen Grundsätze des Kurfürsten August eine noch gewaltsamere Restauration durchführte, als Johann Casimir sie für den entgegengesetzten Zweck unternommen hatte. Die Hoffnung auf eine Einigung der protestantischen Stände wurde dadurch vereitelt, und der alte Zwiespalt durch einen neuen Bruch vertieft. Unter solchen Umständen war es zunächst eine entscheidende That, daß F. IV. die Ansprüche des Pfalzgrafen Richard zurückwies. Mit Berufung auf die goldene Bulle, welche den Termin der Volljährigkeit auf das vollendete achtzehnte Jahr setzt, ergriff er die Regierung selber. Aber sollte nun der junge, in seiner Erziehung vorzeitig unterbrochene Fürst geeignet sein, gegen die Schwierigkeiten im Innern und Aeußern das Werk seines Vormundes weiter zu führen? Dieser Aufgabe würde sich F. kaum gewachsen gezeigt haben, wenn sein Geschick ihn nicht von vorneherein in einen Kreis von Männern geführt hätte, die für ihn dachten und handelten. An seinem Hofe ragte ein fränkischer Edelmann, Georg Ludwig v. Hutten, hervor, welchen gegen Ende des J. 1585 Johann Casimir als Hofmeister Friedrichs dem sächsischen Adelichen Otto v. Grünrad zur Seite gesetzt hatte; derselbe war ebenso wie ein anderer von Friedrichs Lehrern, Michael Lingelsheim – noch unter Johann Casimir zum kurfürstlichen Rathe ernannt, und nunmehr fiel ihm vor allen der leitende Einfluß auf die Entschlüsse Friedrichs IV. zu. Neben Hutten wirkte in gleichem Geiste ein Collegium von Räthen, welche theils, wie der Vicekanzler Culmann, von Johann Casimir übernommen wurden, theils, wie Volrat v. Plessen, unter jenem Fürsten an den Hof gekommen waren und in der ersten Zeit Friedrichs in den Rath eintraten. Sie alle waren Träger der von der letzten Regierung überkommenen Tradition. Wie entschieden sie z. B. an den ausländischen Verbindungen der Pfalz festhielten, das zeigten sie gleich, als sie die schon im Mai 1593 erfolgende Verheirathung des jungen [615] Kurfürsten betrieben und dabei trotz des Abrathens befreundeter Fürsten die Prinzessin Louise Juliane, eine Tochter des verstorbenen Wilhelm von Oranien, eine Stieftochter des Prinzen Moritz von Oranien, erwählten. Unter der Leitung dieser Räthe wurde die pfälzische Politik im allgemeinen in ihrer Richtung gehalten, aber der, welcher jener Politik den Namen gab, zeigte sich mehr und mehr als eine wenig bedeutende Persönlichkeit. F. IV. wurde mit neunzehn Jahren verheirathet. Noch war das erste Jahr der Ehe nicht abgelaufen, als das Verhältniß der Gatten getrübt war. Der junge Fürst war eben eine innerlich leere Natur, von unersättlichem Hang nach Jagd und Ritterspielen, nach Bällen und lärmenden Lustbarkeiten. An sich recht gutmüthig, war er doch von sehr heftigem Temperament: leichter Sinn und rohe Zornausbrüche machten ihn oft, wie seiner ganzem Umgebung, so auch seiner Gemahlin schwer erträglich. Allerdings weiß nun über sein Verhalten als Regent und evangelischer Christ eine im J. 1593 erschienene officielle Flugschrift sehr lobenswerthes zu berichten: am Morgen folgt auf das Gebet die Vorlesung eines Capitels der Bibel; dann arbeitet er bis zum Mittagessen im Rath. Regelmäßig ist er im Besuch der Predigt und im Empfang der Sacramente. Einmal in jedem Monat, am Tag des gemeinen Gebetes, nimmt er im Kirchenrath den Bericht der Räthe entgegen und erläßt dann die nöthigen Verfügungen zu Nutzen und Erbauung der ganzen Kirche. Indeß, wo die Mitglieder des pfälzischen Hofes sich vertraulicher äußern, lautet das Urtheil sehr verschieden: im J. 1594 hören wir, daß er bis dahin nie der Rechnungslage über Einnahmen und Ausgaben beigewohnt habe, und in den J. 1599, 1601 und 1606 klagen seine Räthe, daß er sich den Geschäften und Rathssitzungen entziehe, daß er sich dafür Belustigungen hingebe, die seiner Gesundheit schaden. F. IV. zeigte, soweit ich sehe, nur in einem Punkte eigne Initiative: in der Gestaltung eines glänzenden und lustigen Hoflebens. Das Heidelberger Schloß, damals eine der wenigen großartigen Fürstenresidenzen, wurde unter ihm durch neue Bauten und Gartenanlagen verschönert; das Personal seines Hofes stieg im J. 1599 bis auf 678 Personen; es kam vor, daß bei besondern Festen oder Versammlungen, z. B. bei der Heidelberger Tagsatzung von 1595, täglich gegen 2000 Personen an diesem Hofe gespeist wurden. Und der glänzenden Ausrüstung entsprach auch die Menge der Belustigungen und Feste; der bunte Wechsel derselben wurde hauptsächlich nur dann unterbrochen, wenn F. zur Schweinshetze, oder zu Hochzeiten und Kindtaufen benachbarter Höfe auszog. Wol zu beachten ist hier aber der geistige Gehalt dieses Hoflebens. Man muß bedenken, daß Heidelberg, besonders durch seine Universität, noch immer im Mittelpunkt eines geistigen Verkehrs stand, in welchem die Schweiz und Westdeutschland, Frankreich und die Niederlande vielfach ihre besten Kräfte austauschten. Zwischen den Lehrern der Universität und den vornehmen Männern des pfälzischen Hofes bestanden viele Beziehungen der Freundschaft und der geistigen Gemeinschaft. Hippolyt v. Colli z. B., der um 1592 oder 1593 Präsident des Hofgerichtes und 1597 kurpfälzischer Rath wurde, war unter Johann Casimir Heidelberger Professor gewesen. Michael Lingelsheim, der dem Kurfürsten F. Unterricht gegeben hatte und sich näherer Bekanntschaft mit dem großen Scaliger rühmen durfte, wird von dem versegewandten Professor Melissus als feiner Richter seiner Kunst gefeiert. Loefenius versuchte sich in politischen Flugschriften, und von Volrat v. Plessen scheint eine lateinische Uebersetzung des Geschichtswerkes von Conestaggio herzurühren. Feinere Bildung also war dem Heidelberger Hofe keineswegs fremd. Aber der Kurfürst selber hat diesen Vorzug nur beeinträchtigt. Wie sein Treiben in Bällen, Maskeraden, Ringelrennen u. dgl. schon an sich nichts geistig Erfrischendes hatte, so verunzierte er sein Hofleben vollends durch die Gewohnheit der Zechgelage [616] und der Trunkenheit. Die ersten sichern Zeugnisse für derartige Excesse des Kurfürsten finden sich aus dem J. 1598; drei Jahre später bezeugt Fürst Ludwig von Anhalt bereits, daß der ganze Hof von dieser Unsitte angesteckt war, und daß es für denjenigen, der von derselben frei bleiben wollte, gefährlich war, sich dort aufzuhalten. „Man trinkt“, sagt Scaliger, „am Heidelberger Hofe mehr als in den vier größten Städten Frankreichs.“ Bei alledem fehlte es dem Kurfürsten bei keinem seiner Mängel an einem sittlichen Gegengewicht. Oft genug ließ er sich zur Theilnahme an Rathssitzungen, zur persönlichen Entgegennahme gesandtschaftlicher Vorträge bewegen; auch war er gewiß über den Stand und die Richtung seiner Politik jederzeit unterrichtet, nur daß er niemals mit einem selbständigen Gedanken oder frischer Thätigkeit eingriff. Mitten in seinem nichtigen Treiben fand sein ehrlicher Hofprediger leichten Zutritt zu ihm, und das ernste Wort desselben traf auf ein empfängliches Gemüth, nur daß alle Zerknirschung sein Leben nicht änderte. Er war ein beschränkter Mensch, von gutem, aber auch von schwachem Willen. Was unter dem Treiben Friedrichs am meisten litt, das war die Finanzverwaltung. Die Einkünfte des Landes flossen aus Zöllen, Tranksteuern, einer Vermögenssteuer, den Kammergütern und den verschiedenen Amtsgefällen. Was von denselben bei der Amtsverwaltung nicht aufging, wurde als kurfürstliches Einkommen an den Hof gesandt und betrug im J. 1599, abgesehen von großen Naturallieferungen, etwa noch 250000 Gulden in Geld. Da man die Eingänge an Wein und Früchten verpraßte, so mußten von den Geldeinnahmen die baaren Kosten der Hofhaltung (einbegriffen die Besoldung der Hofbeamten), die Ausgaben der Landesdefension, die kurfürstlichen Bauten und die Zinsen der Schuld bestritten werden. In Wahrheit reichten die Einkünfte nicht einmal für den ersten Zweck aus. Für alle andere Erfordernisse sah man sich auf außerordentliche Einnahmen angewiesen, d. h. vor allem auf neue Schulden, und auf solche Abgaben, die dem Namen nach zur Bezahlung der Reichstürkenhülfe umgelegt wurden, in Wirklichkeit aber oft das Dreifache und Vierfache der ans Reich zu zahlenden Beträge einbrachten und um so ergiebiger wurden, seitdem die pfälzische Reichspolitik zur Steuerverweigerung fortgeschritten war. Es war gewiß nicht leicht, bei solcher Finanzlage die Fortführung der Politik Johann Casimirs zu übernehmen. Indeß schon durch die äußeren Verhältnisse wurde die Regierung Friedrichs IV. dazu getrieben. Von Anfang an hatte die fortgeschrittene protestantische Partei jede wirkliche oder erstrebte Machterweiterung durch ihre eigenthümliche Auslegung des Religionsfriedens begründet und jeden Widerstand katholischer Mächte, den sie fand, aus deren gemeinsamer Feindschaft gegen ihr Bekenntniß und ihr Recht abgeleitet; sie hatte dadurch ihre sämmtlichen Errungenschaften und Bestrebungen in solchen Zusammenhang gebracht, daß die Bekämpfung einer einzelnen derselben ihr als Gefährdung der sämmtlichen vorkam. Solche Kämpfe wurden ihr nun aber in Deutschland um so zahlreicher bereitet, je mehr durch die innerlich gestärkte katholische Hierarchie die Politik des Kaisers und der Reichsstände beeinflußt ward. Da stritt – um bei der Zeit der Anfänge Friedrichs IV. zu bleiben – um das Bisthum Straßburg der katholische Karl von Lothringen gegen den protestantischen Johann Georg von Brandenburg; in der Reichsstadt Aachen arbeitete eine katholische Partei, geschützt vom Kaiser und benachbarten Fürsten, an der Herstellung der Alleinherrschaft katholischer Ordnungen; am Kammergericht errangen gegen Ende des Jabrhunderts katholische Kläger vier Urtheile, welche das Recht der protestantischen Reichsstände, Klöster und geistliche Güter nach dem Passauer Vertrage einzuziehen, verneinten. Und in all diese Streitigkeiten brachten die Katholiken ebenfalls ihr Bewußtsein des Zusammenhanges: sie dachten in jedem einzelnen Falle ein System von Uebergriffen zu bekämpfen, [617] welches ihre Machtstellung tief erschüttert habe und vollständig zu untergraben drohe. Nicht weniger gefährlich als in Deutschland erschienen dann weiter die Vorgänge im Ausland. Nachdem die deutschen Protestanten so lange eine Vereinigung ihrer in- und ausländischen Gegner gefürchtet hatten, durch welche ihr Vaterland in die großen Kämpfe zur Herstellung katholisch-kirchlicher Einheit und Gründung spanischen Uebergewichtes hineingezogen würde, schien sich nunmehr der Anlaß dazu aus dem nicht mehr fernen Erbfall der Jülicher Lande zu ergeben. Die protestantischen Häuser Brandenburg, Neuburg und Zweibrücken – zu denen nachher noch Sachsen kam –, suchten vergeblich die Sicherung ihrer Erbansprüche beim kaiserlichen Hofe nach; man wußte, daß Spanien aus Rücksicht auf seine niederländische Herrschaft die Lande keinem Protestanten zukommen lassen wolle, und groß war unter den Protestanten die Furcht, daß der Kaiser sich mit Spanien verbinden möchte, um in jenen Gegenden sowol die Herrschaft der katholischen Kirche als der spanischen Monarchie auszubreiten. Wenn so die Protestanten sich bald hier bald da getroffen fühlten und jeden Schlag als Vorzeichen eines allgemeineren Angriffs auffaßten, so konnten zahlreiche Aufforderungen an die pfälzische Regierung zur Bildung einer Partei des Widerstandes nicht ausbleiben. Diesen Anträgen mit unverdrossenen Verhandlungen entsprochen zu haben, und dabei das allgemeine Machtinteresse der protestantischen Stände vornehmlich verfolgt zu haben, ist das Hauptverdienst der Räthe Friedrichs IV. Wirklichen Erfolg hatten sie jedoch in den sechzehn ersten Jahren nur da, wo es sich um die Vertretung der protestantischen Sache vor den Gewalten des deutschen Reichs handelte. Bei dem Regensburger Reichstag von 1594 legten sie eine die Klagen und Ansprüche ihrer Glaubensgenossen enthaltende Schrift vor: dem Namen nach eine Beschwerdeschrift, die aber zugleich das Parteiprogramm wurde für diejenigen protestantischen Stände, welche weder vor der Führung der calvinistischen Pfälzer, noch vor dem Umfang der erhobenen Ansprüche zurückschraken. Am Reichstag selber wurden allerdings diese Beschwerden und Anträge von der katholischen Majorität, die in den meisten Fällen von der kaiserlichen Regierung unterstützt wurde, niedergestimmt. Aber da suchte die pfälzische Partei den Kaiser in die Enge zu treiben, indem sie behauptete: bei Bewilligung der Reichstürkensteuern sei die Minorität an den Beschluß der Mehrheit nicht gebunden, sie könne die Steuer auch ganz zurückhalten, wenn das Recht im Reiche zerrüttet, oder das Reich und ihre Lande durch kriegerische Vorgänge bedroht seien. So erfolgte am Reichstag von 1598 eine Minoritätsbewilligung, dann bei wiederholter Verletzung der Reichsgrenzen durch spanisch-niederländische Truppen (1598 und 1605) und bei den Bewegungen in den österreichischen Erblanden (seit 1604) die Verweigerung der Steuerzahlung. Zu der ersten Verwirrung, die hieraus entstand, kam bald eine zweite. Nachdem durch die oben erwähnten vier Urtheile des Kammergerichtes die massenhafte Einziehung geistlicher Güter in protestantischen Gebieten als Usurpation bezeichnet war, hatten die Verurtheilten das Rechtsmittel der Revision ergriffen. Der Speierer Deputationstag (1600–1) sollte in dieser und andern Revisionssachen außerordentlicher Weise erkennen, und von ihm war mit ziemlicher Sicherheit ein bestätigendes Urtheil zu erwarten. Da erklärten die Pfälzer: Streitigkeiten, denen eine von den Religionsparteien verschieden erklärte Bestimmung des Religionsfriedens zu Grunde liege, können nur durch gütlichen Vergleich sämmtlicher Reichsstände beigelegt werden. Und nachdem sie Kurbrandenburg und Braunschweig für diesen Standpunkt gewonnen hatten, verließen sie den Deputationstag, sprengten dadurch die Versammlung und vereitelten den Versuch, über die vielen die Urtheile des Kammergerichts suspendirenden Rechtsmittel auf außerordentliche Weise zu entscheiden, nachdem die regelmäßig dazu berufenen Commissionen [618] schon vorher durch den Streit der religiösen Parteien beseitigt waren. Es wurde dadurch die Reichsjustiz gelähmt, und das um so gründlicher, da in derselben Zeit die Kurpfälzer und ihre Freunde sich zum Widerstand gegen die Gerichtsbarkeit des Reichshofraths verbanden. War nun aber nicht, wenn die Vertretung der protestantischen Sache zu solchen Consequenzen führte, der Zerfall der Reichsverfassung und offener Kriegszustand zwischen den religiösen Parteien zu gewärtigen? Daß man zu diesem Ende geführt werde, hatten pfälzische und andere Staatsmänner seit lange gefürchtet; sichtlich schien es näher zu kommen, als in der österreichischen Monarchie seit Ende 1604 Aufstände und Intriguen gegen und für das kirchliche und politische Bedrückungssystem Rudolfs II. begannen und bis zum Tode des Kaisers sich fortsetzten, als ferner im Reich durch den kleinen Donauwörther Krieg eine der streitigen Machtfragen katholischer und protestantischer Partei zu Gunsten der ersteren entschieden wurde, und dabei in der Person des Herzogs Maximilian von Baiern sich ein Staatsmann erhob, der entschlossen und fähig schien, die katholische Sache in den Zeiten schwerer Entscheidungen zu führen. Mitten in die hierdurch entstandene Aufregung fiel der Regensburger Reichstag von 1608. Die Protestanten – und diesmal nicht nur die pfälzische, sondern auch die conservative Partei – verlangten auf demselben die förmliche Bestätigung des Religionsfriedens. Der Grund ihres Ansinnens lag in dem Argwohn, daß die Katholiken den Bestand des Religionsfriedens grundsätzlich läugneten. Aber indem nun die katholische Partei diesen allgemeinen Verdacht aufzuheben bereit war, kam man über einzelnes zu offenen Aussprachen, und das Ergebniß war, daß mit dem Gesetze, das allein den religiösen Frieden in Deutschland verbürgte, jede Partei eine Auslegung verband, in deren Verwirklichung die Gegner den Anfang ihres Untergangs erblickten. Da der Reichstag diese Gegensätze nicht auszugleichen vermochte, wurde er von der pfälzischen Partei gesprengt. Und damit war denn das eine Ziel der alten Besorgnisse, nämlich der Zerfall und die Ohnmacht der Reichsverfassung, thatsächlich erreicht. Nun hatten die Reichsstände von jeher gleichsam einen zweiten Mittelpunkt staatlicher Einheit in den großen Bündnissen gefunden. Die politische Erstarkung des Protestantismus selber hing ja mit der Vereinigung deutscher Fürsten und Städte zusammen; und die Räthe Friedrichs IV. hatten von Anfang an ein protestantisches Bündniß als das eigentliche Ziel ihrer Bestrebungen angesehen. Jetzt da der staatliche Organismus des deutschen Reichs stockte, kam die protestantische Union unter pfälzischer Leitung zu Stande. Bei der Tagsatzung von Ahausen traten ihr die Herzoge von Würtemberg und Neuburg, die Markgrafen von Baden, Anspach und Culmbach bei (14. Mai 1601). Bis zu Anfang des J. 1610 erfolgte der Zutritt des Kurfürsten von Brandenburg, des Landgrafen von Hessen-Kassel, des Herzogs von Zweibrücken, des Hauses Anhalt, des Grafen von Oettingen und sechzehn oberdeutscher Städte, unter denen Straßburg, Nürnberg und Ulm die vornehmsten waren. Bei der Lage der Dinge schien das neue Bündniß berufen zu sein, für die Verbündeten recht eigentlich an die Stelle des staatlichen Verbandes des deutschen Reichs zu treten und ihnen, mitten in den immer feindlicheren Gegenstrebungen der kirchlichen Parteien, die Kraft zu einer selbständigen Politik zu gewähren. Indeß wie der Entschluß zu diesem Bündnisse den meisten Ständen sehr schwer fiel, so wurden die Aufgaben desselben durchaus nicht in kühnem Geiste gefaßt. Die meisten Unirten wollten nichts weiter als Vertheidigung, und die Vertheidigung sollte nicht eher eintreten, als bis der rechtswidrige Angriff gegen einen Verbündeten erfolgt sei. Nur einzelne Staatsmänner gab es im Kreise der Unirten und besonders am kurpfälzischen Hofe, deren Entwürfe um vieles weiter gingen. Der bedeutendste unter ihnen war Fürst Christian [619] von Anhalt-Bernburg, seit 1595 Statthalter der Oberpfalz, und in Fragen der äußeren Politik der einflußreichste Mann im kurpfälzischen Rath; ihm standen zur Seite einzelne von den älteren, und vor allem die inzwischen neubeförderten Räthe: der Großhofmeister Graf Albert von Solms (seit 1602), der Kanzler Christoph von der Grün (seit 1606), der Rath Dr. Ludwig Camerarius (im Oberrath seit 1603) und der im J. 1599 zum pfälzischen Generaloberstlieutenant erhobene Graf Johann von Nassau. Christian von Anhalt strebte mit leidenschaftlichem Eifer nach einem unverrückten Ziel: die Union sollte sich ein Heer schaffen, sollte sich in eine große politische Verwicklung hineinwagen, und dann den katholischen Mächten, als deren vereinigte Führer ihm die Häuser Spanien und Oesterreich erschienen, durch Krieg und Intrigue einen großen Machtzuwuchs abringen. Eine erste Gelegenheit zur Ausführung solcher Pläne meinte er in den österreichischen Wirren zu erspähen. Allein er erreichte hier nichts weiter als die Begründung eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen der Union und den protestantischen Ständen Oesterreichs und der böhmischen Lande zu gegenseitiger Begünstigung. Da erfolgte am 25. März 1609 der Tod des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich und mit ihm der Ausbruch des Jülicher Erbstreites. Als damals unter den protestantischen Prätendenten Kurbrandenburg und Neuburg die heimgefallenen Lande in Besitz nahmen, im Dortmunder Vertrag (10. Juni 1609) eine vorläufige Gesammtregierung vereinbarten und die Entscheidung des Erbstreites einem Fürstengerichte oder gütlichem Austrag vorbehielten, als hingegen der Kaiser die Entscheidung des Erbstreites an seinen Reichshofrath zog, die vorläufige Regierung den hinterlassenen Räthen unter Leitung kaiserlicher Commissarien übertrug und an die Spitze der Commissarien den Erzherzog Leopold stellte (14. Juli), der sich der Festung Jülich bemächtigte und die protestantischen Fürsten aus den Landen zu drängen unternahm – da war unter den Unirten und den Gegnern der österreichischen Macht die Auffassung allgemein, daß der Kaiser über die Jülicher Lande zu verfügen suche zum Nutzen sowol der katholischen Kirche als der österreichischen und spanischen Macht. Mit gutem Grunde suchten Brandenburg und Neuburg den Schutz ihres Besitzes bei den kirchlichen wie bei den politischen Gegnern Habsburgs nach: bei der Union, bei Frankreich, England und den Generalstaaten. Da jedoch weder König Heinrich IV. noch die Union ihre Hülfe vereinzelt gewähren wollten, so erschien Fürst Christian von Anhalt im December 1609 am französischen Hof, um einen Vertrag zwischen Frankreich und der Union zu gemeinschaftlicher Unterstützung der Fürsten anbahnen. Und da nun erklärte sich Heinrich nicht nur bereit, das Doppelte von den Leistungen der Union auf sich zu nehmen, sondern er legte dem Fürsten zugleich den Plan eines großen, von Frankreich, den Generalstaaten, der Union und dem Herzog von Savoyen zu unternehmenden Angriffskrieges gegen Spanien vor: es sollte diese Macht, wie Fürst Christian die Absicht auffaßte, bis über die Pyrenäen zurückgewiesen werden. Erregt von der Größe solcher Gedanken, kehrte der Fürst nach Deutschland zurück, um die in Schwäbisch-Hall versammelten Unirten (Januar – Februar 1610) zu dem Entschluß eines großen Unternehmens, unter dessen Erfolgen auch alle in Deutschland und Oesterreich schwebenden Streitigkeiten mit den Katholiken berichtigt werden sollten, fortzureißen. Und in der That, aus den Beschlüssen, die auf seine und Frankreichs Anträge jetzt erfolgten, mußte es sich zeigen, was die Union als selbständige Macht vermochte. Nun bewilligten die Unirten allerdings 4000 Mann zu Fuß und 1000 Mann zu Pferde, um den Erzherzog Leopold aus Jülich zu vertreiben: aber diese Hülfe wurde auf die Zeit von sechs Monaten eingeengt, und die unirten Städte erklärten: weil man damit über den defensiven Zweck der Union hinausgehe, so könne dieser Beschluß von ihnen nicht angenommen [620] werden. Von dem großen Kriege und den damit zusammenhängenden auswärtigen Bedürfnissen durfte man den Städten gar nicht sprechen, die Fürsten aber meinten: wenn Frankreich und die Staaten den Angriff auf eigne Verantwortung unternehmen, so werden sie der gemeinen Sache großen Nutzen schaffen, und wenn dann die Fürsten weder in Jülich noch dem gesammten Reich durch kriegerische Bewegungen beunruhigt werden, so wollen sie dazu ein Hülfsscorps von einigen Tausend Mann stellen. Man begreift es, daß Heinrich IV. solche Erklärungen als unzuverlässig ansah. Vollends wurde der große Plan vereitelt durch die Ermordung des Königs (14. Mai 1610) und durch die ihr folgende Wendung der französischen Politik. Da mußte es genügen, daß die vereinigten deutschen, französischen, englischen und niederländischen Truppen die Festung Jülich zur Uebergabe zwangen und dadurch Brandenburg und Neuburg in den alleinigen Besitz der Jülicher Lande setzten (2. September 1610). Auch dieser Erfolg wurde aber mit der Entkräftung der Union bezahlt. Als nämlich der Erzherzog Leopold die allseitige Erhebung seiner Gegner sah, begann er (seit Januar 1610) in seinem Bisthum Passau eine Truppenmacht zu werben, die allmählich bis auf etwa 12000 Mann stieg. Ein zweites kleineres Heer brachte er in seinem Bisthum Straßburg zusammen, beide im Namen des Kaisers. Die Unirten, hierdurch in nächster Nähe bedroht, beschlossen auf den Tagsatzungen von Heidelberg und Neuburg (März und April 1610) die Aufstellung einiger Streitkräfte zur Vertheidigung, deren Zahl dann durch bedeutende Ueberschreitungen auf beinahe 10000 Mann zu Fuß und 3000 zu Pferde stieg. Um nun aber den so geschaffenen kostspieligen und erschöpfenden Kriegszustand abzukürzen, faßten Kurpfalz, Landgraf Moritz und die Markgrafen von Anspach und Baden den eigenmächtigen Beschluß, durch einen Einfall ins Bisthum Straßburg die gegnerischen Truppen zu zerstreuen. Im Mai 1610 wurde dies Unternehmen unter Führung der beiden Markgrafen begonnen; allein es wurde in der ungeschicktesten Weise geführt, so daß schließlich die unirten und kaiserlichen Truppen in dem Bisthum sich beide behaupteten und es beide verheerten. Darüber erließ der Kaiser ein Mandat, in dem er die Union als gesetzwidrig aufzulösen befahl, und im Monat August hielt der Herzog Maximilian von Baiern eine Tagsatzung der von ihm geschaffenen katholischen Liga, bei der die Aufstellung eines Heeres von 15000 Mann zu Fuß und 4000 Mann zu Pferde beschlossen wurde. Die Union sah sich also durch ein drittes Heer bedroht. In dieser Zeit der wachsenden Noth war die Opferwilligkeit der Pfälzer bewundernswerth. Sie konnten später berechnen, daß bis Ende October von den zur Vertheidigung umgelegten Unionssteuern gegen 100000 Gulden auf sie gefallen seien, und daß sie ungefähr das Dreifache ausgegeben hätten. Eine Landwehrordnung, die schon vor Friedrichs Regierung bestand, aber unter derselben so sorgfältig gepflegt wurde, daß ein allgemeines Aufgebot angeblich 30000 nothdürftig eingeübte Männer versammelt hätte, befähigte die pfälzische Regierung, sowol zu dem Straßburger Einfall, wie zur Vertheidigung der Grenzen viele Tausende von Bauern, Bürgern und Lehensleuten aufzustellen. Indeß, was half diese Thatkraft, da jetzt, wie vorher bei dem Jülicher Unternehmen, wieder der Zwiespalt in der Union ausbrach! Die Städte hatten sich über den Straßburger Einfall zugleich entsetzt und geärgert; sie erklärten: die Fürsten seien damit über die Grenze der Vertheidigung gegangen; folglich könnten die Städte sich weder an der Verantwortung, noch an den Kosten dieses Unternehmens betheiligen. Das geschah in derselben Zeit, da den Fürsten das Geld ausging, und der rückständige Sold der Unionstruppen allmählich (bis Ende September) auf 200000 Gulden anwuchs. Wenn nun kühnere protestantische Staatsmänner bei der Jülicher Verwicklung an einen großen Krieg, bei den oberdeutschen Wirren an die Gewinnung Donauwörths [621] oder gar des Bisthums Straßburg oder an andere günstige Entscheidungen in den schwebenden Machtfragen zwischen Protestanten und Katholiken gedacht hatten, so besorgte man nunmehr die förmliche Auflösung der Union. Schließlich waren die Unirten zufrieden, als sie im Elsaß den Willstetter Vertrag erlangten, der die Abführung des beiderseitigen Kriegsvolks aus dem Bisthum Straßburg bestimmte (24. August), und als sie mit der keineswegs kriegslustigen Liga den Münchener Vergleich (24. October) über beiderseitige Entwaffnung erhandelten. In die Zeit zwischen beide Verträge fällt der Tod des Kurfürsten F. IV. Die Gicht, welche ihn frühzeitg (spätestens 1603) befallen, hatte die untere Hälfte seines Körpers steif und schwach gemacht, welche Schwäche denn freilich, wie der Secretär Kolbinger am 1. Juli 1610 bemerkt, bei seiner Lebensart nicht gemindert werden konnte. Im September ergriff ihn eine Krankheit, der er am 19. dieses Monats erlag.

Vgl. Pareus, Historia Bavaro-Palatina, ed. Joannes, Frankf. 1717. Memoires sur la vie et la mort de … Loyse Juliane, Leiden 1644. Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, Heidelberg 1845. Ritter, Geschichte der deutschen Union, Schaffhausen 1867. Derselbe, Briefe und Acten zur Geschichte des 30jährigen Kriegs, München 1870.