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ADB:Görcke, Moritz

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Artikel „Görcke, Moritz“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 460–461, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%B6rcke,_Moritz&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 12:56 Uhr UTC)
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Görcke: Moritz G. wurde am 26. September 1803 dem Rendanten Gottlieb G. in Stettin als das neunte von zwölf Kindern geboren und wurde als Mann eins der thätigsten Werkzeuge zur Neuerweckung geistlichen Lebens in Pommern und darüber hinaus. Im Elternhause herrschte strenge äußerliche Gottesfurcht, die Kinder wurden zum Gebet angehalten und mußten stets mit gefalteten Händen einschlafen; war das nicht geschehen, so zog die revidirende Großmutter den Pantoffel aus und versetzte dem kleinen Missethäter einen sanften Schlag. Wurde durch diese Art der Erziehung in dem jungen G. auch nicht wahrhaft geistliches Leben erweckt, so wurde er doch vor Abwegen bewahrt. Neben guten Geistesgaben erfreute er sich großer Körperkraft und Gewandtheit und war als Student auf den Universitäten Halle und Berlin ein gefürchteter Schläger, aber für sein inneres Leben nahm er von dort nicht viel mit. Im J. 1827 kam er als Conrector und Hülfsprediger nach Pyritz. Seine klare, warme und sehr entschiedene Predigtweise und treue Seelsorge brachte eine gewaltige Wirkung hervor; Erweckungen folgten bei Jung und Alt, aber auch an scharfer Feindschaft fehlte es nicht. G. nahm letztere sehr kühl auf, und als man ihm einst die Fenster einzuwerfen drohte, erwiderte er ruhig, daß er davon abrathen müsse, er habe eine städtische Amtswohnung und die Bürger würden daher den Schaden selber bezahlen müssen. Die amtlichen Lasten, die auf seinen Schultern ruhten, und die er mit großer Gewissenhaftigkeit besorgte, mehrten sich, als G. im J. 1833 Rector der Stadtschule wurde, er erkrankte von der übermäßigen Arbeit und nahm daher 1836 freudig die Berufung auf eine Landpfarre in Zarben, Synode Treptow a. d. Rega, an. Beim Consistorium war G. nicht eben gut angeschrieben, er war wegen seines seelsorgerischen Wirkens und seiner Erbauungsstunden in den Häusern mehrfach denuncirt worden, und wie in jener dürren Zeit des Rationalismus die kirchlichen Behörden standen, ist bekannt. G. wußte jedoch den trefflichen Consistorialpräsidenten v. Mittelstädt zu beruhigen, wenn er auch nicht verhehlte, „daß es mit dem Conventikelwesen nun auch in Zarben losgehen werde“. Ein energisches Eingreifen war dort aber auch sehr nöthig, denn der Tiefstand kirchlichen Lebens war groß, und die Zustände in der neuen Gemeinde waren arg. Ein Mann hatte einem andern seine Frau verkauft, Trunksucht und Laster aller Art herrschten in erschreckender Weise. Das kräftige Zeugniß des neuen Pastors wirkte auch hier sichtbar, doch muß betont [461] werden, daß sein Wirken durchaus nüchtern und gesund war, und er jede Neigung zu Schwarmgeisterei abwehrte. Daher entging er der ähnlichen Bewegungen leicht verhängnißvoll werdenden Gefahr der Separation. Nur durch Wort und Sacrament wollte er wirken und wies stets und mit starkem Nachdruck auf die Bibel und auf das Gebet. Als einst schon beim Beginn einer Erbauungsstunde die Leute zu schluchzen anfingen, schlug er mit der Faust auf den Tisch und rief: „Kinder, was macht ihr da? Laßt das Heulen sein oder ich mache die Bibel zu!“ Eine traurige Störung kam in das Gemeindeleben durch die Separation. G. stand in der vordersten Reihe der Kämpfer für das Recht der lutherischen Kirche in der Union, aber ebenso entschieden bekämpfte er den Standpunkt der Altlutheraner, die ihn dafür in unverantwortlicher Weise persönlich verketzerten. Für die Heidenmission hatte G. ein brennendes Herz; von den jährlichen Missionsfesten in Zarben, zu denen große Scharen meilenweit strömten, ist reicher Segen ausgegangen; er selbst predigte auf zahllosen Missionsfesten und entwickelte eine erstaunliche Leistungsfähigkeit. Seine Predigtweise war sehr einfach, er redete fließend aber ohne rhetorische Kunst, ohne jedes weichliche, süßliche Wesen, mit natürlicher Derbheit. G. ist vielfach schriftstellerisch thätig gewesen; außer kleinen Schriften und Artikeln für Zeitschriften gab er eine Erklärung der ganzen Bibel, „Das Bibeljahr“, in vier Bänden heraus, auf alle Tage des Jahres vertheilt; besonders hervorzuheben ist aber seine poetische Begabung. Er dichtete gern und viel, doch hat er wol nichts veröffentlicht. Zwei Missionslieder: „Auf, laßt uns Zion bauen“ und „Mach dich auf und werde Licht“ haben im neuen Gesangbuch für Pommern 1896 Aufnahme gefunden. – In vierzigjähriger, reichgesegneter Ehe mit Auguste Wendt, einer ihm geistesverwandten Pastorstochter aus der Umgegend von Pyritz, mit der er sich am 3. October 1830 verheirathete, erlebte er die Freude, daß sein einziger Sohn ganz in seine Bahnen trat. Außer demselben hatte er noch fünf Töchter. Die letzten Amtsjahre wurden durch körperliche Leiden getrübt, der Geist aber blieb lebendig und stark. Am 6. März 1883 erlag er den Folgen eines Schlaganfalls.

Friedemann, Hundertjahr-Erinnerung an Pastor Moritz Görcke in der Neuen Preußischen Zeitung 1903, Nr. 451, nach Görcke’s eigenen Aufzeichnungen.