ADB:Gerber, Ernst Ludwig

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Artikel „Gerber, Ernst Ludwig“ von Thilo Irmisch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 719–721, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerber,_Ernst_Ludwig&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 04:55 Uhr UTC)
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Gerber: Ernst Ludwig G., geb. am 29. Sept. 1746 zu Sondershausen, † am 30. Juni 1819 daselbst. Er war der jüngere Sohn von Heinrich Nic. G. (s. u.). Unter den Vaters Leitung und gefördert durch das damals in [720] Sondershausen herrschende rege Musikleben, beschäftigte er sich, ohne die wissenschaftliche Ausbildung zu versäumen, früh schon praktisch und theoretisch mit der Musik. Er wurde im Clavier- und Orgel-, wie auch im Violoncellspiel tüchtig und componirte auch; früh schon trat bei ihm eine entschiedene Neigung zum Studium der Musikgeschichte hervor. Auf der Schule zu Sondershausen vorbereitet, ging er 1765 nach Leipzig, um Jura zu studiren; doch wandte er sich später fast ausschließlich den schönen Wissenschaften zu. Seine musikalische Bildung fand in Leipzig die mannigfachste und gediegenste Nahrung und Förderung und gewann ihm die dauernde Freundschaft des Capellmeisters Joh. Adam Hiller. Seine schönsten Stunden waren die, in denen er die ausgezeichnete Sängerin Elisabeth Schmehling (spätere Mara) auf dem Clavier begleitete. Nach dreijährigem Aufenthalt in Leipzig ging er nach Sondershausen zurück. Er wurde Musiklehrer der fürstlichen Kinder, Kammermusikus, und als sein Vater, den er in seinem Amte schon unterstützt hatte, 1775 gestorben war, Hoforganist. Glückliche Abwechslung boten ihm Reisen nach Weimar (1772 und 1776), nach Leipzig (1780), wo Hiller ihn freundlich aufnahm, nach Cassel (1786), wo die Oper damals in hoher Blüthe stand, und von dort auf der Heimreise nach Göttingen, wo er den von ihm hochgeehrten Forkel besuchte. Da die Musik am fürstlichen Hofe sich der früheren Gunst und Pflege nicht mehr erfreute, so widmete er fast alle seine Zeit dem Studium ihrer Litteratur und Geschichte; eine Sammlung von Tonkünstlerbildern führte ihn insbesondere auf das biographische Gebiet. In Sondershausen befand sich keine öffentliche Bibliothek, die ihn dabei hätte unterstützen können; zum Verständniß mancher Werke und zur Führung des Briefwechsels war die gründliche Erlernung neuer Sprachen nothwendig. Gerber’s Fleiß und Feuereifer überwand diese und andere Hemmnisse und gewann ihm zugleich bei seinen Arbeiten manche Unterstützung, für die er stets dankbar war. Er rühmt insbesondere die Beihülfe eines Sondershauser Freundes, des Hofmusikus und Kammerregistrators Joh. Wilh. Günther Speck (geb. am 6. Juli 1751, † am 8. Dec. 1797), der unermüdlich für ihn sammelte und excerpirte. So entstand allmählich Gerber’s Werk: „Historisch-biographisches Lexicon der Tonkünstler, welches Nachrichten von dem Leben und Werken musikalischer Schriftsteller, berühmter Componisten, Sänger, Meister auf Instrumenten, Dilettanten, Orgel- und Instrumentenmacher enthält“; es erschien in 2 Theilen 1790 und 92 in Leipzig, dem zweiten Theil ist ein Anhang beigefügt, welcher Nachrichten von Bildnissen, Silhouetten, Büsten und Statuen berühmter Tonlehrer und Tonkünstler, von großen Orgelwerken und ein Instrumentenregister enthält. Das Werk, welches G. selbst als Fortsetzung des Walther’schen Lexikons bezeichnet, fand die verdiente Anerkennung (1810 erschien zu Paris eine von Choron besorgte französische Uebersetzung), und erwarb dem Verfasser viele Freunde und Mithelfer bei den unermüdlich fortgesetzten Arbeiten zur Ergänzung und Berichtigung desselben. Seine Büchersammlung war bedeutend gewachsen; zwei Reisen, von denen die eine, 1793, ihn über Braunschweig nach Hamburg, Altona, Berlin, Halle und Leipzig, die andere, 1797, wieder nach Berlin führte, erweiterten den Kreis seiner Bekanntschaften und Kenntnisse und gewährten ihm geistige Erfrischung; in Berlin entzückte ihn besonders der Gesang der gefeierten Schick. – 1795 erhielt er zu den bisherigen Aemtern als Hoforganist und Kammermusikus auch das eines Hofsecretärs, das mit zeitraubender Rechnungsführung verbunden war; daneben hatte er Unterricht im Clavier- und Orgelspiel und im Gesang zu geben. Er erzählt selbst, daß er nach und nach bis 98 Sinfonien allein von Haydn, den er besonders liebte, für den Hof angeschafft, durchgesehen, von Druckfehlern gereinigt und in den Hofconcerten aufgeführt habe. Später spielte er in den Hofconcerten öfters Violoncell. Ein Muster der Ordnungsliebe [721] und Thätigkeit, wußte er den amtlichen Pflichten streng zu genügen und zugleich seine wissenschaftlichen Arbeiten fortzuführen. Als Ergänzung, nicht als neue Auflage des ersten Werkes, erschien, wie die drei Vorworte von 1802, 5 und 10 beweisen, durch die Kriegsunruhen verzögert, das zweite Werk unter dem etwas veränderten Titel: „Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, welches Nachrichten von dem Leben und den Werken musikalischer Schriftsteller, berühmter Componisten, Sänger, Meister auf Instrumenten, kunstvoller Dilettanten, Musikverleger, auch Orgel- und Instrumentenmacher, älterer und neuerer Zeit, aus allen Nationen enthält“ in 4 Theilen, Leipzig 1812, 13 u. 14; der letzte Theil wieder mit fünffachem Anhange, sowie mit Berichtigungen und Nachträgen. G. war Mitarbeiter an mehreren Zeitschriften, insbesondere an der Leipziger musikalischen Zeitung, in welcher sich u. a. eine interessante Schilderung des großen Musikfestes in Frankenhausen 1810 findet. Erfreulich war es für seinen Lebensabend, daß die Musik unter dem Fürsten Günther Friedrich Karl I. einen neuen Aufschwung gewann. Ein vorzügliches Harmoniecorps wurde eingerichtet, für welches G. mancherlei componirte; später auch ein Theater mit guter Oper. So hatte G. manchen Kunstgenuß; an den Vorträgen des Capellmeisters Hermstedt, eines der ersten Clarinettvirtuosen seiner Zeit, erfreute er sich immer von neuem; fremde Künstler, z. B. Spohr, gaben wiederholt Concerte in Sondershausen. Die lebendigste Theilnahme für alles, was seine Kunst betraf, blieb ihm bis in sein hohes Alter. Unbefangene, herzliche Theilnahme an allem Guten und Schönen, war ein Grundzug seines Wesens; sie spricht sich überall auch in seinen Schriften aus. Der treffliche Mann, in welchem man nicht nur den Kunstgelehrten, sondern auch den sittlich tüchtigen Charakter verehrte, starb hochbetagt, nachdem er zwei Tage zuvor sich noch an einer Opernvorstellung erfreut hatte und als er zur Anhörung von Cherubini’s Wasserträger eingeladen werden sollte, ganz plötzlich in Folge eines Schlaganfalls. Seine Grabstätte ist von einer Verwandten, die sein Hauswesen geführt und ihn beerbte – er war nicht verheirathet – mit einem einfachen Denkmale versehen worden. Seine musikalische Bücher- und Bildersammlung kam durch Kauf sofort nach seinem Tode in den Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien; seine wichtige Musikaliensammlung und seine umfangreiche Correspondenz sind leider zerstreut worden und wol zum größten Theil verloren gegangen. Eine Partie der von ihm und seinem Vater gefertigten Abschriften älterer Compositionen, von Buxtehude, Pachelbel, J. S. Bach u. A., kam vor Kurzem aus einem Frankfurter Antiquariate in den Besitz des Hrn. Dr. Erich Prieger in Berlin.

Man sehe Gerber’s Autobiographie in seinem N. L. der Tonkünstler, 2. Thl. Sp. 293–305.