Zum Inhalt springen

ADB:Hoffmann, Johann Gottfried

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hoffmann, Johann Gottfried“ von Karl Theodor von Inama-Sternegg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 598–604, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffmann,_Johann_Gottfried&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 08:19 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 12 (1880), S. 598–604 (Quelle).
Johann Gottfried Hoffmann bei Wikisource
Johann Gottfried Hoffmann in der Wikipedia
Johann Gottfried Hoffmann in Wikidata
GND-Nummer 116939710
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|12|598|604|Hoffmann, Johann Gottfried|Karl Theodor von Inama-Sternegg|ADB:Hoffmann, Johann Gottfried}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116939710}}    

Hoffmann: Johann Gottfried H., Staatsmann, Statistiker und Nationalökonom, war geboren zu Breslau am 19. Juli 1765, widmete sich den humanistischen Studien am Elisabethgymnasium daselbst und bezog im J. 1784 die Universität Halle, um die Rechte zu studiren; in der Folge wandte er sich nach Leipzig, wo eine eigens für Schlesier bestehende Universitätsstiftung dem unbemittelten Studenten das Fortkommen erleichterte und ihm erlaubte, neben der Jurisprudenz besonderen wissenschaftlichen Neigungen nachzugehen, die sich im Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, der Länder- und Völkerkunde äußerten. Hier knüpfte er auch enge freundschaftliche Beziehungen mit seinem Landsmann Dr. S. G. Wald an, dem er dann 1787 nach Königsberg folgte, als dieser als ordentlicher Professor der griechischen Sprache dorthin berufen wurde. Nach absolvirten Universitätsstudien nahm H. 1788 eine Hauslehrerstelle in Memel an, um sich zugleich für das akademische Lehramt vorzubereiten, wozu er von Professor Wald die erste Anregung erhalten hatte. Seine beschränkten Vermögensverhältnisse aber zwangen ihn, sich zunächst um eine sichere Stelle umzusehen, und so nahm er 1792 einen Antrag an, als Disponent in die Administration der Pinnauer Fabriken, einer Anlage verschiedenartiger Mühlenwerke, einzutreten. Die Stellung war materiell günstig, befriedigte aber keineswegs seinen Drang nach wissenschaftlicher Arbeit, und so gab er sie 1798 wieder auf, um in Königsberg zuerst am Collegium Fridericianum, dann an der 1801 errichteten Kunstschule für Bauhandwerker als Lehrer zu wirken. Zugleich bekam er in Folge seiner Sachkenntnisse und praktischen Erfahrungen von der ostpreußischen Regierung Aufträge in Mühlenbauangelegenheiten und wurde 1803 auf Betrieb des Präsidenten von Auerswald, der den klaren und kenntnißreichen jungen Mann mit seiner unermüdlichen Arbeitskraft schon bald [599] schätzen gelernt hatte, als Bauassessor bei der ostpreußischen Kriegs- und Domänenkammer angestellt. In dieser Stellung erwarb er sich durch seine hervorragenden Eigenschaften, wie durch die in seiner Erstlingsschrift „Das Interesse des Menschen und Bürgers an der bestehenden Zunftverfassung“ (1803) ausgesprochenen freisinnigen und doch staatsmännisch überlegten Ansichten über die Reform der Gewerbeordnung so sehr das Vertrauen seines Präsidenten, daß dieser ihn als Referenten in besonders schwierigen Verwaltungsfragen wählte und ihm speciell die Bearbeitung des Gutachtens übertrug, welches Freiherr von Stein im J. 1806 von den Präsidenten mehrerer Provinzen über die projectirte neue Einrichtung der statistischen Tabellen und über das Verfahren bei der Aufnahme des statistischen Materials erbeten hatte. Die in diesem Gutachten bekundete Klarheit seiner wissenschaftlichen Einsicht in die Bedürfnisse und Aufgaben der Statistik, sowie ein kurz darauf vorgelegter Aufsatz, in welchem er der Regierung seine Ideen vortrug, wie die Verwaltung des Staates nach wiederhergestelltem Frieden zu verbessern sei, verschafften ihm unerwartet eine Berufung an die Universität Königsberg (1807), wo er als Nachfolger von Kraus die Kanzel der praktischen Philosophie und Kameralwissenschaft übernahm. Aber schon am Ende des folgenden Jahres, nachdem er noch eine Schrift über die Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit der Regierung vorgelegt hatte, wurde ihm bei der neuen Organisation die Stelle eines Staatsrathes in der von dem geh. Staatsrathe v. Schön geleiteten Ministerialsection für gewerbliche Angelegenheiten übertragen. Als dann im J. 1810 die Universität Berlin gegründet und zugleich das statistische Büreau wieder ins Leben gerufen wurde, ward H. unter Beibehaltung seiner Stellung im Ministerium des Innern zum Professor der Staatswissenschaften und zugleich, wie selbstverständlich, zum Director des statistischen Bureau ernannt, dessen neue Organisation ja ohnehin wesentlich auf seinen Vorschlägen beruhte. In dieser letzteren Stellung trat er mit Hardenberg in nähere Beziehungen, seit dieser das statistische Büreau unter seine unmittelbare Oberleitung genommen hatte und wurde in der Folge (1812) auch als Mitglied der Immediat- und Finanzcommission beigezogen, welche unter der persönlichen Leitung des Staatskanzlers die Staatsgeldinstitute verwalten sollte. Auch hier wußte H. sich wieder das ganz besondere Vertrauen des Staatskanzlers zu erwerben, der ihn dann 1813 auch zu seinem vortragenden Rathe machte, ihn in das Hauptquartier der Verbündeten, später wieder nach Paris zu den Friedensverhandlungen und 1815 zum Congreß nach Wien als Beirath besonders in den statistischen Fragen der neuen Gebietsveränderungen nahm. Seine Professur legte er in Folge dieser vermehrten, praktischen Thätigkeit nieder und auch die Leitung des statistischen Büreau mußte eine Zeit lang in die Hände der daselbst angestellten Räthe gelegt werden. Als dann nach Beendigung der Friedensverhandlungen die Verhältnisse der inneren Verwaltung des preußischen Staates wieder neu geordnet wurden, ward H. im Jahr 1816 mit dem Charakter eines geh. Legationsrathes in das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten versetzt, 1817 wirklicher geh. Oberregierungsrath und Mitglied des Staatsraths, und stand in der 2. Abtheilung desselben als vortragender Rath, dann als stellvertretender Director. Daneben übernahm er aber sofort wieder die Direction des statistischen Büreau, während er die Professur vorläufig noch nicht wieder antrat. Im J. 1821 aber folgte er doch wieder seinen alten Neigungen zum Lehramte und übernahm die Professur an der Universität Berlin, welche seit seinem Abgange unbesetzt geblieben war, wogegen er aus dem Ministerium ausschied, seine Stellung im Staatsrathe aber beibehielt.

Von da an erst gehörten seine Leistungen vorwiegend der wissenschaftlichen Durchbildung der Statistik, der Staats- und Volkswirthschaftlehre, [600] wenn er auch in der Folge den praktischen Arbeiten der Staatsverwaltung nicht ferne blieb. Im J. 1832 ernannte ihn die königl. Akademie der Wissenschaften zu ihrem wirklichen Mitgliede, 1834 aber mußte er die Professur wegen Abnahme seines Sehvermögens niederlegen. Die Stellung als Director des statistischen Büreau aber behielt er ununterbrochen bis 1844 bei und war bei demselben fortwährend in umfassendster Weise thätig; nur die zeitweilige Unterstellung des Büreau unter das Ministerium des Innern, wodurch es seine Selbständigkeit einbüßte, veranlaßte ihn, sich während dieser Zeit von den laufenden Geschäften des Büreau zurückzuziehen; als aber 1834 dasselbe wieder dem gesammten Staatsministerium untergeordnet wurde, nahm H. auch die ganze Direction wieder in seine Hände. H. selbst bezeichnete als seinen würdigsten Nachfolger seinen Lieblingsschüler, den damaligen geheimen Oberregierungsrath Dieterici, der denn auch im December 1834 die Professur und nach Hoffmann’s Pensionirung im J. 1844 auch die Stelle des Directors am statistischen Büreau erhielt. Seine letzten Lebensjahre verwendete H. auf Sammlung seiner vielfach zerstreuten Aufsätze und Abhandlungen, an welche er noch die letzte bessernde Hand anlegte, übergab sie als sein geistiges Vermächtniß der Oeffentlichkeit und starb am 12. November 1847, ein Mann, dem wie wenigen, das Glück beschieden war, in einer großen Zeit zu leben, dieselbe mit vollem Verständniß zu erfassen und für sie in den einflußreichsten Stellen zu wirken, seine Fähigkeiten in der umfassendsten Weise auszubilden, und ein langes Leben bis zur Neige in geistiger Frische auszuleben. Sein politisches Wirken war, obschon er niemals an leitender Stelle stand, doch ebenso mannigfaltig wie einflußreich. Er nahm an allen Vorbereitungen zur großen Reformgesetzgebung des J. 1808 Antheil, wie er auch als besonderer Vertrauensmann Hardenberg’s bei allen Gesetzesvorschlägen für die innere Verwaltung in den Jahren 1811 und 1812 thätig war. Auf die Gestaltung der Territorialverhältnisse, wie sie theils durch den Pariser Frieden, theils durch den Wiener Congreß bestimmt wurden, nahm H., der als Statistiker der unentbehrliche Begleiter Hardenbergs in Paris, London und Wien war, bestimmenden Einfluß. Seine erste Arbeit auf diesem Gebiete dürfte die Vorlage sein, welche er im October 1813 über die Verhältnisse der im Frieden von Tilsit abgetretenen Theile von Westpreußen erstattete. Auch über die künftige Begrenzung des preußischen Staates gingen ihm von der Regierung Gutachten und Vorschläge zu, sowie er über die statistischen Aufstellungen einvernommen wurde, welche die an andre deutsche Staaten auszutauschenden Landestheile betrafen. Und auch bei den aus den letzten Abtretungen jener Periode hervorgegangenen Liquidationsverhandlungen war er thätig. Nicht minder wurde er noch später, als er seine Stellung im Ministerium des Auswärtigen bereits aufgegeben hatte (1821), doch noch vielfach von Seiten dieses Ministeriums zu ähnlichen gutachtlichen Berichten aufgefordert, so z. B. bei der Theilung des Königreichs der Niederlande und in der luxemburgischen Theilungssache. Einen Hauptantheil hatte er seit 1817 an den Berathungen des Staatsraths über Steuern, Staatsschulden, Münze und gewerbliche Verhältnisse bis zum J. 1826. Mehre umfassende Gesetzentwürfe sind hier von ihm ausgearbeitet worden, wie z. B. über die neue Ordnung des preußischen Münzwesens (Münzgesetz vom 30. Sept. 1821), über eine neue Stempelordnung (1821); in einem Gutachten vom J. 1820 sprach er sich über die Beschäftigung der Kinder in den Fabriken aus, und gab darin Zeugniß von seiner beständigen Aufmerksamkeit für die bereits damals beginnenden Schäden der Fabriksarbeit und von seinem lebhaften Bestreben, den Staat zur wirksamen socialen Hülfe heranzuziehen; in einem andern ausführlichen Promemoria unterwarf er das ganze Abgabensystem unter specieller Berücksichtigung der indirecten Besteuerung einer eingehenden Kritik und 1831 nahm er Theil an den Vorarbeiten [601] zu einem allgemeinen Maß-, Gewichts- und Münzsystem. Seit 1812 hatte er als Mitglied des Finanzcollegiums auch Einfluß auf die Verwaltung der Staatsgeldinstitute und war Mitglied des Curatoriums der Seehandelsgesellschaft. Die auf Grund des Edikts vom 30. Juli 1812 durchgeführte neue Organisation der Kreise und Gemeinden beruhte im Wesentlichen auf den von H. aufgestellten Grundsätzen zur Eintheilung des Staates in Kreise für die Polizei und zur Eintheilung der Kreise in Gemeinden, in welchen er unter möglichster Schonung der überkommenen Einrichtungen doch das Prinzip der Ausschließlichkeit der Gemeindebezirke als unterste Theile der territorialen Ordnung vertrat. „Es muß kein Fleck im ganzen Lande sein, von welchem nicht unstreitig bekannt ist, zu welcher Gemeinde er gehört.“ Im Ganzen trägt sein vielseitiges praktisches Wirken den echten Stempel jenes geistesfrischen und kenntnißreichen, hingebenden und pflichtbewußten preußischen Beamtenthums, wie es in gleicher Gediegenheit vielleicht zu keiner Zeit und in keinem Staate wieder bestand, und zu den großartigsten Erfolgen der Neubegründung und inneren Stärkung des preußischen Staatswesens beigetragen hat. Wo immer von jener großen Zeit und ihren politischen Schöpfungen geredet wird, darf der Name Hoffmann nicht ungenannt bleiben. Kein großartig angelegter Geist, kein schöpferischer Staatsmann, ist er doch als eine jener unentbehrlichen geistigen Kräfte zu bezeichnen, ohne deren hervorragende Mitwirkung es auch den genialsten Staatsmännern nicht gelingen kann, Großes erfolgreich zu vollbringen und dauernd zu begründen.

Als Statistiker hat H. geradezu eine neue Aera der administrativen Statistik begründet. Ihm verdankt Preußen sein vorzüglich eingerichtetes statistisches Büreau, das für ganz Europa eine Musteranstalt geworden ist. Dasselbe war zwar schon 1805 durch den schöpferischen Geist des Freiherrn von Stein ins Leben gerufen worden; seine Arbeiten wurden aber durch die französische Occupation des Jahres 1806 unterbrochen; das Büreau hörte thatsächlich auf zu existiren. In demselben Jahre aber trat H. mit einem umfassenden Gutachten über die künftige Einrichtung der Statistik und mit einem Schema zu einer statistischen Tabelle des preußischen Staates auf, in welchem er nicht blos an der bisherigen Praxis der Statistik scharfe Kritik übte, sondern zugleich eine solche Fülle neuer und bedeutsamer Vorschläge machte, daß dieses Document, die erste statistische Arbeit Hoffmann’s, das bedeutendste genannt werden kann, was in einer langen Periode der preußischen Statistik geschaffen wurde. Als daher nach der neuen Organisation der obersten Staatsbehörden im J. 1808 auch die Vorbereitungen zur Wiedererrichtung des statistischen Büreau getroffen wurden, war es begreiflich, daß H. ganz besonders zur Abgabe eines Gutachtens über die Einrichtung desselben aufgefordert wurde. In dem eingehenden, bis auf die einzelnen Tabellenentwürfe ganz durchgearbeiteten Promemoria hatte H. neben untergeordneten Beamten den Kriegsrath Engelhart für den geographischen Theil, den schon am alten Büreau beschäftigten Kriegsrath Krug (den bekannten Nationalökonomen) und als Vorstand den Mathematikprofessor Hobert vorgeschlagen, für sich selbst aber an dem neuen Institut eine Stellung nicht ins Auge gefaßt. Dennoch wurde, nachdem die Einrichtung des Büreau im August 1810 erfolgt war, H. am 4. October zum Director desselben ernannt und ihm die beiden von ihm vorgeschlagenen Räthe untergeordnet. Ein volles Menschenalter hindurch hat er von da an seine Arbeitskraft der Ausbildung der Statistik in dieser seiner eigensten Schöpfung gewidmet, und, wo er fast alles neu begründen mußte, hat er für alles feste Ordnung und eine wohlbegründete Tradition hinterlassen. Schon die Art und Weise, wie er den Zweck und Wirkungskreis des Büreau bezeichnete, spricht von den großen Aufgaben, die er demselben setzte. „Das Büreau hat den Zweck, Materialien zur Kenntniß [602] der Kräfte des preußischen Staates mit möglichster Vollständigkeit zu sammeln und dergestalt zu ordnen, daß sämmtliche Oberbehörden daraus jederzeit mit Leichtigkeit eine Uebersicht der gegenwärtigen Staatskräfte und der Wirkungen, welche einzelne Begebenheiten und Anordnungen auf die Vermehrung oder Verminderung derselben äußern, erhalten können.“ Zugleich spricht sich darin aber auch die vorwiegend ja ausschließlich praktische Beziehung des Büreau auf die Zwecke und Bedürfnisse der preußischen Administration aus, wie sie der ganzen Geistesrichtung Hoffmann’s zu eigen war und selbst in seinen volkswirthschaftlich-theoretischen Schriften immer wieder Ausdruck gefunden hat. Diesem an sich schon äußerst weitgesteckten Ziele, das überdies noch beständig neue Aufgaben hervorrief, konnte nur durch eine möglichste Beschränkung in den statistischen Erhebungen einigermaßen entsprochen werden. Und darauf war Hoffmannn’s Streben auch mindestens eben so sehr gerichtet, wie auf ganze Vollständigkeit der statistischen Uebersicht über alle Grundkräfte und Grundverhältnisse des Staatslebens. Gerade aber die stoffliche Beherrschung und vielseitige Kenntniß der Lebensverhältnisse, welche H. auszeichnete, gab ihm auch die Möglichkeit, die Erhebungen durch die äußeren Aemter und Behörden auf das äußerste Maß des Unentbehrlichen zu beschränken, alles Unerhebbare aber oder nicht zuverlässig zu Erhebende auszuscheiden. Ja er scheint aus Rücksicht vor dem Beamtenthum und aus Achtung vor dem Urtheile der Oberbehörden, wo diese statistische Arbeiten von sich abwälzen wollten, sogar allzu nachgiebig und bereit, seine eigenen weitergehenden Postulate einzuschränken. Nur auf dem Gebiete der Agrar-, besonders Productionsstatistik ist er aus eigener Ueberzeugung so gut wie gar nicht thätig gewesen, da er alle Versuche der Art für werthlos hielt; und darin fand er sich, wie in so manchen andern Fragen, selbst mit Freiherrn von Stein in Uebereinstimmung, der sich gleichfalls, selbst durch den Hinweis auf gelungene Versuche einer Ernte- und Productenstatistik, nicht von ihrer praktischen Ausführbarkeit überzeugen lassen wollte. Und in ähnlicher Weise verhielt sich H. der Meteorologie gegenüber gleichgültig. Es ist begreiflich, daß bei solchem Umfange der statistischen Arbeiten nicht alles von gleichem Werthe sein konnte, wenngleich H. bis in seine späten Lebensjahre überall persönlich thätig war, die Listen selbst bearbeitete und die Berichte über die Aufnahmen dem Könige vorlegte. Seine speciellsten Verdienste liegen jedenfalls auf dem Gebiete der Bevölkerungsstatistik, wo er insbesondere die Grundsätze der Volkszählung wesentlich verbesserte und den Berechnungen der mittleren Lebensdauer durch eine ganz neue bisher unbekannte Ermittelung der Sterblichkeitsverhältnisse in den einzelnen Lebensjahren (Absterbeordnung) seit 1811 eine neue fruchtbare Richtung gab. Daneben hat er hervorragendes für die Preisstatistik durch laufende Erhebung der monatlichen Marktpreise von Lebensbedürfnissen in 38, später 60 Städten, für die Statistik des Waarenverkehrs durch Ordnung der zollamtlichen Anschreibungen geleistet. Und ganz besonders gilt es auch als ein Verdienst Hoffmann’s, durch sorgsame Pflege der Finanz- speciell der Steuerstatistik die Grundlagen für eine exacte Beurtheilung der Einkommens- und Wohlstandsverhältnisse geschaffen und den Weg der Ausbeutung dieser statistischen Erhebungen für socialpolitische Probleme gezeigt zu haben. Dem gegenüber, was H. für das praktische Staatsleben und für die Durchbildung der Statistik geleistet hat, fallen seine Verdienste um die wissenschaftliche Förderung der Nationalökonomie nicht so schwer ins Gewicht. Zwar hat er in der akademischen Abhandlung über die wahre Natur und Bestimmung der Renten aus Boden- und Kapitaleigenthum, ungefähr[WS 1] gleichzeitig mit F. B. W. Hermann, und wohl unabhängig von ihm, der Rentenlehre in ihren Grundzügen schon jene erweiterte Anwendung zugewiesen, wie sie die neuere Nationalökonomie fast allgemein angenommen hat; [603] und er ist zu diesen Anschauungen durch eine richtige Beurtheilung der in Grund und Boden thätigen Productionsfactoren gekommen; aber er ist hier doch mehr nur bei der Aufstellung der Thesen stehen geblieben, ohne sie durch eine sorgsame, in das Wesen der Güterquellen tief eindringende Analyse zu stützen und zu beweisen. Aehnlich aber ist sein Versuch, die Malthus’sche Bevölkerungslehre durch den Nachweis eines gleichmäßig möglichen Wachsthums der Bevölkerungszahl und der Unterhaltungsmittel zu verbessern, so richtig die darin ausgesprochene Ansicht und der zu ihrer Verfechtung angedeutete Weg ist, doch auch mehr geeignet, von den gesunden Ideen als von der Kraft des Mannes zur Durchbildung einer wissenschaftlich haltbaren Lehre zu zeugen. Auch mit seiner Lehre vom Gelde, welche in dem Vorschlag der allgemeinen Einführung der Goldwährung gipfelt, nicht so fast eine Theorie des Geldes als eine Fülle praktischer Beobachtungen über den Geldgebrauch und praktische Winke über die Modalitäten des Währungswechsels enthält, hat er keine neue Bahn der Erkenntniß des Wesens und der Funktionen des Geldes gebrochen, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß die theoretischen Ausführungen über Wesen und Zweck des Geldes, mit welchen er seine Schrift beginnt und über die staatswirthschaftliche Wirksamkeit des Metallgeldes, womit er sie schließt, zu dem besten gehören, was zu seiner Zeit über das Geld gelehrt worden ist; und auch in seiner Vertheidigung der Goldwährung hat er wieder das Richtige mehr getroffen, als streng erwiesen. Auch in seinen finanzwissenschaftlichen Schriften, in denen er die Einkommensteuer aus überwiegend praktischen, die Grundsteuer aus theoretischen Bedenken verwirft und letztere als ablösbare Reallast betrachtet wissen will, die volkswirthschaftlich schädlichen Regalien zu beseitigen, die einträglichen indirecten Steuern und Zölle aber zu pflegen empfiehlt, spiegelt sich wieder die gleiche Mischung der hervorragenden praktischen Beobachtung und scharfsinnigen Gedanken mit der Unsicherheit einer wissenschaftlich durchgebildeten Beweisführung, gewiß ein Hauptgrund, warum seine Ideen über die Unrichtigkeit der Grundsteuer, ja, wegen der unkontrolirbaren Ueberwälzungsvorgänge, aller directen Steuern vom Ertrag besonderer Vermögenstheile so wenig nachhaltig in der Finanzwissenschaft gewirkt haben, obschon sie unbestreitbar einem zutreffenden Urtheile über ihre volkswirthschaftliche Wirkung entsprungen sind. In Fragen der volkswirthschaftlichen Politik endlich war H. ebenso radical, wenn es sich um Beseitigung älterer corporativer Einrichtungen besonders der Zünfte handelte („der Corporationsgeist strebt ewig dem Gemeingeist entgegen“), wie er doch in Befürwortung der Gewerbefreiheit bedächtig die möglichen Gefahren vom Standpunkte der absolutistischen Wohlfahrtspolizei erwog. Die in einer späteren Schrift empfohlene Einführung freier gewerblicher Innungen, nachdem er doch in seiner Jugend so entschieden gegen die Zünfte aufgetreten war, ist nicht so fast als ein Umkehren, denn als Aeußerung des großen Unterschieds anzusehen, den eine absolute Regierung zwischen der Bedeutung althergebrachter festgeschlossener Korporationen und neuer von ihr selbst geschaffener oder gehaltener „freier“ Vereinigungen gemacht hat. So zeigt das Bild, das wir von H. als Nationalökonomen haben, doch gleichfalls die Züge eines bedeutenden Mannes, der zur Klärung und Erweiterung der volkswirthschaftlichen Anschauungen vieles beigetragen hat, ohne doch auf irgend einem Gebiete der Wissenschaft bahnbrechend geworden zu sein. Daß er die Methode der Erforschung volkswirthschaftlicher Thatsachen und Vorgänge in seinen statistischen Arbeiten so wesentlich gefördert hat, wird ihm die Nachwelt gewiß nicht in letzter Reihe zum großen Verdienste anzurechnen immer Anlaß haben.

An selbständigen Schriften Hoffmann’s sind hervorzuheben: „Uebersichten der Bodenfläche und der Bevölkerung des preußischen Staates“, 1817; „Beiträge zur [604] Statistik des preußischen Staates“, 1821; „Neueste Uebersicht der Bodenfläche, der Bevölkerung und des Viehstandes“, 1833; „Die Lehre vom Gelde“, 1838; „Die Bevölkerung des preußischen Staates nach den Ergebnissen der zu Ende des Jahres 1837 aufgenommenen Nachrichten in staatswirthschaftlicher etc. Beziehung dargestellt“, 1839; „Uebersicht der Geburten, neuen Ehen und Todesfälle in den Jahren 1816–1841, nach den für die Stadt Berlin aufgenommenen Tabellen“, 1843; „Die Lehre von den Steuern“, 1840; „Die Befugniß zum Gewerbebetriebe“, 1841; „Das Verhältniß der Staatsgewalt zu den Vorstellungen ihrer Untergebenen“, 1841; „Sammlung kleiner Schriften staatswirthschaftlichen Inhalts“, 1843; „Nachlaß kleiner Schriften“, 1846. Außerdem sind in dem „Preußischen Archiv“, herausgegeben von der deutschen Gesellschaft in Königsberg 1789–91, in den Annalen des Königreichs Preußen von Schmalz und Baczko 1792–93, in der preußischen Staatszeitung seit 1828 und in der von dem Verein für Heilkunde herausgegebenen medicinischen Zeitschrift seit 1835 viele Aufsätze von H. statistischen, staatswirthschaftlichen, auch technologischen Inhalts, meist mit H. gezeichnet; einzelnes auch in der historisch-politischen Zeitschrift von 1832 (Zollwesen), im allgemeinen Anzeiger der Deutschen 1840 und in den „Zeitinteressen“, 1842 (Münzwesen). Seit 1832 enthalten auch die Schriften der Berliner Akademie zahlreiche Beiträge von H., von denen die meisten in seine kleinen Schriften aufgenommen sind, die Abhandlung über die Wirkungen der asiatischen Cholera im preußischen Staate während des Jahres 1831 aber besonders herausgegeben wurde.

Sehr ausführliche Angaben über sein Wirken und alle seine Schriften und Aufsätze in R. Böckh, Die geschichtliche Entwickelung der amtlichen Statistik des preußischen Staates, 1863. Biographisches auch im Conversationslexikon der Gegenwart, 1839. Nowack, Schles. Schriftstellerlex. 6. Heft. Neuer Nekr. 1847. Roscher, Gesch. d. Nationalökonomik, S. 732–743.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: unge- gefähr