ADB:Karpfanger, Berend Jacobsen

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Artikel „Karpfanger, Berend Jacobsen“ von Werner von Melle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 419–421, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karpfanger,_Berend_Jacobsen&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:04 Uhr UTC)
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Karpfanger: Berend Jacobsen K., Hamburger Seecapitän und Admiral, geb. zu Hamburg im J. 1623, stammte aus einer dort eingebürgerten niederländischen Seefahrerfamilie. Frühzeitig sich ebenfalls dem Seedienste widmend, stieg er rasch vom Schiffsjungen zum Führer eines Handelsschiffes empor. Als solcher erwarb er 1655 das Bürgerrecht der Stadt Hamburg und befuhr nun bei günstiger Jahreszeit auf eignem Schiffe die damals dem Handel seiner Vaterstadt erschlossenen nordischen und südlichen Meere, während er die Wintermonate hindurch in Hamburg auf vielfache Weise zum Besten des Gemeinwesens thätig war. Er fungirte nämlich nicht nur in der Corporation der seefahrenden Schiffer als Vorsteher, sondern er hatte auch Sitz und Stimme in der Admiralität, dem Admiralitätsgerichte und der die erste Handelsbehörde des Freistaates bildenden Commerzdeputation. Daneben war er noch Mitglied eines der bürgerlichen Kirchencollegien, denen nach der damaligen hamburgischen Verfassung sehr wichtige politische Rechte zustanden. Aus allen diesen bürgerlichen Ehrenämtern mußte K. scheiden, als er sich 1674 entschloß, in den Hamburgischen Staatsdienst zu treten und den Posten eines Convoycapitäns zu übernehmen. Die nunmehr von ihm befehligte Fregatte „Kaiser Leopoldus“, ausgerüstet mit 150 Seeleuten, 80 Marinesoldaten und 54 Kanonen, war eins der Orlog- oder Kriegsschiffe, welche die Stadt Hamburg zur schirmenden Convoyirung ihrer Handelsflotten gegen die damals so häufigen Angriffe feindlicher Corsaren unterhielt. Solche Convoyfahrten gingen, wie es die damalige Richtung des Hamburgischen Seehandels erforderte, sowohl in die nordischen Meere zum Schutz der Grönlands- und Archangelfahrer als in die Westsee und das Mittelmeer. Alle großen Hafenplätze dieser Meere, wo Hamburgische Niederlassungen waren, z. B. Lissabon, Cadix, Malaga, Livorno waren auch Stationen der Convoyschiffe. Je 20–30, ja oft 40–50 Kauffahrer bildeten diese zu schützende Handelsflotte und sammelten sich um die Fregatte wie wehrloses Volk um einen gewappneten Mann. Der Capitän derselben übernahm den Oberbefehl mit dem Range, der Macht und der Verantwortlichkeit eines Admirals. Nicht nur die Vertheidigung gegen Seeräuber, sondern auch die gegen Wind und Wetter, die nautische sowohl wie die strategische Führung war ihm anvertraut. Außerdem hatte er die diplomatischen Verhandlungen in den Häfen, zuweilen auch an fremden Höfen zu leiten und mußte daher einige Uebung in Geschäften besitzen und mit großen Herren umzugehen wissen, „damit die Stadt Ehre und Ruhm davon habe“. Für dieses wichtige Amt war nun unser K. eine in jeder Beziehung geeignete Persönlichkeit, denn er galt in nautischer Beziehung als Autorität, hatte sich auch bereits auf seinen früheren Fahrten vielfach mit Türken und anderen Piraten herumgeschlagen und war nach dem Urtheil seiner Zeitgenossen „ein gar feiner, zierlicher Mann, der sich überall wohl aufzuführen verstand“. Am 14. Juli 1674 empfing er von dem ersten Bürgermeister der Admiralität einen silbernen Degen und den Admiralstab und schwur dann vor versammeltem Senat, bei der Defension der anvertrauten Flotte mannhaft zu stehen und eher Gut und Blut, Leib und Leben zu opfern, als sie und sein Schiff zu verlassen, – ein Gelübde, das er getreu bis in den Tod erfüllt hat Die Fahrten, welche K. dann im Dienste des Hamburgischen Staates alljährlich nach Cadix, Malaga, Lissabon oder ins nördliche Eismeer unternahm, waren reich an Gefahren und Abenteuern, denn die Kaufleute waren zu damaliger Zeit auf See keinen Augenblick ihres [420] Gutes und Lebens sicher. Einmal wurde der mit seiner Flotte heimkehrende K. sogar noch an der Elbmündung von fünf französischen Kapern angegriffen, der Capitän aber wußte sofort Anstalten zu treffen, daß die seiner Obhut anvertrauten Schiffe völlig gedeckt blieben, während er selbst den Kampf mit den Piraten ausfocht. Dieser dauerte 12 Stunden; zwei der feindlichen Schiffe wurden in den Grund geschossen, so daß sie mit Mann und Maus versanken, die übrigen aber mußten schließlich das Weite suchen. Ein ander Mal galt es, sich brandenburgischen Kapern gegenüber vorsichtig zu benehmen, denn K. hatte strenge Ordre, nur defensiv zu verfahren. Das große hamburgische Admiralsschiff flößte den Brandenburgern Respekt ein; sie sandten daher nur eine Schaluppe mit zwei Offizieren zum Gruß. Man trank nun miteinander, verabschiedete sich höflich und gab schließlich beiderseits Salutschüsse ab. Aehnlich wie hier die Brandenburger fürchteten bei anderer Gelegenheit am Cap St. Vincent drei türkische Seeräuber die Stärke der Hamburger. Sie machten sich nämlich, wie K. berichtet, schnell davon, „weil der Kaiser Leopoldus ein gar zu ernsthaftes Gesicht machte und sie keine Weitschichtigkeit mit ihm befahren wollten“. Diesen und andern Piraten konnte K. nicht nachfolgen, ohne die ihm anvertraute Handelsflotte unnöthig aufzuhalten und zu gefährden. Wohl aber hielt er es für angemessen, auf einer seiner Südfahrten die spanische Silberflotte im Kampf mit türkischen Seeräubern wirksam zu unterstützen. Das Treffen stand bereits ungünstig für die Spanier, einige schwere Gallionen waren abgeschnitten und wurden von den Türken bewältigt. Da kam unversehens K. hinzu, ließ sofort seine gewichtigen Kanonen gegen die Piraten donnern und befreite nach tapferem Kampfe die spanischen Schiffe. Zum Dank für diese kühne und wohlausgeführte That ward er an den Hof Karls II. von Spanien geladen und vom König persönlich mit einer goldenen Ehrenkette beschenkt. Auch mit anderen einflußreichen Persönlichkeiten kam der schlichte Capitän auf seinen vielfachen Fahrten in Berührung. So wurde er z. B. von dem König von England, dessen Schiffe er im Canale traf, zur Tafel geladen und von den holländischen Admirälen Tromp und de Ruyter in ehrenvoller Weise begrüßt. Seine mühevollen Reisen wurden in der Regel durch einen verhältnißmäßig kurzen Aufenthalt in Hamburg unterbrochen. Leider fehlte es ihm aber auch dann nicht an Sorgen und Unannehmlichkeiten mannigfacher Art. In Hamburg nämlich begann fast immer ein Mäkeln mit den Behörden um die aufgewandten Unkosten, ein lästiges Schreiben von Berichten und eine peinliche Verantwortung wegen einzelner Dispositionen, deren Nothwendigkeit den Herren am grünen Tisch nicht einleuchten wollte. Gelang es auch K. leicht, sich in jedem Falle gebührend zu rechtfertigen, so waren doch die vorangehenden Weitläufigkeiten dem von seiner Fahrt ermüdet heimkehrenden Seemann äußerst verdrießlich. – Im Juli 1683 trat K. seine letzte Fahrt an, und zwar diesmal, da der „Kaiser Leopoldus“ Reparaturen bedurfte, mit dem „Wappen von Hamburg“, einer anderen hamburgischen Fregatte. Die Flotte gelangte glücklich nach Spanien, erledigte dort ihre Geschäfte und sollte bereits in kurzer Zeit wieder gen Norden segeln, als am 10. October 1683 das in der Bai von Cadix vor Anker liegende „Wappen von Hamburg“ in Brand gerieth. Mit großer Umsicht suchte K. dem schnell wachsenden Feuer Einhalt zu thun, doch vergebens. Auch die wiederholten Nothsignale nützten nichts, da sich die von andern Schiffen ausgesetzten Boote aus Furcht vor einem Explodiren der Pulverkammer nicht näher zu kommen getrauten. In kurzer Zeit stand das ganze Schiff in hoch gen Himmel lodernden Flammen, ein furchtbar prächtiges Leuchtfeuer in der nächtlich dunklen Bai von Cadix. Mit entsetzlichem Geschrei suchte sich nun die Mannschaft nach allen Seiten hin zu retten. Der Mehrzahl gelang dies; viele aber fanden auch ihren Tod in den Wellen. K. selbst blieb [421] trotz aller Bitten seiner Freunde allein auf dem brennenden Schiffe. Es mochte um die Mitternachtsstunde sein, als ihn die Letzten verließen. Bald darauf gingen alle Kanonen auf dem Schiffe los; ein Stück nach dem andern donnerte einen furchtbaren Scheidegruß über die Meeresfläche dahin. Um 1 Uhr erreichte die Flamme das Pulver in der Kugelkammer. Das Hintertheil des in der Mitte geborstenen Schiffes flog in die Luft, das Vordertheil legte sich auf die Seite und begann zu sinken. Bis zuletzt soll der edle Capitän noch mit bleichem Antlitz einsam auf seiner dem Verderben verfallenen Fregatte, die er nicht verlassen wollte, umhergewandelt sein. Seine Leiche ward am nächsten Morgen in den Wellen treibend gefunden. Unter großer und allgemeiner Theilnahme fanden am 13. October in Cadix die Begräbnißfeierlichkeiten statt. Die Kanonen des Castells und aller Schiffe gaben drei Salven ab, um dem tapferen Capitän die letzte Ehre zu erweisen. König Karl II. von Spanien aber ließ auf Karpfanger’s Grabe ein Denkmal errichten, das leider später zerstört und verschwunden ist.

O. Beneke, Hamb. Geschichten und Denkwürdigkeiten, Hamburg 1856, S. 181 ff. G. Freytag, Bilder aus d. deutschen Vergangenheit, Bd. III, 11. Aufl. Leipzig 1879, S. 375 ff.