ADB:Lexer, Matthias Ritter von

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Artikel „Lexer, Mathias von“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 681–684, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lexer,_Matthias_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 11:21 Uhr UTC)
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Band 51 (1906), S. 681–684 (Quelle).
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Lexer: Mathias von L., Germanist, wurde am 18. October 1830 zu Liesing im Lesachthale, der westlichen Fortsetzung des Gailthales, in Kärnten als Sohn eines kleinen Müllers geboren. Die Fähigkeiten, welche der Knabe zeigte, veranlaßten die Eltern, ihn für das Studium zu bestimmen. Die gute Mutter führte ihn nach Klagenfurt, erbat dort bei wohlthätigen Bürgern mit Geduld und vielen Thränen freien Mittagstisch für ihren Mathias, der das weiter Nöthige sich durch Unterricht noch Jüngerer und Unwissender zu verdienen angewiesen war. In Klagenfurt absolvirte er das Gymnasium, legte 1851 die Reifeprüfung ab und begab sich October dieses Jahres an die Universität Graz, um Jura zu studiren. Diesen Plan gab er jedoch bald auf, wandte sich dem Studium der deutschen Sprache und Litteratur zu und wurde des berühmten Germanisten Karl Weinhold, der eben nach Graz berufen worden war, Schüler und bei dem Werke, das jener eben damals schrieb, Mitarbeiter. „Ich sammelte damals“, so schreibt Weinhold selbst, „für mein Buch ,Weihnachtsspiele und Lieder‘ Stoff aus Innerösterreich und hatte das Glück, an dreien meiner Zuhörer, Mathias Lexer, Alois Egger und Franz Ilwof, begeisterte Helfer zu finden“. L. lieferte Beiträge aus Kärnten. Von damals datirt es auch, daß der Verfasser dieser Biographie mit L. bekannt und bald innig befreundet wurde.

Weinhold regte L. an, den Wortschatz und die Volksüberlieferungen [682] Kärntens zu sammeln, was schönen Erfolg hatte, wie seine Beiträge in Frommann’s „Mundarten“ (II, 241, 399, 513; III, 114, 305, 464; IV, 36, 155, 481; V, 99–103; VI, 191) und in der Zeitschrift für deutsche Mythologie (III, 29–36; IV, 407–414) beweisen. In Wien setzte L. seine Studien fort und trat als Hofmeister in das gräflich Lamberg’sche Haus ein, in dem er bald von der Herrschaft und deren Söhnen hochgeschätzt und von den letzteren geradezu als Freund betrachtet wurde. Dort legte er die Lehramtsprüfung ab und wurde als Supplent an das Gymnasium nach Krakau gesendet, das zu jener Zeit noch deutsche Unterrichtssprache hatte. Hier lehrte er von 1855 bis 1857 Deutsch, Geographie und Geschichte. Im Jahresberichte dieses Gymnasiums von 1856 erschien Lexer’s erste wissenschaftliche Arbeit: „Der Ablaut in der deutschen Sprache“, worin er in klarer Weise die Theorie Theodor Jacobi’s über dieses vocalische Gesetz erörterte.

Wahrscheinlich dadurch wurde man höheren Orts auf ihn aufmerksam und er erhielt vom k. k. Unterrichtsministerium ein Stipendium zur Vervollständigung seiner Studien in Berlin. Dort hörte er Moritz Haupt, Bopp, Albrecht Weber, Kiepert, Gosche, trat zu Grimms in persönliche Beziehung und verkehrte viel mit Wilhelm Mannhardt, seinem Hausgenossen.

Nach Wien zurückgekehrt bekam er eine Unterstützung zu einer Reise zur Vollendung seiner volksthümlichen und sprachlichen Sammlungen in Kärnten. Jedoch eine seinen mäßigen Ansprüchen entsprechende Anstellung wurde ihm in Oesterreich nicht zu Theil. Er sah sich daher genöthigt, sich wieder als Hauslehrer und zwar bei der gräflich Hunyady’schen Familie zu verpflichten.

Inzwischen hatte er sein „Kärntisches Wörterbuch“ fertiggestellt, legte es der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien vor, welche ihm einen Beitrag von 500 Gulden zu den Kosten der Arbeit bewilligt hatte. Es erschien unter dem Titel „Kärntisches Wörterbuch. Mit einem Anhange: Weihnachtsspiele und Lieder aus Kärnten“, Leipzig 1862.

Im J. 1861 wurde er von der historischen Commission der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften als philologischer Mitarbeiter bei der Edition der deutschen Städtechroniken berufen. Er nahm den Ruf an und siedelte nach Nürnberg über, das ihm zum Sitz angewiesen worden war. Für dieses Unternehmen war er mit Frensdorff kritischer Bearbeiter der Texte für die Bände I–V der „Chroniken der deutschen Städte vom 14.–16. Jahrhundert. Herausgegeben durch die historische Commission bei der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften 1862–1866“. Sie enthalten die Chroniken von Nürnberg und Augsburg, wozu L. auch die Glossare lieferte. Ebenso wurden von ihm die Texte des 1892 ausgegebenen dritten Bandes der Augsburger Chroniken schon vor 1866 hergestellt und mit seiner Handschriftenbeschreibung unverändert abgedruckt. Noch in Nürnberg gab er „Endres Tuchers Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg. Mit einer Einleitung und sachlichen Anmerkungen von Friedrich von Weech“, Stuttgart 1862, heraus.

Nur kurze Zeit blieb er in der Stelle als Mitarbeiter der historischen Commission; durch Wilhelm Wackernagel’s Empfehlung wurde er 1863 als a. o. Professor der deutschen Sprache und Litteratur an die Universität zu Freiburg im Breisgau berufen und 1866 dort zum Ordinarius ernannt. Mai 1868 wurde er gleichzeitig von den Universitäten Graz und Würzburg an erster Stelle vorgechlagen; er entschied sich für die Stadt am Main. Hier wirkte er durch 23 Jahre, beliebt und hochangesehen an der Julius-Maximilian-Universität wie in weiteren Kreisen. Zwei Mal, 1877/78 und 1889/90, war er Rector, oftmals Senator. Als 1872 die Universität Straßburg ins Leben gerufen wurde, dachte man dort ernstlich an ihn bei den Vorschlägen [683] zur Besetzung der Lehrkanzel für deutsche Litteratur. Wilhelm Scherer in Wien erhielt die Stelle. Jetzt wurde L. in Wien vorgeschlagen und der österreichische Unterrichtsminister bot ihm diese Professur an. L. lehnte jedoch den Ruf ab und blieb in Baiern.

Während der mehr als zwei Jahrzehnte in Würzburg entwickelte er bedeutende wissenschaftliche Thätigkeit. Er verfaßte das „Mittelhochdeutsche Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index von Beneke-Müller-Zarncke“, 3 Bde., Leipzig 1872–78, ein für Germanisten ebenso wie für Historiker wichtiges Hülfswerk; ein „Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch“, Leipzig 1881, 2. Aufl. 1885, 3. u. 4. Aufl. 1891; hielt einen Vortrag über „Walther von der Vogelweide“, Würzburg 1873; die Rede zur Feier des 295. Stiftungstages der Universität Würzburg: „Ueber deutsche Philologie“, Würzburg 1877; und die Festrede zur Feier des 308. Stiftungstages derselben Hochschule: „Zur Geschichte der neuhochdeutschen Lexikographie“, Würzburg 1890.

Die ausgezeichneten Leistungen Lexer’s auf dem Gebiete der Lexikographie veranlaßten Salomon Hirzel, ihn als Mitarbeiter an dem Grimm’schen Wörterbuch zu gewinnen. Er nahm an und bearbeitete für das „Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm“ den siebenten Band (N, O, P, Q), Leipzig 1881–89; und die ersten drei Lieferungen des XI. Bandes, 1890/91. Das letzte Wort, das L. für das Wörterbuch schrieb, war „Todestag“; unmittelbar darnach hatte ihm der Tod die Feder aus der Hand genommen. Seinen Arbeiten für das Wörterbuch entsprangen zwei Aufsätze: „Zur Geschichte des deutschen Wörterbuchs. Mittheilungen aus dem Briefwechsel zwischen den Brüdern Grimm und Salomon Hirzel“ (Anzeiger für deutsches Alterthum und deutsche Literatur, Berlin 1890. XVI, 220–264) und „Nachlese aus dem Briefwechsel zwischen den Brüdern Grimm und Salomon Hirzel“ (ebenda 1891, XVII, 237–254). Noch einiges kleinere ist zu erwähnen, die Miscelle „stiezen“ in der Zeitschrift f. deutsche Philologie XXI, 255, „Bruchstücke der Kaiserchronik“ in der Zeitschrift f. deutsches Alterthum XIV, 503–525, und nicht unterzeichnete Bücherbesprechungen im Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit 1864, 1866, 1867. – Neben der mühevollen Arbeit an dem deutschen Wörterbuch hatte er auf Wunsch der königlich bayerischen Akademie in München noch eine große Bürde auf sich genommen, die sprachliche Bearbeitung des Textes von „Johannes Turmair’s, genannt Aventinus Bayerische Chronik“, von welcher I. 1, 2 München 1882, 1888; II. 1, 2 1884, 1885 erschienen sind.

Lexer’s Verdienste wurden von der bairischen Regierung vollauf anerkannt, 1885 erhielt er das Ritterkreuz des Verdienstordens der bairischen Krone und damit den persönlichen Adel, 1890 wurde er zum ordentlichen Mitglied des obersten Schulraths des Königreichs Baiern ernannt.

Nachdem Ende September 1890 der Germanist und Romanist Konrad Hofmann in München gestorben war, wurde L. im Mai 1891 an diese Universität berufen. Mit 1. August trat er das Münchener Lehramt an; nur ein Semester in ihm zu wirken war ihm beschieden.

Ende März 1892 reiste er nach Berlin mit seinem ältesten Sohne, der dort eine Stelle als Assistenzarzt an der chirurgischen Klinik v. Bergmann’s erhalten hatte. Erkältet verließ er Berlin, begab sich zu seiner in Nürnberg verheiratheten Tochter. Dort befiel ihn eine Rippenfell- und Lungenentzündung, der er am 16. April 1892 erlag. Am 19. April wurde er auf dem Johanniskirchhof der alten Reichsstadt beerdigt.

„M. Lexer war ein ganzer Mann, ein ruhiger, klar denkender Kopf, ein [684] wohlwollender parteiloser Mensch, eine feste, reine Seele. – Treue war sein Grundzug.“

Hinrichsen, Das literarische Deutschland. Berlin 1891, S. 803. – Weinhold, Mathias von Lexer (Beilage z. Münchener Allgemeinen Zeitung 1892, Nr. 118). – Weinhold, Mathias von Lexer (Zeitschrift f. deutsche Philologie XXV, 253–255). – Mathias von Lexer (Nekrolog in der Deutschen Zeitschrift f. Geschichtswissenschaft. Freiburg i. B. 1892, VII, 187). – Ilwof, Dr. Mathias von Lexer (Nekrolog in der Grazer „Tagespost“ 1892, Nr. 110).