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ADB:Lul

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Artikel „Lul“ von Heinrich Hahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 632–634, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lul&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 22:50 Uhr UTC)
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Lul, amtlich meist Lullus genannt, war als Nachfolger des Bonifaz der zweite Erzbischof von Mainz. Der Name Redger bezieht sich nicht auf ihn, vielmehr wol auf Chrodegang von Metz. Er stammt aus Britannien, wahrscheinlich aus Westsachsen und nicht aus Kent. Seine Familie war begütert. Verwandte von ihm werden mehrfach erwähnt, darunter Bischof Cyneheard von Winchester. Seine Verwandtschaft mit Bonifaz ist dagegen nicht verbürgt. Seine Jugenderziehung empfängt er in Malmesbury unter Abt Eaba, der ihm wol seiner Gestalt wegen den Kosenamen „Lytel“, der Kleine, beilegt. Nach Briefen, die wahrscheinlich von ihm stammen, wird er, ungewiß aus welchen Ursachen, mit seiner Familie in die Verbannung getrieben. Er wandert, wie so viele seiner Landsleute, nach Italien und Rom. Seine Begleiter erliegen einer pestartigen Krankheit. Er selbst entrinnt ihr und begibt sich dann nach Deutschland. Hier wird er Mönch und tritt in den Dienst des Bonifaz, den er schwärmerisch liebt, weil er ihm seine geistige Wandelung zu verdanken bekennt und weil dieser auch sein Lehrer in der Dichtkunst ist. Proben dieser neuen Kunst, in geringer Zahl noch jetzt vorhanden, sendet er Freundinnen in England und von Thüringen aus seinem Meister. Voll Sehnsucht noch nach seinem Heimathland und voll Begeisterung für seine heimischen Freunde steht er in jener Zeit in mehrfachem Verkehr mit ihnen, darunter auch mit den Aebtissinnen Cuneburga und Eadburga. Ein Lieblingsschüler des Bonifaz, in dessen Auftrag er in Thüringen wirkt und an dessen Mission und Kämpfen er theilnimmt, steigt er auf der Leiter kirchlichen Ranges von Stufe zu Stufe, wird Diakon, Archidiakon, Presbyter, geht 751 mit einer wichtigen Sendung nach Rom, wird auf Wunsch des greisen Meisters zum Chorepiscopus eingesetzt und mit Genehmigung des Königs Pippin zu dessen Nachfolger bestimmt, weil er als Lehrer und Prediger der jungen Gemeinden und väterlicher Fürsorger von Bonifaz’ Klosterschöpfungen und deren Bewohnern vorzugsweise geeignet erscheint. Vor seiner Abreise nach Friesland macht ihn der Apostel zum Vertrauten und Vollstrecker seines letzten Willens betreffs der thüringischen Kirchen, Fulda’s, seiner Freundin Lioba und seiner Bestattung. Die Entscheidung über die Zeit der Uebernahme des Bisthums hängt mit der über den Tod des Bonifaz zusammen (754 oder 755). Beide Ereignisse theilt er Amtsgenossen in der Heimath mit und empfängt nun von einer Anzahl von ihnen, z. B. vom Erzbischof Cudberhct von Canterbury und bald darauf von [633] dessen Nachfolger Bregowin, von Milred von Worcester, Cyneheard von Winchester Beileids-, Glückwunsch- und andere Schreiben. Die erste Hälfte seiner Verwaltung ist getrübt durch einen Streit mit Sturm, dem Abt von Fulda. Ursachen, Zeit und Verlauf des Zwiespalts sind durch den einzigen, aber einseitigen Bericht Eigil’s, eines Schülers von Sturm, und durch die Unzuverlässigkeit der einschlägigen Papst- und Königsurkunden verdunkelt und in Folge dessen noch bis jetzt Gegenstand unausgetragenen Gelehrtenstreits. Die Rückkehr Sturm’s aus der Verbannung drängt ihn von der Leitung des Klosters Fulda ab und treibt ihn zur Stiftung und Förderung einer ähnlichen Schöpfung, des Klosters Hersfeld an der Fulda, das durch reiche Schenkungen König Karls, wie von Privatleuten, besonders in Thüringen, zu Wohlstand und Ansehen gebracht wird. Nicht wenig trägt dazu die Ueberführung der Gebeine des heiligen Wigbert von Fritzlar dorthin bei. Ueber jene Schenkungen und den Besitzstand des Klosters gibt uns außer den vorhandenen Urkunden Karls ein vielleicht auf seine Veranlassung begonnenes und wahrscheinlich im Anfang des neunten Jahrhunderts abgeschlossenes Güterverzeichniß, das sogenannte Breviarium Lul’s, ausführliche Kunde. Seine Thätigkeit ist seiner bescheidenen Gesinnung, seiner ascetischen, der Weltflucht und Fürsorge für das Jenseits zugewandten Richtung, seinen wissenschaftlichen Neigungen gemäß, die sich besonders auf die Werke Beda’s erstrecken, wenig hervortretend. Kirchenweihen, Reliquienüberführungen, Klosterschenkungen sind fast die einzigen Spuren derselben. An fränkischen Synoden nahm er wol theil; doch scheint unter dem Einfluß vielleicht seiner Stellung zu Chrodegang von Metz und Sturm sein Verhältniß zu Pippin ein kühles gewesen zu sein, ebenso aber auch zu den Päpsten. Zwar ist er auf der Synode zu Rom (769), die zur Stillung der dortigen Wirren und anderen wichtigen Entscheidungen berufen ist, als einer der bedeutenderen Bischöfe des Frankenreichs im Auftrage Karls anwesend; sonst aber ist auch nicht ein sicheres Zeichen des Verkehrs mit Rom vorhanden. Spät erst empfängt er das Pallium, zwischen 780–782, wenige Jahre vor seinem Tode, nach über 25jähriger Amtsverwaltung und erst, nachdem im Auftrage des Papstes von einer aus Bischöfen und königlichen Sendboten gemischten Commission eine Untersuchung über Lehre und Wandel mit ihm angestellt worden ist. Ein noch vorhandenes Glaubensbekenntniß von ihm ist wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit entstanden. Bei Karl dem Großen erfreute er sich, besonders zur Zeit und in Folge der Sachsenkriege, größerer Gunst, obwol auch hier einzelne Anzeichen von Disharmonie durchleuchten. Höheres Ansehen genoß er bei seinen Landsleuten, Königen wie Bischöfen, in letzter Zeit besonders bei northumbrischen, mit denen er lebendigen Verkehr unterhält. Hervorzuheben sind zumal außer den oben genannten Erzbischof Koena-Aelberth von York und Alkuin. Von festländischen Bekannten, mit denen er in Verbindung steht, sind zu nennen: Lioba, die Freundin des Bonifaz, Gregor von Utrecht und Megingoz von Würzburg. Sein größtes Verdienst liegt wol in der Sammlung seiner eignen und der Briefe seines Lehrers, der Grundlage der vorhandenen Bonifazischen Briefsammlung, die eine unschätzbare Quelle für die Kenntniß von Bonifaz und seiner eignen Wirksamkeit, sowie von zahlreichen angelsächsischen, deutschen und römischen Persönlichkeiten, vor Allem der Kulturzustände der Angelsachsen und ihres Einflusses auf die festländischen Verhältnisse ist, ferner in der Anregung und Förderung der ältesten und wichtigsten Lebensbeschreibung des Apostels, verfaßt vom Presbyter Willibald. Als Bonifaz’ Nachfolger vertritt er nur die lehrende und fürsorgliche Verwaltungsthätigkeit desselben. Seine Bekannten rühmen an ihm hauptsächlich seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit. Er starb im 32. Amtsjahre am 16. October 786 (785?) und fand seine Ruhestätte in Hersfeld. Eine vorhandene Grabschrift ist wahrscheinlich von ihm selbst verfaßt.

[634] Mabillon ASS. III, 2, 392 ff. – ASS. Bolland. ed. Vandermoere Brux. 1845, T. VII, 16. Oct. S. 1083: vita S. Lulli, eine werthlose Compilation; werthvoller das. der comment. praevius von J. van Hecke. – Rettberg, Kirchengesch. D. I, 573 ff. – Corn. Will, Reg. zur Gesch. der Mainzer Erzb., S. XIV und S. 34–45. – A. Göpfert, Lullus, Diss. Leipz. 1880. – Hahn in Forsch. z. D. G. XXI, 383–400 und XXII, 423 s. u. Bonifaz und Lul. Leipz. 1883.