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ADB:Maria (Erzherzogin von Österreich)

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Artikel „Maria, Erzherzogin“ von Felix Stieve in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 369–371, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Maria_(Erzherzogin_von_%C3%96sterreich)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 14:57 Uhr UTC)
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Maria, Erzherzogin. Geboren zu München am 21. März 1551, † zu Graz am 29. April 1608, Tochter Herzog Albrechts V. von Baiern und der Erzherzogin Anna, der Tochter Kaiser Ferdinands I. Nachdem der Vater 1570 einen Heirathsantrag des Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Sigmund Zapolya, abgelehnt hatte, wurde sie am 26. August 1571 zu Wien mit ihrem Vetter, Erzherzog Karl von Innerösterreich vermählt, dem sie fünfzehn Kinder gebar. Nach seinem im Juni 1590 erfolgten Tode zog sie sich nicht in das ihr als Wittwensitz zugewiesene Judenburg zurück, sondern blieb in Graz. Sie war von mittlerem Wuchse, länglichem nicht unschönem Antlitze und röthlich blondem Haar. Eine kräftige, derbe, lebhafte Frau. Unmittelbar und ohne viel Abwägen gab sie ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck; rasch und schroff war ihr Urtheil; leicht erfaßte sie Ungeduld und leicht entbrannte ihr Zorn, der sie ganz mit verzehrendem Unmuth erfüllen konnte; Kränkungen, Beeinträchtigungen, Durchkreuzung ihrer Wünsche trug sie mit bitterem Grolle nach und ihre Abneigung konnte sich zu ingrimmigem Hasse steigern. In ihrem ganzen Wesen lag ein gewisses Ungestüm. Leidenschaftlich liebte sie die Jagd, bei welcher sie auch Anstrengungen und Beschwerden nicht scheute und sie vermochte sich „grobes und unordentliches Essen und Trinken“ nicht zu versagen. Ihrer Fürstenwürde war sie sich mit hohem Stolze, der sie im Auftreten und Verkehr „große Majestät“ entfalten ließ, bewußt und mit einer bis zur Kleinlichkeit regen Empfindlichkeit und Eifersucht wachte sie über ihrem Ansehen. Aus dem Vaterhause hatte sie Prachtliebe, Freude an glänzenden Festen und Neigung zur Verschwendung mitgebracht und sie hing diesen Eigenschaften trotz der stets wachsenden Geldnoth der Kammer und trotz der Bedrängniß ihrer Lande in weitgehendem Maße nach, wie sie sich denn auch überaus kostspielige Reisen nicht versagte, sondern viermal nach Polen, je einmal nach Spanien und Siebenbürgen und öfters nach München und Innsbruck zog. Ein fröhlicher Sinn, ein platter Humor und eine zuthunliche, anbiedernde Manier des Redens verstärkten den Eindruck der oberflächlichen Gutmüthigkeit, welche der Fürstin eigen war, doch barg sich unter derselben schroffe Selbstsucht, welche sich, wenn M. ihre Interessen in Frage sah, unverhohlen geltend machte und sie jeder Rücksicht vergessen lassen konnte. Sie steigerte zugleich Marias stark entwickelten Familiensinn. Den Vortheil ihres Hauses und ihrer Kinder nahm die Erzherzogin mit eifersüchtiger Regsamkeit wahr und zu dessen Förderung entfaltete sie voll die Vielgeschäftigkeit und Vordringlichkeit, welche in ihrem Wesen lagen. Sie war eine ungemein rührige Frau. In aller Frühe, oft um drei, nie nach fünf Uhr erhob sie sich und oft war sie bis in die Nacht hinein thätig. In ihrem Hauswesen leitete und überwachte sie Alles bis ins Kleinste herab und stets griff sie selbst mit an; besondere Vorliebe widmete sie den „schweizerischen Meiereien“, deren sie verschiedene einrichtete. In entsprechender Weise nahm sie sich der Staatsgeschäfte und Familienangelegenheiten an; ungemein zahlreiche, ausgedehnte Briefe von ihrer Hand geben von ihrer Regsamkeit in dieser Richtung Zeugniß. Geistige Bildung hatte sie indeß in ihrer Jugend ohne Zweifel ebenso wie ihr Bruder Wilhelm V. nur in sehr dürftigem Maße empfangen und sie besaß weder für die Wissenschaften noch für die Künste außer für die Musik Sinn und Neigung. Ueberhaupt war sie sehr beschränkt und der Lebhaftigkeit ihres Geistes entsprach keineswegs sein Scharfblick und seine Auffassungsgabe. Vor allem gebrach es ihr ganz an politischem Verständniß und Urtheil und an staatsmännischer Auffassung. Ihre wirren, in schwer zu enträthselnden Zügen und in fast ungemilderter heimischer Mundart geschriebenen Briefe plaudern von den wichtigsten Staatsangelegenheiten in gleicher Weise wie von den geringfügigsten Vorkommnissen des alltäglichen Lebens und für jene sind ihr stets [370] nur die naheliegenden Gesichtspunkte persönlichen Empfindens maßgebend. In gefährlichen Lagen ließ sich die von Natur furchtsame Fürstin überdies leicht von blinder Angst überwältigen. Dabei war sie jedoch eigenwillig, rechthaberisch und herrschsüchtig. Schon ihrem Gemahl gegenüber scheinen sich diese Eigenschaften erfolgreich geltend gemacht zu haben. Im vollsten Maße geschah es gegenüber ihren Kindern, deren Erziehung seit dem Tode ihres Gatten ganz in ihrer Hand lag. Sie war ihnen eine überaus sorgsame, aber zugleich despotische Mutter. Nach dem Ableben ihres Gemahls hatte sie vergeblich mit Leidenschaft darum gekämpft, die Regentschaft oder mindestens Antheil an derselben zu erhalten. Seit Ferdinand II., ihr ältester Sohn, den sie beherrschte, im December 1596 mündig erklärt worden, übte sie auf die Staatsgeschäfte den größten Einfluß aus; die Familienangelegenheiten überließ der Erzherzog ihr völlig. Trotz ihrem Eigensinn und ihrer Herrschsucht theilte jedoch M. die Geneigtheit beschränkter Frauen, sich dem Einflusse von „Winkelräthen“ hinzugeben. Sogar am kaiserlichen Hofe erzählte man sich, die Erzherzogin sei so sehr von den Jesuiten eingenommen, daß ohne deren Vorwissen und Zustimmung die Räthe nicht das Geringste beschließen, geschweige denn die Secretäre ein Schreiben aufsetzen dürften, und eigene Aeußerungen Maria’s sowie ein späteres Zeugniß des Cardinals Khlesl lassen diese Angaben nicht allzu übertrieben erscheinen. Ein seit langen Jahren am Grazer Hof weilender päpstlicher Nuntius klagte im J. 1603, Maria behandle die Angelegenheiten ihrer Kinder nur mit wenigen, vielleicht nur mit einem einzigen Jesuiten und ihrem älteren Kammerdiener (Hans Brauer). Von den weltlichen Räthen standen ihr nur der Kanzler Wolfgang Schranz und der Graf Ambrosius von Thurn näher. Der Einfluß der Jesuiten gründete in Maria’s kirchlicher Gesinnung. Sie war ganz von dem Geiste der Restaurationsbewegung durchdrungen. Unermüdlich pflog sie des Gebetes, des Kirchenbesuches und der Wallfahrten. Täglich hörte sie drei bis vier Messen, mindestens einmal wöchentlich beichtete und communicirte sie. Es gab im Lande keine Bruderschaft, der sie nicht beigetreten und deren Festen sie nicht angewohnt hätte, und auch nicht wenige fremde zählten sie als Mitglied. Zahllose Reliquien sammelte sie mit großen Kosten von allen Seiten, reich war ihr Besitz an Rosenkränzen, Agnus Dei und Medaillen und eifrig war sie bemüht, sich besondere Ablässe zu erwerben. Nicht minder eifrig war sie in „guten Werken“. Den Armen spendete sie, ohne deren Würdigkeit prüfen zu wollen, so maßlos freigebig, daß sich Schaaren von solchen in Graz ansammelten; mit verschwenderischer Hand beschenkte sie Kirchen und Orden; Kranke und Wöchnerinnen besuchte sie und leistete ihnen Beistand, vor niedrigen und Ekel erregenden Diensten nicht zurückschreckend. Auch Kasteiungen unterzog sie sich nicht selten. Für die gesammte Hierarchie hegte sie tiefe Ehrfurcht und Ergebenheit und vor allem verehrte und liebte sie wie die Ordensleute überhaupt so insbesondete die Jesuiten, aus welchen sie auch ihre Beichtväter wählte. Lange Jahre, bis er 1607 starb; diente ihr P. Johann Reinel als solcher. In dem von ihr gegründeten Clarissenkloster zu Graz nahm sie oft als „Schwester Maria“ an den frommen Uebungen der Nonnen Theil, unmittelbar vor ihrem Tode ließ sie sich unter dieselben aufnehmen und in deren Kutte, die sie stets mit sich geführt hatte, wurde sie ihrem Befehle gemäß, prunklos begraben. Ihr Eifer für den Katholicismus, ihr Haß gegen den Protestantismus waren fanatisch. Persönlich bemühte sie sich oft um die Bekehrung von Ketzern. Als ihr Gemahl einmal einem protestantischen Gottesdienste beiwohnen wollte, drohte sie mit ihren Kindern nach Baiern heimzukehren. An Karls Restaurationsversuchen hatte sie wesentlichen Antheil und wie sie auf Ferdinand II. ihre kirchliche Gesinnung übertrug, so spornte sie denselben unablässig zur Unterdrückung des Protestantismus. Ihr Glaubenseifer [371] erstickte sogar die Regungen weiblicher Milde in ihr. Ihrer Tochter, der Königin Anna von Polen rieth sie zu treulosem und blutigem Vorgehen wider die protestantischen Schweden und Ferdinand II. ermahnte sie wiederholt, aufsässige evangelische Unterthanen schonungslos zu strafen und vor allem die Rädelsführer und die Prediger hängen zu lassen. Nicht mit Unrecht rühmten die Jesuiten von ihr, daß sie für Innerösterreich, wo sie zur Zeit ihrer Verheirathung vielleicht allein wahrhaft katholisch gewesen sei, die Quelle der Vernichtung des Protestantismus und der Wiederherstellung des Katholicismus geworden sei. Ebenso kann man sie als die mittelbare Urheberin der späteren Restaurationsthätigkeit und Politik Ferdinands II. bezeichnen. Anderseits muß man ohne Zweifel auch die geistige Unselbständigkeit und die maßlose Verschwendungssucht jenes Kaisers guten Theils von ihrer Erziehung und von ihrem Beispiele herleiten. So eignet ihr für die Geschicke des jüngeren habsburgischen Hauses, dessen Stammmutter sie war, und für die Geschicke der gesammten österreichischen Lande und des deutschen Reiches verhängnißvolle Bedeutung.

Fr. von Hurter, Bild einer christlichen Fürstin, Maria, Erzherzogin etc., 1860, mit Bild, und Geschichte Ferdinands II, Bd. I-V; Leichenreden s. in letzterem Werke V, 326 Anmerkung 36 und 330 Anm. 43; andere gedruckte Quellen zerstreut in jenem und in früheren Abschnitten. Außerdem: Hist.- pol. Blätter XX, 103 ff. Zeitschrift f. Baiern und die angrenzenden Länder, I. Jg. Bd. IV, 33 ff., 35 ff. Briefe und Acten z. Gesch. des dreißigjährigen Krieges, Bd. IV und V. Ungedruckte Actenstücke.