ADB:Meier, Hermann Henrich

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Artikel „Meier, Hermann Henrich“ von Wilhelm von Bippen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 291–294, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meier,_Hermann_Henrich&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 23:00 Uhr UTC)
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Meier: Hermann Henrich M., als Sohn eines angesehenen Kaufmanns geboren zu Bremen am 16. October 1809, † ebenda am 17. November 1898, hat an der Förderung des Handels und der Schifffahrt Bremens und am öffentlichen Leben seiner Vaterstadt sowol wie auch Deutschlands thätigen und erfolgreichen Antheil genommen. Nach dem frühzeitigen Tode seines Vaters zog die Mutter mit ihren Kindern nach Stuttgart, wo M. das Gymnasium besuchte. Nach einem kurzen Aufenthalte in der Schweiz kehrte er 1826 nach Bremen zurück, um in dem väterlichen Geschäfte seine Lehrzeit durchzumachen. Es war die Zeit, in der die Gründung Bremerhavens die bremische Unternehmungslust neu anspornte, vortrefflich geeignet, den Blick eines jungen Mannes, den die Familienüberlieferung auf die Theilnahme am öffentlichen Leben hinwies, über die Sphäre des privaten Geschäftsverkehrs hinaus auf die allgemeinen Bedingungen des Handels und der Schifffahrt zu lenken. Eine Reise, die M. 1831 im Interesse seines Hauses nach England machte, vor allem aber ein sechsjähriger Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er von 1832 bis 1838 vornehmlich in Boston als Agent des Geschäfts thätig war, erweiterten den Umfang seiner kaufmännischen Kenntnisse und schärften sein Auge für die Erfassung großer Verhältnisse. Während er noch in Amerika sich aufhielt, war er am 1. Januar 1834 Theilhaber der Firma H. H. Meier & Co. geworden. Im J. 1838 nach Bremen zurückgekehrt, unternahm er zunächst, um sich von den Anstrengungen seines Berufes auszuruhen, eine längere Reise durch Italien und Frankreich. Dann aber widmete er sich mit Eifer seinem Handelsgeschäfte und als Mitglied des Bürgerconvents zugleich den öffentlichen Angelegenheiten seiner Vaterstadt. Im J. 1846 ging er zusammen mit zwei anderen bremischen Kaufleuten in vertraulichem Auftrage des Senats nach Berlin, um bei der preußischen Regierung eine Unterstützung der amerikanischen Gesellschaft zu befürworten, die die erste directe Dampfschifffahrt zwischen New-York und dem europäischen Continent nach Bremerhaven zu leiten gedachte. Es gelang ihren Vorstellungen in der That, Preußen zur Zeichnung von 100 000 Dollars, der gleichen Summe, die schon vorher Bremen gezeichnet hatte, willig zu machen. Auf diese Weise und durch die von Preußen gemeinsam mit Bremen empfohlenen Zeichnungen mehrerer anderer deutscher Regierungen gelang es, in Deutschland eine Summe von 300 000 Dollars aufzubringen und so das Zustandekommen der neuen Dampfschiffslinie zu sichern. Seit dieser Zeit hat M. den bremischen Schifffahrtsangelegenheiten beständig sein lebhaftes Interesse zugewandt. Auch als Mitglied des Frankfurter Parlaments, in das ihn der Wahlkreis Bremervörde bei einer Nachwahl zu Anfang 1849 abordnete, hat er zusammen mit Duckwitz die Förderung der Schifffahrts- und Handelssachen sich angelegen sein lassen und an den Arbeiten für die deutsche Kriegsmarine theilgenommen.

Die folgenden anderthalb Jahrzehnte gehörten, den obwaltenden Verhältnissen entsprechend, wieder ganz den heimischen Angelegenheiten. Sie waren aber auch die fruchtbarsten in Meier’s Leben. Der Plan einer von einer Privatgesellschaft zu erbauenden Eisenbahn nach Bremerhaven scheiterte freilich an dem Widerspruche Hannovers. Dagegen gelang es M. im J. 1853 eine [292] Dampfschleppschifffahrt auf der Unterweser ins Leben zu rufen und dadurch die Verbindung Bremens mit seinem Seehafen wesentlich zu verbessern. Lebhaften Antheil nahm er gleich darauf an dem Bau des ersten festen Leuchtthurms in der Wesermündung, der 1855 und 1856 von Baurath van Ronzelen, dem Erbauer des Bremerhavener Docks, ausgeführt wurde. Im J. 1856 trat als erstes großes Bankinstitut in Bremen die Bremer Bank ins Leben, durch eine Actiengesellschaft begründet, an deren Spitze M. als Chef des Verwaltungsraths stand. Sie hat gleich im folgenden Jahre, als eine schwere Handelskrisis auch den bremischen Markt bedrohte, durch einen raschen Entsch1uß und eine geschickte Operation Meier’s dem bremischen Handel ausgezeichnete Dienste geleistet und dann unter seiner langjährigen Leitung durch solide Geschäftsführung den Credit Bremens gefördert.

Das Jahr 1857 sah mit der Gründung des Norddeutschen Lloyd das Institut entstehen, das am meisten dazu beigetragen hat, Meier’s Namen auch außerhalb Bremens zu einem geachteten zu machen. Die oft aufgeworfene Frage, ob M. als der eigentliche Gründer des Lloyd anzusehen oder ob nicht die erste Anregung dazu von Anderen ausgegangen sei, ist im Grunde durchaus müssig. Ein Unternehmen, wie dieses, kann nur gedeihen, wenn es einem praktischen Bedürfnisse entspricht und einem weit verbreiteten Wunsche entgegenkommt. Ein solcher mußte sich damals wenige Jahre nach der Gründung der Hamburger Paketfahrt-Actiengesellschaft in Bremen um so lebhafter regen, als die Ocean-steam-navigation Company, die zehn Jahre lang dem bremischen Handel erhebliche Vortheile gebracht hatte, in der Auflösung begriffen war. Darauf nur kam es an, den Gedanken so zweckmäßig wie möglich auszuführen, um dem Unternehmen Dauer zu sichern. Und daß dies geschehen ist, das ist unzweifelhaft in hervorragendem Maaße das Verdienst H. H. Meier’s gewesen. Sein scharfer, praktischer Verstand, seine genaue Kenntniß der Handels- und Schifffahrtsverhältnisse, sein mit Besonnenheit gepaarter Wagemuth, sein aller Kleinlichkeit abholdes Wesen, nicht zuletzt seine persönliche Uneigennützigkeit haben den Norddeutschen Lloyd glücklich durch eine Reihe schwerer Jahre hindurchgebracht, die vornehmlich infolge des bald nach seiner Gründung ausgebrochenen amerikanischen Secessionskrieges das junge Unternehmen ernstlich gefährdeten. Sie haben den Lloyd zu einem ausgezeichneten Instrumente des bremischen und des deutschen Handels gemacht und dazu beigetragen, noch bevor es ein Deutsches Reich gab, das Ansehen Deutschlands im Auslande zu erhöhen. Dreißig Jahre lang hat M. den Vorsitz im Verwaltungerathe des Norddeutschen Lloyd geführt, bis die Bürde des Alters und neue Ideen, die in der jüngeren Generation hervortraten, ihn veranlaßten, das Amt niederzulegen.

Die hohe Werthschätzung, die sich M. bereits über Bremen hinaus erworben hatte, zeigte sich, als es galt, das menschenfreundliche Unternehmen einer organisirten Thätigkeit für die Rettung Schiffbrüchiger, das an verschiedenen Punkten der deutschen Seeküste zur Bildung von Vereinen geführt hatte, in einer großen Gesellschaft zusammenzufassen. Die zu diesem Zwecke im Mai 1865 nach Kiel berufene Versammlung stellte einmüthig H. H. Meier an die Spitze der Gesellschaft. Und diese hat das auf eine nur dreijährige Periode bemessene Amt des Vorsitzenden ihm im Laufe von mehr als dreißig Jahren immer wieder übertragen. M. hat auch für die Rettungsgesellschaft eine überaus erfolgreiche Thätigkeit entwickelt. Die rasche Verbreitung, die die Gesellschaft in allen Theilen des deutschen Reiches fand, gestattete es, die Zahl und die Ausrüstung der Rettungsstationen an den deutschen Küsten beständig zu vermehren und zu verbessern und dabei einen sehr beträchtlichen Reservefonds [293] anzusammeln. Schon früh, länger als ein Jahrzehnt vor dem Beginn der deutschen Socialgesetzgebung, gelang es M., eine Lebensversicherung der Rettungsmannschaften ins Werk zu setzen und bvald wurde durch eine Reihe von Specialstiftungen für das Wohl der Mannschaften und ihrer Angehörigen gesorgt. So kann man sagen, daß unter Meier’s praktischer und wohlwollender Leitung durch rein private und freiwillige Thätigkeit eine sociale Organisation geschaffen worden ist, die ihres gleichen sucht. Keinem andern der vielen Unternehmungen, die zu leiten M. in seinem langen Leben bemüht gewesen ist, hat er denn auch bis unmittelbar an sein Lebensende eine so hingebende Sorge gewidmet, wie der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.

Im Sommer 1866, bald nach der Schlacht von Königgrätz, aber noch bevor über das Schicksal des Königreichs Hannover entschieden worden war, ging M. abermals im vertraulichen Auftrage des Senats nach Berlin. Es galt für den Fall eines Friedensschlusses mit Hannover dafür zu wirken, daß die zahlreichen Beschwerden, die Bremens Handel und Schifffahrt seit zwei Jahrzehnten gegen die von engherzigsten Bestrebungen geleitete hannoversche Politik zu erheben hatte, in dem Friedensschlusse zu Gunsten Bremens als eines treuen und aufrichtigen Verbündeten Preußens abgestellt würden. M. machte dabei, als noch während der Dauer seiner Mission die Annexion Hannovers bekannt wurde, den Versuch, eine beträchtliche Erweiterung des Bremerhavener Gebiets von Preußen zu erreichen und fand in einer Unterredung, die er gleich nach Bismarck’s Rückkehr aus dem Felde mit diesem hatte, eine gegen seinen Plan sehr wohlwollende Haltung. Seine Absichten aber sind dann doch am Widerspruche der preußischen Ressortbehörden gescheitert. Und wenn auch seine vornehmliche Aufgabe durch die Beseitigung des Königreichs Hannover hinfällig geworden war, so hat M. doch dazu beigetragen, freundliche Beziehungen zwischen Bremen und seinem neuen preußischen Nachbar einzuleiten. Der Senat erkannte das noch im Herbste desselben Jahres dadurch an, daß er M. die goldene Medaille verlieh, das höchste Ehrenzeichen, das er Bürgern Bremens zu geben vermag. In dem Begleitschreiben pries der Senat die Freudigkeit und Treue, mit der M., so oft die Vaterstadt seiner Kräfte bedurfte, sie immer von neuem der Vaterstadt zu widmen nicht müde geworden sei, und wies darauf hin, daß die unauflöslich mit Meier’s Namen verknüpften Unternehmungen unserer Stadt zur Ehre und zum Vortheil gereichten.

Dieser rühmlichen Anerkennung des Senats gab bald darauf, als es sich um die Wahl eines Vertreters Bremens für den constituirenden Reichstag des norddeutschen Bundes handelte, die Bevölkerung Bremens durch die mit sehr großer Mehrheit erfolgte Wahl Meier’s ihre Zustimmung. Auch im ersten ordentlichen Reichstage war M., der sich der nationalliberalen Partei anschloß, der Vertreter seiner Vaterstadt. Nicht nur seine genauen Kenntnisse des Handels und der Schifffahrt, sondern auch seine Persönlichkeit verschafften ihm im Reichstage bald eine angesehene Stellung. Und eben dieses persönliche Element, sein Charakter, seine Zuverlässigkeit, seine aufrichtig liberale Gesinnung, die doch in rein praktischen Fragen stets zu vermitteln bereit war, haben auch später, als im Reiche die liberale Aera einer schutzzöllnerisch-reactionären gewichen war, die Stimmen der bremischen Wähler ihm wieder zugeführt. M. hatte 1871 aus persönlichen und geschäftlichen Gründen eine Wiederwahl in den Reichstag abgelehnt. Dann war er 1874 und 1878 unter Umständen, deren Herbeiführung auch manche seiner damaligen Gegner später bedauert haben, in Bremen zwei Mal bei der Reichstagswahl unterlegen. 1881 aber, [294] nachdem M. inzwischen während einer Legislaturperiode Schaumburg-Lippe im Reichstage vertreten hatte, und nochmals 1884 fiel wieder eine bedeutende Stimmenmehrheit in seinem heimischen Wahlkreise ihm zu. Von 1890 an hat er dem Reichstage nicht mehr angehört.

Inzwischen hatte am 16. October 1889 die Vollendung des achten Jahrzehnts seines arbeits- und erfolgreichen Lebens seiner Vaterstadt Anlaß gegeben, die Verehrung, die ihm aus allen Kreisen der bremischen Bürgerschaft entgegengebracht wurde, in festlichen Veranstaltungen und Begrüßungen ihm zu bezeugen. Auch deutsche Fürsten, an ihrer Spitze der Kaiser und die alte Kaiserin Augusta, und deutsche Staatsmänner, unter denen Fürst Bismarck nicht fehlen wollte, sandten ihm ehrenvolle Grüße. In der großen Halle der Börse, deren Bau M. zu Anfang der sechziger Jahre in erster Linie mit ins Werk gesetzt hatte, in der er ein Vierteljahrhundert lang die prononcirteste Erscheinung der bremischen Kaufmannschaft gewesen war, wurde am Abend bei einem festlichen Mahle, an dem viele hundert Männer aller Berufszweige theilnahmen, seinem Wirken und seinem Charakter die verdiente Huldigung dargebracht. M. war eine ungewöhnlich stattliche und vornehme Erscheinung, und dem entsprach durchaus sein inneres Wesen. Eine wahrhaft vornehme Gesinnung hat er in allen Verhältnissen, in die sein vielgeschäftiges Leben ihn führte, bewiesen, und was immer an Unternehmungen mannichfacher Art seiner Leitung unterstellt war, das zeichnete sich nicht allein durch zweckmäßige Einrichtungen, sondern auch durch eine großzügige Anlage aus.