Zum Inhalt springen

ADB:Pfaff, Christoph Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pfaff, Christoph Heinrich“ von Gustav Karsten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 582–587, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfaff,_Christoph_Heinrich&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 14:28 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 25 (1887), S. 582–587 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Christoph Heinrich Pfaff in der Wikipedia
Christoph Heinrich Pfaff in Wikidata
GND-Nummer 116139935
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|582|587|Pfaff, Christoph Heinrich|Gustav Karsten|ADB:Pfaff, Christoph Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116139935}}    

Pfaff: Christoph Heinrich P., geb. am 2. März 1773 in Stuttgart, † am 23. April 1852 in Kiel (Vorname nicht Christian, wie bei Pogg. im biographischen Handwörterbuch).

P. stammte aus einer alten bürgerlichen Familie, deren Stammbaum sich bis zum Anfang des sechszehnten Jahrhunderts auf einen Schweizer zurückführen läßt, der, wie es scheint aus Religionsrücksichten von Aarau nach Würtemberg übersiedelte. Pfaff’s Vater war der Geh. Oberfinanzrath Friedrich Burkhard P. in Stuttgart, seine Mutter die Tochter des Kirchenrath Brand. Aus dieser Ehe gingen 12 Kinder hervor. Unser P. war der sechste der Söhne, er wurde auf der Karlsakademie, die er von 1782–1793 besuchte, erzogen. Hier knüpfte er mit dem vier Jahre älteren Geo. Cuvier die für ihn bedeutungsvoll gewordene Freundschaftsverbindung, welche zunächst nach dem Abgange Cuvier’s von der Akademie durch einen lebhaften Briefwechsel wach gehalten wurde (s. Behn, Briefe Cuvier’s an Pfaff aus den Jahren 1788–92, Kiel 1845). Auf der Akademie hatte sich P. in den letzten drei Jahren besonders dem Studium der Medicin gewidmet. Er bestand Ostern 1793 das sog. examen rigorosum und schrieb für seine Doctorpromotion, angeregt durch die damaligen großen Entdeckungen Galvani’s und Volta’s eine Dissertation: „De electricitate sic dicta animali“, welche ein unerwartetes Glück machte. Demnächst begab sich P. zur Ausbildung in seiner Berufswissenschaft, mit welcher es nach seiner eignen Angabe nicht besonders stand, nach Göttingen, woselbst er bis zum Herbste, namentlich unter Lichtenberg, Osiander und Hahnemann studirte. In dieser Zeit machte er auch, auf einem Ausfluge nach Helmstedt, die Bekanntschaft von Beireis, von welchem er in seiner Selbstbiographie eine ergötzliche Schilderung entwirft. Im Spätherbst 1794 ging P. nach Kopenhagen, wo er sich bis zum Spätsommer 1795 aufhielt, um an den klinischen Instituten zu arbeiten. Während des Aufenthaltes in Kopenhagen wurde er in die Familie des Grafen Reventlow zu Emkendorf eingeführt, was für seinen folgenden Lebensgang entscheidend wurde. Zunächst ward er der ärztliche Begleiter des Grafen auf einer Reise nach Italien und während des Aufenthaltes daselbst von 1795–1797. In dem letzteren Jahre ließ sich P. als Arzt in Heidenheim nieder, brachte es aber nicht weit in der Praxis und gab dieselbe gern auf, als ihm durch die Bemühungen seiner Gönner, des Grafen Reventlow und des Archiater Hensler eine Berufung als außerordentlicher Professor der Medicin, vorerst ohne Gehalt, an die Universität Kiel zu Theil wurde. Diese Stellung trat er im Frühjahr [583] 1798 an, doch schien es, daß er dieselbe schnell wieder aufgeben sollte, da er eine Berufung nach Würtemberg als Bergrath, an Stelle des verstorbenen Wiedemann erhielt, zu deren Annahme er von seiner Familie gedrängt wurde. Da trat abermals der Graf Reventlow ein und veranlaßte P., mit guten Empfehlungen versehen, sich erst noch in Kopenhagen vorzustellen. Er wurde dort sehr günstig empfangen, und erhielt den Auftrag zur Unterstützung des damaligen Professors der Physik in Kiel, des alten Etatsrath Ackermann, die Vorlesungen über Physik zu übernehmen, womit zugleich ein Gehalt von 300 Rchsth. Cour. und der Eintritt Pfaff’s als ordentlicher Professor in die philosophische Facultät verbunden war. Neben diesem Amte behielt indessen P. zunächst noch seine ärztliche Thätigkeit und war namentlich bei der damals eben von Jenner empfohlenen Blatterninoculation mit großem Erfolge thätig.

Bei dem hohen Alter des Professors der Chemie in Kiel, Kerstens, wurde P. die Aussicht eröffnet, nach dessen Tode die Professur der Chemie ebenfalls zu erhalten. P. fühlte sich, obwohl er sich viel mit der Chemie beschäftigt hatte, doch der Aufgabe nicht gewachsen, wenn er nicht zuvor Gelegenheit gehabt hätte, sich praktische Uebung zu erwerben und die Lücken seiner Kenntnisse auszufüllen. Hierzu schien ein Aufenthalt in Paris am zweckmäßigsten zu sein, weil damals die Chemie dort in besonders hoher Blüthe stand, und P. durch die Vermittlung Cuvier’s erwarten konnte, schnell bei den bedeutendsten Vertretern der Wissenschaft eingeführt zu werden. Diese Reise trat nun auch P. im Frühjahr 1801 an. Man braucht nur an die Namen der französischen Naturforscher jener Zeit zu erinnern, um zu begreifen, in wie hohem Maaße ein Mann von der geistigen Empfänglichkeit und dem raschen Verständniß, wie P. es war, angeregt und gefördert werden mußte. Außer an Cuvier, der ihm in jeder Beziehung die Wege ebnete, denke man an Laplace, Chaptal, Monge, Biot, Hauy, Thénard, Berthollet, Guyton-Morveau, Faujas de St. Fond u. v. A.

Zur Ausbildung in der Chemie vereinigte sich P. mit einigen jüngeren Franzosen zur Einrichtung eines eigenen Laboratoriums, in welchem eifrig gearbeitet wurde, und die Theilnehmer abwechselnd, um Alles gründlich kennen zu lernen, selbst die sonst den gewöhnlichen Dienern zukommenden Handleistungen übernahmen. Von besonderer Wichtigkeit war es, daß P. Gelegenheit erhielt, Al. Volta persönlich kennen zu lernen, da dieser zur Vorführung seiner Entdeckungen damals nach Paris gekommen war. P. hatte es Cuvier und Volta selbst zu verdanken, daß er zu den Sitzungen der Commission zugezogen wurde, welcher die Prüfung von Volta’s Entdeckungen übertragen war. – Im Spätherbst 1801 verließ P. Paris, um auf der Rückreise noch die wissenschaftlichen Institute Brüssels, Leydens, Harlems und Amsterdams kennen zu lernen, bei welcher Veranlassung er die Bekanntschaft mit van Mons, Brugmans, Boerhave, van Marum und van Swinden machte.

Bei seiner Rückkehr nach Kiel 1802 übernahm P., da Kerstens inzwischen verstorben war, die Professur der Chemie und trat damit zugleich in die medicinische Facultät ein, welcher damals die Chemie zugerechnet wurde.

Im J. 1804 wurde ein Sanitätscollegium für die Herzogthümer errichtet und P. trat in dasselbe als Mitglied und Secretär ein; 1828 wurde er Director dieses Collegiums. Die wichtigste Aufgabe dieser neuen Behörde bestand in einer durchgreifenden Organisation des Apothekerwesens. In seiner Stellung als Director des Collegiums hat P. die 1831 erschienene Pharmacopoea Slesvico-Holsatica verfaßt.

Vier Berufungen – Halle zwei Mal für theoretische Medicin und für Chemie, Tübingen für Chemie, Bonn für materia medica – lehnte P. ab, da [584] ihn seine Thätigkeit in Kiel, welche allgemeine Anerkennung fand, befriedigte. Nach einer Andeutung in seiner Selbstbiographie scheint es auch, daß P. schon früh, wohl schon 1806, eine Abnahme des Sehvermögens bemerkte, und es auch aus diesem Grunde scheute, in neue Verhältnisse zu treten.

Wenn P. nun auch bis zu seinem Ende in Kiel verblieb, so hat er doch wiederholt Reisen zur Pflege der alten Beziehungen, und um neue Anregungen zu gewinnen, unternommen. In den Jahren 1809–18 reiste er mehrmals nach Süddeutschland, wobei er u. A. in Verkehr mit Olbers, Sömmering, Gehler, Berzelius, Gilbert trat. Später machte er eine Reise an den Rhein und in die Schweiz, die ihn mit Pictet und de la Rive in Berührung brachte. Sehr wichtig wurde eine Reise nach Paris und England im J. 1829, wo namentlich der Aufenthalt in London durch den Verkehr mit Faraday, Brande, Prout, Hollander u. A. für ihn von besonderer wissenschaftlicher Anregung wurde. Nachdem er sich noch 1830 an der Versammlung der deutschen Naturforscher in Hamburg lebhaft betheiligt hatte, nahm seine Augenschwäche stark zu. Himly in Göttingen erkannte auch den Beginn einer Staarbildung und verordnete P. den Gebrauch des Wassers von Kissingen. Diese Brunnenkur und eine sich daran anschließende Reise in die Schweiz stärkte P. so, daß er sich 1833 noch im 60. Lebensjahre zu einer zweiten Verheirathung entschloß. Aus dieser Ehe entsproß ein Sohn, der sich später dem juristischen Berufe widmete, jetzt aber bereits verstorben ist. – Mit seiner Frau unternahm P. eine größere Reise, deren Endziel Wien war, wo er sich 1841 einer Augenoperation unterwarf. Diese wurde zwar von Jäger insofern glücklich vollzogen, als die Entfernung der getrübten Augenlinsen glücklich gelang. Indessen erhielt P. die Sehkraft nicht wieder, denn es zeigte sich, daß das Uebel seine tiefere Wurzel im Sehnerv selbst hatte. 1843 feierte P. sein 50jähriges Doctorjubiläum, bei welchem ihm von allen Seiten die reichste Anerkennung entgegengebracht wurde. Nochmals suchte er dann in Marienbad und Teplitz Stärkung für seine Augen, mußte aber doch 1845 sein Lehramt aufgeben und konnte auch nicht mehr thätigen Antheil an der in Kiel 1846 stattfindenden Naturforscherversammlung nehmen. Nach einer letzten Reise, 1847 nach Kissingen, verlebte P. den Abend seines Lebens ruhig in Kiel. Trotz seiner gänzlichen Erblindung blieb P. doch noch wissenschaftlich thätig. Mit lebendigster Theilnahme verfolgte er die Fortschritte der Wissenschaften, über welche er sich vorlesen oder durch die Freunde Mittheilung machen ließ. Noch 1851 erschien nach seinem Dictate eine Schrift über die asiatische Cholera in Kiel, zu welcher statistisches Material nach seinen Anordnungen gesammelt war. In den letzten Lebensjahren beschäftigte ihn seine Selbstbiographie, welche nach seinem Tode von seinem Freunde, dem Professor Ratjen veröffentlicht worden ist.

Wenden wir uns jetzt zu Pfaff’s schriftstellerischer und Lehr-Thätigkeit. In beiden Beziehungen ist von einem ungemein reichen Leben zu berichten. Die Entwicklung seines Lebensganges brachte es mit sich, daß P. als Lehrer verschiedene Wissenschaften vertreten mußte, für deren jede einzelne jetzt mindestens ein Vertreter an jeder Universität nothwendig ist. P. klagt selbst in seinen Lebenserinnerungen darüber, daß er gleichsam, ohne die rechte Weihe dafür vorher erhalten zu haben, auf das Katheder geschoben worden sei. Ueberblickt man die Vorlesungen, welche P. seit 1799 gehalten hat, so ergibt sich folgendes staunenswerthe Verzeichniß. Vorlesungen über Physik und Chemie hielt er ununterbrochen, häufig über beide Wissenschaften in einem Semester, sowohl über dieselben im Ganzen, als auch über einzelne Theile derselben, namentlich über Galvanismus, Magnetismus, Electromagnetismus, Electricität, Meteorologie, Dampfmaschinen. Dann von 1821 an über analytische Chemie, pharmaceutische [585] Chemie, Chemie der materia medica, Toxicologie, Geschichte der neueren Chemie. In den ersten Jahren las er auch Mineralogie und Geologie. Bis zum Jahre 1828 hielt er fortdauernd Vorlesungen über allgemeine und specielle Physiologie. Hierzu kamen Vorträge über Gall’s Schädellehre und über thierischen Magnetismus; ferner von 1820 bis zum Schluß seiner Thätigkeit solche über Makrobiotik. – Pfaff’s Vorträge waren völlig frei und er verstand das Interesse der Zuhörer in hohem Maaße zu erwecken und zu fesseln. Dies wurde ihm durch die Anhänglichkeit seiner Schüler gelohnt, welche ihre Dankbarkeit noch beim Jubiläum Pfaff’s aufs Schönste bethätigten.

Neben dieser gewaltigen Lehrthätigkeit hat P., wie schon oben erwähnt, auch noch eine Zeit lang als praktischer Arzt gewirkt und die zeitweise recht umfänglichen Geschäfte des Sanitätscollegiums etwa 30 Jahre lang geleitet.

Nicht minder umfassend sind aber die Leistungen Pfaff’s als wissenschaftlicher Schriftsteller und nicht nur umfassend, sondern auch bedeutend. Allein von selbständig erschienenen Schriften zählt P. in seiner Biographie 34 auf, von denen sich übrigens einzelne auf andere als fachwissenschaftliche Themata beziehen, z. B. eine Erstlingsarbeit von 1792 über neuaufgefundene Gedichte Ossians und politische Aufsätze aus den Jahren 1815–20. Ganz außerordentlich groß ist aber die Zahl der in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichten Abhandlungen, wozu die Redaction und Mitarbeiterschaft an mehreren Zeitschriften und Encyklopädien kommt; von den ersteren sei z. B. die Redaction des Nordischen Archiv’s für Natur- und Arzeneiwissenschaft mit seinen Fortsetzungen, von den letzteren die Betheiligung am neuen Gehler’schen Wörterbuche genannt. – Pfaff’s bedeutendste Arbeiten liegen auf dem Gebiete der Physik. Wie er sich durch seine Dissertation über die sogenannte thierische Electricität glücklich eingeführt hat, ist bereits oben erwähnt. Seine Untersuchungen auf diesem Felde wurden sofort von Al. v. Humboldt in seiner Schrift: „Ueber die gereizte Muskel- und Nervenfaser“ anerkannt und sind später eingehend von E. du Bois Reymond in dessen berühmtem Werke: „Untersuchungen über thierische Elektricität“, gewürdigt. Den electrischen Erscheinungen widmete P. vorzugsweise seine Aufmerksamkeit, was um so begreiflicher ist, als in die Zeit seines Eintrittes in die wissenschaftliche Laufbahn die große Entdeckung Volta’s fiel und dann später die nicht minder bedeutende Entdeckung des ihm befreundeten Oersted gerade in den Jahren erfolgte, in denen P. auf der Höhe seiner wissenschaftlichen Thätigkeit stand. So besitzen wir von ihm gegen 40 Abhandlungen über Galvanismus und Electromagnetismus. Man darf über die meisten dieser Arbeiten die bescheidene Selbstkritik Pfaff’s citiren, welche folgendermaßen lautet: „Ich habe nie so sehr nach Originalität gestrebt, als gern auf dem Grunde den Andere gelegt, fortgebaut und immer den historischen Grund für den jedesmal abgehandelten Gegenstand festgehalten. Der tiefer Eindringende wird daher leicht erkennen, daß der Verfasser mehr empfangen, aber doch auch das Empfangene verarbeitet und bei sich geordnet, als selbstschöpferisch erzeugt habe.“ Dies ist richtig; fundamentale Thatsachen hat P. in der Physik nicht entdeckt, aber mit großer Aufmerksamkeit alle Fortschritte verfolgt, für sich und Andere kritisch verarbeitet und dadurch die Weiterentwicklung der Wissenschaft ungemein gefördert. So brachte er von seinen Reisen stets eine Menge neuer Erfahrungen mit, die er sofort bearbeitete und allgemeiner zugänglich machte. Dies war zu seiner Zeit wichtiger als heutzutage, wo jede neue Entdeckung sogleich überall bekannt wird. Ein hübsches Beispiel liefert seine Mittheilung nach der Londoner Reise 1829. Er brachte von dort die Thatsache von der kräftigen Magnetisirung des von einem galvanischen Strome umflossenen Eisens mit, eine Thatsache, welche bereits 1826 [586] von Brewster nachgewiesen war, aber anscheinend auf dem Continente bis zu Pfaff’s Mittheilung unbekannt blieb.

Als eine sehr gut durchgeführte Arbeit auf einem andern Gebiete der Physik, der Optik, ist seine gegen Goethe polemisirende Schrift: „Ueber Newton’s Farbentheorie“ zu nennen. Ueber die Aufnahme, welche diese Arbeit bei Goethe fand („ich legte sie zur Seite, bis auf künftige Tage, wo ich mit mir selbst vollkommen abgeschlossen hätte“), äußert sich P. in seiner Biographie sehr humoristisch.

Zahlreich sind die analytisch-chemischen Arbeiten Pfaff’s. Sie beziehen sich zum großen Theile auf Analysen anorganischer Körper oder auf Anwendungen in der Heilmittellehre und sind fast sämmtlich in den Journalen von Gehler und von Schweigger veröffentlicht. Sein in zwei Auflagen erschienenes „Handbuch der analytischen Chemie“ ist bei den schnellen Fortschritten der Chemie bald veraltet. Dasselbe gilt von dem umfänglichsten Werke Pfaff’s, dem „System der materia medica nach chemischen Principien“, welches er in 7 Bänden von 1808–21 herausgab.

Man würde aber noch kein vollständiges Bild von der außerordentlichen Leistungsfähigkeit Pfaff’s erhalten, wenn man seine lebendige Theilnahme an dem öffentlichen Leben unberücksichtigt lassen wollte. Schon in seiner Jugend nahm P. an dem Staatsleben ein besonderes Interesse. Der Grund lag vorzüglich darin, daß der Anfang der französischen Revolution mit dem Zeitpunkte seines Lebens, wo die Jugend nach dem Ideale strebt, zusammenfiel. Dazu kam, daß sein eigentliches Vaterland, Würtemberg, sich damals des Vorzuges eines gewissen Maaßes von constitutionellen Rechten erfreute, wodurch der Staatsbürger zur Theilnahme an dem politischen Leben aufgefordert wurde.

P. nahm seine sehr entschieden liberale Gesinnung in sein neues Vaterland hinüber und folgte allen öffentlichen Ereignissen, von der Fortführung der dänischen Flotte durch die Engländer und der Besetzung Holsteins durch die Schweden bis zu den Anfängen der Scheidung der dänischen und deutschen mit der größten Theilnahme, und nahm durch Wort und Schrift (z. B. durch Abhandlungen in den „Kieler Blättern“) an der Tagespolitik theil.

In seiner übersprudelnden Lebendigkeit und Offenheit hat er mit vielen Andern, um nur die Dahlmann, Falck, Olshausen, Hegewisch zu nennen, gewiß nicht wenig zu dem frischen politischen Leben beigetragen, durch welches sich Kiel auszeichnete. Von der Unbefangenheit und Offenherzigkeit mit der er seine Gesinnung äußerte, aber auch von der richtigen Würdigung, welche man damals in Dänemark für freisinnige Aeußerungen hatte, giebt die hübsche Anekdote Auskunft, welche E. M. Arndt (in der Broschüre: Anklage einer Majestätsbeleidigung etc. Leipzig 1851) veröffentlicht hat. Der betreffende Vorfall verlief nach Pfaff’s Erzählung so. Bei seiner Anwesenheit in Bonn gab er in Veranlassung der berüchtigten Demagogenverfolgungen öffentlich seinem Unmuthe gegen die preußische Regierung kräftigen Ausdruck. Darauf erfolgte eine Beschwerde des preußischen Gesandten in Kopenhagen beim König Friedrich VI., welcher aber nur erwiderte: Mein lieber Graf, Sie müssen das dem guten P. nicht weiter anrechnen – er glaubte in meinem Lande zu sein. – Es ist sehr zu bedauern, daß von dem umfangreichen Briefwechsel Pfaff’s nur ganz vereinzelte Briefe veröffentlicht sind (im Anhange zur Selbstbiographie), man würde dadurch erst eine zutreffende Vorstellung von dem außerordentlichen Einflusse gewonnen haben, welchen der so vielseitig begabte und liebenswürdige Mann ausgeübt hat.

[587] G. G. Nitzschii memoria Chr. Henr. Pfaffii. Kiliae 1852. – Lebenserinnerungen von Christoph Heinrich Pfaff. Kiel 1854, enthält zugleich die erstere Schrift. – Nekrolog, Weser-Zeitung April 1852 und Altonaer Merkur 1852 Nr. 104. – Voigt, Neuer Nekrolog der Deutschen, Weimar 1854. – Lübker[WS 1] und Schröder, Lexikon Schlesw.-Holst.-Lauenb. Schriftsteller nebst Nachtrag, Altona 1829–31. – Alberti’s Lexikon, Fortsetzung des vorigen Werkes II, 203. – Callisen, Medicin. Schriftsteller-Lexikon, Kopenhagen 1830–45. – Gersdorf, Leipz. Repertorium 1843–60. – Meusel, Das gelehrte Teutschland, Lemgo 1796–1834. – Poggendorff, Biogr.–litter. Handwörterbuch II, 418.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Detlev Lorenz Lübker (1773–1852), Compastor in Husum, Vater Friedrich Heinrich Christian Lübkers.