ADB:Rugendas

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Artikel „Rugendas“ von Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 599–601, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rugendas&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 14:05 Uhr UTC)
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Rugendas (sprich Rúgendas), Künstlerfamilie in Augsburg. Georg Philipp R., Maler und Kupferstecher, ist der älteste und berühmteste der Familie. Sein Großvater war 1608 aus Mulsingen (wol Melsungen in Hessen) in Augsburg eingewandert, sein Vater betrieb ein Uhrmachergeschäft. R. wurde am 27. Nov. 1666 geboren. Er sollte das Handwerk des Vaters lernen, als der letztere jedoch seine Talente für die zeichnenden Künste bemerkte, gab er ihn zu einem Kupferstecher; ein fistelartiger Schade an der rechten Hand jedoch war die Ursache, daß der Knabe den Grabstichel mit dem leichteren Pinsel zu vertauschen sich genöthigt sah. Er wurde auf 5 Jahre zu dem Historienmaler Isaak Fisches verdingt. Jetzt bildete sich seine Vorliebe für kriegerische Vorstellungen aus, und er studirte, von Fisches unterstützt, nach Bourguignon, Lembke und Tempesta. Leider verschlimmerte sich seine rechte Hand, so daß er die linke zum Arbeiten ausbilden mußte. Nach Ablauf von 6 Jahren ging R. nach Wien, wo er mit dem kaiserlichen Siegel- und Steinschneider Johann Michael Hofmann bekannt wurde und einen väterlichen Freund an ihm gewann. Hier heilte auch seine Hand durch Ausstoßung des kranken Knochens. Nach zwei Jahren begab sich R. 1692 nach Venedig, woselbst er 14 Monate verblieb, sich bei dem Historienmaler Molinari weiter bildete und für vornehme Herren malte. In Rom, wo er seinen längsten Aufenthalt in Italien nahm, trat er in die deutsch-niederländische Gesellschaft, Bent genannt, und erhielt von ihr als Bentnamen „Schild“. Der Aufenthalt in Rom war sehr wichtig für die Kunst des R., er lernte sich an die dort herrschende Schlachtenmanier des Bourguignon anschließen, und seine dort und in der Campagna gemachten Menschen-, Thier- und Landschaftsstudien verwerthete er noch lange. Im Juni 1695 war der Künstler wieder in Venedig; da jedoch damals sein Vater das Zeitliche segnete, mußte er nach der Heimath zurückkehren. Am 2. Mai 1697 verheirathete sich R. mit Anna Barbara Haid, gerieth jedoch bald durch Krankheiten in keine guten Vermögensverhältnisse. Um diese zu verbessern, entschloß er sich 1698 zur Radirnadel und 1700 zum Schabeisen zu greifen. Der spanische Erbfolgekrieg gewährte ihm reichen Stoff für seine Studien und befeuerte seine Phantasie. Als im J. 1703 Augsburg durch die verbündeten Franzosen und Baiern belagert wurde, war dies trotz manchen Mißgeschickes, das ihn dabei traf, eigentlich ein Glück für ihn, denn die Belagerung bot ihm die Möglichkeit, die Wirkungen des Krieges in unmittelbarster Gegenwart wahrzunehmen. Früchte waren u. a. seine bekannten 6 Blatt Radirungen (Börner Nr. 31–36), die meiner Ansicht nach das Beste sind, was er gemacht hat. Im J. 1710 entstand auf Betreiben des Kupferstichhändlers Jeremias Wolff die städtische Kunstakademie zu Augsburg, und R. wurde nach dortiger Sitte der erste protestantische Director (der erste katholische neben ihm wurde der Historienmaler Johann Rieger). Zu reichlichem Verdienste waren die Zeiten freilich nicht angethan, dazu kam die Vermehrung seiner Familie, und so sah sich R. genöthigt, 50 Gemälde durch einen gewissen Müller zu Paris unter dem Werth verkaufen zu lassen, er griff wieder zur Kupferstecherei, und es entstand [600] jetzt die Mehrzahl seiner Schabkunstblätter. So entwöhnte er sich des Pinsels, und erst 1736 nach zwanzigjähriger Unterbrechung versuchte er sich wieder vor der Staffelei, wurde jedoch durch das anfängliche Mißlingen so muthlos, daß er den Pinsel zum Fenster hinauswarf. Erst allmählich gewann er sein Selbstbewußtsein wieder und malte fort, bis er am 9. Mai 1741 an wiederholten Schlaganfällen starb.

R. war ohne Zweifel ein Talent ersten Ranges, um nicht zu sagen, ein Genie. Zweifellos würde er, unter bessere Verhältnisse versetzt, etwa in den Niederlanden um 1650 lebend, ein Künstler geworden sein, der seine sämmtlichen Pferde- und Schlachtenconcurrenten überflügelt hätte. So aber mußte er für seine Familie rasch verdienen und kam in die engen Verhältnisse einer Stadt wie Augsburg, die seit der Gegenreformation sehr herabgekommen war, zudem in eine Zeit, in welcher die Maltechnik nicht mehr auf früherer Höhe stand. Feuer und Phantasie kann man ihm nicht absprechen, aber wohl eine gewisse Monotonie in der Zeichnung der Pferde und Menschen rügen. Auch seine Malerei ist nicht sehr solide, sie hat etwas Unklares und Verblasenes. Er selbst theilte seine Werke in drei Classen ein: „Meine ersten“, drückt er sich aus: „täuschen durch die Farbe und den Geschmack der Tinten, die Zeichnung ist mittelmäßig, in den zweiten habe ich mir die Natur zum ausschließlichen Vorbilde genommen, aber die Färbung vernachlässigt, in den dritten und letzten war Schärfe und Richtigkeit das Höchste, was ich suchte.“ Außer Schlachten malte er auch Reiterscenen und Märkte. Sein Bildniß zeichnete J. L. Haid, es wurde 1730 von Christian Rugendas in Schwarzkunst ausgeführt.

Georg Philipp R., der Jüngere, Maler und Kupferstecher, wurde als der älteste Sohn des vorigen 1701 zu Augsburg geboren. Er versuchte sich erst unter Anleitung des Vaters in der Malerei, wandte sich jedoch später dem Schwarzkunststechen zu. Er stach nach seinem Vater, dann nach J. D. Herz, Josef Mages, Franz Sigrist, J. Fisches. Auch brachte er eigene Erfindungen, Schlachten, Reiter u. dgl. in breiter, oberflächlicher Manier in Kupfer. In seinen Gemälden nahm er sich Roos zum Muster. E. Nilson stach nach ihm ein Blatt, die Zeit, und G. H. Schifflen 4 Blätter mit Hunden. Stillfried meint von ihm, er wäre ein großer Künstler geworden, hätten ihn nicht ein unglückliches Temperament und häusliche Mißverhältnisse niedergehalten. Er starb 1774 zu Augsburg.

Johann Christian R., der zweite Sohn Georg Philipp’s des Aelteren, geboren 1708, war anfangs Schüler des geschickten Kupferstechers Johann Balthasar Probst, verlegte sich aber in der Folge auf die Kunstweise seines Vaters und war hauptsächlich thätig, dessen Zeichnungen zu reproduciren. Er hatte eine besondere Manier, welche die Sepia- oder Bisterzeichnungen mit aufgesetzten Lichtern wiedergeben sollte, er druckte mit zwei Platten, einer ockerartigen Grundfarbe und einem Dunkelbraun darüber à la Mezzotinto, wobei das Papier zu den weißen Lichtern benutzt wurde. Diese Drucke nannte man Helldunkel. Auch zeichnete er viele militärische Blätter, die mit der Feder und Tusche ausgeführt sind, ferner veranstaltete er von den Platten seines Vaters Abdrücke. R. starb am 10. Juli 1781 zu Augsburg. Sein Sohn Philipp Sebastian hatte ihm bei seinen Arbeiten in Helldunkel geholfen.

Jeremias Gottlob R., der dritte Sohn Georg Philipp’s des Aeltern, geb. 1710, wurde ebenfalls Kupferstecher, und war als solcher nicht ohne Verdienst. Im J. 1743 arbeitete er zu Presburg. Er stach nach G. Eichler (Bildniß des Kurfürsten Maximilian III. von Baiern), P. v. Strudel (den er fälschlich Strubi nennt), J. J. Preißler (Christus heilt die Lahmen), Fr. Trevisani, Ribera, G. Reni, Domenichino, Le Brun. Er starb 1772 in seiner Vaterstadt.

[601] Johann Lorenz R., Maler und Kupferstecher, Sohn des Georg Lorenz R., welcher letzterer seinerseits Sohn Georg Philipp’s des Jüngeren war, und mehr als Kunsthändler, denn als Kupferstecher zu gelten hat. R. war geboren zu Augsburg 1775. Er arbeitete anfänglich für den Klauber’schen Verlag und besonders für den seines Vaters in Schwarzkunst und Aquatinta, und gewann hauptsächlich durch seine Schlachtenbilder aus den Napoleonischen Kriegen, die er stach und ausmalte, Namen. Zu einigen derselben hatte ihm der bairische Oberstlieutenant F. W. v. Hofnaaß die Skizzen geliefert. Diese Blätter zeichnen sich durch örtliche Treue und Kostümrichtigkeit aus, eigentliche Kunst ist kaum dabei. R. hat auch lithographirt. Das Kupferstichcabinet zu München besitzt von ihm 12 kleine Aquarelle, 3 Soldaten und 9 Reiter in Reitschulstellungen, sie sind allerdings dilettantenhaft. Der Künstler starb 1826 als Professor und Director der Kunstschule zu Augsburg.

Vgl. J. C. Füeßli, Leben des Georg Philipp Rugendas (Zürich 1758). – Nagler’s Künstlerlexikon. – J. A. Börner in Naumann’s Archiv für die zeichnenden Künste XII, 1866. – H. Graf Stillfried, Leben und Kunstleistungen des Malers und Kupferstechers Georg Philipp R. und seiner Nachkommen (Berlin 1879).