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ADB:Schacht, Hermann

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Artikel „Schacht, Hermann“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 482–486, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schacht,_Hermann&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:38 Uhr UTC)
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Band 30 (1890), S. 482–486 (Quelle).
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Schacht: Hermann S., Botaniker, geboren am 15. Juli 1814 zu Ochsenwerder bei Hamburg, † am 20. August 1864 in Bonn, genoß seinen ersten Unterricht im elterlichen Pfarrhause, größtentheils durch den Vater selbst, bis er 1829 zu einem Pharmaceuten nach Altona in die Lehre kam. Nach vollendeter Lehrzeit war er mehrere Jahre in verschiedenen Städten Deutschlands, so in Kreplin in Mecklenburg, in Braunschweig, Hamburg, Emmerich, Aachen und zuletzt wieder in Altona als praktischer Apotheker beschäftigt, hatte sich aber inzwischen auch in Jena wissenschaftlich weitergebildet. In Altona trat er mit dem bekannten Hepatologen Gottsche in nähere Beziehung, durch dessen Anregung er sich ebenfalls mit den Lebermoosen eingehend beschäftigte. Obwol S. über diese Familie nie eine Arbeit veröffentlicht, so übte er doch durch das Studium derselben seine Beobachtungsgabe und sein Zeichentalent und lieferte für die „Synopsis Hepaticarum“ von Gottsche, Lindenberg und Nees von Esenbeck eine große Zahl von Figuren, namentlich zur Gattung Mastigobryum. Ganz besonders aber fesselten ihn phytotomische und physiologische Studien und vor allem waren es die Arbeiten Schleiden’s über die Befruchtung der Pflanzen, die ihn zu einem begeisterten Anhänger der von letztgenanntem Botaniker aufgestellten Theorie machten, welche er gegen alle Angriffe solange mit unerschütterlicher Ueberzeugung vertheidigte, bis der Gründer der Lehre selbst sie aufzugeben sich genöthigt sah. Gleich Schacht’s erste Schrift: „Beobachtungen über die Befruchtung von Cucumis sativus,“ 1845 in den Annales de la société d’histoire naturelle de Hambourg veröffentlicht, bewegt sich auf diesem Gebiete. Ihr folgte ein Jahr darauf eine mit seinem Freunde, dem Chemiker Jansen gemeinsam verfaßte Arbeit über die Krankheit der Kartoffel. Im Frühjahr 1847 verließ [483] S. die Pharmacie und übernahm bei seinem Lehrer Schleiden in Jena eine Assistentenstelle. Trotzdem ihm seine hierdurch übernommenen Pflichten wenig Zeit für eigene wissenschaftliche Arbeit ließen, beschäftigte er sich mit der Vollendung einer bereits in Altona begonnenen größeren Abhandlung über die Frage nach der Entwickelung des Pflanzenembryo, worüber von dem Königl. Niederländischen Institute der Wissenschaften in Amsterdam 1847 eine Preisaufgabe gestellt worden war. Schacht’s Arbeit erhielt den Preis und erschien 1850 als selbständige Schrift unter dem Titel: „Entwickelungsgeschichte des PfLanzenembryon,“ begleitet von 26, theilweise colorirten Tafeln. In demselben Jahre, bald nach erlangter Promotion zum Dr. phil., verließ S. Jena, um nach Berlin überzusiedeln. Hier entwickelte er eine fruchtbare schriftstellerische Thätigkeit, besonders auf seinem Lieblingsgebiete der pflanzlichen Anatomie und Physiologie und hatte das Glück, in A. v. Humboldt einen Gönner und einflußreichen Förderer seiner Arbeiten zu finden. Diesem Umstande ist es wol auch zuzuschreiben, daß ihn die Berliner Akademie der Wissenschaften beauftragte, genauere Studien über Anatomie und Physiologie der Waldbäume zu machen, zu welchem Zwecke er sich 3 Sommer hindurch in Thüringen aufhielt. Gegen Ende 1853 habilitirte sich S. in Berlin als Privatdocent. Seine rastlose wissenschaftliche Thätigkeit hatte jedoch seine Gesundheit geschädigt, so daß er sich genöthigt sah, auf 2 Jahre nach Madeira zu gehen, wozu ihm seitens der Akademie und der Regierung eine materielle Unterstützung gewährt wurde. Den Aufenthalt hierselbst nutzte S. zu umfassenden Studien aus, als deren Frucht eine Schilderung der Vegetation Madeiras und der Canarischen Inseln 1859 erschien. Im folgenden Jahre erhielt er, als Nachfolger von Treviranus, einen Ruf nach Bonn als Professor und Director des botanischen Gartens. Leider sollte er sich der ihm nun endlich gewordenen sicheren und auskömmlichen Lebensstellung nicht lange erfreuen. Rastlose Thätigkeit und die äußeren Mühen des Lebens hatten seinen Körper zerrüttet und 4 Jahre nach Uebernahme der Professur erlag er, kurz nach Vollendung seines fünfzigsten Lebensjahres einem plötzlichen Lungenschlage. Mit dem von ihm für seine Preisschrift gewählten Motto: „Nur Beharrung führt zum Ziel, nur die Fülle führt zur Klarheit,“ war auch das Princip des ganzen arbeitsreichen Lebens dieses Forschers gegeben.

Mit dieser erwähnten preisgekrönten Schrift: „Die Entwickelungsgeschichte des Pflanzenembryon“ vom Jahre 1850 vertritt S. ganz entschieden den Standpunkt der Schleiden’schen Lehre von der Befruchtung, wonach der Pollenschlauch phanerogamer Pflanzen, in den Embryosack der Samenknospe eingedrungen, selbst zum Embryo auswachsen sollte, womit die Existenz der Keimbläschen im Embryosack, als der schon vor dem Eindringen des Pollenschlauches vorhandenen Grundlage für den späteren Embryo geleugnet, und somit auch für die höheren Gewächse ein im Grunde nur ungeschlechtlicher Entwickelungsgang angenommen wurde. Diese schon 1837 von Schleiden veröffentlichte Theorie war zur Zeit, als Schacht’s Arbeit erschien, bereits hinlänglich widerlegt worden; trotzdem suchte letzterer die seiner Schrift mitgegebenen zahlreichen Abbildungen ganz im Sinne dieser unrichtigen Lehre zu deuten, und wenn das Niederländische Institut die Arbeit dennoch mit dem Preise krönte, so beweist dies nur, wie tiefe Wurzeln die Schleiden’sche Ansicht in der botanischen Welt gefaßt hatte. Einen dauernden Einfluß gewann dagegen Schacht’s zweite größere Publication, das zuerst 1851 erschienene Buch: „Das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzenanatomie und Physiologie.“ In demselben beabsichtigte der Verfasser, dem Anfänger eine Anleitung für mikroskopische botanische Untersuchungen zu geben und hat seinen Zweck durch den reichen Inhalt seiner Schrift auch sicher erreicht. Sie verbreitet sich nicht nur über die optischen und mechanischen [484] Theile des Mikroskops, seine Nebenapparate und die sonstigen mechanischen Hülfsmittel, sondern auch sehr eingehend über die zweckmäßigsten Methoden der Untersuchung für alle in Betracht kommenden Pflanzentheile. Den Werth des Buches beweist schon der äußere Umstand, daß es nicht allein 3 Auflagen in deutscher Sprache erlebte, sondern auch, nach dem Erscheinen der zweiten Auflage, ins Englische und nach dem der dritten ins Französische übersetzt wurde. Beigefügt sind 6 lithographirte Tafeln, die recht saubere Zeichnungen des großen Oberhäuser’schen Mikroskops mit Nebenapparaten, sowie zahlreicher Präparate über Blüthenentwickelung darstellen. Der große Aufschwung, den gegen die Mitte unseres Jahrhunderts die Kunst des Mikroskopirens genommen, prägt sich in dem Schacht’schen Buche deutlich aus, wenn auch namentlich in den auf die embryologischen Untersuchungen sich beziehenden Capiteln die irrthümlichen Ansichten des Verfassers ebenfalls wiederkehren. Als Anweisung zur praktischen Benutzung des Mikroskops bei der Untersuchung technisch wichtiger Pflanzen ließ S. 1853 eine kleine Schrift erscheinen: „Die Prüfung der im Handel vorkommenden Gewebe,“ worin auf 8 Tafeln erläuternde Abbildungen gegeben werden. Um die Resultate der neuen phytotomischen Forschungen auch weiteren Kreisen zugänglich zu machen, ließ S. 1852 ein Lehrbuch erscheinen unter dem Titel: „Physiologische Botanik. Die Pflanzenzelle, der innere Bau und das Leben der Gewächse“. Auf den 20 beigegebenen Tafeln bringt es eine Fülle guter Originalabbildungen und auch der Inhalt des Textes bietet zahlreiche Details über alle einschlägigen Fragen, wie auf dem Titelblatt bemerkt, auf Grund eigener vergleichender mikroskopisch-chemischer Untersuchungen. In den 50 Paragraphen der 12 Abschnitte, in welche das Buch zerfällt, ist ziemlich Alles enthalten, was nach dem damaligen Stande der Wissenschaft über die Pflanzenzelle und deren Weiterentwickelung bekannt war. Besonders hervorgehoben zu werden verdient, daß die Natur der Einwirkung chemischer Agentien auf pflanzliche Gebilde hier zum ersten Male im Zusammenhange erschöpfend behandelt ist. Dennoch leidet das Werk an einer meist kritiklosen Zusammenstellung der empirischen Resultate sowie an einer nicht genügenden Verwerthung der vorhandenen Litteratur. Auch in der zweiten Auflage der Arbeit, deren erster Theil 1856 und deren zweiter Theil 1859 erschien unter dem allgemeinen Titel: „Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse“, sind die angedeuteten Uebelstände nicht beseitigt worden, obwol zwar Vieles im einzelnen gebessert, auch die Darstellung durch Zusammenziehung des Textes weniger weitschweifig erscheint. Die Abbildungen sind fast sämmtlich neu. In den Rahmen der letztgenannten Arbeiten Schacht’s gehört auch eine 1854 publicirte Schrift: „Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse“. Den Inhalt bilden 14 Aufsätze über entwickelungsgeschichtliche Verhältnisse einzelner Pflanzentheile, wie der Blüthen der Cupuliferen, der Betulineen, derjenigen von Stylidium adnatum und der Pflanzenwurzel. Es sind theils neue Beobachtungen, theils Ergänzungen oder Berichtigungen früherer Untersuchungen, theils Neuabdrücke von solchen. Den Schlußstein seiner schriftstellerischen Thätigkeit auf phytotomischem Gebiete lieferte S. 1859 mit einem „Grundriß der Anatomie und der Physiologie der Gewächse“, wovon 1861 auch eine Uebersetzung ins Schwedische herauskam. Die Frucht seiner im Auftrage der Berliner Akademie unternommenen Studien über deutsche Waldbäume legte S. in einem Buche nieder, das unter dem Titel: „Der Baum. Studien über Bau und Leben der höheren Gewächse“ 1853 im Druck erschien. Zwar beabsichtigt das Werk in erster Linie nur, dem Forstmann einen wissenschaftlichen Leitfaden zu bieten, durch den er in die praktischen Fragen seines Berufes mit tieferem Verständniß einzudringen vermöchte, doch erweiterte der Verfasser schließlich den Inhalt zu einer vollständigen Anatomie und Physiologie [485] der Gewächse, insofern er an den Lebensverhältnissen der Bäume sämmtliche Bildungsvorgänge der phanerogamen Pflanzen überhaupt zu erläutern suchte. Demnach entspricht der erste der 12 Abschnitte des Buches dem Hauptinhalte seiner „Pflanzenzelle“, während die folgenden sich mit den speciellen Schilderungen der untersuchten Bäume beschäftigen. Mit Vorliebe sind die einheimischen Nadelhölzer berücksichtigt und von den Laubbäumen besonders Eiche, Buche, Birke und Erle, daneben aber finden sich auch viele Beobachtungen über die anatomische Structur des Holzes, der Rinde, sowie über die Wachsthumsvorgänge bei Linden, Platanen, Pappeln, Weiden, Rüstern, dem Weinstock und den Obstbäumen. Das reiche Material, das S. über die anatomische Beschaffenheit des Holz- und Rindenkörpers gesammelt, ist am Schluß des Werkes in einem Anhange übersichtlich zusammengestellt, versehen mit einem analytischen Schlüssel behufs Bestimmung der Baumarten aus dem mikroskopischen Befunde des Holzkörpers. Die 3 letzten Abschnitte handeln von der Physiologie der Bäume und ihrer landwirthschaftlichen Bedeutung. Sechs Tafeln begleiten das Werk, davon 4 in Farbendruck, während zahlreiche Holzschnitte zur Erläuterung des Textes dienen. 1860 erschien eine zweite, umgearbeitete Auflage und 1862 eine von E. Morren verfaßte französische Uebersetzung unter dem Titel: „Les arbres“. Ein interessantes Buch veröffentlichte S. 1859 als Folge seines auf der Insel Madeira genommenen Aufenthaltes: „Madeira und Tenerifa mit ihrer Vegetation“. In lebendiger Anschaulichkeit bringt es, auf Grund selbständiger Beobachtungen eine Schilderung der Vegetation Madeiras und der canarischen Inseln, sowol bezüglich der heimischen Flora, wie der angebauten Gewächse und enthält neben vielen bekannten, auch eine Reihe neuer, für den Botaniker, wie den Culturhistoriker werthvoller Thatsachen. Dem Anhange, der eine kurze Reiseschildenmg enthält, folgen 6 lithographirte Tafeln mit Abbildungen typischer Pflanzenformen, zum Theil mit landschaftlicher Staffage, sowie 10 Holzschnitte mit Ansichten und einzelnen besonders hervorragenden Gewächsen. Erwähnt zu werden verdient, daß Schacht’s Umkehr von der Schleiden’schen Befruchtungslehre in die Zeit seines Aufenthaltes auf Madeira fällt und veranlaßt wurde durch seine Studien über die Befruchtung von Gladiolus segetum, worüber er in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften vom Mai 1856 berichtet. Bezüglich der canarischen Inseln, die S. nur vorübergehend besuchte, hat Dr. Karl Bolle einige Anmerkungen zugefügt. Das Buch ist als Bericht an das preußische Ministerium für Landwirthschaft verfaßt. Ein Bericht an das Landesökonomiecollegium erschien 1856 über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten, worüber er schon 10 Jahre früher eine mit seinem Freunde Jansen gemeinsam verfaßte Abhandlung publicirt hatte. Dieser Bericht umfaßt 40 Folioseiten und 10 theilweise colorirte Tafeln. Neben diesen in nur kurzen Zwischenräumen veröffentlichten größeren Arbeiten schrieb S. auch noch zahlreiche Aufsätze für Zeitschriften, so für die Linnaea, Flora, das Journal de Pharmacie und für Caspar’s Wochenschrift zur Botan. Zeitung. Eine nach der Zeit geordnete Zusammenstellung derselben findet sich im 5. Bande des Catalogue of scient. pap. vom Jahre 1871 (p. 433 und 34).

Eine solche Fülle litterarischen Schaffens während einer nicht ganz 20 Jahre umfassenden schriftstellerischen Thätigkeit konnte nur der nie rastenden Natur Schacht’s möglich werden. Freilich sind nicht alle seine Arbeiten von gleichem Werthe, manche vielleicht durch das zähe Festhalten an widerlegten Theorien der Entwickelung der wissenschaftlichen Botanik hinderlich gewesen, das Verdienst darf S. jedoch für sich in Anspruch nehmen, daß er, abgesehen von der Bereicherung der Wissenschaft durch einzelne seiner Entdeckungen, wie beispielsweise durch die richtige Deutung der Entwickelungsgeschichte der gehöften Tüpfel, es im hohen [486] Grade verstanden hat, durch seine Schriften anregend auf den jüngeren Nachwuchs in der Botanik zu wirken und derselben Kräfte zuzuführen, welche dem um die Mitte unseres Jahrhunderts entstandenen Impulse folgten und den Ausbau der Botanik zu einer wahrhaft inductiven Wissenschaft ermöglichten.

Biographie von Joh. Grönland in Bull. soc. bot. 1864. – Pritzel, thes. lit. bot.Sachs, Gesch. d. Botanik.