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ADB:Schomburgk, Robert

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Artikel „Schomburgk, Robert“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 240–243, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schomburgk,_Robert&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 10:13 Uhr UTC)
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Band 32 (1891), S. 240–243 (Quelle).
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Schomburgk: Robert S., Reisender und Naturforscher, geboren am 5. Juni 1804 zu Freiburg an der Unstrut als Sohn des Superintendenten S., widmete sich in Leipzig der Kaufmannschaft, wo er langjährige Wünsche nach naturgeschichtlichen Studienreisen in die Fremde erfüllt fand, als ihm 1822 der Auftrag ward, eine sächsische Schafheerde nach Nordamerika zu bringen. Er blieb in der Neuen Welt, betrieb Handelsgeschäfte zuerst in Nordamerika, dann seit 1830 in Westindien, errichtete hier ein selbständiges Geschäft, erlitt aber Verluste und wandte sich endlich ganz den Wissenschaften zu, die er sich besonders so weit zu eigen zu machen strebte, als sie zu den Grundlagen der Bildung eines Forschungsreisenden gehören. „So ward Schomburgk ein Botaniker, ein Geolog, ein Physiker, ein Geograph, ein Hydrograph, [241] und das alles durch seine eigene Willenskraft, durch eigenes Studium, fern von all den litterarischen Hülfsmitteln, welche die Alte Welt darbietet, ohne mündlichen Unterricht, nur dann und wann die Anleitung genießend, die ihm ein freundlich gesinnter Schiffscapitän in der Manipulation des Sextanten oder des Chronometers zu Theil werden ließ“ (Berghaus, 1836). Er schuf eine Karte von Anegada, welche die britische Admiralität herausgab und übernahm 1835 den Auftrag zur Erforschung Britisch-Guyanas. Selten ist soviel Liebe zu den allerverschiedensten Gegenständen der Geographie, Naturgeschichte und Völkerkunde an eine derartige Aufgabe herangebracht worden. Schomburgk’s Ortsbestimmungen sind von musterhafter Genauigkeit, seine botanischen und geologischen Studien haben eine Menge anziehender Ergebnisse geliefert, die Kartographie weiter Gebiete ruht noch immer auf dem von ihm zuerst gelegten Grunde; und wenn man eine rein ethnographische Arbeit liest, wie die über den Amazonenstein in den 1846er Verhandl. der Berliner Gesellschaft für Erdkunde ist man erstaunt, wie weite Blicke bei aller Vorsicht des Schließens sich auch hier eröffnen. S. war offenbar ein geborener Forschungsreisender und besaß auch die körperliche Spannkraft, welche zur Ueberwindung der Gefahren des tropischen Klimas und eines entbehrungreichen Waldlebens erforderlich ist. Was er geleistet hat, ist wesentlich seiner eigenen Arbeit zu danken. Ueber seine Sammlungen hat Alexander v. Humboldt sich in höchstem Grade lobend in der Vorrede zum ersten Reisewerk ausgesprochen. S. war endlich Zeichner und hat seine Herbarien durch schöne Pflanzenbilder vervollständigt. Die Reisen Schomburgk’s in Guyana dehnten sich mit der kurzen Unterbrechung eines Aufenthaltes in Europa, den er 1839/40 machte, über die Jahre 1835–44 aus. Insofern sie jene an den Quellen des Orinoco und im Essequibogebiet liegenden Regionen erschlossen, vor welchen Alexander v. Humboldt in der Mission Esmeraldas Halt gemacht hatte, treten sie, dessen Entdeckungsarbeiten noch enger vervollständigend zur Seite, wie die kurz zuvor vollendeten Reisen von Pöppig und Martius in anderen Theilen Südamerikas. Humboldt hatte selbst noch auf Grund seiner Erkundigungen die Richtungen und Wege angegeben, in welchen man weiterzuschreiten habe und es erfüllte ihn mit Genugthuung, daß S. gerade auf diesen von ihm bezeichneten Wegen glänzende Ergebnisse erzielte. Als er am 21. September 1835 Georgetown verlassen hatte, begann er sogleich mit der Untersuchung des Essequibo, die von der Mündung des Rupunnini an wesentlich jungfräulichen Boden beschritt. Er drang in die Gebiete der Wapisiana vor, erforschte das Pacaraima-Gebirge, beschäftigte sich mit dem Problem des Urari, und entdeckte nach längerem Aufenthalte in Curasawak den großen Katarakt des Essequibo (5. März 1836). Im September desselben Jahres wurde die Erforschung des Corntyn und Berbice in Angriff genommen. Die großartigen Fälle des ersteren wurden am 18. October entdeckt und im Oberlauf des anderen fand S. um Neujahr 1837 die riesige Wasserpflanze, die später als Victoria regia sich durch alle Warmhäuser der Erde verbreitet hat. Schwierigkeiten, die die indianischen Begleiter dem weiteren Vordringen ins Innere bereiteten, der Verlust seines jungen Begleiters Karl Reiß, der am 12. Februar bei einem der zahllosen Versuche, eine Stromschnelle des Berbice zu überschiffen, ertrank, erschwerte die Arbeiten dieses Jahres, welche mit der Erforschung des Demerara abschlossen. Im September 1837 brach S. von neuem nach dem oberen Essequibo auf, um die Verbindung mit den Beobachtungen Humboldt’s in Esmeraldas herzustellen, erreichte im December eine Quelle des Flusses in 0° 41′ n. Breite und unternahm dann die Erforschung der Sierra Acarai. Am 17. December erreichte er die Wasserscheide zwischen Essequibo und Amazonenstrom und überschritt den [242] Aequator, womit der größte Theil des Zwecks dieser Reise erreicht war. Er hielt sich dann einige Monate zum Zweck des Sammelns in der Macusistation Pirara auf und erforschte von hier aus das Carumágebirge, begab sich am Schluß des Jahres nach dem Roraimagebirge und erforschte den Lauf des Parima und war im Februar zu Esmeraldas, wo er seine Beobachtungen mit denen Alexander v. Humboldt’s in Verbindung setzen konnte und dessen Angaben über den Cassiquiare bestätigte.

Die zweite Reise nach Guyana trat S. am 29. October 1840 in Gesellschaft seines Bruders Richard an, der mit Unterstützung des Königs von Preußen botanischen Studien in Guyana nachging. Im April des folgenden Jahres ging er von dem cassiquiare-ähnlichen Verbindungscanal zwischen Barima und Waini in den ersteren Fluß, den er theilweise aufnahm, dann folgte die Aufnahme des Amacura bis zu den Schnellen und des Barima bis in das Quellgebiet, darauf eine Wanderung aus dem Gebiete dieses Flusses über die kataraktenreiche Wasserscheide in dasjenige des Cujuni. Im Beginn des Jahres 1843 folgte eine Untersuchung der Gebiete nördlich vom Roraima und dann von Pirara am Rupunnini flußaufwärts. Die Regenzeit, welche gewählt worden war, um den nicht tiefen, an Stromschnellen reichen Fluß höher hinauf beschiffen zu können, machte diese Reise zu einer der schwierigsten. Am 13. Mai wurde der große von den Wapisiana Cutatarua genannte Fall des Rupunnini erreicht. Nicht ohne Lebensgefahr wurde, nach Verlust der Führer, die Wasserscheide überschritten und der Weg den Corntyn abwärts zurückgelegt. Im October war Georgetown erreicht und damit die Reihe der Reisen beendigt, deren Zweck die Erforschung Britisch-Guyanas war. S. konnte auf seine Leistungen – 174 Breite- und 223 Längenbestimmungen, welche über 15000 Sternhöhen und Monddistanzen zur Voraussetzung haben, 6692 barometrische und thermometrische Ablesungen, ein Herbarium von 2500 getrockneten Pflanzen u. v. a. – mit dem Bewußtsein blicken, die Grundlage der Kenntniß des Landes geschaffen zu haben. Nach Beendigung der Reisen in Guyana kam S. 1844 zum zweiten Male nach London, wo er nach einem Aufenthalte in Barbados (1846) seine große geographische Monographie von Barbados („History of Barbadoes“ 1848, die Karte ist großentheils Originalarbeit Schomburgk’s) herausgab und den Band der Hakluyt-Gesellschaft über Raleigh’s Entdeckung von Guyana vorbereitete, welcher durch die biographische Einleitung ausgezeichnet ist. Nachdem er die große goldene Medaille der Geographischen Gesellschaft schon früher erhalten, empfing er 1845 den Rittertitel. 1848 ernannte ihn die britische Regierung zum Consul in Hayti, wo er trotz der Inanspruchnahme durch die politischen Wirren und trotz des Abschlusses eines Handelsvertrages Zeit fand, ausgedehnte Reisen, besonders 1849 nach dem See Henriquillo im SW. der Insel, zu unternehmen und eine 12 Fuß lange Karte der Insel in 1:200000 zu schaffen, die zu einem guten Theile auf eigenen Beobachtungen beruhte. Mit großer Sorgfalt bestimmte S. zu verschiedenen Malen chronometrisch die Länge der Stadt San Domingo. 1857 erhielt er den wichtigen Posten eines Generalconsuls in Bangkok, welchen er bis 1864 bekleidete. Er kehrte im April 1864 mit durch die Einflüsse des tropischen Klimas erschüttertem Körper nach Europa zurück und weilte in Schöneberg bei Berlin, als er am 11. März 1865 abgerufen wurde.

Schomburgk’s Hauptwerke sind: „Geographisch-statistische Beschreibung von Britisch-Guyana“ (englisch 1840, deutsch 1841); „Views in the Interior of Guayana“ (1840); „History of Barbadoes“ (1848); „The Discovery of the Empire of Guiana by Sir W. Raleigh, Hakluyt Society“ (1848). Das dreibändige Werk „Reisen in Britisch-Guyana“ (1847), hat Richard S., der als [243] botanischer Begleiter die zweite Reise mitmachte, unter Benützung der Vorarbeiten seines Bruders Robert geschrieben. Robert S. hat über diese Reise eigene Mittheilungen im Journal der Londoner Geographischen Gesellschaft 1842 u. 1845 veröffentlicht. Es enthält im ersten und zweiten Band eine etwas breite Beschreibung der Reisen von 1840–44 und im dritten einen Abriß der Flora und Fauna von Guyana. Die Karte im ersten Band ist nach den Aufnahmen von Robert S. gezeichnet. Aehnlich hat ein jüngerer Bruder Otto S. (geb. 1810, † zu Buchsfeld in Südaustralien 1857) die an die Londoner geographische Gesellschaft gesandten Berichte 1841 unter dem Titel „Reisen in Guayana und am Orinoko 1835–39“ deutsch herausgegeben. Reichliche Beiträge aus Robert Schomburgk’s Feder enthalten das Journal der Londoner Geographischen Gesellschaft und die Mittheilungen der Berliner Gesellschaft für Erdkunde. Wenn S. auch durch alle Bande seiner amtlichen Stellung und Thätigkeit und theilweise auch durch spätere Erziehung und Entwicklung an England geknüpft war und thatsächlich von den Engländern als einer der ihrigen angesehen wurde, so hat er doch als Gelehrter Deutschland nicht nur Ehre gemacht, sondern auch Dienste geleistet. Ein Theil seiner reichen Sammlungen ist heimischen Museen zu Gute gekommen. Seine vielseitigen Arbeiten haben ähnlich wie einst diejenigen Humboldt’s, als dessen Nachfolger auf südamerikanischem Boden S. betrachtet werden konnte, den Ruhm deutscher Wissenschaft gemehrt. Aber S. hat auch beigetragen, seines Landes politische und wirthschaftliche Geltung im Auslande zu erhöhen, indem er die erste preußische Expedition nach Ostasien unter Graf Eulenburg wesentlich unterstützte.

Die Reisewerke, besonders die beiden Werke über Guyana. – Berghaus’ Geographischer Almanach für 1839. – Geographische Mittheilungen 1857.