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ADB:Schweighauser, Gottfried

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Artikel „Schweighäuser, Gottfried“ von Adolf Michaelis in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 351–357, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schweighauser,_Gottfried&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 22:13 Uhr UTC)
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Schweighäuser: Johann Gottfried S., Philolog und Archäolog, Sohn des Philologen Joh. S. Er ward am 2. Januar 1776 in Straßburg geboren und entwickelte sich als ein frühreifes Kind, das schon mit anderthalb Jahren ein von der Mutter einmal gehörtes Pfeffel’sches Gedicht alsbald auswendig hersagte. Sein staunenswerthes Gedächtniß blieb ihm sein ganzes Leben hindurch treu, was für ihn von desto größerem Werth war, als von früh auf sein rechtes Auge durch eine Thränenfistel geschwächt und er dadurch leicht im Lesen gehindert war. Sein Vater erzog ihn zu strenger Pflichterfüllung und führte ihn in die alten Sprachen ein (s. Schweighäuser’s Gedicht „An meines Vaters Namensfeier“ in Cotta’s „Flora“ 1800, IV S. 8); den Homer wußte er bald auswendig. Auch mit Brunck verkehrte er viel, jedoch hatte dieser damals schon alles Interesse am Griechischen verloren (s. Schweighäuser’s biographische Notiz über Brunck in Millin’s Mag. encycl., 1803). Von seiner Mutter Katharina Salome, geb. Häring, hatte S. den Sinn für Litteratur und Poesie und eine lebhafte Phantasie geerbt. So vollendete er rasch seine Gymnasialbildung und bezog bereits mit dreizehn Jahren die heimische Universität, um sich der Philosophie und demnächst auch dem Rechtsstudium zu widmen. Den Plan, fremde Universitäten zu besuchen, vereitelte der Ausbruch des Krieges. S. zog 1792, sechzehnjährig, als Freiwilliger mit und machte eine Reihe von Kriegsbegebenheiten in der Pfalz und der Nachbarschaft mit, ohne doch am Kriegsdienst rechte Freude [352] zu finden. Die Classiker begleiteten ihn auch in’s Feld; nicht minder fesselten ihn die ruinenreichen Berge des Hardtgebirges und der Vogesen. Um 1795 ward er als Secretär Fabvier’s im Hauptquartier der oberrheinischen Armee in Colmar angestellt, begann aber zu kränkeln; damit fand der Kriegsdienst, wenn auch die Entlassung selbst erst 1800 erfolgte, schon bald sein thatsächliches Ende. In Colmar wohnte er bei dem alten Freunde seines Vaters, Pfeffel, dessen Umgang ihn in seinen dichterischen Neigungen bestärkte. Seine Gedichte, von denen einige in Cotta’s „Flora“ und den Musenalmanachen erschienen, die meisten ungedruckt blieben, zeigen im ganzen die Manier Pfeffel’s, hier und da auch den Einfluß von J. H. Voß „Luise“; Letzteres wird besonders von einem Gedicht „Emilie und Eduard“ hervorgehoben. In seinen Dichtungen aus späterer Zeit glaubte man wohl den Einfluß Matthison’s zu spüren, doch erging er sich damals zumeist in geschichts- oder religionsphilosophischen Themen, bis tief in die Mystik hinein (z. B. „Die heilige Weltgeschichte oder die alten Religionen und Christus“. Straßburg o. J. „Die Stufen der Bildung“, erster Gesang, in den „Feierstunden“, Brünn 1821. „Auf dem Odilienberge im Herbst 1824“, Sonderdruck). Die Sprache seiner Dichtungen ist durchweg die deutsche, während er für seine wissenschaftlichen Arbeiten meistens die französische vorzog; er beherrschte beide Sprachen gleichmäßig und sah sich schon hierdurch zum Vermittler französischer und deutscher Bildung berufen.

Von Colmar aus begab sich S. nach Paris, wo er von Millin und Visconti, von Villoison, Sainte-Croix, Boissonade, Bitaubé und anderen Philologen freundlich aufgenommen ward. Für die Epiktetausgabe seines Vaters verglich er drei Handschriften des Schriftstellers selbst und des Commentars von Simplicius (Epictet. ed. Schweighaeuser V S. 176. 349 f.); die wichtigste Pariser Handschrift des Simplicius verglich aber der Vater in Straßburg und entdeckte darin ein unbekanntes Stück, das für das Leben Xenophon’s von Wichtigkeit war (IV S. 246 bis 250). Er übersandte diesen Fund dem Sohne nach Paris, der darüber am 2. Januar 1797 in dem Institut eine Mittheilung las (Mém. de l’Inst. national pour l’an 4. Littér. et beaux arts I S. 471 ff.). Sie erregte um so größeres Aufsehen, als die in der Stelle ausgeführte Ansicht, ein Philosoph dürfe im Nothfall aus seinem Vaterland auswandern, eine Anwendung auf Zeitverhältnisse nahe legte. Aus diesem Aufsehen erklärt es sich, daß von Manchen (sogar von Letronne Biogr. univers. LI S. 382 Anm. 73, vgl. Dahler, Memor. Joh. Schweighaeuseri S. 36) der Fund selbst dem Sohne beigelegt ward, obschon dieser deutlich von der „découverte littéraire vers laquelle un heureux hasard a conduit mon père“ spricht. S. erhielt demnächst den Auftrag, seinen Vater im Unterricht in den classischen Sprachen an der in Straßburg neu errichteten École centrale für das niederrheinische Departement zu vertreten, ein Amt, das ihn weder stark in Anspruch nahm noch sonderlich befriedigte. Ein Ausflug nach Tübingen brachte ihn in Verbindung mit Cotta und mehreren französischen Emigrirten, die sich dort niedergelassen hatten. Jedoch begab er sich schon 1798 von neuem nach Paris, um für seinen Vater den von Venedig dorthin gelangten Marcianus des Athenäus, der sich als die Urhandschrift aller übrigen erwies, zu vergleichen. Dieser Aufgabe entledigte er sich mit großem Fleiß, wenn auch nicht mit gleicher Sachkenntniß (Schweighäuser zum Athenäus I S. CIII f. Kaibel zum Athenäus II S. XI). Daran schloß sich die Vergleichung von vier Handschriften des Kebes, ebenfalls für seinen Vater (s. dessen Bemerkung zum Kebes, 1806, S. 58). Auch in politischen Fragen war er thätig, indem er 1799 „Observations sur la résolution du 11 ventose au 7, concernant la vente des biens affectés au culte et à l’enseignement des protestans“ erscheinen ließ, um den gefährdeten Besitz der alten protestantischen Stiftungen, wenn nicht der Kirche, [353] so doch wenigstens seiner Vaterstadt zu sichern. – Eine Stellung als Hauslehrer bei W. v. Humboldt, dessen volle Zufriedenheit er sich erwarb, war nur von kurzer Dauer, da Humboldt Paris schon 1801 verließ; einen ähnlichen Antrag der Frau v. Stael, in deren glänzendem Kreis er viel verkehrte, wies er ab, weil Frau v. Stael 1802 aus Paris ausgewiesen ward. Dagegen nahm S. eine Stelle im Hause von Voyer d’Argenson an, die er mit Unterbrechungen bis 1812 versah, bald in Paris, bald auf dem Lande in Poitou, seit 1809 in Antwerpen, wo Argenson Präfect ward, lebend. Dort trat er auch in nahe Beziehungen zu dem Stiefsohn Argenson’s, dem jungen Herzog v. Broglie, späterem Minister Ludwig Philipp’s. Daneben war er eifrig schriftstellerisch thätig. Auf Anlaß des in Paris lebenden Grafen v. Schlabrendorf übernahm er für die neue Stereotypausgabe von La Bruyère’s Caractères (1802) die Durchsicht der theophrastischen Charaktere; er ergänzte die Uebersetzung und fügte eine kurze Einleitung (Aperçu de l’histoire de la morale, en Grèce, avant Théophraste) sowie kritische Anmerkungen hinzu. (Vgl. die Lettre à M. Millin sur quelques passages de Théophraste, Suidas et Arrien im Mag. encycl., 1803.) Um diese Zeit schloß er auch mit P. L. Courier enge Freundschaft und nahm an seinen litterarischen Interessen Antheil (Rabany S. 82 f.). Er vergaß aber auch nicht seine nationale Doppelstellung als Elsässer. Mit Jens Baggesen innig befreundet, mit den Gebrüdern Schlegel bekannt und namentlich von Friedrich angeregt, in regem Verkehr mit dem jungen Philologen K. B. Hase, suchte er die geistige Vermittelung zwischen Deutschland und Frankreich zu fördern, namentlich durch zahlreiche Artikel theils für die seit 1803 in Tübingen erscheinenden „Französischen Miscellen“, in denen er über Litteratur, Theater, Bildungsanstalten Frankreichs berichtete, theils für Millin’s „Magasin encyclopédique“, wo er deutsche Zustände und Erscheinungen behandelte. Ebenso arbeitete er mit an Suard’s „Publiciste“, an dessen Redaction er betheiligt war, und an desselben „Archives littéraires“; in letzteren erschienen z. B. ein Aufsatz über Höhlenbewohner in Poitou und einer „sur l’histoire de la philosophie en France pendant le 18e siècle“, das Fragment der Bearbeitung einer Preisaufgabe des Instituts, „Tableau littéraire de la France au 18e siècle“, mit der er der bekannten Arbeit Barante’s unterlegen war. Eine Frucht seiner durch Visconti und Millin geförderten archäologischen Interessen war der Text zum ersten Bande des von den Gebrüdern Piranesi herausgegebenen Musée Napoléon (1804), eine kurze und geschickte Erklärung der 80 Tafeln im Sinne und in der Art Visconti’s. An der Fortsetzung ward er durch Krankheit verhindert, daher Petit-Radel den Text für die übrigen drei Bände übernahm. Schweighäuser’s Hauptarbeit in dieser Zeit knüpfte aber an eine kritische Bearbeitung und Uebersetzung von Arrian’s indischer Geschichte an, auf die ihn Sainte-Croix hingewiesen hatte. Der genannte Theil der Arbeit ward auch vollendet, aber immer weiter führten ihn die zugehörigen ausgedehnten Recherches critiques sur l’histoire primitive et l’origine de la civilisation des Indiens et des autres peuples anciens en général. Alle irgend zugänglichen Quellen, weit über das classische Gebiet hinaus, wurden herangezogen und Männer wie Silv. de Sacy und Barbié du Bocage zur Mitwirkung gewonnen; ja eine Zeit lang erwog S. ernstlich den Plan einer Reise nach Indien, für die er auf die Unterstützung des russischen Kaisers hoffte (1804). Das ganze Werk, 1802 begonnen und 1814 noch nicht vollendet, das allem Anschein nach sich vielfach mit Creuzer’schen Forschungen begegnete, ist nie erschienen, da der Bankerott des Verlegers hindernd dazwischen trat. Diese Arbeiten berührten sich vielfach mit Studien über die Quellen des Chronographen Georgios Synkellos, die an eine vom Institut für 1805 gestellte Preisaufgabe anknüpften. Sie beschäftigten [354] ebenfalls S. lange Jahre und führten ihn in das Dunkel der Urgeschichte, das er sich bemühte durch gewagte Combinationen zu erhellen. Eine kleinere tabellarische Arbeit, in Antwerpen unter dem Eindruck der Gemäldeschätze in den Niederlanden entstanden, „Tableau chronologique des peintres les plus célèbres, depuis la renaissance de l’art jusqu’ à la fin du 18e siècle, distribué par écoles et par siècles), mit kurzen charakterisirenden Bemerkungen, zeugt von Schweighäuser’s Interesse für die neuere Kunst (deutsche Uebersetzung von Iken).

1809 war in Straßburg die alte Universität als Akademie wieder ins Leben getreten. Im folgenden Jahre ward S. seinem Vater als Vertreter der classischen Sprachen adjungirt, trat diese Stelle aber erst 1812 zugleich mit einer Professur am protestantischen Seminar an. Drei Jahre später übernahm er als Nachfolger seines Vaters Bibliothekarstellen an der städtischen und an der Seminarbibliothek. Seiner Lehrthätigkeit, die sich außer auf die Classiker auch auf künstlerische Gegenstände erstreckte, wird Geschmack und Kraft der Anregung nachgerühmt; er ging weniger auf strenge Interpretation, wie der Vater, als auf geschichtliche und ästhetische Behandlung aus, suchte seinen Zuhörern Anschauung zu vermitteln, und veranstaltete mit ihnen an Sonn- und Feiertagen gern besuchte Uebungen in Vorträgen und Aufsätzen, und zwar in deutscher wie in französischer Sprache. Im Auftrage des Seminars verfaßte S. eine „Vie de Christ. Guil. Koch“, des 1813 gestorbenen Professors der Geschichte und des Staatsrechtes, einer der Hauptberühmtheiten der Universität Straßburg nach Schöpflin’s Tode. Die mit Klarheit und Wärme verfaßte Schrift, die erst drei Jahre später erschien (Straßburg o. J.), fand überall großen Beifall. Im Jahre 1815 veröffentlichte S. eine „Patriotische Ermahnung an die Straßburger und Elsässer“ (Straßburg o. J), als Nachtrag zur deutschen Uebersetzung von Chateaubriand’s Schrift „De Bonaparte et des Bourbons“. Voll Haß gegen den „Tyrannen“ mahnt er zu gutwilliger Unterwerfung unter die alte Königsfamilie und zur Eintracht unter den Confessionen. Den Zeitverhältnissen verdankte auch der „Discours sur les services que les Grecs ont rendus à la civilisation“ (Paris 1821) seine Entstehung, indem er an den Ausbruch des griechischen Aufstandes und an die neuerweckten Hoffnungen für das Wiederaufblühen des alten Griechenthums anknüpfte. Endlich führte S. Lichtenberger’s Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst (Straßburg 1824, französisch Straßburg und Paris 1825) mit einem Vorbericht ein, in dem auch er für die Ansprüche Straßburgs und Mainz’s auf diese Erfindung gegen die „Harlemer Anmaßungen“ seine Stimme erhob.

Das Hauptinteresse und die Hauptarbeiten Schweighäuser’s in dieser Periode seines Lebens waren aber den Alterthümern seiner elsässischen Heimath gewidmet, denen er schon in seiner Jugend gern nachgegangen war (s. seine „Notice sur la vie de M. Schoepflin“ im Moniteur, Messidor des J. XII, S. 9 des Sonderabdrucks). Die Sorge für Schöpflin’s Alterthümersammlung, die bei der Stadtbibliothek aufbewahrt ward, lag S. ob, der sich ihre Vermehrung eifrig angelegen sein ließ. Auch die in Schöpflin’s Alsatia illustrata begonnenen Forschungen nahm S. wieder auf. Schon 1817 veröffentlichte er in Ehrenfried Stöber’s „Alsa“ eine historisch-ethnographische Culturstudie über „das Elsaß der Vorwelt“ (2. Aufl., besorgt von Aug. Stöber, Mülhausen 1875), in der freilich aus höchst bunter Mischung semitischer, ägyptischer und griechischer Traditionen ein phantastisches Bild grauer Urzeit des Elsaß hervorgezaubert wird, für welches auch die spätesten römischen Monumente willkürlich gedeutete Belege hergeben müssen. Weit verdienstlicher war die genaue Untersuchung der Burgen, Kirchen und römischen Reste der Vogesen und der Rheinebene, der eine Durchforschung der [355] Archive und sonstigen localen Ueberlieferungen zur Seite ging. Dergleichen archäologische Studienreisen waren damals im Elsaß noch fast unbekannt. Bei diesen Ausflügen, die sich über ganz Elsaß, aber besonders über das niederrheinische Departement erstreckten, begleitete ihn meistens seine Gattin Sophie, eine Tochter des Anatomen Thomas Lauth, und unterstützte seine Forschungen durch ihre Zeichenkunst. So war S. wohl vorbereitet, als im Jahre 1819 das Institut einen älteren Plan wieder aufnahm, in sämmtlichen Departements eine genaue Aufnahme der Ueberreste aller älteren Epochen zu veranstalten. Schweighäuser’s Berichte über den bisher ganz unvertretenen Niederrhein fanden die höchste Anerkennung und trugen ihm schon 1821 die erste der aus diesem Anlaß jährlich vertheilten goldenen Medaillen, im folgenden Jahre die Ehre eines correspondirenden Mitgliedes des Instituts ein (Hist. et mém. de l’Inst., Acad. des inscr., VII S. 4 ff. 20. 29. Rabany S. 109 ff.). Eine ausführliche „Notice sur les recherches relatives aux antiquités du département du Bas-Rhin“ erschien im Annuaire du Bas-Rhin für 1822, ein Nachtrag dazu im Journal de la société des sciences etc. de Strasbourg I, 1824, S. 9 ff., ein Mémoire sur les antiquités romaines de la ville de Strasbourg (dem vierten Bericht an das Institut entnommen) in den Mémoires derselben Gesellschaft II, 1823, S. 240 ff., eine populäre „Notice sur les anciens châteaux et autres monumens remarquables de la partie mérid. du dép. du Bas-Rhin“ in Straßburg 1824, endlich eine „Erklärung des topogr. Plans der die Umgebungen des Odilienberges einschließenden Heidenmauer“ ebenda 1825 (auch französisch: Explication u. s. w.); letztere beruhte auf ganz neuen Ermittelungen und Vermessungen des hochinteressanten Bauwerkes. Diese kleineren Einzelarbeiten waren aber nur Abfälle eines größeren Werkes, das S. 1825–28 im Verein mit seinem in Colmar angestellten juristischen Freunde de Golbéry unternahm, indem dieser das Oberelsaß, S. das Unterelsaß bearbeitete: „Antiquités de l’Alsace, ou châteaux, églises et autres monumens des départemens du Haut et du Bas-Rhin“, 2 Abtheilungen, Mülhausen und Paris 1828. Das mit vielen guten lithographischen Ansichten ausgestattete Foliowerk enthält eine anschauliche und gut lesbare Beschreibung der einzelnen Burgen, Kirchen u. s. w. mit möglichst genauer Feststellung der historischen Verhältnisse, auf die viel Sorgfalt verwandt ist; urkundliche und sonstige directe Zeugnisse sind von abgeleiteten Quellen möglichst geschieden. Beide Bearbeiter ergänzten sich sehr glücklich, indem Golbéry die phantasievollen Neigungen seines Genossen zu zügeln, dieser den Kriticismus des Schülers und Uebersetzers Niebuhr’s vor unberechtigter Skepsis zu bewahren suchte. Das Werk ist eine höchst achtbare Leistung, die nicht nur damals großen Anklang fand (die Auflage war sofort vergriffen), sondern auch heute noch ihren Werth bewahrt. Um namentlich für die Beurtheilung der Kirchenbauten und ihrer Chronologie weitere Gesichtspunkte zu gewinnen unternahm S. 1826 eine Reise rheinabwärts über Speyer, Worms, Mainz bis Köln und zurück über Trier, über die er doppelten Bericht erstattete, in den Mém. de la soc. des antiquaires de Normandie, III, 1826, S, 228 ff. („Observations sur quelques monuments religieux du moyen âge des bords du Rhin“), und im Kunstblatt 1826 N. 86–90 („Ueber mehrere neue Entdeckungen und noch nicht vollständig bekannte Sammlungen römischer Alterthümer am Rhein und an der Mosel“).

Im Jahre 1823 hatte S. Sulpiz Boisserée in Straßburg kennen gelernt und war mit ihm in einen Briefwechsel getreten, der sich namentlich um die Entwicklung der Kirchenbaukunst und vor allem um die Baugeschichte des Straßburger Münsters drehte (Schweighäuser’s Briefe von 1824–1832 auf der Straßburger Bibliothek, zwei danach in der Litterar. Beil. z. Gemeindezeitung für Elsaß-Lothringen 1882 N. 29 f. abgedruckt, vgl. auch Kunstbl. 1824 S. 285). [356] Die Aufnahmen des Münsters durch den ehemaligen Genieoffizier Chapuy veranlaßten S., seine Forschungen über das Münster noch einmal weitläufiger als in dem großen Werke darzulegen im Text zu Chapuy’s Vues pittoresques de la cathédrale de Strabourg, Straßburg 1827. Haben sich auch nicht alle seine Ergebnisse und Combinationen bestätigt, so bezeichnet doch diese Arbeit durch ihre sorgfältige Kritik der litterarischen Quellen und Berücksichtigung baulicher Thatsachen einen erheblichen Fortschritt gegenüber älteren Behandlungen des Gegenstandes. Uebrigens betrachtete S. diese ganze Beschäftigung mit Alsatica als sein „Dilettantenstudium“ und beabsichtigte, „sich wieder ganz in die Philologie zu werfen, die denn doch sein eigentliches Fach und seine erste Pflicht sei“ (an Boisserée 7. Januar 1827). Vermuthlich standen die an Synkellos und Arrian anknüpfenden religions- und culturhistorischen Studien in erster Reihe. Aber schon seit 1825 war Schweighäuser’s Gesundheit untergraben; eine mehrjährige schleichende Krankheit verzehrte seine Kraft und endigte 1829 mit einem Schlaganfall, der die ganze linke Seite, einschließlich des gesunden linken Auges, lähmte (auch seine Mutter war 1807 einem langsam wirkenden Schlaganfall erlegen). Noch fünfzehn lange Jahre verbrachte er im Lehnstuhl oder auf dem Ruhebett, von seiner Frau mit aufopfernder Liebe gepflegt, seines Augenlichtes fast beraubt, aber mit ungebrochener Lebhaftigkeit des Geistes und unterstützt von seinem staunenswerthen Gedächtniß. Freilich gewähren die späteren Briefe an Boisserée ein höchst unerfreuliches Bild von den schwindeligen, chaotischen „historischen Urcombinationen“, in denen, bei großer aber wüster Gelehrsamkeit, bei sehr lebhafter Phantasie, dem Erbtheil der Mutter, und mehr als Creuzer’scher Unkritik, etruskische und keltische Irrlichter eine peinliche Rolle spielen. Sogar die Straßburger Mundart soll Etruskisches bewahrt haben und die etruskischen Namen von fünf Helden vor Theben auf einer bekannten Stoschischen Gemme werden falsch gelesen, aber „sicher entziffert“ als tutelae plena Dice, in coelum evanida, patris [mundum aureis lucis catenis] vincientis filia, immortalis mirabilis spiritus! Zu ähnlichen Speculationen gaben auch die 1832 von S. angekauften Rheinzaberner Thonwaaren, z. Th. von mehr als zweifelhafter Echtheit, Anlaß (vgl. z. B. das in Caumont’s Bull. monum. VIII, 1842, S. 429 ff. von S. veröffentlichte Reiterrelief). S. ließ einen kleinen Theil seines Erwerbes lithographiren und beabsichtigte den Abbildungen ausführliche Erklärungen beizugeben; die Tafeln sind jedoch nach seinem Tode nur mit kurzen Bemerkungen Schweighäuser’s von Matter herausgegeben (Antiquités de Rheinzabern, 15 Tafeln, [Straßburg] o. J.); vgl. dazu Schweighäuser’s Aufsatz „sur la poterie Gallo-Romaine“ in den Mém. de la soc. des antiquaires de France XVII, 1844, S. 36 ff. Weitere kurze Mittheilungen über elsässische Denkmäler enthalten dieselben Mémoires XII, 1836, S. 1 ff. XVII, 1842, S. 90 ff. und Caumont’s Bull. monum. I, 1834, S. 41 ff., 86 ff. Noch einmal faßte S. seine elsässischen Forschungen in einer gedrängten „Énumeration des monuments les plus remarquables du dép. du Bas-Rhin“, Straßburg 1842, zusammen, mit der er den wissenschaftlichen Congreß im September jenes Jahres in Straßburg begrüßte. Anderthalb Jahre später, am 14. März 1844, erlöste ihn der Tod von seinem traurigen Leiden. Sein litterarischer Nachlaß, namentlich die von ihm gesammelten Zeichnungen, kam auf die Straßburger Bibliothek und ist mit dieser 1870 verbrannt. Die Familienpapiere sind im Besitz eines Herrn Mehl in Paris.

Guérard, France littéraire, Art. Schweighäuser. – Biogr. spéc. des gens de lettres, ebenso. (Beide mir unerreichbar.) – Th. Fritz, Discours pour rendre les derniers honneurs académ. à J. G. S., Straßb. 1844. – De Golbéry, Notice sur la vie et les travaux de J. G. S. im Annuaire de la soc. des antiq. de France, 1849 (wiederh. Revue d’Alsace 1869 S. 454 ff.). – [357] L. Spach, Les deux Schweighaeuser im Bull. de la soc. des monum. histor. VI, 1869, S. 103 ff. (wiederh. Oeuvres choisies V, S. 175 ff.). – Ch. Rabany, Les Schweighaeuser, Biographie d’une famille de savants alsaciens. D’après leur correspondance inédite. Paris 1884 (Vorlesung mit einseitig französischer Tendenz, mit Actenstücken und Briefen). – Vgl. die Schrift von J. G. Dahler und den Artikel in den „Zeitgenossen“ über den Vater Schweighäuser.