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ADB:Schwendi, Lazarus Freiherr von

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Artikel „Schwendi, Lazarus Freiherr von“ von August von Kluckhohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 382–401, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwendi,_Lazarus_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 21:14 Uhr UTC)
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Schwendi: Lazarus Freiherr v. S., Staats- u. Kriegsmann, geboren 1522 zu Mittelbiberach in Schwaben, † am 28. Mai 1584 zu Kirchhofen im Breisgau. – S. entstammte einem niederen Adelsgeschlecht, dessen Stammsitz der gleichnamige Ort in dem heutigen württembergischen Amt Laupheim war. Der Vater unseres Lazarus, Rutland v. S., war der jüngere von zwei Brüdern und blieb unvermählt. Den ihm von Apollonia Wencken zu Mittelbiberach geborenen Sohn legitimirte Karl V. im J. 1524. Rutland, der noch in demselben Jahre starb, bestimmte Bürgermeister und Rath der Stadt Memmingen zu Vormündern seines Kindes und zu Verwaltern des demselben hinterlassenen, nicht unbedeutenden Vermögens. Viel Freude sollten die Väter der Stadt an dem adeligen Pflegesohn nicht erleben. Freilich wissen wir sehr wenig über S. aus der Zeit seiner Jugend und Minderjährigkeit; aber das Wenige, was darüber in den Acten des Memminger Archivs enthalten ist, zeigt, daß der junge Edelmann, der erst zu Basel (wo unter Andern Grynäus sein Lehrer war), und seit 1535 zu Straßburg sich den Studien widmete, weder so fleißig noch so sparsam und so streng in seinen Sitten war, wie der ehrbare Rath es erwartete und verlangte. Ja, als S. im Alter von 23 Jahren nach Memmingen kam, um sich für mündig erklären zu lassen, erregte der übermüthige und leichtfertige Ton, worin er sich eine Geldstrafe verbat, die ihm wegen eines beabsichtigten Fehltrittes auferlegt wurde, so sehr die Entrüstung der gestrengen Rathsherren, daß er für mehrere Tage ins Gefängniß geworfen wurde. Kein Wunder, daß der Junker, der vergebens bat, man möge ihn, der in Fürsten- und Herrendiensten noch einmal der Stadt sich nützlich erweisen könne, nicht wie einen gemeinen Handwerker behandeln, die ihm bereitete Demüthigung nicht vergaß. Nicht allein, daß er alsbald den Rath wegen unregelmäßiger Vermögensverwaltung zur Verantwortung zog, sondern er ließ auch später noch die Stadt empfinden, daß sie auf seine Dankbarkeit sich keinen Anspruch erworben habe.

Im Alter von 25 Jahren finden wir S. im Dienste Karl’s V. An des Kaisers Seite erscheint er 1546 auf dem Reichstage zu Regensburg, der dem Kriege gegen den Schmalkaldischen Bund unmittelbar vorangeht. Im Auftrage [383] des Reichsoberhaupts unternimmt S. den vergeblichen Versuch, die Städte Augsburg, Ulm und Nürnberg unter dem Vorgeben, daß Karl nichts gegen die Religion beabsichtige, der protestantischen Sache abtrünnig zu machen. Nachdem er dann noch eine diplomatische Mission nach München übernommen, betheiligt er sich an dem das Schicksal der Protestanten entscheidenden Feldzuge an der Donau und in Sachsen. Nach der Wittenberger Capitulation erhält er als kaiserlicher Capitän den Auftrag, die Uebernahme und Schleifung der Festung Gotha und des Grimmensteins zu überwachen. Erwies er sich hierbei gegen die Söhne des gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich, sowie gegen die Bürger der Stadt Gotha anerkannter Weise rücksichtsvoll und milde, so mußte er sich im J. 1548 auf wiederholten Befehl des Kaisers einem Geschäft unterziehen, das ihm die übelste Nachrede zuziehen sollte. Man weiß, wie rücksichtslos Karl V. den Sieg über den Schmalkaldischen[WS 1] Bund ausgebeutet hat. Zwar der Versuch, das Reich in monarchischem Sinne umzugestalten, gelang ihm nicht, aber in einzelnen Maßregeln trat die Reichsgewalt, die er in seiner Hand concentrirte, den berechtigten und unberechtigten Freiheiten scharf genug gegenüber. Es gehörte zu den zweifellosen Mißbräuchen deutscher Libertät, daß Angehörige des Reichs für fremde Dienste Söldner anwarben und über die Grenze führten, ohne zu fragen, ob dadurch das Interesse des Reichs oder seines Oberhauptes geschädigt werde oder nicht. Nicht allein, daß Karl auf dem Augsburger Reichstag das Verbot, bei Strafe des Todes Kriegsdienste bei fremden Potentaten zu nehmen, durchsetzte, sondern er ließ auch mit Berufung auf ein von ihm schon früher erlassenes Gebot einen angesehenen Kriegsobersten Vogelsberger, der dem König von Frankreich einige Fähnlein deutscher Knechte zugeführt hatte und eben damals in seiner Heimath Weißenburg an der Lauter sich aufhielt, durch S. aufgreifen und nach Augsburg bringen. Zum Tode verurtheilt, bezeichnete Vogelsberger in einer Ansprache, die er vom Blutgerüst herab an die nach Tausenden zählende Menge hielt, Lazarus v. S. als den „Erzbösewicht“, der ihn auf die Fleischbank geliefert, indem er durch Hinterlist sich seiner bemächtigt habe. Zwar trat Karl V. in einer öffentlichen Erklärung für die Ehre seines Commissars, der nur nach kaiserlichem Befehl gehandelt, ein, und nicht minder vertheidigte sich S. selbst in einer Flugschrift gegen die Anschuldigungen Vogelsberger’s; aber der Vorwurf, daß er unritterlich an dem unglücklichen Kriegsmann gehandelt, wurde noch lange gegen ihn erhoben und zwar am lautesten von denjenigen Mitgliedern des hohen und niederen Adels, die ein mit so exemplarischer Strenge durchgeführtes Verbot ausländischen Kriegsdienstes für eine Verletzung ihrer Freiheit und Ehre ansahen.

Nicht unehrenhaft, aber in den Augen der antikaiserlichen Partei auch nicht rühmlich waren die Dienste, die S. in den nächsten Jahren dem in Deutschland verhaßten spanischen Herrscher leistete. Im Besitz des kaiserlichen Vertrauens und damals noch überzeugt, daß die von Karl V. im Sinne einer monarchischen Staatsordnung verfolgte Politik dem von Unbotmäßigkeit und Selbstsucht zerrütteten, von äußeren Feinden bedrohten Reiche zum Heile dienen werde, war S., mit verschiedenen Missionen nach Norddeutschland betraut, unablässig thätig, die noch kaiserlich gesinnten Stände zum Widerstand gegen die an manchen Orten sich regenden Elemente der Opposition zu vereinigen und Ruhe und Gehorsam herzustellen und zu befestigen. Es gelang seiner Umsicht und Energie 1548 Niedersachsen im ganzen zu beruhigen; nur Magdeburg, die Zufluchtsstätte aller Feinde des Interims, mit Hülfe benachbarter Stände zur Unterwerfung zu bringen vermochte er nicht; ebensowenig gelang ihm der Versuch, die Kreisstände gegen die längst mit der Acht belegte Stadt ins Feld zu führen. Da aber der Kaiser selbst nicht in der Lage war, die rebellische Stadt, wie es S. für das [384] Gerathenste hielt, mit Gewalt in seine Hände zu bringen, so blieb nichts übrig, als die Hülfe des ganzen Reiches für die Durchführung der Execution in Anspruch zu nehmen. Daß etwa Karl V. die Uebergabe der Festung von den Magdeburgern um den Preis der Freiheit der Religion und der Erhaltung ihrer Privilegien erkaufte, hatte S. ausdrücklich widerrathen; nach seiner Ansicht galt es hier, den Gehorsam gegen den Kaiser, sowie die wahre Religion herzustellen und neuen Erhebungen vorzubeugen. Wie weit indeß selbst in jenen Tagen der kaiserlichen Machtfülle deutsche Fürsten vom Gehorsam gegen das Reichsoberhaupt entfernt waren, erfuhr S., als der Markgraf Alcibiades, dem er im Auftrage Karl’s offen betriebene Kriegsrüstungen untersagen sollte, ihm, dem kaiserlichen Gesandten, wiederholt jede Audienz verweigerte, die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg aber durch keine Vorstellungen sich bewegen ließen, den neuen Reichstag in Person zu besuchen. Schlimmeres stand bevor.

Man weiß, wie zu der Zeit, als Karl V. die habsburgisch-spanische Gewaltherrschaft über Deutschland zu vollenden und dauernd zu machen gedachte, sich im Stillen eine Erhebung vorbereitete, die 1552 unter der Führung des Kurfürsten Moritz von Sachsen und im Bunde mit Frankreich eine Katastrophe der Kaisermacht herbeiführen sollte. Der norddeutschen Fürstenverbindung, die Markgraf Hans von Brandenburg zum Schutz des Evangeliums geschlossen, stand der als Verräther der protestantischen Sache gemiedene Kurfürst Moritz anfangs fern. Aber der kluge und verschlagene Politiker verstand es, mit ihr wie mit andern Elementen der Opposition Fühlung zu gewinnen und sie unvermerkt seinem Einfluß zu unterwerfen, ohne dem Kaiser gegenüber die Maske der Ergebenheit abzulegen. Er wußte es dahin zu bringen, daß Kaiser und Reich ihm die Execution der Acht gegen Magdeburg übertrugen. Karl hoffte, durch die Bewältigung der protestantischen Stadt alle Gährung in Norddeutschland zu ersticken und ferneren Widerstand gegen seine kirchlichen und politischen Pläne unmöglich zu machen. Moritz dagegen, in dem die spanische Staatskunst ihren Meister finden sollte, gedachte den kaiserlichen Auftrag zu benutzen, nicht allein um die Elbstadt dauernd in die Hand zu bekommen, sondern auch die militärischen Kräfte, die er mit des Reiches Hülfe gegen die Festung aufbot, zu seiner Verfügung zu behalten und an ihrer Spitze selbst dem Kaiser seinen Willen aufzunöthigen. – Es war vielleicht die schwierigste und undankbarste Aufgabe, die S. je übernahm, als er sich als kaiserlicher Commissar in das Lager vor Magdeburg begab, um das Werk des Kurfürsten Moritz zu überwachen. Die ausgebreitete Correspondenz, die S. damals führte, liefert den Beweis, daß er es mit dem besten Willen nicht zu hindern vermochte, wenn Moritz die Belagerung mit klug bedachter Langsamkeit betrieb, mit allen Gegnern des Kaisers, selbst mit Frankreich geheimnißvolle Beziehungen anknüpfte, und endlich der geächteten Stadt allzu günstige Bedingungen zugestand, das Heer aber theils gar nicht, theils nur zum Scheine entließ. S. hat früh genug Verdacht gegen Moritz geschöpft und den Kaiser immer von neuem gemahnt, das Feuer, das von Niedersachsen aus ganz Deutschland zu ergreifen drohe, nicht gering zu achten. Zu seinem Schmerze aber mußte er erfahren, daß Karl V. und seine Umgebung sich gegenüber der furchtbaren Gefahr allzu sorglos bewiesen, und ihn sogar in der entscheidenden Zeit zwei Monate lang ganz ohne Antwort ließen. Andrerseits läßt sich freilich nicht leugnen, daß S. trotz allen Scharfblicks nicht mißtrauisch genug war, um nicht bis zuletzt an der Hoffnung festzuhalten, daß Moritz doch vielleicht den Verrath, womit er spiele, nicht begehen, sondern die immer wiederholte Versicherung, sich nach Entlohnung der Truppen selbst zum Kaiser begeben zu wollen, noch wahr machen werde. Auch der Tadel mag berechtigt sein, daß S., so nachdrücklich er auch in seinen Berichten den Religionseifer der Deutschen [385] und ihren Zorn wider das spanische Regiment betonte, doch nicht die ganze Tiefe der antikaiserlichen Bewegung ermaß, sondern der Meinung blieb, daß Karl ohne große Concessionen über die drohende Erhebung triumphiren könne, wenn er nur entschlossen Widerstand leiste. Kämpfen, nicht unterhandeln, so lautete auch der Rath, den er dem Kaiser gab, als er kurz vor dem allgemeinen Losbruch an das Hoflager nach Innsbruck gelangte. S. mußte dann freilich auf den Missionen, die ihm sofort übertragen wurden, die Erfahrung machen, daß nicht einmal die katholischen Fürsten, ja selbst nicht der eigene Bruder, Ferdinand, dem Kaiser Hülfe bringen wollten oder konnten. Aber auch noch während der von König Ferdinand übernommenen Vermittlung zwischen Karl und dem Kurfürsten Moritz, woran S. den thätigsten Antheil nahm, ließ er nicht ab, für kriegerische Rüstungen zu wirken, und billigte den Entschluß des Kaisers, selbst in seiner augenblicklichen Hülfelosigkeit nicht die Forderungen der protestantischen Fürsten in ihrem ganzen Umfange zu erfüllen, namentlich nicht zu Passau einen ewigen Religionsfrieden zu bewilligen. Ja, S. fürchtete, der Kaiser habe sich schon zu sehr in den Koth hinab drücken lassen und gebe zu viel nach; „ein ewiger Religionsfriede würde zum höchsten der gemeinen Wohlfahrt zuwider sein; denn dadurch würde es nimmermehr zu einer Vergleichung in der Religion gerathen, und würde der künftigen Reichshandlung oder dem Nationalconcilio alle Frucht abgeschnitten sein; so müsse Se. Majestät auch auf andere Nationen sehen und nicht an einem Ort wollen ein Loch zustopfen und an einem andern ein größeres aufmachen.“ So entschieden vertrat der junge deutsche Edelmann noch im J. 1552 den Standpunkt des römischen Kaisers und das Interesse der spanischen Weltherrschaft. Erst die Erfahrungen der nächsten Jahre sollten aus ihm allmählich einen eifrigen Verfechter religiöser Duldung und den überzeugtesten Gegner der spanisch-römischen Politik machen.

Solange Karl V. regierte, fuhr S. fort, ihm bald mit seiner diplomatischen Gewandtheit, bald mit seinem Degen zu dienen. Vor Metz, das der Kaiser den Franzosen vergebens wieder zu entreißen suchte, wurde S. nicht allein wegen seiner Tapferkeit von Karl V. zum Ritter geschlagen, sondern auch in Anerkennung seiner Kenntnisse und seiner diplomatischen Verdienste in den erblichen Ritterstand erhoben und mit dem kaiserlichen Hofrathstitel und den juristischen Ehrenrechten des Palatinats ausgestattet. Es ist möglich, aber nicht erwiesen, daß der so Geehrte in der ersten Hälfte des Jahres 1553 Kriegsdienste in Ungarn leistete. Dann finden wir ihn wieder in Deutschland auf verschiedenen Missionen thätig. Daß er u. a. auch zu dem Vollzug der Acht an dem Markgrafen Alcibiades mitwirken mußte, nachdem er früher das Seinige dazu beigetragen, daß der Kaiser in einer des Reichsoberhauptes so wenig würdigen Weise den fürstlichen Haudegen für den Kampf mit den Franzosen gewann, ist ein neuer Beweis für den allzugroßen Eifer, womit S. dem Reichsoberhaupte bis zuletzt diente. Lieber sehen wir ihn in den nächsten Jahren an der Spitze eines Regiments deutscher Landsknechte in den spanischen Niederlanden tapfer und glücklich gegen die Franzosen kämpfen; er hatte ruhmvollen Antheil an den Siegen des Grafen Egmont bei St. Quentin und Gravelingen. Dadurch befestigte er sich nur noch mehr in der Gunst, die Philipp II. und die Statthalterin der Niederlande, Margarethe, ihm schenkten, nachdem Karl V. die Regierung niedergelegt und sich nach Spanien zurückgezogen hatte. Zugleich erwarb sich S. aber auch die Freundschaft Egmont’s und noch mehr das Vertrauen Wilhelm’s von Oranien. Schon diese engen Beziehungen zu den Häuptern des niederländischen Adels mußten ihn in einen Gegensatz zu Granvella bringen, in welchem der Despotismus und der fanatische Ketzerhaß Philipp II. das einflußreichste [386] und ergebenste Werkzeug fanden. Es ist auch begreiflich, daß Granvella es war, der die Hoffnung Schwendi’s und seiner Freunde, daß er gleich ihnen in den niederländischen Staatsrath aufgenommen werden würde, vereitelte. Andrerseits konnte es nicht fehlen, daß das nahe Verhältniß, in welchem S. zu Oranien stand, und das u. a. darin zu Tage trat, daß er den werdenden Vorkämpfer der niederländischen Freiheit auf seinen wiederholten Reisen nach Deutschland begleitete, bedeutsamen Einfluß auf die weitere Entwicklung seiner politischen und kirchlichen Anschauungen ausübte. Ohne zunächst irgend welche Sympathien für den Protestantismus, die ja auch Oranien damals noch fremd waren, zu gewinnen, lernte S. den Widerstand der Niederlande gegen das spanische Regiment, sowie die gewaltige Erhebung des Hugenottenthums mit freierem Blicke ansehen. Auch die gleichzeitige Durchführung der Reformation in England, wo S. auf einer zum Zweck des Studiums von Land und Leuten unternommenen Reise wichtige persönliche Beziehungen anknüpfte, sowie die Enttäuschungen, welche das Tridentiner Concil den von der Reformbedürftigkeit der Kirche Ueberzeugten bereitete, mußten seinen Glauben an die Alleinberechtigung des römisch-spanischen Systems erschüttern. Aber auch noch andere Momente werden auf seinen allmählichen Gesinnungswandel eingewirkt haben. Granvella hat später einmal in einem Briefe an Philipp II. von S., dessen lebhaften Geist und ausgezeichnete Qualitäten er ausdrücklich anerkennt, gesagt, er sei ein starker Politicus, dessen Theorien in dem republikanischen Athen und Rom wurzelten, und zugleich ein so warmer Freund seiner Nation und ihrer für sie selbst nur zu verderblichen Freiheit, daß er den Gesetzen und Ordnungen des römischen Reichs alle benachbarten Staaten zu unterwerfen trachte. Daran ist so viel richtig, daß S. in seiner durch historische Studien genährten Begeisterung für die Größe des alten deutschen Reichs unmöglich theilnahmlos bleiben konnte, als Spanien offen darauf ausging, den wirthschaftlich so hoch entwickelten niederländischen Kreis Deutschland ganz zu entfremden und an die Stelle einer gedeihlichen Freiheit den Despotismus zu setzen. Wie wenig aber S. seine Ueberzeugung verbarg, zeigt schon der Umstand, daß Granvella seinen „Discursen“ den schlimmsten Einfluß auf Oranien beimißt. Gewiß ist, daß S. zu Anfang der 60er Jahre seine Bemühungen mit denen Oranien’s, Egmont’s und Hoorn’s vereinigte, um den allgemein verhaßten Staatsmann zu stürzen. Während die Führer des Adels wiederholte, fast drohende Vorstellungen an Philipp II. richteten, übermittelte S. zu Anfang des Jahres 1564 von Deutschland aus dem Könige noch zwei vertrauliche Schreiben, in denen Oranien und Egmont sich gegen ihn in bitteren Klagen über Granvella ergingen, und verfehlte nicht, bei dieser Gelegenheit auch seinerseits sich mit großer Freimüthigkeit über die Lage in den Niederlanden auszusprechen. Es ist bekannt, daß der König zwar Granvella endlich entfernte, aber in der Folge nur umsomehr auf die gewaltsame Durchführung seiner Absichten sann.

S. hatte inzwischen einen andern, seinen Neigungen besser entsprechenden Schauplatz der Thätigkeit gefunden. Schon 1561, als er zu Oranien’s Hochzeitsfeier nach Dresden kam, suchte er den Kaiser Ferdinand in Prag und den Erzherzog Max in Wien auf. Man veranlaßte ihn, in Rücksicht auf die Türkengefahr, die ungarische Grenze zu besichtigen und wünschte, sobald es zum Kriege käme, ihn an die Spitze der deutschen Truppen zu stellen. S. erklärte sich zum Eintritt in den kaiserlichen Dienst bereit, wenn Philipp II. seine Einwilligung dazu geben werde. Ferdinand wandte sich zu dem Zweck nach Madrid und bat, ihm den Obersten S. für zwei Jahre zu überlassen. König Philipp sagte nach Berathung mit der Regentin der Niederlande unter der Bedingung zu, daß S., wenn Spanien innerhalb der beiden Jahre seiner Dienste bedürfen würde, jederzeit [387] zurückkehren müsse. Unter dieser Voraussetzung meinte man dem Kaiser um so eher willfahren zu sollen, als S. auch in Deutschland den Interessen des Königs dienen und ihn von dort wie von Ungarn aus mit werthvollen Nachrichten versehen könne. Vorläufig erhielt er unbestimmten Urlaub, um, wieder in Begleitung Wilhelm’s von Oranien, in seinen Privatangelegenheiten nach Deutschland zu gehen. Er wohnte in Frankfurt a. M. der Wahl Maximilian’s zum römischen König bei, blieb hierauf noch einige Zeit im Gefolge des Kaisers und begab sich dann auf seine im Breisgau und Elsaß in der jüngsten Zeit erworbenen Güter. Während er hier in den Jahren 1563 und 1564 stattliche Bauten unternahm und seine großen wirthschaftlichen Talente entfaltete, verlor er die politischen und kirchlichen Angelegenheiten Deutschlands und der abendländischen Welt nicht aus dem Auge. Er empfing Boten und Briefe von allen Seiten. Daß er mit Oranien und Egmont in regem Verkehr blieb und in ihrem Sinne auf Philipp II. einzuwirken suchte, wurde schon erwähnt. Trotzdem entzog ihm der König seine Gnade so wenig, daß er ihm, als im Sommer 1564 Kaiser Ferdinand seine Dienste in Ungarn dringend begehrte, den früher schon in Aussicht gestellten zweijährigen Urlaub nicht allein unter Fortgenuß seiner lebenslänglichen Rathspension, sondern auch unter Verlängerung seines beträchtlichen Obristengehaltes bewilligte. Margarethe von Parma aber wünschte S. vor der Uebernahme seines neuen Amtes noch einmal bei sich in Brüssel zu sehen. Als die Zeit ihm nicht gestattete, die Reise nach den Niederlanden auszuführen, empfahl er der Regentin in einem freimüthigen Schreiben wiederholt Milde und Mäßigung in religiösen Dingen und Rücksicht auf die populäre Strömung unter Anschluß an die angesehensten Männer des Landes. Dem Prinzen von Oranien aber widerrieth er die Durchführung der Tridentiner Beschlüsse, ermahnte ihn dagegen, sich das Vertrauen des Königs durch Aufrechthaltung der Ruhe wieder zu erwerben.

Inzwischen war Ferdinand I., dessen verständiger und versöhnlicher Politik S. immer das höchste Lob ertheilt hat, am 25. Juli 1564 verschieden und Max II. zur Regierung gekommen. Zu ihm trat S., der am 18. December 1564 zu Wien aus des Kaisers Hand seine Bestallung als Generalcapitän der deutschen Streitkräfte in Ungarn empfing, alsbald in ein vertrautes Verhältniß; ihre Unterhaltung erstreckte sich ebenso über religiöse wie politische, über die deutschen, wie die niederländischen und französischen Angelegenheiten. Mit dem Anfang des Jahres 1565 begab sich S. dann zu den kaiserlichen Truppen im nördlichen Ungarn, um gegen Johann Zapolya, den Fürsten von Siebenbürgen und dessen Beschützer, die Türken, zu kämpfen. Während die mittleren Theile Ungarns links und rechts der Donau seit langem in den Händen der Osmanen waren, deren Paschas in Ofen und Temesvar residirten, waren andere ungarische Provinzen nebst Siebenbürgen Zapolya unterworfen. Letzterer war an der oberen Theiß in der Richtung auf Kaschau im Vorrücken begriffen, als S. ihm mit seinem Heere entgegentrat. Trotz der großen numerischen Ueberlegenheit des Feindes gewann S. auf dem ersten Feldzuge nicht allein die verlorenen Plätze zurück, sondern eroberte auch Tokay und Scerenz. Mehr zu erreichen vermochte er bei dem jämmerlichen Zustande der kaiserlichen Truppen und dem Mangel an Gelde trotz aller Anstrengungen und Umsicht nicht. Für das Frühjahr 1566 aber drohte der Sultan selbst mit aller Macht seinem Schützling zu Hülfe zu kommen. Was dagegen vorzukehren und wie den Türken Widerstand zu leisten, erörtert S. im Winterlager in einer an den Kaiser gerichteten Denkschrift, worin er ihm u. a. dringend empfiehlt, eine bleibende Kriegsrüstung bei seinen Unterthanen einzurichten, Adel und Ritterschaft ohne Ausnahme zum Waffendienst zu verpflichten und selbst an die Spitze des mit Hülfe des Reichs zu verstärkenden [388] Heeres zu treten. In der That übernahm Maximilian im Sommer 1566, nachdem ihm der Reichstag eine ergiebige Türkensteuer zugesagt, den Oberbefehl über die buntzusammengesetzte Hauptarmee, die gegen Soliman II. zu Felde zog. Ruhm aber sollte der Kaiser nicht erwerben. Während die Türken mit der Belagerung des von Zriny so tapfer vertheidigten Sziget einen vollen Monat verloren, verharrte Maximilian in vorsichtiger Unthätigkeit vor Raab, bis sein schlecht verpflegtes Heer durch Krankheit und Desertion von 40 000 auf 25 000 zusammenschmolz und bald ganz auseinander zu laufen drohte. Auch S., der wieder bei Kaschau einem siebenbürgisch-türkischen Heere gegenüberstand, konnte mit seinen wenigen Truppen – nach seiner Versicherung nie über 4–5000, zuletzt sogar weniger als 3000 Kampffähige – keine großen Erfolge erzielen. „Wäre ich besser zum Kriege gefaßt gewesen, so hätte ich mehr verrichten können“. Auch die Krankheit, die ihn Monate lang heimsuchte, konnte seiner Kriegführung nicht förderlich sein. Indeß behauptete er den guten Namen, den er sich erworben. Ebenso im J. 1567, als er u. a. Munkatsch eroberte und die Belagerung von Huszt erst aufgab, als der Kaiser es ausdrücklich befahl. Unmittelbar darauf begannen die Friedensverhandlungen. Ehe dieselben unter Aufrechthaltung des status quo 1568 zum Abschluß kamen, erwarb sich S. große Verdienste sowohl um die Sicherung der Grenze, deren feste Plätze er vermehrte und mit deutschen Truppen besetzte, als um die Neuordnung der Verwaltung der Zips. Als ein Beweis seines warmen und unbefangenen Interesses für die kirchlichen Bedürfnisse des Landes wurde es angesehen, daß er selbst auf einer lutherischen Synode zu Kaschau (1568) den Vorsitz führte.

Nach Herstellung des Friedens legte S. die oberste Feldhauptmannschaft in Ungarn nieder. Maximilian, der ihn in dankbarer Anerkennung alles dessen, was er bisher in Krieg und Frieden dem Hause Oesterreich geleistet, am 29. October 1568 zum erblichen Freiherrn von Hohenlandsberg (im Elsaß) erhob, hätte ihn gerne noch länger im Dienst behalten. Aber S. wollte in Ungarn, wo er sich keine Stunde gesund gefühlt und beständig mit Mangel, Noth und Gefahr gekämpft hatte, nicht länger bleiben, sondern nur für den Fall eines neuen Krieges dorthin zurückkehren, aber „in freier Stellung“. Frei wollte er auch vom Hofdienst sein, dessen er überdrüssig war, obwohl er sich sagen durfte, daß ihm „nicht der wenigste Platz bevorstehen würde“. Zugleich löste er aber auch unter freiwilligem Verzicht auf seinen hohen Oberstengehalt sein Dienstverhältniß zu Philipp II., allerdings zu einer Zeit, wo eine Fortdauer desselben unmöglich geworden wäre, wenn er nicht seine Gesinnungen verleugnen wollte. Denn in den Niederlanden hatte vor einem Jahre Alba sein gewaltthätiges und grausames Regiment begonnen; am 18. Juni 1568 mußten Egmont und Hoorn das Blutgerüst besteigen, während Oranien, der Mann der Zukunft, sich nach Deutschland gerettet hatte und auf Widerstand gegen die spanische Zwingherrschaft sann. Aber nicht minder als das Loos seiner Freunde lag S. das Schicksal der Niederlande, die er weder zu Grunde gerichtet, noch aus dem Reichsverbande gelöst sehen wollte, am Herzen. Er zog außerdem die verderblichen Folgen, die daß Wüthen Alba’s wie die immer sich erneuernden Religionskriege in Frankreich auf sein geliebtes Vaterland ausübten, in Betracht. Denn seit Jahren stand es für ihn fest, daß der Friede in Deutschland auf die Dauer nicht erhalten werden könne, wenn der spanischen Gewaltherrschaft und der römischen Restaurationslust, die doch ihr Ziel, die gewaltsame Vernichtung des Protestantismus, nimmermehr erreichen würde, nicht Einhalt gethan werde. Er hielt den Kaiser für verpflichtet, wenn ernste Vorstellungen in Madrid nicht fruchteten, mit Hülfe der Reichsstände sich der Niederlande thatkräftig anzunehmen. Er begrüßte es daher mit Freude, daß im September [389] 1568 kurfürstliche und fürstliche Gesandte in Wien erschienen, um das zaudernde Reichsoberhaupt zum Einschreiten für die mißhandelten Niederlande zu drängen. S. gehörte damals zu den entschiedensten Vertretern einer antispanischen Politik unter den österreichischen Staatsmännern und machte daraus auch gleichgesinnten Gesandten deutscher Fürsten gegenüber so wenig Hehl, daß er ihnen neben allerlei vertraulichen Winken und Rathschlägen sogar die Unterstützung Oranien’s in dem Kampfe gegen Alba als wünschenswerth zu erkennen gab; zugleich verbarg er ihnen nicht, daß den Kaiser seine nahen Beziehungen zum spanischen Hofe hinderten, für seine Person nachdrücklicher gegen Philipp II. aufzutreten. Bekanntlich entschied sich Maximilian für die Sendung seines Bruders Karl nach Madrid. Wie Philipp II. später mit Sicherheit wissen wollte, hätte S. die einer drohenden Wendung nicht entbehrende Instruction für den Erzherzog verfaßt; Granvella zweifelte wenigstens nicht, daß seinem alten Gegner ein bedeutender Antheil an der Mission Karl’s gebühre. Dies anzunehmen, lag um so näher, als S. sowohl an einen ihm vertrauten Diplomaten in Madrid, als an den Erzherzog selbst während seines Aufenthalts am spanischen Hof Briefe und Denkschriften richtete, in denen er dem König auf das dringendste rieth, von dem nutzlosen Blutvergießen, das die Gemüther nur noch mehr erbittere und einen dauernden Frieden unmöglich mache, abzustehen und die Lande mit Hülfe eines österreichischen Gubernators zu beruhigen. Daß sich die Religion nicht mit dem Schwerte austilgen lasse, habe schon Karl V. eingesehen und daher verständiger Weise nachgegeben. Philipp aber entzünde mehr und mehr alle Gemüther wider Spanien und auch Maximilian werde zu den Deutschen stehen müssen, wenn er das Kaiserthum seinen Nachkommen erhalten wolle; denn jedermann falle der Religionsänderung bei, die Geistlichen können keine katholischen Räthe mehr haben, die Wenigen unter den Vornehmen, die noch katholisch sind, wollen Erasmianisch sein, und sobald es in Deutschland oder Oesterreich zum offenen Kriege geriethe, würde die Veränderung erst recht betrieben werden. Sollte aber der König von Spanien in den Niederlanden nur noch größere kriegerische Anstrengungen machen und dem Bündniß mit dem Papste, wovon die Leute sich fest überzeugt halten, nachsetzen wollen, so werde daraus bei höchster Wahrheit ein viel größerer Jammer erfolgen, als jetzt Jemand glauben könne. Wie viele Millionen hat man bereits „verkriegt“ und erst die Leute recht in Harnisch gebracht. Wenn auch der Spanier im Lande noch einmal so viel wären, so würde das auf die Dauer nicht helfen, da die Gemüther sich durch Krieg und Furcht je länger je mehr entzünden und alle Nachbarn Feinde bleiben. Statt ihre Zuflucht allein zum Schwert und Blutvergießen und zur Rache zu nehmen, sollten die Geistlichen anders zu ihrem Berufe und Wandel thun und Gottes Ehre, die Wahrheit und gemeines Bestes suchen.

Es mußte S. schmerzlich berühren, daß Maximilian nach dem anscheinend thatkräftigen Anlauf aus rein dynastischen Rücksichten die schnödeste Abweisung von Seiten Philipp’s in demüthigender Weise sich gefallen ließ. Um so eifriger sann der patriotische Staatsmann auf andere Mittel, um das Reich gegen die spanische Tyrannei in den Niederlanden und die von dort wie von Frankreich her drohenden Gefahren widerstandsfähig zu machen. Während er nicht allein die evangelischen Sonderbündnisse, wie Kurpfalz sie betrieb, mit Rücksicht auf das Mißtrauen der katholischen Stände mißbilligte, sondern auch mit der katholischerseits betriebenen Erweiterung des Landsberger Bundes, wodurch man Kursachsen zu fangen suchte, nicht einverstanden war, wirkte er mit Eifer für den, wahrscheinlich von ihm zuerst angeregten Plan, durch eine Verbesserung der Kreisverfassung die militärischen Kräfte Deutschlands, die bis dahin den kämpfenden Parteien in den Nachbarländern jederzeit für Geld zur Verfügung standen, vor [390] allem dem Reiche selbst dienstbar zu machen. Daß die bestehenden Einrichtungen und Gewohnheiten, weit entfernt, diesem Zwecke zu dienen, den an Frankreich und die Niederlande grenzenden Gebieten nicht einmal Sicherheit vor den schlimmsten Mißhandlungen durch feindliche wie durch deutsche Truppen boten, lehrten die Erfahrungen der Jahre 1568–69 deutlicher denn je. Die ersten verbessernden Anordnungen sollte der Frankfurter Deputationstag von 1569 treffen. Der Kaiser selbst ließ sich zum Generalobristen über die eventuell aufzubietende Kreishülfe des westlichen Deutschlands ernennen und nahm S., der an dem Deputationstage selbst nicht theilgenommen, zu seinem Stellvertreter an. So wurde S. berufen, vom Oberrhein her vor allem sein Augenmerk auf die Vorgänge in Frankreich zu richten und darüber mit den benachbarten Kreisobersten, insbesondere mit dem Kurfürsten von der Pfalz, Correspondenz zu pflegen. Aber Größeres hoffte S. von dem Reichstag zu Speier 1570, für dessen Zustandekommen er ein lebhaftes Interesse an den Tag legte. In vertrauten Briefen an Craco, den einflußreichsten Rathgeber des Kurfürsten August, erörterte er im Laufe des Jahres 1569 die wichtigsten Fragen, auf die es nach seiner Meinung ankam; er betonte dabei immer von neuem, wie gut und uneigennützig Maximilian es meine, verschwieg aber auch nicht, daß es Sache der Kurfürsten sei, ihn anzutreiben und zu unterstützen. Dem Kaiser selbst übersandte S. mit einem zu größerer Energie anspornenden Begleitschreiben (dat. Zabern, 5. März 1570) eine umfassende, bis heute ungedruckte Denkschrift, die er auch zur Kenntniß der Kurfürsten gebracht zu sehen wünschte: „Discurs und Bedenken über jetzigen Stand und Wesen des heiligen Reichs unsers lieben Vaterlands“. In einem Rückblick auf die Geschichte der deutschen Kaiserzeit feiert er Heinrich I. als den eigentlichen Gründer des Reichs, das im Inneren wohl und fest geordnet, auf eine mannhafte Ritterschaft gestützt, nach außen Jahrhunderte lang mächtig auftrat, bis herrschsüchtige Päpste bald die Fürsten, bald die Völker aufwiegelten, Zwiespalt säten und die geschwächte Reichsgewalt zu Boden traten, so daß zuletzt das Kaiserthum schier ein bloßer Titel wurde und sein Träger nicht einmal vor dem Ungehorsam und dem Aufruhr der eigenen Unterthanen sicher war. Die Spaltung der Religion und die Anschläge der fremden Nation haben die Zerrüttung des Vaterlandes, den Mangel an Einmüthigkeit und Vertrauen nur noch vermehrt, so daß sein Untergang unvermeidlich ist, wenn nicht die nothdürftigste Besserung, unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des deutschen Volkes, nicht nach fremden Exempeln, vorgenommen wird. Zunächst gilt es den Religionsfrieden stracks und gleichmäßig zu handhaben, alle fremden Praktiken und Anschläge gänzlich auszuschließen, zwischen den beiden Religionsparteien durch kaiserliche Vermittlung besseres Vertrauen herzustellen. die Sonderbündnisse aufzuheben und alle Stände allein auf den Religions- und Landfrieden zu verpflichten. Die Geistlichen der alten Religion, die der Verbesserung so dringend bedarf, sollten, statt auf eine gewaltsame Ausrottung der Neugläubigen zu sinnen, ihres Berufes besser abwarten, die der geänderten Religion aber sich streng an die Augsburgische Confession und eine gleichmäßige Kirchenordnung halten, das gegenseitige Schmähen und Schänden dagegen von Reichswegen verboten werden. Die neuen Eide sodann, die der Papst allen Bischöfen und Geistlichen, insbesondere auch den geistlichen Kurfürsten, im Widerspruch mit des Kaisers Hoheit und des Reichs Interessen, abverlangt, soll der Reichstag ein für alle mal verbieten, ohne Rücksicht auf den Papst, der in die Reichsangelegenheiten ebenso wenig hinein zu reden hat, als andere ausländische Potentaten. Hätte man auf die Päpste hören wollen, so wäre man nie zu einem Religionsfrieden gekommen, sondern hätte, wie noch heute in Frankreich, die innerlichen Kriege und das jämmerliche Morden ewig fortsetzen müssen. – In Beziehung auf das äußere [391] Regiment soll das Reichsjustizwesen im Sinne der Beschleunigung der Processe und der raschen und sicheren Execution verbessert werden. Einen der größten Uebelstände aber sieht die Denkschrift in der übermäßigen Licenz des deutschen Kriegsvolks, die bereits in eine „barbarische wilde Freiheit“ ausgeartet ist, und in den Werbungen fremder Potentaten, „denen die deutschen um das Geld gar feilstehen und die sie ihres Gefallens gegen einander, mehr denn unter wilden Thieren geschehen möchte, hetzen und zu Vergießung ihres Blutes anführen und auf die Fleischbank liefern, oder sonst aus Mangel und Nichtbezahlung sterben und verderben machen mögen, also daß schier nichts wohlfeileres ist denn der deutschen Fleisch und Blut“ – zu gänzlicher Verachtung und Verkleinerung der Deutschen bei den fremden Potentaten und Nationen. Durch Reichtagsbeschluß soll daher streng verboten werden, daß fortan kein fremder Potentat, er sei wer er sei, Kriegsvolk in Deutschland werben lassen darf, ohne ausdrückliche Erlaubniß des Kaisers und der Kurfürsten, und daß kein Deutscher bei Verlust seiner Ehre und Habe sich in fremde Bestallung begeben darf, wenn ihm jene Erlaubniß nicht vorher kundgegeben ist. Außerdem soll im Interesse besserer Kriegszucht dem Reichsabschied eine gemeine Reuterbestallung nebst Artikelbrief einverleibt und deren strenge Durchführung allen Officieren zur Pflicht gemacht werden. Wer von den Führern aus Habsucht, Trunksucht oder anderen Lastern sein Kriegsvolk verwahrlost und der deutschen Nation Schande macht, soll nach der Rückkehr in sein Vaterland nach Kriegsrecht zur Strafe gezogen werden. Vor allem empfiehlt S. zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe im Inneren, und zur Vertheidigung nach außen die schon auf dem Deputationstag zu Frankfurt versuchte Verbesserung der Kriegsverfassung durch die dauernde Anerkennung des Kaisers als Generaloberst aller Kreise nebst einem Fürsten als oberstem Lieutenant, ferner durch rechtzeitige Musterung der Kreiscontingente mit allem, was zum Kriege gehört: Geld und Zeughäuser in allen Kreisen, zu Straßburg aber ein stark ausgerüstetes Reichszeughaus. So werde Friede und Ordnung in Deutschland gesichert, das Ansehen und die Macht des Reiches nach außen hergestellt; man könne den Nachbarn den Frieden gebieten, ihre Uebergriffe zurückweisen, verlorene Grenzlande zurückerlangen und den Türken siegreichen Widerstand leisten. Hier wiederholt S. Rathschläge, die er dem Kaiser zum Theil schon mehrmals und jüngst noch in einem besonderen Schreiben ans Herz gelegt hat: weitere Befestigung und Besetzung der Grenze, stäte Kriegsübung des deutschen Adels, Verpflanzung von Deutschordensrittern nach Ungarn. Zum Schluß erörtert S. noch, wie sehr es Noth thue, daß der Kaiser als Oberhaupt und Lehnsherr der Niederlande mit den Ständen des Reichs auf Mittel und Wege bedacht sei, daß die Lande nicht ganz der Hoheit des Reichs entzogen, nicht aller ihrer alten Freiheiten und Herkommen beraubt werden und in etwas auch des deutschen Religionsfriedens genießen mögen.

S. hatte die Genugthuung, daß der Kaiser ihn vor Eröffnung des Reichstags zu sich nach Speier beschied und die wichtigsten seiner Reformvorschläge in die Reichstagsproposition aufnahm. Dabei ließ aber Maximilian mit dem die fremden Truppenwerbungen betreffenden Antrage die bedeutungsvolle Aenderung vornehmen, daß jene Werbungen lediglich von der Erlaubniß des Kaisers, nicht auch von der Zustimmung der Kurfürsten abhängig gemacht werden sollten. Maximilian also wollte für sich allein darüber entscheiden, ob den fremden Mächten oder den kriegführenden Parteien in Frankreich und den Niederlanden deutsche Söldlinge zu Hülfe ziehen dürften oder nicht. Bei seiner bisherigen Parteinahme für Spanien mußte sich daher den protestantischen Ständen die Befürchtung aufdrängen, daß er die Truppenwerbung für Alba nach wie vor gestatten, die für Oranien aber, die er bis jetzt schon oft genug untersagt hatte, [392] gänzlich hindern werde. Da er eben so bisher schon gegen die Werbungen zu Gunsten der Hugenotten wiederholt sich erklärt hatte, war der Argwohn unvermeidlich, daß er den Reformirten vollends jede Unterstützung von Seiten ihrer deutschen Glaubensgenossen entziehen werde, seitdem er dem Könige von Frankreich, und zwar zur Zeit des Speierer Reichstags, seine Tochter vermählt hatte. Die Folge war, daß jener kaiserliche Antrag, der von vielen ohnehin mit der hergebrachten deutschen Libertät unverträglich erachtet wurde, bei der protestantischen Partei auf den entschiedensten Widerstand stieß, und daß durch Reichstagsbeschluß für die Zukunft fremde Truppenwerbungen, statt von der kaiserlichen Erlaubniß, nur von einer nichts bedeutenden Anzeige abhängig gemacht wurden. Außerdem diente die ganze, von der bittersten Erörterung begleitete Verhandlung nur dazu, daß das Mißtrauen und die Gegensätze, die S. hatte überwinden helfen wollen, sich nur noch verschärften. Auch die Anträge auf Verbesserung der Kreis- und Kriegsverfassung scheiterten. Nur die Veranstaltungen, die S. den Türken gegenüber befürwortet hatte, wurden im wesentlichen vom Reichstage gut geheißen, und fernerhin in dem Reichsabschied auch die von ihm redigirte Reuterbestallung, die mit einer tiefernsten Betrachtung über den Mißbrauch deutscher Freiheit beginnt und vor allem auf die Herstellung einer besseren Kriegszucht abzielt, zum Gesetz erhoben.

Wenn die weitergehenden Hoffnungen, welche S. an den Reichstag geknüpft hatte, scheiterten, so konnte er nicht verkennen, daß daran nicht am wenigsten der Kaiser und seine spanisch gesinnten Räthe Schuld waren. In den nächsten Jahren aber hatte er noch mehr Ursache zu klagen, daß der kaiserliche Herr all zu gut, die spanische Partei am Hofe all zu stark sei. Wol stimmte Maximilian in vertraulichen Briefen rückhaltlos dem Verdammungsurtheile zu, das S. über die Urheber der Bartholomäusnacht fällte, „jene unchristlichen tollen Menschen, die in so vielen Jahren noch nicht eingesehen hätten, daß es mit dem tyrannischen Köpfen und Brennen sich nicht will thun lassen“, ebenso wenig lobt der Kaiser das trotz seiner treuen Rathschläge hartnäckig fortgesetzte Verhalten Spaniens gegen die Niederlande, das im J. 1572 den offenen Eintritt der Stände von Holland und Seeland in den Unabhängigkeitskrieg zur Folge hatte; aber fortzufahren mit guten Rathschlägen und für seine Person ehrbar und christlich zu handeln, das ist alles, wozu sich Maximilian durch so unerhörte Erfahrungen aufgefordert fühlt. S. dagegen sieht mit steigender Trauer und Sorge, wie unter der Einwirkung der französischen und niederländischen Ereignisse die Gegensätze in Deutschland sich immer mehr verschärfen, während der Kaiser durch sein schwächliches und parteiisches Verhalten sich die Herzen der Protestanten entfremdet, ohne das Vertrauen der katholischen Partei zu gewinnen, so daß seine Autorität in demselben Maaße sinkt als die Gefahr wächst, daß ein Windstoß die innere Zwietracht zum Bürgerkriege entflamme oder das verwahrloste und zerrissene Vaterland eine Beute der Feinde, vor allem der Türken werde. Und was soll vollends aus Deutschland, was aus Oesterreich werden, wenn an Stelle Maximilian’s die von spanischem Einflusse beherrschten Söhne treten! Wie hätte S., mit solchen Sorgen beladen, es an Erinnerungen und Mahnungen fehlen lassen können? Da der Kaiser seine Briefe nach wie vor mit Wohlgefallen aufnahm, so legte der getreue Monitor, von der Erwägung ausgehend, daß es großen Herren oft an Leuten mangele, „die sie der Wahrheit und Nothwendigkeit ohne Scheu und Heuchelei berichten“, alles, was er auf dem Herzen hatte, in einer großen, vom 15. Mai 1574 aus Kiensheim im Elsaß datirten Denkschrift nieder. Es ist das zuletzt von Janko in seiner Schrift über S. p. 96–133 sehr mangelhaft abgedruckte Memoire: „Bedenken“ oder „Discurs“ von „Regierung des hlg. Reichs und Freistellung der Religion“.

[393] Um die große und schwierige Aufgabe zu beleuchten, die dem Kaiser gestellt ist, dessen Regierung in eine so drangvolle Zeit gefallen, beginnt der Verfasser mit einer Betrachtung der letzten 50 Jahre, in denen sich wichtige Veränderungen zugleich in weltlichen und Religionssachen zugetragen. S. hebt hervor, daß die Deutschen sich von jeher von aller fremden Dienstbarkeit frei gehalten, und auch nach dem durch aufsäßige und ehrgeizige Mächte verschuldeten Niedergang der Kaisermacht so viel Stärke bewahrt haben, daß sich kein anderes Volk an ihnen hätte reiben dürfen. Daneben haben sie weder durch das kaiserliche Regiment sich ihre ständischen Rechte und Freiheiten nehmen lassen, noch haben die Kaiser, auch nicht die Päpste und Concilien, vermocht, sie von ihrer „freisamen Art“ von Privatkriegen und Befehdungen, selbst nicht von Plackereien und Räubereien abzubringen, bis endlich mit der Erfindung der Buchdruckerkunst und mit der Oeffnung der Schulen die alten harten und all zu freien Sitten sich milderten und ein friedsames Wesen und bessere Polizei eintraten. Aber zugleich fing man auch an, die Augen besser aufzuthun, den übermäßigen Zwang und Drang der Geistlichkeit und die von Rom ausgehenden Aergernisse und Mißbräuche zu erkennen. Da jedoch diese Mißbräuche und Betrügereien, durch die der arme Mann in Deutschland ausgesogen wurde, sich immer mehr verschlimmerten, fachte Tetzel’s Ablaßhandel „die glimmende Entzündung der Gemüther“ zu hellen Flammen an. Dazu kam alsbald unter Kaiser Karl’s Regierung der zweifache Uebelstand, daß die von Alters her der Freiheit ergebenen Deutschen sich von Fremden nicht beherrschen lassen wollten und daher einen heimlichen Groll gegen Karl’s Regiment faßten, und daß andererseits die fremden Rathgeber, auf die der Kaiser bei der Regierung seiner anderen Länder angewiesen war, ihn vielfach irre führten und statt der deutschen Nation Ehre und Bestes die Größe Burgunds und Spaniens oder ihren eigenen Nutzen und Vortheil im Auge hatten. Weit entfernt, zu verständigen und zeitgemäßen Mitteln zu rathen, sahen sie es gern, daß Deutschland durch Spaltungen geschwächt wurde, und um den alten Kaiser noch mehr zu blenden, mußte alles Ungehorsam und Ketzerei sein, wogegen man mit der Schärfe des Schwertes vorzugehen habe. Als es endlich zum Schmalkaldischen Kriege gekommen, wollte zwar der Kaiser den scharfen fremden Rathschlägen und Hetzereien nicht folgen, nicht gegen den gefangenen Kurfürsten Execution üben, nicht die vornehmsten Städte in der Hand behalten und mit Besatzungen belegen; aber, da er nach wie vor nur wälsche Rathgeber und Diener um sich litt, den Religionsbeschwerden nicht abhelfen und keinen Religionsfrieden bewilligen wollte, so konnte kein Vertrauen wieder aufkommen, sondern der Verdacht und der Haß gegen das spanische Regiment wurden so groß, daß fast Jedermann im Reiche der Erhebung des Herzogs Moritz heimlich zustimmte. Weil gleichzeitig mit dem inneren Kriege der Ueberfall der Türken und der Einbruch der Franzosen ins Reich erfolgte, so hätte Deutschland zu Grunde gehen müssen, wenn nicht König Ferdinand sich lieber zu den Reichsständen als zu dem eigenen Bruder gehalten und durch sein emsiges treuherziges Zuthun den Passauer Vertrag und den Religionsfrieden zustande gebracht haben würde. Ihm gelang es auch, nachdem Karl, der seinestheils in den Sachen keinen Rath mehr wußte, ihm das Reich übergeben, sich Vertrauen und Liebe zu erwerben, Deutschland vor inneren Kriegen zu bewahren und die Geistlichen trotz allerlei Irrungen und Beeinträchtigungen, „wie denn solches bei der alten deutschen Art und Freiheit nicht wol vermieden werden konnte und sich unter den Weltlichen selbst täglich zuträgt“, im Besitz der Stifter und geistlichen Güter zu erhalten. Viel besser hätte freilich den Sachen geholfen werden können, wenn Kaiser Karl rechtzeitig deutschem Rathe gefolgt wäre und den Ständen der A. C. ihrer Religion halben Friede und Sicherheit zugesagt hätte; dann hätten sich so viel Spaltungen und Secten und [394] so viele Eingriffe in die geistlichen Güter ganz verhüten lassen. Mit welchem Frohlocken und Vertrauen aber begrüßte die ganze deutsche Nation den Regierungsantritt Maximilian’s, weil man sein gutes deutsches aufrichtiges Herz kannte und weil man wußte, daß er in Religionssachen von Parteilichkeit frei und nicht geneigt war, einer fremden Nation Geltung an seinem Hofe einzuräumen! Dieses Vertrauen, nebst Liebe und Gehorsam. würde sich noch mehr befestigt haben, wenn nicht die Einführung des spanischen Regiments und des „grellen“ Processes in den Niederlanden den alten Groll gegen die Spanier verschärft, und dem Kaiser selbst die Nachrede zugezogen hätte, als habe er seinem Amt und der kurfürstlichen Mahnung nach rechtzeitiger ein ernstes Einsehen haben sollen, statt, wie man ihm vorwerfe, den Fremden mehr zu hofiren als des Reiches Ehre und Wohlfahrt erfordere. Ja, man habe ihn, weil er in Religionssachen kein gerades und beständiges Verfahren beobachte, sogar schon in Verdacht gehabt, als ob er den spanischen und päpstlichen Anschlägen gegen die Evangelischen in Deutschland zustimme. „Solche Einbildungen“ werden nicht wenig dadurch verstärkt, daß am kaiserlichen Hofe die protestantischen Räthe und Diener bei Seite geschoben werden, daß in dem fast ganz mit Katholiken besetzten Reichsrath die Evangelischen nichts gelten, daß kaiserliche Hofräthe sich in Rede und Schrift voll Bitterkeit über die neue Religion und deren Bekenner äußern, daß Maximilian bei seinen Söhnen nur katholische Räthe und Hofdiener dulde und daß die jungen Herren selbst der neuen Religion grundsätzlich feind seien und in ihrem Thun und Wesen mehr spanische als deutsche Art bezeigen. Das alles aber wird um so tiefer und schmerzlicher empfunden, als der Kaiser früher ganz andere Vertröstungen gegeben haben soll. – Während die nothwendige Folge von dem allen ist, daß die Protestanten auf Mittel und Wege sinnen, wie sie sich gegen die androhenden Gefahren schützen können, haben auch die Katholiken kein Vertrauen zu dem Kaiser, da er auch ihnen nicht genug thut, sondern nach ihrer Meinung seinen Unterthanen in Religionssachen zu viel nachgiebt und dem römischen Stuhle nicht durchaus anhänglich ist. Daher die Empfänglichkeit für fremde Praktiken und Verständnisse, sowie die Gefahr, daß es unter dem eifrigen Zuthun der fremden Nationen zu dem verderblichsten inneren Kriege komme. Dabei würde aber der geistliche Stand am schlechtesten fahren, weil sich von ihm die Gemüther um so mehr abwenden, je ärger der römische Stuhl mit unerhörten Mitteln der Tyrannei die lutherische Ketzerei auszutilgen sucht. S. sieht die Veränderung der Religion wie ein unabwendbares Verhängniß sich vollziehen: nirgends mehr die rechte Anhänglichkeit an die römische Kirche, unter den Geistlichen selbst heimlicher Abfall oder Kaltsinn und müßiges Genußleben, überall auch an katholischen Orten in der Hand des gemeinen Mannes lutherische Bücher, dazu Geringschätzung oder Verachtung des Klosterlebens, des Ablasses, der Wallfahrten, der Wunderwerke der Heiligen oder ihrer Bilder, der Seelenmessen und des Fegefeuers. Es erscheint ihm unmöglich, die Dinge im Reiche mit menschlichen Mitteln wieder in das alte Geleise zu bringen. Was aber soll nun der Kaiser thun? Soll er den unzeitigen „grellen“ Anschlägen des Papstes und anderer fremden Potentaten beifallen, oder stillschweigend zusehen, wie alles in Zerrüttung und zu endlichem Untergange geräth? Gott hat Sr. M. vor allen anderen Herrschern Erkenntniß und Einsicht in Religionssachen verliehen und die Augen seines Gemüths und Geistes so weit aufgethan und erleuchtet, daß er Gottes Ehre und die Wahrheit wahre, auf der einen Seite Abgötterei und Mißbräuche, auf der anderen Unordnung und Sectirerei abstelle, und so die Religionssachen zur Besserung oder doch zur Verhütung weiterer Spaltung bringe. Es gilt vor allem den Religions- und Landfrieden fest, aufrichtig und unparteiisch zu handhaben, beide Theile, so weit jeder Fug und Recht hat, zu schützen und mit höchstem [395] Ernste abzuwehren, daß das innerliche Mißtrauen zu keiner Thätlichkeit und öffentlichen Gewaltsamkeit ausbreche. Aber nur dann wird der Kaiser Vertrauen und Einigkeit pflegen können, wenn die Ueberzeugung herrscht, daß er selbst es gleichmäßig, treu und aufrichtig meint, nicht einseitig sich an die Katholiken hänge, die andere Religion aber je länger je mehr sich verwirren, spalten und endlich zu Grunde richten lassen wolle. Nach außen aber soll der Kaiser mit Nachdruck seines Amtes walten, vor allem in den Niederlanden mit Hülfe der Kurfürsten und der nächsten Kreise einschreiten, auch auf die Politik Frankreichs wohl achten, und daß der Papst nicht feiert, Oel ins Feuer zu gießen, indem er unablässig auf die Execution des Tridentiner Concils dringt, den Religionsfrieden als unrechtmäßig, unchristlich und unverbindlich hinstellt und die Jesuiten wie ein vergiftetes Instrument gebraucht, um die Gemüther gegen einander zu entzünden. S. räth dem Kaiser auch, bald auf einen ordentlichen Nachfolger im Reiche bedacht zu sein, und da hierzu vornehmlich guter Wille und Vertrauen bei den Ständen gehöre, alles zu thun, um den Verdacht zu beseitigen, als ob der Hof mehr spanisch als deutsch und dabei ausschließlich katholisch sei, während doch von des Kaisers eigenen Unterthanen weit mehr lutherisch als katholisch sind. Da es endlich umnöglich ist, die eingerissene Spaltung und Veränderung der Religion dieser Zeit mit Gewalt zu dämpfen oder in Güte zu vergleichen, so ist es der Kaiser Gott und der Welt schuldig, alles zu thun, daß ein friedliches Wesen im Reiche erhalten und die Religionsvergleichung besseren Zeiten überlassen werde. Dazu giebt es kein anderes Mittel als die gesetzliche Toleranz beider Religionen. Diese hätte der Kaiser zunächst in seinen Erblanden auf „gleichmäßige“ und „gedämpfte“ Weise zuzulassen, wie er in Oesterreich zum Theil schon gethan. Dadurch werde er Herz und Vertrauen der Deutschen, die fast durchaus nach einer solchen Toleranz schreien, gewinnen. Die Minderheit, welche die Zulassung beider Religionen sich gefallen lassen müsse, werde alsbald spüren, daß solche Toleranz nicht zur Verfolgung und Vertilgung der Geistlichen gemeint sei, sondern daß auch die Religionsverwandten sich aller Friedlichkeit und Mäßigung befleißigen werden. Habe so der Kaiser das Fundament besseren Vertrauens gelegt und die Gemüther beruhigt, so werde sein Beispiel auch im Reiche Nachahmung finden und die Zeit kommen, wo die lange gesuchte Toleranz beider Religionen auf einem Reichstage unter gemeinsamer Autorität ins Werk gerichtet werden könne. Die fremden Potentaten werden, wenn der Kaiser und die meisten Reichsstände zusammenstehen, nichts dagegen ausrichten können; auch der Zorn des Papstes werde sich ohnmächtig erweisen, wie er ja auch nicht zu hindern vermochte, daß der Religionsfriede aufgerichtet, den Oesterreichern von dem Kaiser die A. C. zugestanden und von dem Erzherzog Karl seinen Unterthanen die Freistellung der Religion bewilligt wurde. Des Kaisers Pflicht ist es, die deutsche Nation vor Jammer, Not und Untergang zu schützen, nicht „dem Stuhl zu Rom und anderen ihre Gewalt, Kraft und Vortheil erhalten“ zu helfen. Auch das wird Maximilian zu Gemüthe geführt, daß Oesterreich, welches durch das Reich gewachsen ist, wieder abnehmen werde, wenn es die deutschen Herzen verliere und von dem Reiche kommen werde. Ja, Gottes Strafe werde ihn und seine Nachkommen treffen und sein Name in Ewigkeit verschrieen werden, wenn er als deutscher Kaiser in so hochgefährlicher Lage sich nicht aufs höchste angelegen sein ließe, was Amt und Gewissen ihm gebieten. – Die Toleranz beider Religionen, so erörtert S. endlich, ist zwar nicht die „rechte Regel“ oder der gewöhnliche Weg, sondern nur ein „Nothweg“, um das Vaterland vor der äußersten Gefahr zu bewahren, aber es ist der Weg, auf dem, von früheren Beispielen abgesehen, neuerdings Schottland und Polen zu innerem Frieden gekommen sind. S. spricht dann noch einmal die Hoffnung aus, daß nach Einführung der Toleranz die [396] katholischen Geistlichen sich mit größerem Eifer ihres Berufs annehmen, die Mißbräuche abschaffen und dadurch auch den anderen Theil milder und versöhnlicher stimmen und einem Religionsvergleich geneigter machen werden. Wenn aber die Geistlichen und der Stuhl zu Rom es nicht anders wollen und aus ihrer Schuld, sowie zu ihrer Strafe, der Abfall der Gemüther allgemein und unaufhaltsam werden sollte, so müßte man weiter Rath zu schaffen Gott und der Zeit befehlen, wenn nur das Gemeinwesen aufrecht bliebe.

Man wird die Bedeutung der vorstehend skizzirten Denkschrift nicht in der praktischen Wirkung suchen, die sie etwa auf den Herrscher ausgeübt haben könnte, an den sie gerichtet war. Ihr Werth liegt vielmehr darin, daß sie ein Document ersten Ranges für die Beurtheilung der damaligen Zustände des Reichs, insbesondere für die Erkenntniß der Anschauungen eines der erleuchtetsten deutschen Männer ist. Sie findet eine werthvolle Ergänzung in Briefen, die S. nach wie vor mit Fürsten und Staatsmännern wechselt. So begegnet man in einem wenige Wochen nach jenem Memoire an den Kurfürsten August ausgegangenen Schreiben der schönen Betrachtung, daß in dem Streit der alten und der neuen Religion die Oberhand dem Theil zufallen werde „da man am meisten die Ehre Gottes, die Wahrheit und Besserung des Lebens und Wesens sucht und vor Augen hat“. Im allgemeinen hatte bis dahin die conservative und friedliebende Politik Sachsens Schwendi’s Beifall gefunden. Als aber August in seiner Freundschaft für den Kaiser und Baiern und in seiner Abkehr von den Interessen der ausländischen Glaubensgenossen, deren sich Kurpfalz mit wachsender Kühnheit annahm, bis zur Preisgabe der protestantischen Sache überhaupt fortschritt, war es unser Staatsmann, der in Dresden zu größerer Wachsamkeit mahnte. „Die Vereinigung zwischen den beiden Potentaten Spanien und Frankreich und dem Papst und anderen wird sich“, so schreibt S. am 24. October 1572 an Craco, „nicht bald mehr trennen, und wird man die Aenderung der Religion mehr denn je verfolgen und ausrotten wollen und können, also daß die Säulen des Papstthums wieder von neuem gestärkt und gestützt und nicht so schwach und baufällig sind, wie Ihr in Eurem Schreiben anmeldet. Ob ich nun wol auch bei mir dafür halte, quod fatalis sit mutatio und daß sie noch fortdrücken werde, unangesehen, was für menschliche Anschläge vorgenommen und gesucht werden, und daß also die verlaufenen 30 oder 40 Jahr ein Spiegel sein mögen der nächst zukünftigen Zeiten, so läßt es sich doch ansehen, daß es dieser Zeit wol ein Weil stutzen und vielen darüber zu schaffen gemacht werden möchte, sonderlich wenn man den Eifer und das Zusammenhalten fallen lassen und liderlich mit den Sachen umgehen will, denn die Leute pflegen ihnen ihr Glück und Unglück selbst zu schmieden“. Dem Kurfürsten August aber stellte S. im Juli 1574 unter anderem vor, wie sehr es von Nöten sei, in dem Vaterlande neben einem so friedliebenden Kaiser auch andere sorgfältige vaterlandsliebende und friedliche Fürsten zu haben, die die vor Augen schwebenden und androhenden gemeinen Gefahren und Obliegenheiten wahrnehmen und mit getreuem Eifer denselben zu begegnen sich bemühen, in welchem Fall die deutsche Nation nicht am wenigsten Aug und Herz auf ihn, den Kurfürsten, richte. Aber gerade August wollte nicht die Hand dazu bieten, daß man, wie S. im Stillen wünschte, den Kaiser bei Gelegenheit der Wahl Rudolf’s nöthige, der katholischen Propaganda gegenüber die Ferdinandeische Declaration zu reichsgesetzlicher Anerkennung zu bringen oder gar die Freistellung der Religion durchzusetzen. Die Erledigung dieser Forderung, für welche unter den Kurfürsten nur der Pfalzgraf Friedrich III. entschlossen eintrat, wurde von dem Regensburger Wahltag auf den Reichstag von 1576 verschoben. Da war es S., welcher die größten Anstrengungen machte den kranken Kaiser, ehe er für immer die Augen schloß, für diejenigen Maßregeln [397] zu gewinnen, die nach seiner Ueberzeugung das geliebte Vaterland allein vor dem drohenden Verderben bewahren könnten. Noch einmal hatte ihn Maximilian zu sich nach Regensburg gerufen, wie es scheint, nicht um seinen Rath in politischen Dingen zu hören, sondern daß er als Sachverständiger ersten Ranges einer kaiserlichen Commission von Kriegsbaumeistern im Interesse der Fortification der ungarischen Grenze präsidire. Aber wie hätte S. theilnahmlos bleiben können, als die von Kurpfalz geführte protestantische Partei nachdrücklicher denn je mit ihren Forderungen und Beschwerden den von dem päpstlichen Nuntius geleiteten katholischen Ständen gegenüber trat? S. war schon seit Jahren den pfälzischen Staatsmännern persönlich nahe getreten. Hatte er früher ihre kühne, oft unbesonnene antikatholische Politik ebenso wenig billigen können, als die Absonderung des pfälzer Calvinismus von dem Lutherthum nach seinem Sinne war – er hat es oft genug ausgesprochen, wie sehr die innere Spaltung dem Protestantismus beim Kaiser zum Schaden gereiche –, so konnte er jetzt nicht verkennen, daß unter den größeren deutschen Fürsten Friedrich III. allein sich der Gesammtinteressen der Evangelischen thatkräftig annahm. S. stand zu Regensburg im vertrauten Verkehr mit dem ihm von früher her befreundeten Grafen Ludwig von Wittgenstein, der jetzt als Großhofmeister der Pfalz bedeutenden Einfluß auf die Heidelberger Politik ausübte. Der Augenblick sei für die Protestanten günstig, ließ sich S. vernehmen, aber man betreibe die Sache zu schläfrig und lasse sich, wie es scheine, der armen Confessionsverwandten Noth und Untergang nicht genug angelegen sein; man sollte mit mehr Ernst, audacter und viriliter, dazu thun, treiben und suchen; kais. M. wäre auf guten Wegen und würde gewißlich das Geschäft so weit bringen, daß mehr Friede und Einigkeit im Reich bestünde. Wenn Maximilian in der That in den letzten Tagen seines Lebens geneigter, denn je war, etwas zu thun, um die Spannung der Gemüther zu mäßigen und dem Reiche den inneren Frieden zu sichern, so hat S. das seinige dazu beigetragen. Es giebt eine ihrem Inhalt nach bisher unbekannte zu Regensburg entstandene Denkschrift, in der S. mit überzeugenden Gründen für die Freiheit der Gewissen eintritt. Während die protestantische Partei direct nicht die Freistellung der Religion, sondern nur im Interesse der evangelischen Unterthanen geistlicher Fürsten die Anerkennung der Ferdinandeischen Declaration forderte, verlangte S. allgemeine Freilassung der Gewissen für die andersgläubigen Unterthanen katholischer wie protestantischer Fürsten, aber ohne das Recht der freien Religionsübung. War dies auf der einen Seite weniger, als er selbst früher befürwortet hatte, so genügte es doch dem dringendsten Bedürfnisse und brach einer weitergehenden Toleranz die Bahn. Es ist ferner sehr bemerkenswerth, daß S. die Forderung allgemeiner Gewissensfreiheit nicht erhob, ohne versichern zu können, daß auch die Stände der neuen Religion damit einverstanden und also erbötig seien, von aller Verfolgung und Vertreibung ihrer katholischen Unterthanen abzusehen. Was im übrigen die Gründe betrifft, welche S. für die Freiheit der Gewissen geltend macht, so bestehen sie vor allem in der Nothwendigkeit, die Verbitterung der Gemüther zu besänftigen, den Frieden zu stärken, dem österreichischen Hause die Herzen zu gewinnen, die kaiserliche Autorität und das Ansehen der Reichsinstitutionen zu heben, den Geistlichen größere Sicherheit zu geben, fremde Anschläge für das Reich unschädlich zu machen, von den Ständen eine beharrliche Türkenhülfe zu gewinnen, den Untergang der armen Christen in den kaiserlichen Erblanden zu verhüten und die Gefahren zu beseitigen, welche das zu fürchtende baldige Ende Maximilian’s bringen werde. Daß die Freilassung der Gewissen dem Religionsfrieden entgegen wäre, bestreitet S., sie sei vielmehr demselben, dem Buchstaben wie dem Geiste nach, durchaus gemäß; es sei auch nicht zu fürchten, daß daraus Ungehorsam der Unterthanen erfolgen [398] würde, da die Erfahrung gelehrt habe, daß nach Aufrichtung des Religionsfriedens und noch vor kurzen Jahren, ehe man angefangen die Unterthanen der Religion halber zu verfolgen, die katholischen Stände auch bei ihren evangelischen Unterthanen allen Gehorsam gefunden haben.

Wie schon angedeutet, war es der Abfall Kursachsens von der evangelischen Sache, was den todkranken Kaiser Maximilian der Nothwendigkeit überhob, den Forderungen der Protestanten nachzugeben. Was aber war in dieser Beziehung von Rudolf II. zu erwarten? Am wenigsten konnte S. sich darüber täuschen, daß für seine kirchenpolitischen Ideen der Nachfolger Maximilian’s unzugänglich war. Dagegen blieb S. in allem, was sich auf die Abwehr der wieder drohender gewordenen Türkengefahr bezog, eine so unbestrittene Autorität, daß sein Rath nach wie vor in Anspruch genommen wurde. Auch die niederländischen Angelegenheiten nahmen zur Zeit des Thronwechsels eine Wendung, die es S. gestattete, von neuem für die Verwirklichung des Gedankens, die Lande für das Haus Oesterreich unter der Statthalterschaft eines deutschen Erzherzogs zu retten, thätig zu sein. Als nämlich auch die südlichen Provinzen in den offenen Kampf gegen Spanien eingetreten waren und die Gefahr nahe rückte, daß die Niederlande dem französischen Herzog von Anjou (Alençon) oder einem anderen auswärtigen Fürsten zufallen möchten, erging von einer kleinen Partei an Mathias, den Bruder des Kaisers, der Ruf, das Statthalteramt zu übernehmen. Leichten Sinnes, fast einem Abenteurer gleich, eilte im September 1577 der jugendliche Erzherzog heimlich nach Brüssel. Ob zu den wenigen Eingeweihten von Anfang an S. gehörte, ist zweifelhaft; jedenfalls that er alles, um den Kaiser, der längst zu Ausgleichverhandlungen zwischen Spanien und den niederländischen Ständen bereit war, dafür zu bestimmen, daß er Philipp mit dem gewagten Unternehmen des Erzherzogs auszusöhnen suchte; andererseits sandte er Briefe über Briefe an Mathias, um ihm seine schwierige, fast aussichtslose Mission durch gute Rathschläge zu erleichtern. Aber nicht allein, daß der König von Spanien einen Statthalter verwarf, der unter Schwendi’s Einfluß sich auf den Boden des Religionsfriedens zu stellen gedachte, sondern auch Wilhelm von Oranien that das seinige, daß Mathias theils von den Generalstaaten, theils von ihm selbst vollständig abhängig wurde. Als dann auch die zu Cöln unter Vorsitz einer kaiserlichen Commission eröffneten Verhandlungen zwischen Spanien und den niederländischen Ständen sich zerschlugen und diese unter Oraniens Leitung den Herzog von Anjou als Souverän annahmen, sah sich der ohnmächtige Erzherzog vollends bei Seite geschoben, verachtet und schimpflichem Mangel preisgegeben. Da konnte auch S., der ihm so oft gerathen, nicht vor den Franzosen das Feld zu räumen und schlimmsten Falls wenigstens einen Theil der Niederlande für Deutschland zu retten, ihm nur den Rath ertheilen, sobald als möglich heimzukehren. Mit den sanguinischen Hoffnungen, die S. an das unglückliche Unternehmen des Erzherzogs geknüpft, ging auch die Freundschaft mit Oranien, den er vergebens zum Bruch mit Anjou und zum Festhalten am Reich zu bestimmen gesucht hatte, zu Grabe.

Auf die Wohlfahrt des Vaterlandes, auf die Erhaltung deutscher Ehre und auf die Freiheit der religiösen Ueberzeugung blieben, bis an sein Ende, die Wünsche und Bestrebungen Schwendi’s gerichtet. Als er, öfter kränkelnd, die Last des Alters fühlte, konnte er sich für den Gedanken begeistern, noch einmal gegen die Türken oder einen anderen auswärtigen Feind die Waffen zu ergreifen. Sein ausgedehnter Briefwechsel mit Fürsten, Staatsmännern und Gelehrten ist der beredte Ausdruck seiner gutdeutschen, freien und ehrenhaften Gesinnung. Er eifert gegen die überhandnehmende Selbstsucht und Zuchtlosigkeit „damit uns die Strafe nicht auf den Hals wüchse“. Er kämpft gegen die rohe Genußsucht, gegen [399] Mangel an Gemeinsinn, Liebe und Duldsamkeit. Auch seine politischen und militärwissenschaftlichen Schriften, die zum großen Theil schon besprochen wurden, sind voll patriotischer edler und humaner Gedanken. Von seinen historisch-politischen Abhandlungen möge nur noch eine Denkschrift über den deutschen Adel und eine andere über den Fürsten- und Herrenstand (beide ungedruckt) erwähnt werden. Von kriegsgeschichtlichen Schriften kommen außer seinen in verschiedenen Fassungen vorliegenden Rathschlägen für den Türkenkrieg und außer der Reuterbestallung von 1570 seine frühesten litterarischen Arbeiten, sowie das berühmteste seiner Werke in Betracht. „Ob doch Mittel gefunden mecht werden, darin der Betrug in der Musterung, das verderben der Teutschen abgeleint werde“ ist das erste, noch dem Kaiser Karl gewidmete Werk Schwendi’s, das sich mit dem nächstfolgenden vereinigt in einer Handschrift der Wiener Hofbibliothek findet. Es handelt von den argen Betrügereien und anderen Uebelständen bei der Anwerbung, Ausrüstung und Unterhaltung der Truppen, auf deren Beseitigung S. auch in anderen Schriften immer wieder gedrungen hat. Mit scharfer Satire behandelt er dieselben Fragen in einem „Gespräch zwischen Petrus und Paulus über die Mißbräuche in den Heeren und Lägern der Deutschen“. Das wichtigste kriegswissenschaftliche Werk endlich ist sein berühmter, zuerst in den Jahren 1593 bis 1594 gedruckter „Kriegsdiscurs“ (Von Bestellung des gantzen Kriegswesens und von den Kriegsämptern). S. ist mit diesem Werke jahrelang beschäftigt gewesen; schon 1571 hatte er auf die Aufforderung des Kurfürsten August den Anfang gemacht, nicht ohne Bedenken wegen der Größe der Aufgabe, die ihm zugleich als eine undankbare erschien, da bei diesen Zeiten die „Kriegstugend“ fast gefallen sei, der „freie Wille“ aber und die „Finanz“ ganz überhand genommen habe, so daß, wie er ein andermal klagt, auch bereits das deutsche Fußvolk, das noch zu Karl’s V. Zeiten die Stärke und Mannheit der ganzen Christenheit dargestellt, bei fremden Nationen in Verkleinerung und Verachtung gerathen sei. Vollendet hat S. das Hauptwerk seines Lebens erst um das Jahr 1577. Es genüge, hervorzuheben, daß der Verfasser, der Zeit voran eilend, die Volksbewaffnung über das Söldnerwesen stellt, und in Beziehung auf die Kriegführung zwar Vorsicht, aber zur rechten Zeit auch kühnes Wagen empfiehlt. Wenn diese Schrift die schon den Zeitgenossen nicht entgangene Vertrautheit Schwendi’s mit Macchiavelli verräth, so hat vor diesem unser Autor jedenfalls die echte Humanität voraus, die nicht allein in manchen seiner Sätze zum Ausdruck kommt, sondern die er auch praktisch an der Spitze seiner Truppen durch umsichtige Fürsorge für den gemeinen Mann an den Tag gelegt hat. Der Gedanke, die vor dem Feinde zu Krüppel gewordenen Soldaten in Spitälern und Klöstern mit Pfründen zu versorgen, stammt von ihm.

S. ist auch als Dichter aufgetreten, wie es scheint, erst in vorgerückten Jahren; denn nicht allein, daß das umfangreichste und gehaltvollste seiner poetischen Erzeugnisse, die schon im J. 1595 in einer Flugschrift abgedruckte „Schöne Lehr an das deutsche Kriegsvolk“ ausdrücklich als „unlängst vor seinem Tode gemacht“ bezeichnet wird, sondern auch die drei anderen Stücke, welche Janko zuerst veröffentlicht hat, „Der Hofdank“, „Das Hofleben“ und „Die Instruction und Lehr für einen jeden Kriegsmann“, verrathen durch die darin niedergelegten Lebenserfahrungen das gereifte Alter des Verfassers. Der Dichter will nichts mehr wissen von den Höfen, wo Falschheit und Schmeichelei, Neid, Mißgunst und Eigennutz ihr Spiel treiben, an die Kriegsleute aber wendet er sich mit väterlich ermahnenden, strafenden und klagenden Worten, wie sie einem Manne anstehen, der in dem Niedergange der altritterlichen und soldatischen Tugenden die Ehre und den Bestand des Vaterlandes mehr und mehr bedroht sieht.

[400] Aber hat nicht S. das Kriegshandwerk dadurch entweiht, daß er es zu einer Quelle der Bereicherung für sich selbst machte? Schon ein venetianischer Berichterstatter hat den Fehler der Habsucht an ihm zur Zeit seines Commando in Ungarn gerügt. Daß S. sich unrechtmäßig bereichert, läßt sich mit guten Gründen bestreiten, dagegen wird man zugeben dürfen, daß er sich seine militärischen und diplomatischen Dienste von Spanien und Oesterreich so reichlich bezahlen ließ, wie es der Gewohnheit der Zeit entsprach. Es mag auch sein, daß die großen Geschenke, welche ihm wiederholt von den Kaisern Maximilian und Rudolf, einmal (1570) auch von reichswegen, zugewandt wurden, ihm nicht ohne seine Anregung zutheil geworden sind. Die großen Güter und Pfandschaften, die er im Elsaß und dem heutigen badischen Oberlande erwarb (er nennt sich in seinem Testament Freiherr zu Hohenlandsberg, Herr zu Kirchhofen, Pfandherr zu Burkheim, Triberg und Kaisersberg und er besaß unter anderem auch ein Haus zu Straßburg), sowie die Besitzungen, die er in Oesterreich besaß, sprechen jedenfalls dafür, daß er ausgezeichnet zu wirthschaften verstand, aber zur Ehre gereicht es ihm, daß er einen Theil seines Reichthums auf wohlthätige Stiftungen verwandte. So hat er in Triberg und Kirchhofen reich ausgestattete Hospitäler errichtet, in Kiensheim und Straßburg Geistliche und arme Leute mit milden Stiftungen bedacht, und in seinem Testament eine nicht unbedeutende Summe für Studierende ausgesetzt.

S. war zweimal verheirathet, zuerst mit einer Böcklin von Böcklinsau und nach Trennung von derselben mit einer Gräfin von Zimmern. Nur aus erster Ehe überlebte ihn ein Sohn. – S. starb am 28. Mai 1584 zu Kirchhofen im Breisgau und wurde zu Kiensheim im Elsaß nach katholischem Ritus begraben. Daß er sich im Alter zum Protestantismus bekannt, ist nicht richtig. Wir werden ihn aber auch nicht schlechtweg jenen aufgeklärten, von S. selbst einmal als Erasmianer bezeichneten Katholiken beizählen dürfen, deren Bekenntniß sich zu einer „natürlichen Religion“ verflüchtigte, dazu war er, in reiferem Alter wenigstens, zu positiv christlich gesinnt. Eher könnte man ihn zu den sogen. Compromißkatholiken rechnen, welche die Protestanten durch Zugeständnisse in Beziehung auf das äußere Kirchenthum, durch Herstellung besserer Zucht und Beseitigung von Mißbräuchen und Aberglauben zu der alten Kirche zurückzuführen wünschten; freilich hätte, um S. zu befriedigen, die Reformation der Kirche wohl weiter gehen müssen, als die meisten Anhänger einer vermittelnden Richtung wollten. Wenn S. in seinem Testament sagt, er empfehle seine Seele in seines Schöpfers und Erlösers göttliche Gnade und Barmherzigkeit, „mit stetem unwiderruflichem Fürsatz, in einem wahren, rechten christlichen Glauben, auch Einigkeit der allgemeinen heiligen christlichen Kirche zu sterben“, so erinnert dies an eine Stelle in der großen Denkschrift von 1574, worin er an dem Kaiser Maximilian II. rühmt, „Se. Majestät wisse sich zu berichten, ob wir wohl nur eine einige wahre unzweifelhafte Religion und Bekenntniß unseres Glaubens und Gottesdienstes haben, nämlich die alte unverfälschte katholisch-apostolische Religion, wie sie Christus und die Apostel gelehrt und sie die allgemeine christliche Kirche auf den ersten Conciliis bekannt hat und folgends schier durch die ganze Welt ist gehalten worden, daß doch bei der römischen Kirche die letzten Zeiten her viel Aberglauben, Abgötterei und Mißbräuche eingerissen sind.“ Indeß ging S., wenn er „die wahre Lehre des heiligen Evangeliums und ungefälschten inneren Gottesdienst“ wieder hergestellt sehen wollte, doch nicht so weit, Fürbitten für die Verstorbenen zu verwerfen. Es sollen am Ort seines Begräbnisses „ein ewiger Jahrtag mit christlichem Gottesdienst, Predigen und Gebeten zur Erhaltung seines Gedächtnisses celebrirt und dabei die Armen mit einer Spende [401] mildiglich bedacht werden.“ Er legt auch sonst Werth darauf, daß die Armen, die er beschenkt wissen will, seiner im Gebet gedenken.

Die wichtigste Quelle für Schwendi’s Lebensgeschichte sind seine Briefe, von denen nur der kleinste Theil in den großen Quellenwerken zur Geschichte Karl’s V. (Lanz, v. Druffel) und Philipp’s II. (Gachard, Groen van Prinsterer) gedruckt ist. Die Correspondenz mit dem Erzherzog Mathias findet sich bei Chmel, Handschriften der Hofbibliothek in Wien I; die mit Herzog Julius von Braunschweig, welche jedoch an Umfang und Bedeutung nicht entfernt dem vieljährigen Briefwechsel mit Herzog Heinrich d. J. gleichkommt, hat Bodemann in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen 1887 abgedruckt. Werthvolle Mittheilungen bieten auch die Briefe von Languet und Camerarius. – Mir standen zahlreiche Briefe und Denkschriften aus einer Reihe von Archiven zu Gebote. Eine Auswahl davon ist zum Druck bestimmt. – Das Buch des Edlen von Janko, Lazarus Freiherr v. Schwendi, befriedigt, trotz der darin benutzten Wiener Acten, nur wenig. – Adolf Warnecke, Leben und Wirken des Lazarus von Schwendi, 1. Th., Jugendzeit und diplomatische Thätigkeit im Dienste Karl’s V. (Göttinger Dissertation 1890) hat über Herkunft und Jugend Schwendi’s die erste zuverlässige Kunde gegeben und auch sonst von den ihm zugänglichen Archivalien einen besseren Gebrauch gemacht, als man nach der Art und Weise, wie er unter den litterarischen Hülfsmitteln namentlich J. Voigt’s Albrecht Alcibiades benützt hat, glauben möchte. – Ueber Schwendi als kriegswissenschaftlichen Schriftsteller handelt Jähns in seiner Geschichte der Kriegswissenschaften I, 531–42 mit Benutzung handschriftlichen Materials.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schmalkadischen