ADB:Spreckelsen

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Artikel „Spreckelsen, v.“ von Wilhelm Sillem in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 285–288, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Spreckelsen&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 05:45 Uhr UTC)
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Spreckelsen: v. S., ein hamburgisches, vermuthlich aus dem Stifte Bremen stammendes Geschlecht, das von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis in den Anfang des gegenwärtigen durch verdienstvolle Männer im Rathe, in den bürgerlichen Collegien und im Kaufmannsstande vertreten gewesen ist. Diejenigen, welche eine Universität besucht haben, sind, mit Ausnahme von zwei Aerzten, sämmtlich Rechtsgelehrte gewesen, ein Umstand, der sich auch bei anderen hamburger Familien durch Jahrhunderte wiederholt. Schon in den Jahren 1459, 1472 und 1493 sind Mitglieder der Familie aus Hamburg auf der Universität Rostock immatriculirt, nämlich Hinricus, Jacobus und Johannes v. S., über deren nachmalige Lebensstellungen aber Nachweise fehlen. Drei Bürgermeister, Johann, Peter und Lukas, haben aber, jeder in eigenthümlicher Weise das Andenken ihres Namens in der Geschichte der Vaterstadt erhalten. Johann, der Angabe nach ein Enkel des Gründers der Familie in Hamburg, wurde 1498 Rathsherr, 1512 Bürgermeister und starb am 25. Februar 1517 (nicht 1518), am Aschermittwoch, nachdem er am Dienstag „in dem Vastelavende [286] noch mede in den staddanze“ gegangen war. (Lappenberg, Niedersächsische Chroniken. S. 15.) So lebenslustig wie er war, muß er doch damals bereits ein bejahrter Herr gewesen sein; denn im J. 1505 hatte er im Einvernehmen mit seinen vier Söhnen und drei Eidamen eine Familienstiftung errichtet, aus deren Ertrag alljährlich alle v. Spreckelsens, Schwert- und Spillmagen, zu Pfingsten ein Mahl, die „Pingst-Höge“, halten sollten. Bis zum Jahre 1625 wurde dies Familienfest gefeiert, dann aber wegen zu vieler Theilnehmer unterlassen, das Capital aber von den Verwaltern sorgsam durch die Zinsen gemehrt. Im J. 1688 faßten unter Vorsitz eines Rathsherrn sämmtliche Interessenten einen Beschluß, der ihrem vaterstädtischen Sinn zum wahren Ruhm gereicht. Von den 50 000 Mark (20–25 000 Thaler) wurden nur etwa 4000 Mark unter bedürftige Familienmitglieder vertheilt, dagegen alles übrige zum Besten der Stadt verwandt, nämlich für das Waisenhaus, das Zuchthaus, und namentlich zur Erbauung eines neuen Zeughauses. Bemerkenswerth dürfte es sein, daß 860 Mark zur Bekehrung der Juden ausgesetzt wurden.

Unter den Söhnen des Bürgermeisters ist insofern der Magister Hans v. S. zu erwähnen, als er der erste ist, dem in Hamburg von der römisch-katholischen Partei der Vorwurf gemacht worden ist, sich auf Luther berufen zu haben. Der Domscholasticus Banskow (s. A. D. B. II, 43) beklagte sich nämlich, daß jener im Herbste 1522 zu Ottensen davon geredet habe, daß dem Domcapitel die Kirchenaufsicht genommen werden müsse. Er habe die Bürger aufgereizt, sie brauchten nicht des Papstes Bann und des Kaisers Acht zu fürchten, Martin Luther wäre in Bann und Acht gleich dem Herzog von Geldern und den Friesen. Das werde nichts geachtet, so müßten die Bürger es auch machen.

In noch höherem Grade zog aber Johann’s Bruder, der nachmalige Bürgermeister Peter den Zorn des Domscholasticus, auf sich. Dieser, geboren um 1494, wenn die Angabe bei Anckelmann, Inscription. LVII, daß er 1553 als Neunundfünfzigjähriger gestorben, richtig ist, (dagegen führt Mönckeberg, Geschichte der Nikolaikirche S. 269 ihn ohne Bezeichnung des Jahres unter den Kirchenjuraten von Nikolai zwischen den Jahren 1508–1512 an, wonach sein Geburtsjahr früher zu setzen wäre) hatte gleich seinem Bruder studirt und führte den Magistertitel. Er trat eifrig für die Gerechtsame der Bürger und für die Reformation auf in einem Streite, der seinen Anfang schon im J. 1473 genommen hatte. Damals hatten die Bürger des St. Nikolaikirchspiels ihre Schule erweitern wollen, was der Scholasticus Hermann Ducker in Rom verhindert hatte. Dieser Streit entbrannte 1522 aufs neue und gestaltete sich zu einer Angelegenheit aller vier städtischen Kirchspiele, als deren Kirchengeschworenen und vornehmen Bürger am 3. September 1522 sich vereinigt hatten, gemeinsam die Eingriffe des Domscholasticus abzuwehren. Zu den Wortführern des Nikolaikirchspiels gehörte Peter v. S., an den Banskow als an einen „hochverständigen Mann“ sich wandte, um die Einführung des vom Scholasticus erwählten Schulmeisters durchzusetzen. Allein Banskow’s Vorstellungen waren vergeblich und es hatte auch, wie Hans v. S. schon geäußert hatte, gar keine Folgen, daß auf des Scholasticus’ Betreiben, der päpstliche Auditor die Kirchengeschworenen und mit ihnen Peter v. S. aufforderte, dem Scholasticus Gehorsam zu leisten und binnen sechzig Tagen in Rom zu erscheinen bei Strafe der Excommunication, des Interdicts und 10 000 Ducaten Geldbuße. Das Domcapitel ließ die Sache seines Scholasticus in den Besprechungen mit dem Rathe fallen und Peter v. S. wurde im folgenden Jahr (1523) in den Rath gewählt. In kirchlichen Angelegenheiten wird sein Name hinfort nur noch genannt, insofern er nebst dem Rathsherrn Ditmar Kohl (s. A. D. B. XVI. 422) mit der Verwaltung oder vielmehr der Auflösung des Dominicanerklosters St. Johannis im J. 1529 betraut wurde, dessen bisherige Bewohner [287] ihr Kloster der neu gegründeten Gelehrten Schule, dem Johanneum, überlassen mußten. Dies war in dem „Langen Recesse“ von 1529, der Grundlage der hamburgischen Verfassung bis zum Jahre 1860, bestimmt worden. Diejenigen Dominicaner, welche Mönche bleiben wollten, mußten ins Franciscanerkloster übertreten, den anderen wurde ein Geldbeitrag gegeben, um ins bürgerliche Leben zurücktreten zu können. Vielfach wurde nun v. S. in städtischen Gesandtschaften verwandt, so namentlich 1534 und 1535 um den Krieg beizulegen, der zwischen Dänemark und Lübeck unter Wullenweber ausgebrochen war. War der Rathsherr hierbei für den öffentlichen Frieden thätig, so bewies er sich doch zur selben Zeit in eigener Angelegenheit auffällig gewaltsam, indem er (am 12. September 1535) an der Spitze von acht Mann das Haus einnahm, das der junge Peter Salsborch, ein Bruder des Bürgermeisters Hinrich Salsborch, der v. Spreckelsen’s College jahrelang gewesen war, sich in Eimsbüttel erbaut hatte. Erbschaftsansprüche mögen die Ursache dieser Gewaltthätigkeit gewesen sein. Denn im Jahre zuvor war die zweite Frau v. Spreckelsen’s gestorben und er verheirathete sich, wahrscheinlich nach damaliger Sitte recht bald, mit der Wittwe des Bürgermeisters Salsborch. Wenn berichtet wird, daß die Sache durch etliche Freunde, d. h. Verwandte wieder ausgeglichen wurde, so gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, daß dies solche waren, die sowohl dem Angreifer als dem Besiegten nahe standen. Diese legten im J. 1536 die Sache bei, nachdem v. S., von Peter Salsborch, vor den Rath gefordert, nicht erschienen war. Er wird sicherlich der schuldige Theil gewesen sein, da das eingenommene Haus dem Albert Salsborch (s. A. D. B. XXX, 283), dem Bruder des inzwischen verstorbenen Peter Salsborch zugesprochen wurde. Trotz dieser Gewaltthat (siehe Lappenberg, Niedersächsische Chronik. S. 87) wurde v. S. 1539 am 25. Jan. zum Bürgermeister erwählt. Als solcher ging er 1544 nach Speier zum Reichstage und bewirkte die Befreiung hamburgischer Schiffe, welche auf der Unterelbe wegen der kriegerischen Anschläge des Königs von Dänemark zurückgehalten waren. Im J. 1551, als Herzog Moritz von Sachsen schon Magdeburg besetzt hatte und Karl V. seinen Rath Wilhelm Bocklein an die norddeutschen Stände sandte, um sie zum Gehorsam und zur Annahme des Interims zu ermahnen, nahm v. S. an dem Tage der wendischen Städte zu Lübeck theil, auf welchem man sich wahrscheinlich über Neutralität einigte gegen die Zumuthungen des Kaisers und die Werbungen Moritz’ von Sachsen. Am 17. Juni 1553 starb er mit Hinterlassung von zwölf Kindern und seiner fünften Frau als Wittwe, der Mutter der beiden jüngsten Kinder.

Etwa zwanzig Jahre bevor die v. Spreckelsen’sche Familie die Stiftung ihres Ahnherrn der Stadt überwiesen hatte, wurde der Rathsherr Johann v. S. in tumultuarischen Zeiten abgesetzt (1667), den Richey (s. A. D. B. XXVIII, 436) als einen Mann von kräftigem Sinn bezeichnet, dem in der Vaterstadt mancherlei Beschwerlichkeiten erregt worden seien. Von Kaiser Leopold war er 1676 geadelt worden, indeß seine Nachkommen bedienten sich ebensowenig wie manche andere Familien Hamburgs des Adels. Sein Enkel war der Bürgermeister Lukas v. S., geboren 1691, † 1751. Von Hauslehrern vorgebildet, besuchte er von 1709 bis 1712 das Akademische Gymnasium, wo er u. a. sich besonders der Mathematik widmete. Er bezog die Universität Leipzig und 1717 Leiden, wo er nach einem Besuche Englands als Doctor der Rechte promovirte. Nach der üblichen Reise durch die Niederlande und Frankreich und an den Hof zu Wien, in die Vaterstadt zurückgekehrt, wurde er Advocat und 1728 zum Rathsherrn erwählt. Unter den verschiedenen Gesandtschaften, die ihm übertragen wurden, ist besonders der von ihm zu Kiel zwischen dem großfürstlichen Hause Holstein-Gottorp und Hamburg 1750 geschlossene Kauf- und Anleihungsvergleich zu erwähnen. Nach demselben verpflichtete [288] sich Hamburg dem Hause Gottorp über 30 000 Thaler Banko gegen Verpfändung benachbarter Dorfschaften in den Aemtern Trittau und Reinbeck auf 20 Jahre zu leihen. Dieser Vertrag war deshalb von Wichtigkeit, weil Hamburg noch vor Ablauf der 20 Jahre gegen Verzicht auf einen noch größeren Geldbetrag durch den Gottorper Vergleich 1768 die Anerkennung der Unabhängigkeit von Dänemark erhielt nebst einigen ländlichen Gebieten. Der Mitwirkung v. Spreckelsen’s wird es auch zugeschrieben, daß das Akademische Gymnasium einen neuen Hörsaal bekam und daß für die durch die Schenkungen der Orientalisten Johann Christopher und Johann Christian Wolf sehr vergrößerte Bibliothek ein neues Gebäude errichtet wurde. Im December 1750 wurde v. S. Bürgermeister. Die zur Erinnerung an die Wahl geprägte Medaille, der sogenannte Wahlpfennig, enthält die Umschrift: Gentile decus tertium, d. i. Die dritte Zierde seines Geschlechts. Aber nicht lange erfreute er sich seiner Würde. Am 27. Juli des folgenden Jahres starb er. Ein Urenkel des obengenannten Rathsherrn Johann v. S., der Rechtsgelehrte Franz v. S., welcher am 27. April 1802 kinderlos gestorben ist, ist der letzte seines Geschlechts in Hamburg gewesen.

Hamb. Schriftst.-Lexikon VII, 3825–3839. – Buek, Hamb. Bürgerm. S. 21–23. Die Gesandtschaften des Bgm. Peter v. S., welche bei Buek in Frage gestellt sind, sind erwiesen durch Lappenberg, Niedersächsische Chroniken S. 169, 179, durch Tratziger, herausg. v. Lappenberg S. 2934 und bes. durch die v. Koppmann herausgegebenen Kämmerei-Rechnungen V, 403, 498, 532, 566, 602 u. s. w. – Ueber Banskow und die beiden Brüder v. S. vgl. Meyer, Gesch. des Hamb. Schulwesens im Mittelalter. Hamb. 1843. S. 282, 285, 310 und Sillem, Einführung der Ref. in Hamb. Halle 1886. S. 27–39. – Die Pfingsthöge s. bei Langermann, Münz- und Medaillen-Vergnügen. Hamb. 1753. S. 570; ferner über Luc. v. S. S. 618, 639. – O. Beneke, Hamburger Geschichten und Denkwürdigkeiten. 1. Aufl. 1855. S. 53–58. – Buek S. 222–230. – Nachricht v. Niedersächsischen Familien. Hamb. 1768. I, 59–64.