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ADB:Starhemberg, Gundaker Thomas Graf von

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Artikel „Starhemberg, Gundakar Thomas Graf von“ von Hanns Schlitter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 480–482, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Starhemberg,_Gundaker_Thomas_Graf_von&oldid=- (Version vom 8. November 2024, 15:51 Uhr UTC)
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Starhemberg: Gundakar Thomas Graf v. St. wurde als der dritte Sohn Konrad Balthasar’s Grafen v. St. aus dessen zweiter Ehe mit Francisca Katharina geb. Gräfin Cavriani am 14. December 1663 geboren. Er widmete sich zuerst dem geistlichen Stande und wurde, neunzehnjährig, Domherr zu Olmütz. Aber so wie sein älterer Halbbruder Ernst Rüdiger, welcher, anfangs in Civildienst getreten, gar bald jedoch zur Erkenntniß gekommen war, daß er dem Kaiser bessere Dienste mit dem Schwerte als mit der Feder zu leisten vermöchte, in der Folge die militärische Laufbahn einschlug, so fühlte sich Gundakar zum Staatsmann und nicht zum Geistlichen geboren und er entschloß sich, die Laufbahn zu betreten, welche vor ihm sein Bruder verlassen hatte. Er wandte sich der finanziellen Sphäre zu und entfaltete in derselben seine Talente in so hohem Maße, daß man auf ihn als denjenigen hinwies, welcher dazu berufen zu sein scheine, den arg zerrütteten Finanzverhältnissen Oesterreichs aufzuhelfen. Gleichzeitig war Prinz Eugen von Savoyen bestrebt, die militärische Grundlage des Staates zu festigen und die heillose Verwirrung zu beseitigen, welche im Kriegswesen herrschte. Die frischere Strömung, welche zwei der wichtigsten Verwaltungsgebiete des Staates nunmehr beseelte, veranlaßte den Kaiser Leopold I. die Urheber derselben seinem Throne näher zu bringen; er enthob die bisherigen Vorsteher der betreffenden Centralstellen, die Grafen Mansfeld und Salburg ihrer Aemter und übertrug im J. 1703 das Präsidium des Hofkriegsrathes dem Prinzen Eugen von Savoyen, dasjenige der Hofkammer dem Grafen Gundakar St. Daß dieser nicht nur ein bedeutendes Vermögen besaß, sondern es auch in musterhafter Weise verwaltete, war Leopold I. wol bekannt und hatte seine Wahl nicht unwesentlich beeinflußt. Stand es doch zu erwarten, daß ein Mann, welcher im eigenen Hause auf Ordnung hielt, bestrebt sein werde, sich von den gleichen wirthschaftlichen Grundsätzen auch in dem ihm anvertrauten Ressort leiten zu lassen. Ein weiterer Beweggrund, welcher auf den Kaiser bestimmend einwirkte, war die strenge Rechtlichkeit des Grafen St. Ein Mißbrauch seiner Stellung war von diesem nicht zu erwarten und mit Sicherheit konnte man von ihm voraussetzen, daß er wohl den Staatsschatz, aber keineswegs die eigene Tasche bereichern werde. Wenn auch St. in Anbetracht der Mißwirthschaft, in welcher vor seiner Amtsführung die österreichischen Finanzen sich befanden, keine Wunder zu wirken vermochte, so verstand er es doch, den in ihn gesetzten Hoffnungen nicht nur zu entsprechen, sondern sie auch weitaus zu übertreffen. Infolge seiner Finanzgebahrung wurde es dem Kaiser erst möglich gemacht, während einer langen Reihe von Jahren seine Rechte auf Spanien mit bewaffneter Hand zu vertheidigen.

Im J. 1705 rief St. die Wiener Stadtbank ins Leben; bis zu seinem Tode verblieb er an der Spitze dieses Instituts, welches dem Staate in Zeiten der Noth oft die wichtigsten Dienste leistete. So brachte es St. dahin, daß der Credit Oesterreichs im In- und Auslande aufrecht erhalten blieb und die Zahlungen, wenn sie auch oft unerschwinglich zu sein schienen, nicht ins Stocken geriethen. So wie als Leiter der Finanzen, so that sich St. auch als Staatsmann im allgemeinen hervor. Seit dem Jahre 1700 Mitglied der geheimen Conferenz, vertrat er dem mit freisinnigen Ideen erfüllten Grafen Sinzendorff gegenüber den streng katholischen Standpunkt und hielt es in politischer Hinsicht mit dem Prinzen Eugen von Savoyen. Im Gegensatze zu Sinzendorff, welcher es mit der Wahl der Mittel, um sich in der Gunst des Kaisers zu behaupten, nicht immer sehr genau nahm, hatte St. es sich in erster Linie zur Richtschnur gemacht, die Wahrheit zu sagen, auch zu Zeiten, da sie der kaiserliche Herr nicht [481] gerne vernahm. Als nach dem Regierungsantritte Karl’s VI. die spanische Partei am Wiener Hofe sich nicht mehr schüchtern regte, sondern mit allem Nachdrucke die Oberhand zu gewinnen trachtete, trat ihr St. im Vereine mit Eugen, Seilern und Trautson ganz entschieden entgegen. Zwar mahnte Fürst Trautson seiner friedlich angelegten Natur gemäß des öftern zur Nachgiebigkeit; zu einer solchen jedoch wollten die übrigen sich nicht verstehen; mit dem Prinzen Eugen stimmte St. gegen die Fortsetzung des spanischen Erbfolgekrieges, für die Aufhebung der kostspieligen Ostindischen Handelscompagnie, für ein enges Bündniß mit Rußland und Preußen; nicht minder energisch wie jener betonte er die Nothwendigkeit, den Seemächten und Frankreich gegenüber eine etwas entschlossenere Haltung als wie bisher einzunehmen. Ruhig überlegend, wie St. es war, und von der Richtigkeit seiner Anschauungen überzeugt, ließ er sich durch die Einwendungen, die der Kaiser und die spanische Partei vorbrachten, keineswegs einschüchtern. Er behauptete mit Würde den einmal eingenommenen Standpunkt; wußte er ja doch gar wol, daß der Kaiser, wenn er auch anfänglich zu anderen Ansichten hinneigte, doch nach ruhiger Ueberlegung den wohlgemeinten Rathschlägen der Bessergesinnten Gehör schenken werde. In immer höherem Maße erwarb sich St. das Vertrauen seines kaiserlichen Herrn, und nicht selten überwog in auswärtigen Angelegenheiten, welche ja doch in Sinzendorff’s Amtsbereich gehörten, seine Stimme jene des Kanzlers.

Die innige Verehrung, welche St. dem Prinzen Eugen zollte, und das unbedingte Vertrauen, das er in dessen Staatsklugheit setzte, gingen jedoch nicht so weit, daß er widerspruchslos auf die Forderungen eingegangen wäre, mit welchen Prinz Eugen als Präsident des Hofkriegsrathes in den Jahren 1721 bis 1723 an die Wiener Stadtbank herantrat. Der blühende Zustand, in welchem dieses Institut zu einer Zeit sich befand, da der Geldmangel beim Heere und im Staatsschatze sich bereits in beunruhigender Weise fühlbar machte, erregte, und zwar nicht in dem Prinzen allein, den Wunsch, von dort aus in den Besitz von Mitteln zu gelangen, welche zur Deckung der drängendsten Schulden nöthig waren. Auf die Wiener Stadtbank waren die Augen Aller um so mehr gerichtet, als weder die Chefs der Militär- und Civilbehörden sich zur Herabsetzung ihrer Forderungen verstehen wollten, ja sogar die Erhöhung ihres Budgets anstrebten, und auch der Kaiser die Zumuthung zurückwies, daß am Hofstaate etwas erspart werden sollte. Als nun im J. 1723 die Hofkammer, welche nicht im Stande war, die Staatsbedürfnisse zu bestreiten, das directe Verlangen stellte, die Wiener Stadtbank möge sich zur regelmäßigen Auszahlung eines Betrages von 120 000 Gulden verpflichten, da glaubte St. nichts unterlassen zu dürfen, um die Interessen des ihm so theuer gewordenen Institutes zu wahren. Die Einwände, welche er gegen den von der Hofkammer gestellten Antrag vorbrachte, wirkten so überzeugend, daß mit ähnlichen Zumuthungen an die Wiener Stadtbank nicht mehr herangetreten wurde. Es ist bezeichnend für den Charakter Einiger, welche ihre Stimmen zu Gunsten der Hofkammer abgaben – es waren dies Fürst Trautson, die Grafen Harrach und Schlik – daß sie so vorsichtig gewesen waren, zuvor ihre in der Bank deponirten Gelder aus derselben zurückzuziehen. Ein Vorgang, welchen St. sich nicht scheute, in scharfer Weise zu rügen.

Kaiser Karl VI. ehrte die Verdienste seines Ministers zu verschiedenen Malen. Bereits früher mit dem Orden des goldenen Vließes ausgezeichnet, erhielt St. im Mai des Jahres 1717 nach dem Erlöschen des fürstlich Eggenberg’schen Hauses die oberste Erbland-Marschallswürde in Oesterreich ob und unter der Enns. In dieser seiner neuen Würde trug er bei der am 10. September 1732 zu Linz stattfindenden Erbhuldigung dem Kaiser das bloße Schwert vor. Als der letzte [482] Habsburger sein Ende herannahen fühlte, empfahl er dem Grafen St. seine Gemahlin und seine Tochter, welche in der ersten Zeit ihrer Regierung St. das meiste Vertrauen schenkte. Er rechtfertigte dies, indem er die Annäherung zu beschleunigen suchte, welche während der letzten Monate der Regierung Karl’s VI. zwischen Oesterreich und England angebahnt worden war. Und mit Entschiedenheit betonte er stets, daß unverrückbar an der Unzertrennlichkeit der österreichischen Monarchie festgehalten werden müsse; dann vertrat er diesen Standpunkt, als der Gemahl der jungen Königin, Großherzog Franz von Toscana, im J. 1741 zu bedenken gab, man werde sich denn doch zu Opfern verstehen müssen. Daß bereits in der allernächsten Zeit die Ansicht des Großherzogs durchdrang, war eine Folge der wahrhaft trostlosen Lage, in welcher sich Maria Theresia befand, und St. war staatsklug genug, sich dem Unabwendbaren zu fügen. Mit gleichem Nachdrucke erhob er in ungarischen Angelegenheiten seine Stimme dafür, daß man, in Anbetracht der politischen Wirren, welche so lange Zeit in Ungarn geherrscht hatten, das früher Geschehene vergessen müsse. Nur dann könne man des Beistandes der Ungarn gewiß sein. Es gelang ihm in der That, alle Bedenken, welche dagegen geltend gemacht wurden, zum Schweigen zu bringen, wie die Eröffnung des ungarischen Landtages am 18. Mai 1741 beweist. – Vier Jahre später, am 8. Juli 1745, endete St. sein verdienstvolles Leben.