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ADB:Steinmann, Friedrich Arnold

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Artikel „Steinmann, Friedrich Arnold“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 744–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steinmann,_Friedrich_Arnold&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 08:11 Uhr UTC)
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Steinmann: Friedrich Arnold St., Litterat, wurde am 7. August 1801 zu Cleve geboren. Aus den Jahren seiner Kindheit ist wenig zu erfahren. Er bezog 1819, nachdem er die schulmäßige Vorbereitung erledigt hatte, die Universität zu Bonn, um die Rechte zu studiren, was er sodann bis 1822 in Heidelberg fortsetzte. Bald darauf erhielt er das Amt eines Auscultators beim Oberlandesgericht [745] zu Münster, ward 1827 als Secretär ebenderselben Gerichtsstelle fest angestellt, aber nach dem Eintritte der politischen Reaction und der damit verbundenen Beamtenmaßregelung 1854 mittelst Beschlusses des kgl. preußischen Staatsministeriums wegen der in seiner „Geschichte der Revolution in Preußen“ (1849) vorgetragenen Anschauungen nachträglich seines Postens enthoben. Seitdem beschäftigte sich der schon andauernd litterarisch thätig Gewesene wesentlich mit der Sammlung und Herausgabe apokrypher Dichtungen und Briefe Heinrich Heine’s. In dieser Zeit lebte St. ziemlich zurückgezogen meist in Münster i. W., wo er auch, der einstmals viel Genannte, fast vergessen am 9. Februar 1875 starb.

Steinmann’s Eigenart spricht sich am deutlichsten in seinen halb social- und culturhistorischen, halb humoristisch-satirischen Beiträgen zur Beurtheilung zeitgenössischer preußischer Verhältnisse aus. Es gehören hierher: „Briefe aus Berlin“ (2 Bände, 1832); „Berliner Schwärmer, Raketen und Leuchtkugeln“ (1832); „Mefistofeles. Revue der deutschen Gegenwart in Skizzen und Umrissen“ (5 Bde., 1842–44), eine viel Interessantes bietende Sammlung von Glossen zu gleichzeitigen Vorgängen; „Caricaturen und Silhouetten des 19. Jahrhunderts“ (3 Bde., 1843); die schon genannte „Geschichte der Revolution in Preußen“ (1849); „Berliner Caricaturen und Silhouetten“ (1850). Einige andere Veröffentlichungen ähnlicher Art, wie „Fliegende Blätter aus Rheinpreußen und Westfalen“ (1833), neigen mehr zur localgeschichtlichen Publicistik, der Steinmann’s schriftstellerische Anfangsleistung, „Münsterische Geschichten, Sagen, Legenden und Sprüchwörter“ (1825), ganz angehört. Ganz ins Launigironische geht die „Narrenbibliothek“ (1827) auf, während „Bilder und Skizzen aus der Zeit“ (3 Thle., 1846) schon neben Aufsätzen aus der Culturgeschichte, solche über Kunst und Litteratur bringen. Freilich herrschen auch hier noch Steinmann’s übliche Gesichtspunkte vor, wie allein die Ueberschrift „Die Rothschilde und die Weltgeschichte der Gegenwart“ zeigt; Steinmann’s eigene Anmerkung in einem späteren Schriftchen: „Das Haus Rothschild. Von Friedrich Steinmann, erschien später neugearbeitet und zu 2 Theilen erweitert bei Kober in Prag“ kann ich nicht controliren. Der Litteratur und ihrer Würdigung widmen sich: „Taschenbuch für deutsche Litteraturgeschichte“ (1834); „Musenalmanach für 1843“ (1842/43); „Litterarische Monatsschrift“, in drei Jahrgängen (1844–46) erschienen. Seine Belletristik enthalten folgende Bücher: „Gedichte“ (1834); „Zum Tode verurtheilt“ (1843), ein Volksdrama; „Sie muß ins Kloster“ (1845), Lustspiel; „Erzählungen und Novellen“ (2 Bde., 1826); „Atlantis. Amerikanische Erzählungen und Geschichten“ (1853); „Die Welt der Verbrecher. Merkwürdige Criminalgeschichten“ (1853). Für eigene künstlerische Gestaltung schönwissenschaftlicher Vorwürfe oder deren sachliche und ästhetische Kritik fehlten St. die Anlagen. Er besaß dagegen eine ergiebige publicistische Ader, die bisweilen auch für eine allerdings in der Regel klotzige Polemik ausreichte, ein wohl seiner Verbitterung über persönliche Zurücksetzung entsprungenes Gewächs.

Letztere Eigenschaft befruchtet auch seinen Kampf um die von ihm vorgelegten ungedruckten oder versprengten Blätter, die er auf seinen Jugend- und Studienfreund Heinrich Heine zurückführte. Die letzte selbständige Schrift von St., „Der Froschmäusekrieg wider H. Heine’s Dichtungen“ (1861), liefert von diesem Standpunkte aus das erläuternde und angeblich kritische Relief hierzu. Sie ist für Steinmann’s Betrachtungsweise, die höherer Maßstäbe durchaus entbehrt, sehr bezeichnend und darf wenig mehr als den Werth einer oratio pro domo beanspruchen, da sie eben fast nichts an actenmäßigem Material zu Geschichte und Verständniß der Heine’schen Poesie gewährt. Unter anderem zieht St. daselbst in einem besonderen Abschnitt wider „die periodische Klatsch- und [746] Scandalpresse“ los, ohne sich anscheinend der eigenen Randalirsucht bewußt zu werden. Auch gehen hier greifbare Unterlagen fast ganz ab, und die argen Ausfälle gegen den ihm soeben erstandenen unbequemen Concurrenten Adolf Strodtmann, der in der That ein guter Heinekenner war, sind ohne Hand und Fuß. Thatsache ist, daß St. seine sämmtlichen Heine-Veröffentlichungen zunächst dem Originalverleger des Dichters, Julius Campe in Hamburg, angeboten hat. Dieser hat aber alles abgelehnt. So erschien denn Steinmann’s biographisches Werk bei Kober in Prag als „Heinrich Heine. Denkwürdigkeiten und Erlebnisse aus meinem Zusammenleben mit ihm. Mit dem Porträt und zwei Autographen Heine’s“ (1857); es enthält über des Dichters Jugendjahre etliche richtige Angaben, daneben aber auch zahlreiche haltlose Lügen. Hingegen für die Mittheilung der Manuscripte, deren Heine’schen Ursprung er consequent behauptete, mußte er angesichts des Privilegs von Hoffmann und Campe Druck und Verlag im Auslande suchen. In den Jahren 1857–1862 gab St. nun in Amsterdam und Rotterdam nacheinander heraus: „Dichtungen von Heinrich Heine“ (4 Bde.); „Berliner Herbstmährchen in 27 Capiteln von Heinrich Heine“; „Briefe von Heinrich Heine“ (2 Bde.). Diese Bücher entfesselten bei Heine’s Familie, die die Drucklegung überhaupt zu verhindern gesucht hatte, eine erklärliche Entrüstung, in der litterarischen Welt lebhafteste Bedenken und Zweifel. Wie sich die Sache wirklich verhält, dürfte auch heute noch nicht endgültig ausgemacht sein. So viel steht fest, daß St. wesentlich eine Anzahl plumper und ungeschickter Verse eigener Mache nach Heine’s Tode als Erzeugnisse dieses Dichters in unsere Litteratur einzuschmuggeln versucht hat. Es war für Gustav Heine, Heinrich’s Bruder, ein leichtes Stück, den durchsichtigen Schwindel trotz der bodenlosen Unverfrorenheit, in der St. beharrte, zu entlarven oder besser nachzuweisen. St. benahm sich in diesem ganzen Handel geradezu erbärmlich, wie ein litterarischer Gauner schlimmster Sorte. – Für die Beurtheilung von Steinmann’s Heine-„forgeries“ – denn an Irelands Shakespeare-forgeries von 1796 wird man direct erinnert – folge ich den freundlichen Mittheilungen von H. Professor E. Elster in Leipzig, zum Theil wörtlich; vgl. Goedeke, Grdr.1 III, 463 nr. 110. Elster urtheilt ferner in der Vierteljahrschrift für Litt.-Geschichte IV, 468, daß St. „durch die ebenso frechen wie thörichten Fälschungen Heine’scher Gedichte überhaupt sein Andenken mit dauerndem Makel befleckt hat“ und verbreitet sich ebenda über den relativen Werth von Steinmann’s biographischen Beiträgen über Heine.