ADB:Tralles, Balthasar Ludwig

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Artikel „Tralles, Balthasar Ludwig“ von Max Hippe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 489–494, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tralles,_Balthasar_Ludwig&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 16:10 Uhr UTC)
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Tralles: Balthasar Ludwig T., schlesischer Arzt und Gelehrter, wurde am 1. März 1708 zu Breslau als Sohn eines Kaufmanns geboren. Seine Schulbildung erhielt er auf dem Gymnasium zu St. Elisabeth, wo ein Oheim und ein Großvater zu den ersten Lehrern das Knaben zählten. Schon auf der Schule zeigte er besonderes Interesse für die lateinische Sprache und die deutsche Litteratur, eine Neigung, die später dem Manne bis ins Greisenalter eigenthümlich geblieben ist. T. war ursprünglich für den väterlichen Beruf bestimmt; aber die Einwirkung eines nahen Verwandten, der als angesehener Arzt in Breslau lebte, und die eigene Vorliebe für gelehrte Studien ließen ihn den Wissenschaften treu bleiben. So bezog er nach Beendigung seiner Gymnasialstudien, [490] mit einem Breslauer Rathsstipendium ausgestattet, im J. 1727 die Universität Leipzig. Seinen anfänglichen Plan, Theologie zu studiren, gab er bei den trüben Aussichten, die sich infolge großer Ueberfüllung des Faches damals den Candidaten boten, bald zu Gunsten der Medicin auf. Nach dreijährigen gründlichen, auch auf die Nachbargebiete der Medicin ausgedehnten Studien in Leipzig führte der Wunsch, den damals in hohem Ansehen stehenden Friedrich Hoffmann (A. D. B. XII, 584) zu hören, T., dem es seine Mittel nicht gestatteten, seine Studien unter dem berühmten Boerhaave in Leiden fortzusetzen, nach Halle, wo er im J. 1731 auf Grund seiner Schrift „De vita animali theoretice et practice considerata“ zum Doctor promovirt wurde. Gleichzeitig verließ T. Halle, wo er in seinem Lehrer Hoffmann einen väterlichen Freund gefunden hatte, und kehrte nach Breslau zurück, um hier die ärztliche Praxis auszuüben. Bei der großen Zahl von Aerzten aber die hier bereits wirkten, hatte er im Anfange mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Plan des wohlmeinenden Hoffmann, dem jungen T., der ihm in beweglichen Worten seine Noth geklagt hatte, in Halle ein lohnenderes Arbeitsfeld zu schaffen, scheiterte an der Mittellosigkeit seines Schützlings. Die Verhältnisse desselben besserten sich indessen bald, als er 1734 auf die Empfehlung von Hellwig’s den Auftrag erhielt, den kranken Feldmarschall Grafen von Wackerbart nach Dresden zu begleiten. Hier hätte er unter günstigen Bedingungen eine Stelle als Hofmedicus erhalten können, wenn nicht sein confessioneller Standpunkt Schwierigkeiten gemacht hätte. Jedenfalls aber steigerte die Reise seinen ärztlichen Credit; er fand von nun an eine sich stetig erweiternde Praxis und war damit vor drückenden Sorgen für immer geschützt. Schon in den ersten Jahren seines praktischen Wirkens begann T. auch schriftstellerisch thätig zu sein. 1734 veröffentlichte er eine „Exercitatio physico-medica de virtute camphorae refrigerante incendiis corporis humani restringendis aptissima“; im folgenden Jahre schrieb er eine „Commentatio de vena jugulari frequentius secanda“. 1736 folgte ein „Entwurf einer vernünftigen Vorsorge redlicher Mütter für das Leben und die Gesundheit ihrer ungeborenen Kinder“, und als T. in demselben Jahre seine Frau, welche an den Blattern erkrankt war, durch einen Aderlaß glücklich geheilt hatte, legte er seine Erfahrungen in einer wiederholt aufgelegten Schrift nieder, welche den Titel führte: „Das Aderlassen als ein oft unentbehrliches Hülfsmittel zu einer glücklichen Blatterkur“. Alle diese Arbeiten wurden von der wissenschaftlichen Kritik günstig aufgenommen und hatten T. in der medicinischen Welt einen solchen Namen gemacht, daß Haller im J. 1738 den jungen Breslauer Arzt für eine Professur in Göttingen, freilich erfolglos, in Vorschlag brachte. Erst 10 Jahre später erfuhr T. selbst hiervon durch einen Brief Haller’s, in welchem dieser schrieb: „Perge me amare ut ego te, qui jam anno 1738 sola tuae eruditionis per aliquot libros commonstratae conscientia motus te mihi collegam sed frustra optavi“. Das Ansehen, dessen sich T. als Arzt erfreute, fand auch darin einen Ausdruck, daß er 1741, als nach der preußischen Besitzergreifung das Collegium medicum, eine ärztliche Aufsichtsbehörde zu Breslau, ins Leben gerufen wurde, zum ersten Assessor, und dann zum Decan desselben ernannt ward. Die neue Stellung behagte ihm übrigens nicht. Schon nach verhältnißmäßig kurzer Zeit erfolgte auf eigenen Wunsch sein Austritt aus dem Collegium.

Hatte T. in seiner schriftstellerischen Wirksamkeit sich bisher auf das ihm durch seinen Beruf vertraute Gebiet der Medicin beschränkt, so begann er nunmehr auch philosophisch-theologische Interessen und poetische Neigungen publicistisch zu bethätigen. Die nächste Veranlassung hierzu bot ihm La Mettrie’s berühmtes Buch „L’homme machine“, dessen materialistische Doctrin wie in der gesammten gebildeten Welt so auch bei T. eine ungeheure Entrüstung hervorgerufen hatte. [491] Während einer[WS 1] längeren Krankheit im J. 1748 schrieb T. gegen das ketzerische Buch seine „Commentatio de machina et anima humana prorsus a se invicem distinctis“.

Der Poesie hatte T. von jeher warme Neigung entgegengebracht; erst jetzt aber fand er den Muth, mit einer größeren Leistung hervorzutreten, nachdem er schon früher kleinere Gelegenheitsdichtungen, wie sie damals Mode waren, geliefert hatte. Eine Reise ins Riesengebirge, die er wenige Jahre vorher unternommen, hatte den Plan einer poetischen Verherrlichung der Schönheiten desselben in ihm entstehen lassen. Er knüpfte hierbei an das große Vorbild seines berühmten Fachgenossen Haller an, dessen „Alpen“ er auf seiner Gebirgstour mit Rührung und Entzücken gelesen hatte. Bei der starken Praxis, der er nach seiner Rückkunft obzuliegen hatte, und bei der augenscheinlichen Schwierigkeit, die das poetische Schaffen ihm verursachte, entstand das Gedicht sehr langsam. Es erschien 1750 unter dem Titel „Versuch eines Gedichtes über das Schlesische Riesen-Gebürge“ und war, wie die Streitschrift gegen La Mettrie, Albrecht v. Haller gewidmet. In achtfüßigen, trochäischen Reimpaaren geschrieben, läßt das Gedicht eine beachtenswerthe Gewandtheit der Sprache erkennen und verräth aller Orten den tiefgegründeten frommen Sinn des Verfassers. Aber bei aller aufrichtigen, dankbaren Freude an der Natur, die den Dichter augenscheinlich beseelte, sind die Schilderungen, zu denen der Stoff so reiche Gelegenheit gab, meist farblos und kalt. Ueberhaupt trägt das Ganze bei einer starken Belastung mit didaktischem und moralisirendem Beiwerk in erster Linie den Stempel mühevoller Verstandesarbeit und läßt nur selten Spuren tieferer poetischer Kraft erkennen. T. hatte offenbar selbst das Richtige getroffen, wenn er meinte, daß das Gedicht „mit einer brennenden Liebe, aber mit einem desto schwächeren Dichterfeuer“ entworfen sei. Im wesentlichen den gleichen poetischen Charakter trägt das Gedicht, in welchem T. 1756 Karlsbad („Das Kaiser-Carls-Bad in Böhmen in einer Ode entworfen; nebst einer Abhandlung von dem Gehalte und den Kräften dieses großen Heilmittels“, Breslau 1756) verherrlichte, das er im J. vorher als ärztlicher Begleiter des Ministers von Massow besucht hatte. Seine kleineren Gedichte, welche Lentner in der Schlesischen Anthologie (Breslau 1773) wol zum größten Theil veröffentlicht hat, sind anspruchslose, unbedeutende Gelegenheitspoeme, die aber hier und da epigrammatisches Talent verrathen.

Auf das medicinische Gebiet kehrte T. mit einer Arbeit zurück, in die er seine bei einer schweren eigenen Erkrankung gesammelten Erfahrungen niederlegte. Gelegentlich eines Besuches im Gebirge war er von einem heftigen Choleraanfall heimgesucht worden, nach dessen glücklicher Bekämpfung er 1753 eine von fachmännischer Seite sehr gerühmte „Historia cholerae atrocissimae“ schrieb. Diese Studie, die sich besonders des Beifalls seines berühmten Freundes van Swieten (A.D.B. XXXVII, 265) erfreute, verwickelte ihn wider Willen in längere theologische Streitigkeiten, aus denen er jedoch allem Anschein nach als Sieger hervorging. In einem Abschnitt seines Buches nämlich hatte er mit einer uns heut seltsam anmuthenden Abschweifung von der Bedeutung und der Wirkung des Abendmahls gesprochen und dabei Ansichten geäußert, welche von einem seiner Recensenten mißverständlich als eine Kritik der lutherischen und Billigung der reformirten Lehre ausgelegt wurden. T., der namentlich in Glaubenssachen jederzeit einen festen, unbeugsamen Standpunkt eingenommen, erwiderte darauf, wurde von neuem angegriffen und sah sich so noch zu mehrfachen Antworten genöthigt, bis er schließlich selbst allem weiteren Streit ein Ende machte, weil er sah, daß man sich auf Seiten seiner Gegner nicht über die Grundbegriffe mit ihm auf gleichen Boden stellen wolle. Eines wie hohen Rufes T. sich damals als Arzt erfreute, geht daraus hervor, daß man, als Prinz Ferdinand, der [492] Bruder Friedrich’s des Großen, im J. 1757 in Breslau an einer schweren Lungenentzündung erkrankte, T. die Behandlung des hohen Patienten anvertraute. Er hatte das Glück, den Prinzen in kurzer Zeit von seiner Krankheit zu heilen und nach gelungener Kur von dem Könige einer langen Unterredung gewürdigt zu werden, über deren interessanten Verlauf er nach dem Tode Friedrich’s des Großen in einem lesenswerthen Büchlein (Tralles’ Aufrichtige Erzehlung seiner mit König Friedrich dem Grossen, der grossen Kayserin Maria Theresia und der durchl. Hertzogin von Sachsen-Gotha Louise Dorothea, gehaltenen Unterredungen, als auch der Begebenheiten, welche sie veranlasset haben, nebst einigen Anmerkungen, 1789) eingehenden und augenscheinlich wahrheitsgetreuen Bericht erstattet hat. T. legte Werth auf solche hohe Beziehungen und hatte, da sie ihm doch nur auf Grund seiner ungewöhnlichen ärztlichen Tüchtigkeit zu Theil wurden, ein Recht dazu, auf dieselben stolz zu sein. Wie er schon als junger Anfänger sich das Vertrauen des sächsischen Hofes in hohem Grade erworben hatte, so konnte er sich auch rühmen, zweimal mit Maria Theresia persönlich in Berührung gekommen zu sein. Seine unabhängige Stellung als selbständig prakticirender Arzt aber schien ihm doch ungleich werthvoller als das angesehene und ehrenvolle Amt des ärztlichen Berathers an einem Fürstenhofe.

Einem im J. 1765 an ihn ergangenen Ruf an den Hof des Königs von Polen, Stanislaus August, hat er ebenso wenig Folge geleistet, wie der zwei Jahre später ausgesprochenen Aufforderung, als Leibmedicus bei dem Herzog von Gotha zu bleiben, der ihn zu seiner hoffnungslos kranken Gemahlin hatte rufen lassen und ihm nach deren Tode den Titel eines Hofrathes verlieh. Auch der Herzog zu Oels bemühte sich 1771 vergeblich, den Vielumworbenen als Rath und Leibarzt in seine Umgebung zu ziehen. Neben seiner angestrengten ärztlichen Wirksamkeit fand der unablässig thätige Mann nach wie vor Zeit zu intensiver wissenschaftlicher Arbeit. In den Jahren 1757 bis 1763 veröffentlichte er eine in mehreren Theilen erschienene Studie „De usu et abusu opii“, welche den Beifall der hervorragendsten Aerzte fand, und in derselben Zeit bot ihm eine schmerzliche Erfahrung in seinem Privatleben Veranlassung, sich eingehend mit der Frage der Inoculation zu beschäftigen. Als er sich im Sommer 1760 als Wittwer mit seinen drei Kindern in Warmbrunn aufhielt, knüpfte er Beziehungen mit einem Mädchen an, das er zur Frau nehmen wollte, das aber noch vor der Ausführung dieses Planes unter seiner ärztlichen Pflege einer schweren Erkrankung an den Blattern erlag. In seinem Schmerze über diesen Verlust, den er der Unterlassung einer rechtzeitigen Inoculation der Patientin zuschrieb, schrieb er eine Studie „De methodo medendi variolis hactenus cognita, saepe insufficiente, magno pro inoculatione argumento“, an die sich mehrere Gegenschriften damals berühmter Aerzte und einige Antworten von T. knüpften. Seiner dankbaren Gesinnung gegen den ihm wohl geneigten König von Polen gab T. 1767 durch eine Schrift Ausdruck, in welcher er unter dem Titel „Vera Patrem patriae sanum et lonaevum praestandi methodus“ eine Art Fürstendiätetik liefern wollte, ein Unternehmen, das die Kritik nicht ganz mit Unrecht einigermaßen abfällig behandelte, weil doch die diätetischen Lebensregeln der Fürsten im Grunde keine anderen sein konnten als die aller anderen Sterblichen. In den nächsten Jahren führten seine Beziehungen zum Grafen v. Hoditz (A. D. B. XII, 540), dem verschwenderischen und extravaganten Freunde Friedrich’s II., T. wiederholt nach Roswalde, der in Mähren gelegenen Besitzung des Grafen. Zum Danke für die hier genossene Gastfreundschaft schrieb T. 1773 die „Amoenitatum Roswaldensium adumbratio“, welche er 3 Jahre später sogar ins Deutsche übersetzte, eher eine panegyrische Stilübung als eine lebendige und anschauliche Schilderung des in Roswald Erfahrenen und Erlebten.

[493] Noch einmal nahm T. im folgenden Jahre das Wort in einer philosophischen Frage. Die Gedanken, welche durch die Bekämpfung La Mettrie’s in ihm über das körperliche und seelische Sein des Menschen rege geworden waren, beschäftigten ihn von neuem und verdichteten sich allmählich zu ausgesprochen dualistischen Ueberzeugungen, die ihren Ausdruck fanden in der Schrift „De animae existentia, immaterialitate et immortalitate“. 1774 (Deutsch 1776). Bereits an der Schwelle des Greisenalters stehend, betrat T. noch ein ihm bis dahin fremdes Gebiet, dasjenige der litterarischen Kritik, hat aber seinen Namen in der deutschen Litteratur durch dieses Vorgehen in wenig erfreulicher Weise verewigt. Der Gegenstand war kein geringerer als Lessing’s „Nathan der Weise“. Ihm schien als dem begeisterten Anhänger Gottsched’scher Geschmacksrichtung der frische, freiheitliche Geisteshauch, der durch die kritischen und poetischen Schriften des sprachgewaltigen Lessing ging, nicht bloß unverständlich, sondern auch verderblich. So wandte er sich denn in seinen umfangreichen „Zufälligen altdeutschen und christlichen Betrachtungen über Herrn Gotthold Ephraim Lessing’s neues dramatisches Gedicht Nathan der Weise“ (2 Theile, Breslau 1779) nicht bloß gegen die Form, sondern auch gegen den Inhalt des Stückes. Er findet die Dichtung „eines so großen und feinen Geistes wie Lessing völlig unwürdig“ und kommt auf Grund einer Reihe sprachlicher Ausstellungen, die uns heut im Munde eines so gebildeten Mannes unendlich pedantisch und lächerlich anmuthen, zu dem Schlusse, daß sich Lessing in dem Stücke alle mögliche Mühe gegeben habe, die deutsche Sprache zu verderben. Die Hauptsache aber ist ihm der Inhalt und die Tendenz des Dramas. Schon der Schluß in „Emilia Galotti“, wo der Dichter, wie er sagt, den christlichen Odoardo seine leibliche Tochter mit eigener Hand hinschlachten läßt, anstatt die Zuschauer durch den verdienten Lohn der Tugend und die Strafe des Lasters zu erbauen, war ihm ungemein anstößig gewesen. Aber die im „Nathan“ zu Tage tretende Herabsetzung des Christenthums überschreitet ihm alles Maaß. Er erstaunt „über die entsetzliche und zügellose Dreustigkeit …, mit der Religion öffentlich ein Gespötte zu treiben und sie lächerlich zu machen“ und findet, daß Lessing sich wie Voltaire als ein Verächter der geoffenbarten Religion und als ein Herold des Unglaubens öffentlich dargestellt habe. Lessing dachte zu vornehm, um den alten, verdienten Gelehrten für diese Verunglimpfung öffentlich mit seinen furchtbaren Waffen zu vernichten. Am 12. December 1779 schrieb er an seinen Bruder Karl, der damals Münzdirector in Breslau war: „Vor einigen Tagen habe ich die Schrift von Dr. Tralles erhalten. Was sagst Du dazu? Was sagt man in Breslau dazu? Nur sein hohes Alter rettet den Mann vor einem bunten Tanze, den ich sonst mit ihm vorführen würde“. Erfreulicher war die Schrift, mit welcher sich T. einige Jahre später gegen Friedrich’s des Großen Verurtheilung der deutschen Litteratur wandte („Schreiben von der deutschen Sprache und Litteratur bey Gelegenheit der zu Berlin im J. 1781 in französischer Sprache herausgekommenen vortrefflichen Schrift: über die deutsche Litteratur; über die Mängel und Ursachen derselben und über die Mittel, sie zu verbessern.“ 1781). Die Publication ist eine entschieden interessante Antwort auf Friedrich’s harte und ungerechte Kritik und ein beachtenswerther Beitrag zur Geschichte des litterarischen Urtheils in Deutschland. Die unerschrockene Art, in der T. die einzelnen Behauptungen des Königs erörtert und zu widerlegen bemüht ist, macht seinem Freimuth und seiner Denkungsart Ehre, wenn wir auch den litterarischen Urtheilen, die er fällt, nicht immer beistimmen können und es als eitle Geschmacklosigkeit bezeichnen müssen, wenn er zum Erweise der Behauptung, daß die deutsche Sprache Kraft und Anmuth besitze, sich selbst citirt.

Hochbetagt und reich an Ehren wie Erfolgen starb T. in seiner Vaterstadt [494] am 7. Februar 1797. – T. war ein Mann von gewaltigem, man könnte sagen, polyhistorischem Wissen, dem es bei außerordentlicher Vielseitigkeit der Interessen eine beneidenswerthe Arbeitskraft und Schaffensfreudigkeit möglich machte, neben seiner angestrengten, bis ins höchste Alter ausgeübten ärztlichen Praxis eine litterarische Thätigkeit von großem Umfange zu entfalten. Wiewohl es ihm nicht gegeben war, mit der gewaltigen Entwicklung des geistigen Lebens, die sich in der Zeit seines Mannes- und Greisenalters in Deutschland vollzog, verständnißvoll Schritt zu halten, so ehren wir in ihm doch den frommen, überzeugungstreuen Sinn, der ihn öfter aus Gründen des Glaubens auf glänzende, äußere Vortheile verzichten ließ, und die aufrichtige, mannesmuthige Art, mit der er auch im Kampfe mit offenbar überlegenen Gegnern die Wahrheit in seiner Weise zu sagen und zu fördern bemüht war.

Litterarische Beilage zu den Schlesischen Provinzialblättern. Breslau 1797, S. 55–66, 96–98. – A. Kahlert, Balthasar Ludwig Tralles – in den Schlesischen Provinzialblättern (Breslau 1844) Bd. 119, S. 639–646 und Bd. 120, S. 7–14. – A. Kahlert, Friedrich der Große und Tralles – im Deutschen Museum, hrsg. von R. Prutz IX (1859), S. 265–274. – J. Hodann, Friedrich der Große und der Breslauer Arzt Dr. Tralles – in den Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Philosophisch-historische Abtheilung 1868. Heft I, S. 50–74.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eine