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ADB:Vierordt, Karl von

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Artikel „Vierordt, Karl von“ von Julius Pagel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 678–679, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vierordt,_Karl_von&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 17:25 Uhr UTC)
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Vierordt: Karl v. V., berühmter Physiolog, geboren am 1. Juli 1818 zu Lahr in Baden, studirte in Heidelberg (seit 1836), in Göttingen von 1838–39, darauf wieder in Heidelberg, von 1839–40 in Berlin, machte 1840 das Staatsexamen, ging dann auf Reisen mit abermaligem längerem Aufenthalte in Berlin, sowie während eines Vierteljahres in Wien, erlangte 1841 in Heidelberg die med. Doctorwürde und ließ sich darauf in Karlsruhe als Arzt nieder. Neben der praktischen Beschäftigung widmete er sich wissenschaftlichen Arbeiten, als deren Resultat er 1842 in den Heidelberger medicinischen Annalen einen Aufsatz, betitelt: „Beiträge zur Pathologie und Therapie des Strabismus“ veröffentlichte. 1843 wurde er Oberchirurg im Großherzoglichen Leib-Infanterieregiment. Die Muße, welche ihm diese Stellung ließ, benutzte V. zu weiteren litterarischen Arbeiten, namentlich auf dem Gebiete der Physiologie, die ihrem Autor einen solchen Ruf verschafften, daß er 1849 die außerordentliche Professur für theoretische Medicin an der Tübinger Universität erhielt. Hier übernahm er 1850 die bisher von Griesinger geführte Redaction des „Archivs für physiologische Heilkunde“ die er bis 1856 leitete, las über allgemeine Pathologie und Therapie, Arzneimittellehre, Geschichte der Medicin, und später, besonders seit 1857, ausschließlich über Physiologie. Nach dem 1853 erfolgten Rücktritte Arnold’s, des Lehrers der Anatomie und Physiologie, wurde in der letztgenannten Disciplin der Unterricht officiell V. übertragen und dieser 1855 zum ordentlichen Professor und Director des physiologischen Instituts ernannt. In dieser Eigenschaft entfaltete er eine ganz außerordentlich rege Thätigkeit, veranlaßte die [679] Gründung eines neuen physiologischen Instituts, das er 1868 bezog und trug durch zahlreiche, gediegene Arbeiten zur Umgestaltung der von ihm gepflegten Specialdisciplin gewaltig bei. Insbesondere bereicherte er die Lehre vom Blut durch wichtige Untersuchungen, die er bereits 1852 begonnen hatte. Dieselben sind niedergelegt in verschiedenen, im „Archiv für physiologische Heilkunde“ veröffentlichten Aufsätzen, betitelt: „Neue Methode der quantitativen mikroscopischen Analyse des Blutes“; „Zählungen der Blutkörperchen des Menschen“; „Neue Methoden der Bestimmung des Rauminhaltes der Blutkörperchen“, sowie in der Monographie: „Die Lehre vom Arterienpuls in gesunden und kranken Zuständen“ (Braunschweig 1855), deren Ergebnisse hauptsächlich auf den mit seinem neuen auf der Naturforscherversammlung in Tübingen (1853) zuerst demonstrirten Pulsmesser (Sphygmographen) angestellten Versuchen beruhten. Durch diese Arbeiten, sowie durch die höchst wichtige Schrift: „Die Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeiten des Blutes nach Versuchen“ (Frankfurt 1858) ist V. der verdienstvolle Begründer der modernen Sphygmographie geworden und somit durch Auffindung wichtiger Gesetze der Förderer eines vorher stiefmütterlich behandelten Capitels der Physiologie. Außer den genannten Arbeiten sind von den Erstlingsveröffentlichungen Vierordt’s noch nachzutragen ein die Athmungsphysiologie betreffender Aufsatz: „Ueber die Abhängigkeit des Kohlensäuregehaltes der ausgeathmeten Luft von der Häufigkeit der Athembewegungen“ (Archiv für physiol. Heilkunde 1844), sowie die Monographie: „Physiologie des Athmens mit besonderer Rücksicht auf die Ausscheidung der Kohlensäure“ (Karlsruhe 1845). 1869 begann V. eine größere Untersuchungsreihe über die Entwickelung des Raumsinnes der Haut, ferner eingehende Studien über Spectrophotometrie, als deren Resultate folgende Abhandlungen publicirt wurden: „Die Anwendung des Spectralapparates zur Photometrie der Absorptionsspectren und quantitativen chemischen Analyse“ (Tübingen 1878); „Die Anwendung des Spetralapparates zur Messung und Vergleichung der Stärke des farbigen Lichtes“ (Ebd. 1874) und „Die quantitative Spectralanalyse in ihrer Anwendung auf Physiologie, Chemie und Technologie“ (Ebd. 1876). Sehr bekannt und beliebt in medicinischen Kreisen ist der von V. herausgegebene „Grundriß der Physiologie“ (Frankfurt, später Tübingen 1860/61), der bis 1877 5 Auflagen erlebte, auch in verschiedene fremde Sprachen übersetzt wurde. – Von 1864–65 war V. Rector der Tübinger Universität, er hielt bei der Abgabe dieser Würde eine sehr bemerkenswerthe Rede: „Ueber die Einheiten der Wissenschaften“. 1874 feierte er in Gemeinschaft mit dem Anatomen Luschka sein 25jähriges Docentenjubiläum, 1883 begann er an asthmatischen Beschwerden infolge von Herzhypertrophie zu kränkeln, trat infolge dessen 1884 von seiner Lehrthätigkeit zurück, konnte aber die Ruhe nur kurze Zeit genießen, da er bereits am 22. November desselben Jahres starb. – Nach seinem Tode erschien noch als Resultat seiner letzten Arbeiten die Abhandlung: „Die Schall- und Tonstärke und das Schallleitungsvermögen der Körper“ (Tübingen 1885), der auch eine zugleich sein 116 Nummern umfassendes Schriftenverzeichniß enthaltende Lebensbeschreibung Vierordt’s angedruckt ist. Nicht unerwähnt bleibe Vierordt’s Bearbeitung der „Physiologie des Kindesalters“ für Gerhardt’s Handbuch der Kinderkrankheiten, 1877.

Vgl. Biographisches Lexikon VI, 109.