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ADB:Wilhelm (Herzog von Braunschweig-Lüneburg; um 1300 bis 1369)

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Artikel „Wilhelm (Herzog von Braunschweig-Lüneburg; um 1300 bis 1369)“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 730–733, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg;_um_1300_bis_1369)&oldid=- (Version vom 11. Dezember 2024, 20:29 Uhr UTC)
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Wilhelm, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, wurde wol als jüngster Sohn Herzog Otto’s des Strengen und Mathilde’s, der Tochter Herzog Ludwig’s des Strengen von Baiern, um das Jahr 1300 geboren. Schon seit 1314 ließ der Vater den älteren Sohn Otto an den Regierungsgeschäften theilnehmen und am 28. November 1315 setzte er inbetreff der Erbfolge fest, daß nur Otto und W. im weltlichen Stande bleiben und ihm in der Regierung seiner Lande, die nach seinem Tode zu theilen wären, nachfolgen sollten. Die beiden andern Söhne, Johann und Ludwig, in der Altersfolge wol der erste und dritte, wurden der geistlichen Laufbahn zugewiesen. Als der Vater am 10. April 1330 gestorben war, ließen die Brüder ihr Ländergebiet trotz den Bestimmungen des Vaters ungetheilt und haben es in seltener Einmüthigkeit zusammen verwaltet. Die Hauptthätigkeit fiel hierbei Otto zu, der die Seele der Regierung war, und dem W. im wesentlichen sich nur anschloß. Großartige Ereignisse sind in die Zeit ihrer Herrschaft nicht hineingefallen, diese nahm im ganzen einen ruhigen und stetigen Verlauf, der aber für ihre Lande von segensreichen Folgen gewesen ist. Sie machten zumeist auf friedlichem Wege eine große Reihe kleinerer Erwerbungen, die den Bestand des Fürstenthums vergrößerten und in erwünschtester Weise abrundeten. So dehnten sie 1337 ff. in der Gegend von Gifhorn ihren Besitz sehr weit aus, indem sie das Dorf Fallersleben, das Gericht Grevenla, die Grafschaft über den Papenteich, Wettmarshagen, Schwülper u. a. an sich brachten. So kamen auch Hitzacker, Wittingen, Ricklingen, Knesebeck etc. in ihren Besitz. Es geschah dies meist durch Kauf oder Einlösung verpfändeten Gutes; das Geld, dessen sie hierzu bedurften, erhielten sie großentheils durch die Versetzung ihrer Schlösser an untergebene Mannen. Dieses Verfahren, durch das sie ihren Machtbereich nicht unbedeutend erweiterten, übten sie in solchem Umfange, so systematisch aus, daß die Schloßinhaber, die ja immer an gewisse Bedingungen gebunden waren, recht eigentlich die Beamten [731] ersetzten. Die Zahl der Dienstmannen, über die sie verfügen konnten, vermehrte sich dadurch beträchtlich. Außer auf diese suchten sie sich aber auch auf die Städte zu stützen, denen sie jede nur mögliche Förderung angedeihen ließen. Insbesondere war es die Stadt Lüneburg, die unter ihrem Walten einen großen Aufschwung nahm. Die wichtigste Einnahmequelle der Stadt waren die Salinen, deren Betrieb und Handel die Herzöge eifrig unterstützten, indem sie die Ausfuhr des Salzes, die Zufuhr von Holz durch Abkommen mit den benachbarten Herzögen von Sachsen-Lauenburg und andere Maßregeln, wie die Schiffbarmachung der Ilmenau zwischen Lüneburg und Uelzen erleichterten. Ebenso erfreute sich auch die Stadt Hannover, die 1348 den Wortzins und die Schule erhielt und von jedem erzwungenen Geleite befreit wurde, ihrer landesväterlichen Fürsorge. In ein eigenthümliches Verhältniß traten sie zu dem Bisthume Minden. Dieses war so verschuldet, daß ihnen Mitte des Jahres 1339 Bischof Ludwig, ihr Bruder, die Verwaltung des ganzen Landes übergab und ihnen seine Schlösser verpfändete, so daß sie nun im Bisthume wie in ihrem eigenen Lande schalten konnten. Erst nach Ludwig’s Tode († am 18. Juli 1346) nahm dieses Verhältniß durch allmähliche Einlösung der Schlösser ein Ende. Da die Herzöge außerdem für Aufrechterhaltung des Landfriedens sorgten, selbst eine gute Verwaltung und sparsame Wirthschaft führten, so erfreute sich das Land zu dieser Zeit eines sehr guten Zustandes, der es begreiflich erscheinen läßt, wenn auch andere Herren bald begehrliche Blicke darauf warfen.

Nach dem Tode ihre Oheims, Kaiser Ludwig’s, schlossen sich die Herzöge in der Reichspolitik der bairischen Partei an. Als sich aber König Karl mit dem Sohne Kaiser Ludwig’s, dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, ausgesöhnt hatte, erhielten sie unterm 10. Juni 1352 die königliche Belehnung mit ihren Landen. Kurz darauf, am 19. August 1352, ist Otto gestorben. Da sein einziger gleichnamiger Sohn schon als Kind in der Ilmenau ertrunken war, so führte nun W. die Regierung des Landes allein und im alten Geiste weiter. Von den Fehden, die er in dieser Zeit führte, ist namentlich die zu nennen, die er im Bunde mit Mecklenburg 1359 gegen Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg führte. Als Erich durch einen unglücklichen Sturz seinen Tod gefunden hatte, eroberte W. Riepenburg und andere Schlösser, machte dann aber am 15. December 1360 mit Erich d. J. Frieden und gab auch, als er sich am 24. Juni 1363 mit Erich’s II. Tochter, Agnes, vermählte, jene Eroberungen mit Ausnahme von Riepenburg wieder heraus, das seine Gattin zur Leibzucht erhielt. Es war dies das vierte Ehebündniß, das Wilhelm einging. Zuerst hatte er sich mit Hedwig, einer Tochter Graf Otto’s IV. von Ravensberg, vermählt, die am 5. December 1334 schon verstarb. Seine zweite Gemahlin Marie, deren Abstammung noch nicht aufgeklärt ist, starb spätestens 1340. Denn am 8. Februar 1341 verlobte sich W. aufs neue mit Sophie, der Tochter Graf Bernhard’s III. von Anhalt, die er aber erst am 12. März 1346 heimführte. Sie war vorher mit dem Herzoge Ernst von Braunschweig verlobt gewesen und ist am 18. December 1362 verschieden. Keine von diesen vier Frauen hat ihm einen männlichen Erben geschenkt. Nur aus den beiden ersten Ehen war ihm je eine Tochter erwachsen, aus der ersten Elisabeth, die am 10. October 1339 dem Herzoge Otto von Sachsen-Wittenberg und nach dessen Tode († 1350) in zweiter Ehe 1354 dem Grafen Nicolaus von Holstein die Hand reichte. Aus der ersten Ehe Elisabeth’s war ein Sohn, Herzog Albrecht von Sachsen-Wittenberg, entsprossen. Schon bei Lebzeiten seiner dritten Frau dachte daher W., an eigener männlicher Nachkommenschaft verzweifelnd, ernstlich daran, die Erbfolge in seinem Lande zu regeln. Anfangs wollte er sie seinem Enkel, jenem Albrecht von Sachsen zuwenden; er stellte sogar schon an König Karl die Bitte, diesem [732] eine Eventualbelehnung zu ertheilen. Bald aber kam er von jener Absicht wieder zurück; er fürchtete offenbar den Einfluß von Albrecht’s Oheimen, Rudolf und Wenzel, mit denen er in einem nichts weniger als guten Einvernehmen stand, und die sogleich eine Mitbelehnung erstrebten. Im April 1354 setzte er daher fest, daß derjenige ihm als Herrscher folgen sollte, den die Städte Lüneburg und Hannover als Herrn anerkennen würden. Auch an der Rechtmäßigkeit dieser Bestimmung mußten ihm bald Bedenken kommen oder von seinen braunschweigischen Vettern ihm vorgestellt werden. Denn sie stand im offenen Widerspruche mit dem Investiturvertrage von 1235, der die historisch-rechtliche Grundlage für das Successionsrecht im welfischen Hause bildet und, so lange männliche Erben vorhanden sind, diesen den Vorzug vor der weiblichen Erbfolge sichert. So war auch die Theilung der welfischen Lande von 1267 keine Real- oder Tottheilung gewesen; am 16. Mai 1292 hatten Wilhelm’s Vater und Herzog Albrecht der Fette eine Erbeinigung geschlossen und an der, die am 29. Mai 1322 zwischen den braunschweigischen und lüneburgischen Vettern abgeschlossen war, hatte W. selbst schon mit theil genommen. Das Gefühl der gemeinsamen Stammesverwandtschaft, des gleichen Namens kam hinzu. In den Verhandlungen, die nun mit dem Herzoge Magnus von Braunschweig geführt wurden, gelang es bald für die Thronfolge eine Form zu finden, die dem Rechte und dem Hausinteresse genüge leistete und doch dem Herzoge die Aussicht sicherte, daß seine eigene Nachkommenschaft dereinst die Herrschaft in seinem Lande antreten werde. Am 23. Juni 1355 wurde nämlich Ludwig, ein jüngerer Sohn Herzog Magnus’, mit Mathilde, der Tochter Wilhelm’s aus zweiter Ehe verlobt, und an demselben Tage errichteten die Väter der beiden Verlobten einen Vertrag, den ein jeder durch eine besondere Urkunde bekräftigte, daß Ludwig nicht nur, wenn W. ohne Hinterlassung von Söhnen verstürbe, in dessen Landen nachfolgen, sondern zugleich noch bei Lebzeiten des Vaters in die Herrschaft des braunschweiger Landes eingesetzt werden sollte, so daß er demnächst beide Gebiete ungetheilt unter sich vereinigen würde. Für den Fall, daß Ludwig vor ihm versterben sollte, behielt sich W. das Recht vor, unter den anderen Söhnen von Magnus sich einen Nachfolger auszusuchen. Damit dem Lande aber durch die Jugend des Regenten kein Schaden erwachsen könnte, bestimmte er ferner, daß Ludwig bis zu seinem dreißigsten Jahre bei allen für das Land wichtigeren Handlungen an den Rath und die Zustimmung eines Regentschaftsraths gebunden sein sollte, den er aus 13 Männern, erprobten Räthen des Ritterstandes, tüchtigen Beamten und Vertretern der Städte Lüneburg, Hannover und Uelzen zusammensetzte. Durch diese Maßregel, der er am 1. August 1356 zu Celle gesetzliche Form gab, hoffte er zugleich, das Interesse der Ritter und Städte für diese Regelung der Thronfolge und ihre Anhänglichkeit an seinen Nachfolger zu verstärken. Wenn er später, am 14. Februar 1357, die städtischen Vertreter aus dem Rathe wieder entließ, so geschah dies wol auf Anregung des Herzogs Magnus, der natürlich nicht gern sehen konnte, daß den lüneburgischen Städten solch überwiegender Einfluß auch auf die Gestaltung der Verhältnisse im Fürstenthume Braunschweig für die Zukunft eingeräumt wurde. Mit der Zeit gab W. seinem Neffen Ludwig, dem noch sogleich im J. 1355 gehuldigt worden war, immer größeren Antheil an der Regierung, wie denn auch sein Vater, Herzog Magnus, die Pfandbesitzer von Schlössern jetzt auch auf ihn verpflichtete. Die Hochzeit Ludwig’s und Mathilde’s wird, als unterm 20. Januar 1359 der päpstliche Ehedispens wegen ihrer Verwandtschaft ertheilt worden war, bald nachher gefeiert sein.

Inzwischen hatte unbekümmert um diese Vorgänge Kaiser Karl IV. dem Herzoge Albrecht von Sachsen-Wittenberg und seinen Oheimen Rudolf und Wenzel unterm 6. October 1355 in Prag die Eventualbelehnung mit dem [733] Fürstenthume Lüneburg ertheilt, indem er dieses ohne alle Berufung auf cognatische Erbrechte als ein dem Reiche heimgefallenes Lehen betrachtete und weiter verlieh. Auch Otto von Waldeck, der 1339 Mathilde, die einzige Tochter von Wilhelm’s Bruder Otto, geheirathet hatte, machte jetzt Ansprüche geltend; das kaiserliche Hofgericht erkannte ihm eine Entschädigung von 100 000 Mark zu, eine ungeheure Summe, die etwa den Werth des halben Fürstenthums Lüneburg darstellen mochte. W. weigerte sich das Geld zu bezahlen. Da wurde wegen dieser Sache und wegen der sächsischen Klagen die Reichsacht über ihn ausgesprochen, die unterm 15. Juli 1363 der kaiserliche Hofrichter Johann von Hardeck in Spremberg verkündigte. Am 11. Mai 1364 entließ ihn dann der Kaiser wegen der Klage, die Herzog Rudolf erhoben hatte, aus der Acht und forderte ihn auf, jenem am 16. August gerecht zu werden. Auch dieser Schritt war ohne Erfolg. W. berief sich auf den kaiserlichen Lehnbrief von 1235, von dem er eine Abschrift dem Kaiser übersandte. Dieser schickte zu Ende des Jahres 1366 den Grafen Heinrich von Schwarzburg an ihn, damit er mit ihm über die Angelegenheit verhandelte. Auch das war vergeblich; eine Einigung wurde nicht erzielt. Die Reichsacht wegen der Waldecker Klage war bestehen geblieben; der kaiserliche Hofrichter forderte daher am 10. September 1366 den Bischof von Minden auf, W. in den Bann zu thun. Doch ist es zweifelhaft, ob dieser Aufforderung Folge gegeben worden ist. W. ließ sich von diesem allem jedenfalls nicht anfechten; er beharrte ruhig und fest auf seinem Standpunkte; auch die Aberacht des Kaisers machte ihn daran nicht irre. Als Ludwig im Herbste 1367 starb, ernannte er dessen Bruder Magnus zu seinem Nachfolger und setzte ihn Anfang oder Mitte October 1367 in die Herrschaft Lüneburg ein, wo ihm sogleich auch gehuldigt wurde. Da seine Kräfte aber allmählich immer mehr nachließen, so ernannte er Magnus unterm 19. April 1368 zum Amtmann über sein Land. Am 14. Septbr. 1368 machte er auch noch für den Todesfall dieses Nachfolgers Bestimmungen, die wieder seinen Mannen und den Städten Braunschweig, Lüneburg und Hannover weitgehende Befugnisse gaben. Am 23. November 1369 ist er dann zu Lüneburg verstorben. Hat auch seine zweite Tochter Mathilde, die 1368 zu neuer Ehe dem Grafen Otto I. von Schauenburg sich vermählt hatte, am Tage vor seinem Tode auf alle Ansprüche auf das Fürstenthum Lüneburg, denen schon ihr Gatte am 25. Juni 1368 entsagt hatte, nochmals verzichtet, so hielten die Sachsen-Wittenberger die alten Forderungen nach wie vor aufrecht. Es kam zum Lüneburger Erbfolgekriege, der traurige Zeiten über das Land heraufführen sollte. Mit Sehnsucht dachte man später an die glücklichen Zeiten der Regierung Herzog Wilhelm’s zurück, besonders in der Stadt Lüneburg, deren blühenden Zustand in jenen Tagen eine spätere Chronik mit den Worten schildert: „de heit to der tit in dem Rosengarden“. Der Fürst selbst heißt hier „de gude hertoge Willehelm“, und das Stadtbuch von Lüneburg nennt ihn bei seinem Tode „den eddelen voersten, de een altegnedegh here wesen hadde der stad to Luneborgh“. Wegen einer körperlichen Eigenthümlichkeit (he hadde ein grot beyn, vermeldet die Chronik) hat man ihm später den Beinamen Wilhelm mit dem großen Beine gegeben. Seine Wittwe hat ihn noch eine Reihe von Jahren überlebt; sie ist nicht vor dem Jahre 1387 gestorben.