Zum Inhalt springen

ADB:Zichy, Edmund Graf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zichy, Edmund Graf“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 148–150, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zichy,_Edmund_Graf&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 01:46 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ziani, Marc Antonio
Nächster>>>
Zick, Januarius
Band 45 (1900), S. 148–150 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Dezember 2016, suchen)
Edmund Zichy-Vásonykeő in Wikidata
GND-Nummer 116986050
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|148|150|Zichy, Edmund Graf|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Zichy, Edmund Graf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116986050}}    

Zichy: Edmund Graf Z. (Linie Carlburg) zu Zich und Vásonykeö, Kunstmäcen, wurde am 19. Juli 1811 geboren. Obzwar nach Geburt und allgemeinem Familienzusammenhang Magyare, war er nach Bildung und Sympathie, sowie hinsichtlich der näheren Personalverhältnisse viel mehr deutschösterreichisch, hat überdies auch nur wenige Jahre seines langen Lebens in Ungarn geweilt. So ist er auch in Wien geboren und gestorben, Sohn von (Graf Franz Z. und) Maria Dominica Reichsgräfin Lodron-Laterana, heirathete (1832) Pauline Prinzessin Odescalchi. Anderthalb Jahre alt, wurde er Stiefsohn des k. k. Kämmerers und Hauptmanns Maximilian v. Grimaud Grafen v. Orsay, und dieser ließ ihn nach häuslichem deutschen Unterrichte die Theresianische Ritterakademie besuchen, später kam er in die Klosterschule zu Totis in Ungarn und schloß die Studien in dem dazumal noch völlig deutschen Preßburg ab. 18jährig – natürlich nicht 1818, wie Wurzbach (s. u.) angibt – trat er in die österreichische Armee, anfangs als Lieutenant bei den Coburg-Husaren und quittirte den Dienst 1832 als er die Ehe einging. Mit Lectüre und wissenschaftlichen Studien befaßt, lebte er acht Jahre auf dem Lande. 1840–43 unternahm er Reisen nach Italien, Frankreich und Spanien sowie eine große Orientfahrt. 1846 stellte er sich beim Ausbruche der Unruhen in Galizien der Heeresleitung wieder zur Verfügung, wurde auch verwendet, 1847 zum Oberststallmeister-Stellvertreter in Ungarn ernannt, einer ökonomisch und politisch nicht unwichtigen Function, und spielte beim Losbruche der Märzrevolution eine begütigende Rolle. Sein Mittlerversuch wurde aber falsch gedeutet, und so verzichtete er, ohnehin dem antideutschen magyarischen Radicalismus abgeneigt, auf den Versuch, Ruhe zu stiften, blieb in Brüssel bis zur Einnahme Wiens durch Windischgrätz und ließ sich fürder auf die Dauer eben hier in seinem Geburtsorte nieder, wo er sich stets am wohlsten, am meisten heimisch gefühlt hat. Er begann nun eine ausgebreitete, außerordentlich segensreiche Wirksamkeit auf gemeinnützig-industriellem Gebiete, und es läßt sich heute vom Standpunkte des Nachkritikers direct sagen, daß gerade die deutschen Kronländer der habsburgischen Monarchie vom Weitblicke seiner unermüdlichen Bestrebungen vor allem Nahrung und Nutzen für Gewerbe und ähnliche Culturzweige gesogen haben, voran freilich die Reichshauptstadt selbst. Ein Herzschlag ohne vorhergehende Krankheit endete am 27. Januar 1894 das Leben des 83jährigen rüstigen Greises sanft.

Die umfängliche und überaus ersprießliche Thätigkeit, die den Grafen Z. als Culturförderer, Kunstmäcen und Organisator ersten Ranges bekundete, sei hier bloß durch die hauptsächlichsten Daten illustrirt. Bei der ersten allgemeinen Ausstellung, die Frankreich 1857 veranstaltete, fungirte er als Commissär für [149] Oesterreich. In diese Zeit fällt seine Berufung ins Curatorium des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie. Er unternahm dann wieder eine Reise in den Orient, die vorwiegend der Förderung der türkischen Eisenbahnen und ihrer Verbindung mit Oesterreich galt – damals gab er auch die Schrift „Welche Bahnen braucht Siebenbürgen?“ (Wien 1866) heraus, während er noch 1876 an einer Schrift über volkswirthschaftliche Verhältnisse Bulgariens sich betheiligt hat (s. u.) und erwarb sich größte Verdienste für Gründung und Gedeihen des Wiener Orientalischen Museums, das sich inzwischen als k. k. Handelsmuseum zu einer blühenden Staatsanstalt mit weitreichenden Zielen auswachsen sollte. Wurzbach (s. u.) macht noch folgende Detailangaben: „Auch auf der nächstfolgenden Pariser Ausstellung [1867] war der Graf Mitglied der österreichischen Commission, wie denn überhaupt während dieser Jahre kein bedeutendes mit der bildenden Kunst oder der Kunstindustrie nur halbwegs in Verbindung stehendes Ereigniß sich vollzog, bei welchem er nicht in vorderster Reihe mitberathend und helfend betheiligt gewesen wäre. Vielen Künstlern, welche später zu Ruf und Ansehen gelangten, hat er die Wege geebnet, befähigte Anfänger auf seine Kosten ausbilden lassen und auch sonst durch sein Fürwort seinen Schützlingen weiter geholfen. Er war es, der seinerzeit mit Nachdruck und Erfolg gegen die Zerreißung und Zerstreuung der berühmten Eszterhazy-Galerie [in Wien?] agitirte, und einige Jahre später brach er in einem offenen in einer Kunstzeitung abgedruckten Briefe zu Gunsten einer würdigen Vertretung der modernen Meister in der kaiserl. Gemäldesammlung in Wien, in der bis dahin große Meister der Gegenwart durch ihre Abwesenheit glänzten, eine Lanze“. Und ein ausführlicher Nekrolog in der leitenden Zeitung Wiens, der „Neuen Freien Presse“, rief ihm in den wärmsten Tönen gleichsam den Dank dieser Stadt und damit des österreichischen Kaiserstaates, im besonderen aber der deutschen Cultur desselben, nach und erweitert obige Notizen Wurzbach’s substantiell wie gedanklich. Den Accent legt sie dabei namentlich auf seine eingreifende Wirksamkeit als Beschützer einschlägiger Bestrebungen: „Der Tod des greisen Mäcens der Wiener Kunst und Kunstindustrie ist ein großer, schmerzlicher Verlust für unser Kunstleben. Cavalier jeder Zoll, war er es der Kunst gegenüber in ebenso liberaler als verständnißvoller Weise. Selbst Besitzer eines Heims, das, mit einem wahren Musealreichthum (Gemälde, chinesische Bronzen, Kleinode, Waffen) ausgestattet, zu jenen köstlichen Sehenswürdigkeiten Wiens zählt, die nur wahrhaft Kunstempfindende wahrhaft zu schätzen wissen, hat er in seinen Kreisen durch sein Beispiel, seine Freude am Künstlerischen, sein Bedürfniß nach Schönem vorbildlich anregend gewirkt. Niemand hat mehr werkthätige Propaganda für edle Wohnungsausstattung gemacht, als Edmund Zichy, dessen oberster Grundsatz es gewesen, daß Kunst kein Luxus, sondern ein unentbehrlicher Nationalbesitz, ein Erziehungsmittel für Alle sein müsse. Sein rastloses Bestreben war denn auch, das Kunstbedürfniß nicht allein in aristokratischen und reich besitzenden, sondern auch in weiteren gebildeten Kreisen zu wecken und zu fördern. Man kann wol sagen, daß sein Leben, soweit es nicht von politischen Fäden durchzogen war und selbst auch da, in dieser schönen Aufgabe aufgegangen ist.“

Graf Edmund Zichy’s hervorragende Bedeutung für die verschiedensten Zweige der Landwirthschaft, in erster Linie der Viehzucht, sodann den Hanfbau und die Mehlindustrie, gehört nicht hierher, wesentlich deshalb, weil sie sich ausschließlich auf Ungarn erstreckt, woselbst sein Fideicommiß sammt dem Compossessorat lagen. Sie ist in dem sorgfältigen Lebensbilde, das ihm Wurzbach’s Biogr. Lex. des österr. Kaiserstaates Bd. 60, S. 14a–16b widmet, nach Gebühr beleuchtet worden, desgleichen seine äußeren Schicksale. Ein werthvoller [150] Beitrag zu Zichy’s Charakteristik ist der oben benutzte Artikel der „Neuen Freien Presse“ Nr. 10 570 vom 27. Jan. 1894, der sein ganzes friedliches Wirken, dazu seine unbestrittene Stelle als Kenner und Gönner der Kunst in verschiedenen Zweigen verdeutlicht. Wurzbach weist für letzteres hin auf Allgem. Ztg. 1878 Beil. 151, 1879 Bl. 15 (v. V[incenti]), 1880 Nr. 33 S. 475 (Max Wirth). Wiener Weltausstellungs-Zeitung 22. März 1872 Nr. 26 (Aufsatz „E. G. Z.-V.“), Neue Illustr. Ztg. X. Jhrg. Nr. 27. Vgl. Gothaer Gräfl. Taschenb. 37 (1864), 1042, u. 67 (1884), 1239. – Ein Artikel über diesen nachdrücklichen Träger der Wiener und österreichischen Kunst und Cultur und damit deutscher Civilisation, in der er völlig aufgewachsen war und sein vorwaltendes Lebenswerk ersah, ist gewiß in der „Allgemeinen deutschen Biographie“ am Platze und stört da sicherlich ebenso wenig wie Hans Holbein, Händel und Herschel in der „National biography“. – Die erwähnte Abhandlung Zichy’s in: A. Hilberg, Nach Eski-Djumaia. Im Anhang: Bericht über die Messe von E.-D. im Mai 1876 von Sr. Exc. Graf Edmund Zichy (1876; s. Blätt. f. liter. Unterh. 1877, S. 518).