Zum Inhalt springen

ADB:Zingerle von Summersberg, Ignaz Vinzenz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zingerle von Summersberg, Ignaz Vinzenz“ von Oswald Zingerle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 316–319, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zingerle_von_Summersberg,_Ignaz_Vinzenz&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 18:50 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Zingerle, Josef
Band 45 (1900), S. 316–319 (Quelle).
Ignaz Vinzenz Zingerle bei Wikisource
Ignaz Vinzenz Zingerle in der Wikipedia
Ignaz Vinzenz Zingerle in Wikidata
GND-Nummer 11557039X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|316|319|Zingerle von Summersberg, Ignaz Vinzenz|Oswald Zingerle|ADB:Zingerle von Summersberg, Ignaz Vinzenz}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11557039X}}    

Zingerle: Ignaz Vinzenz Z. von Summersberg wurde am 6. Juni 1825 als ältester Sohn des Kaufmanns Barth. Z. in Meran geboren. Nachdem er die Volksschule hinter sich hatte, besuchte er das von den Benedictinern des Stiftes Marienberg geleitete Gymnasium seiner Vaterstadt, von dessen Lehrern besonders Beda Weber und Pius Zingerle, sein Onkel, durch anregende Wirksamkeit sich auszeichneten. Diese Beiden sowie der litterarisch eifrig thätige Pfarrer J. Thaler übten auf den strebsamen Studenten einen sehr fördernden Einfluß aus, sie versorgten ihn auch mit Lectüre, so daß er frühzeitig schon mit vielen neuern Dichtern und auch mit altdeutscher Poesie bekannt wurde. Unter seinen Mitschülern fand Z. in Coel. Gschwari, dessen Gedichte von ihm 1848 und in zweiter Auflage 1888 herausgegeben wurden, einen von demselben Streben beseelten Freund und mit diesem begab er sich nach absolvirtem Gymnasium zum Studium der zwei philosophischen Curse 1842 nach Trient und im folgenden Jahre nach Innsbruck, wo in erster Linie der Philologe und Aesthetiker Al. Flier durch geistreiche Vorträge und belehrenden Umgang die jungen Leute anzog. Z. entschied sich dann für die Theologie und trat, nachdem er ein Jahr in Brixen studirt hatte, in das Kloster Marienberg ein, doch da es ihm dort aus verschiedenen Gründen nicht behagte, setzte er vom Herbst 1846 ab die theologischen Studien in Brixen fort, fand aber schließlich keine Befriedigung und folgte darum, als im J. 1848 das bis dahin in den Händen der Jesuiten befindliche Innsbrucker Gymnasium verstaatlicht wurde, gerne der Aufforderung, eine Lehrstelle zu übernehmen. Hiezu war er wohl befähigt, denn seit dem Abgange vom Gymnasium hatte er sich mehr und mehr in die deutsche Litteratur vertieft, die Werke der Alten, Shakespeare, italienische und spanische Schriftsteller [317] gelesen und überdies mit Kunststudien sich beschäftigt; eine Reise nach Straßburg (1847), auf der er nicht versäumte, in München und Tübingen die Hörsäle hervorragender Professoren aufzusuchen, war seiner Ausbildung ebenfalls zu statten gekommen. Und Z. rechtfertigte auch die gehegten Erwartungen, er gehörte zu den besten und beliebtesten Lehrern der Anstalt, an der er bis zum Jahre 1858 wirkte. In diese Periode, ins Jahr 1856, fällt u. a. eine Reise an den Rhein, wo er im Hause K. Simrock’s längere Zeit weilte. Auf dem Heimwege machte er in Stuttgart gelegentlich der Philologenversammlung auch die Bekanntschaft Uhland’s, der in seiner Gesellschaft sehr gesprächig wurde. Zwei Jahre später, im Herbste 1858, wurde Z. mit der provisorischen Leitung der Universitätsbibliothek in Innsbruck betraut, doch schon zu Ostern 1859 vertauschte er diese Stellung mit der an der Universität neu errichteten, ihm auf Grund seiner damals schon zahlreichen Arbeiten verliehenen Professur für deutsche Sprache und Litteratur, die er, in anregendster Weise lehrend und von seinen Schülern verehrt, über dreißig Jahre versah. Vom Kaiser durch Verleihung des Adelstandes neuerdings ausgezeichnet, trat er 1890 in den Ruhestand, den er leider nicht lange genießen konnte, denn schon am 17. September 1892 nahm ihn der Tod hinweg.

Ueber die Grenzpfähle des Heimathlandes ist Z. auch in den späteren Jahren noch ab und zu hinausgekommen, so war er 1869 bei der Philologenversammlung in Kiel, doch wanderte er immer am liebsten in Tirol, zu dessen gründlichsten Kennern er gehörte, herum, wozu seit Mitte der sechziger Jahre die ihm von der Wiener Akademie übertragene Sammlung der Weistümer und durch einige Jahre (1869–72) die Inspection südtirolischer Schulbezirke besondern Anlaß bot.

Zingerle’s Thätigkeit war bis zu seinem Lebensende eine sehr intensive und vielseitige. Schriftstellerisch trat er zuerst als Dichter hervor. Von 1843 an begegnen wir in in- und ausländischen Blättern einzelnen Kindern seiner Muse; 1848 erschienen dann die von freiheitlicher Stimmung durchwehten „Frühlingszeitlosen“, wozu auch Onkel Pius und etliche Freunde Beiträge geliefert hatten, 1850 zwei Liedersträuße „Von den Alpen“, einer hievon von Vinz. v. Ehrhart, dessen Gedichte Z. 1882 veröffentlichte, gewunden, worauf 1853 noch ein Bändchen „Gedichte“ folgte. In diesen Jahren (1850–53) gab Z. außerdem den „Phönix, Zeitschrift für Literatur, Kunst, Geschichte, Vaterlandskunde, Wissenschaft und Theater“, welche neben einheimischen viele hervorragende Schriftsteller Deutschlands zu ihren Mitarbeitern zählte, heraus und publicirte (1852) eine reichhaltige Sammlung auf Tirol bezüglicher Poesien unter dem Titel „Tirol. Natur, Geschichte, Sage im Spiegel deutscher Dichtung“. Nach dem Eintritte ins Lehramt begann indeß bald die wissenschaftliche Forschung und Production, zunächst im Bereiche der Volks- und Alterthumskunde, dann mehr und mehr auch auf dem Gebiete der altdeutschen Litteratur in den Vordergrund zu treten. Schon in den Studienjahren hatte Z., durch Simrock’s Rheinsagen angeregt, sein Augenmerk der tirolischen Sagen- und Märchenwelt zugewandt und in der Folge richtete er dasselbe nicht minder auf Volksbräuche und -meinungen sowie auf Volkslieder (s. Bote für Tirol, 1867, Nr. 109–113) und Bauernspiele (s. Morgenblatt zur bayer. Zeitung, 1863, Nr. 15–20). Als erste Frucht dieser Beschäftigung erschienen 1850 „Sagen aus Tirol“, welche Sammlung noch weniger Originalsagen als poetische Bearbeitungen solcher von verschiedenen Autoren enthält. Das Jahr 1852 brachte „Kinder- und Hausmärchen aus Tirol“ (2. Aufl. 1870), 1854 „Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutschland“, bei deren Sammlung ihn sein Bruder Josef unterstützte, 1857 „Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes“ (2. Aufl. 1871); 1859 „Sagen, [318] Märchen und Gebräuche aus Tirol“ (2. Aufl. 1891). Dazu kommen zahlreiche Aufsätze und Mittheilungen in Wolf’s Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde. Streifzüge auf das Gebiet der Mythologie lagen bei diesen Studien nahe und so hat Z. die Legende vom hl. Oswald, der auch in tirolischen Gegenden, zumal im Burggrafenamte hohen Ansehens sich erfreut, auf den mythologischen Gehalt untersucht („Die Oswaldlegende und ihre Beziehung zur deutschen Mythologie“, 1856). Der altdeutschen Litteratur hatte er sich schon früher zugewendet. Mit „König Laurin“ war 1850 in dieser Richtung der Anfang gemacht worden, 1851 folgte die Programmabhandlung „Tirols Antheil an der poetischen Nationallitteratur im Mittelalter“ und von da ab beschäftigte er sich immer eindringlicher mit dem litterarischen Leben dieses Landes und seinem Handschriftenvorrathe. Vieles darüber wurde in Pfeiffer’s Germania, deren eifriger Mitarbeiter er vom Anfange an war, im Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit, im Boten für Tirol, später auch in Zacher’s Zeitschrift, in den Sitzungsberichten der Wiener und Münchener Akademie und anderwärts mitgetheilt. Von den tirolischen Dichtern war es vorzüglich Hans Vintler und Oswald v. Wolkenstein, die schon frühzeitig sein Interesse fesselten. Zu dem Interesse für den Dichter der Blumen der Tugend gesellte sich auch das für die Vintler’sche Burg Runkelstein, deren berühmte Fresken er erklärte („Fresken-Cyclus des Schlosses R. bei Bozen, gezeichnet von J. Seelos, erklärt von Ig. V. Zingerle“, 1857) und deren Rettung vom drohenden Verfalle er sich stets angelegen sein ließ. Ende der fünfziger Jahre wurde auch die Burgenforschung in das Arbeitsprogramm aufgenommen, doch fand nur ein Theil der Ergebnisse in einzelnen Aufsätzen Verwerthung. Nachdem Z. das akademische Lehramt übernommen, konnte er seine Kraft voll und ganz der Wissenschaft, dem litterarischen Schaffen widmen und jedes Jahr lieferte er denn auch eine Reihe von Arbeiten, von welchen nur die größeren hier namhaft gemacht werden können: 1861 „Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift“; 1862 „Ueber die bildl. Verstärkung der Negation bei mhd. Dichtern“; 1863 „Johannissegen und Gertrudenminne. Ein Beitrag zur deutschen Mythologie“; „Die Sagen von Margaretha der Maultasche“ ; 1864 „Die Alliteration bei mhd. Dichtern“; „Der maget kröne. Ein Legendenwerk des 14. Jhs.“; „Die deutschen Sprichwörter im Mittelalter“; 1865 „Eine Geographie aus dem 13. Jh.“; „Garel. Die Bruchstücke der Meraner Handschrift“; 1867 „Bericht über die Sterzinger Miscellaneen-Handschrift“; „Findlinge“ I. Heft; 1868 „Das deutsche Kinderspiel im Mittelalter“ (2. Aufl. 1873); „Das Urbarbuch des Klosters zu Sonnenburg“; 1869 „Lusernisches Wörterbuch“; 1870 „Findlinge“ II. Heft; „Beiträge zur ältern tirol. Literatur I: Osw. v. Wolkenstein“ ; 1871 „Beitr. z. ält. tirol. Lit. II: Hans Vintler“; 1873 „Von sant Gregorio auf dem Stain und von sant Gertraud“; 1874 „Die Pluemen der Tugent des H. Vintler“; 1875 „Die tirol. Weistümer“ I. Bd.; 1877 „Reiserechnungen Wolfgers von Ellenbrechtskirchen“; „Die tirol. Weist.“ II. Bd., 1880 derselben III. Bd.; 1884 „Diu Zîtelôse“; 1886, 91 „Die tirol. Weist.“ IV. Bd. Zu seinen letzten Arbeiten gehörte der über die tirolische Litteratur handelnde Abschnitt im Werke „Die österr.-ungar. Monarchie in Wort und Bild“, in dem bei dem karg zugemessenen Raume nur ein Ueberblick geboten werden konnte. Neben den wissenschaftlichen Publicationen entstanden nach wie vor Gedichte – es seien nur die „Bilder aus Walthers Leben“ (1888) erwähnt – sowie Erzählungen und Schilderungen, wovon erstere größtentheils in den „Erzählungen aus dem Burggrafenamte“ (1884), letztere in den vielgelesenen „Schildereien aus Tirol“ (2 Bde. 1876 u. 87) vereint sind. Daß Z. an allem, was sein Heimathland berührte, regen Antheil nahm und vielfach, wo es dessen Interessen und ideale Bestrebungen zu fördern oder Noth [319] zu mildern galt, eine unermüdlichr Thätigkeit entfaltete, darf nicht verschwiegen werden.