Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section/H02

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Heft 1 des Voigtländischen Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 2 der Section Voigtländischer Kreis
Heft 3 des Voigtländischen Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Mylau
  2. Netzschkau
  3. Geilsdorf
  4. Tobertitz


[9b]
Mylau.


Auf einem gewaltigen Felsen, der sich inmitten des herrlichen Gölzschthales erhebt, thront die hochgethürmte Burg Mylau, ein altehrwürdiger Rittersitz, an dessen ungeheuren Mauern fast ein Jahrtausend vorüberzog. Die Veste war ursprünglich eine der Zwingburgen, welche die siegreichen Deutschen zur Niederhaltung des bezwungenen Sorbenvolkes erbauten, und die reizende Gegend, welche das Schloss umgab, verlieh demselben seinen Namen Myla, welches Wort so viel bedeutet wie „liebe Aue.“ Aber nicht blos die Burg und die bald nach ihr entstandene Stadt führte diesen Namen, sondern man verstand darunter den ganzen Distrikt, welchen die hochgelegene Veste beherrschte, – die Ortschaften Mylau, Reichenbach, Lengefeld, Brunn, Friesen, Cunsdorf, Lambzig. Ober- und Unterheinsdorf, Oberreichenbach, Schneidebach, Schönbach, Waldkirchen, Weissensand, Plohn, Rotschau und Wolfspfütze – bildeten die Herrschaft Mylau.

Ob der Felsen, auf welchem das Schloss Mylau steht, wirklich schon vor dessen Erbauung eine sorbische Burg trug, ist nicht historisch zu beweisen, ebenso wenig wie die Behauptung gegründet ist, dass die Herren von Milin, welche die Herrschaft bis in das dreizehnte Jahrhundert besassen, einem sorbischen edlen Geschlechte entsprossen und nach Unterjochung ihres Volkes zum Christenthume übergetreten seien. Die Herren von Milin sollen im elften Jahrhundert die Stadt unter dem Schlosse und in Reichenbach die Kirche zu St. Peter und Paul erbaut haben. Wie lange die Herren von Milin die Herrschaft Mylau besassen, ist nicht bekannt, doch wird schon in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ein Voigt Heinrich von Gera auf Mylau erwähnt, worauf das Schloss mit Zubehör bis weit in das vierzehnte Jahrhundert hinauf, Eigenthum der Voigte von Plauen und Greiz blieb. Von den Herren von Milin wird der erste, Eberhard, in einer Schenkungsurkunde, die Heinrich, Voigt von Weida, im Jahre 1246 ausstellte, als Zeuge genannt. Leuthold von Milin war 1288 bei einen Vergleiche der Voigte Heinrich von Plauen und Heinrich von Weida zugegen, und Ritter Luthold von Milin 1302, Comthur des Deutschen Ordenshauses in Reichenbach. Bei einem Vergleiche, den drei Herren von Reuss im Jahre 1317 zu Altenburg abschlossen, befanden sich unter den Zeugen drei Edelleute des Geschlechts Milin, Marquard, Heinrich und Fritz, welche die dabei niedergeschriebene Urkunde als Lehnsleute der Reusse unterzeichneten. Daraus scheint hervorzugehen, dass die Miline von den mächtigen Voigten von Reuss zu einem Lehnsverhältniss gezwungen worden waren, und durch dieselben sogar späterhin von ihren Gütern vertrieben wurden. Petzold’s und Conrad’s von Milin gedenkt eine Urkunde von 1330, worin Heinrich der Kleine von Reuss dem Ordenshause zu Reichenbach den Zehnten von Plohn, einem zur Herrschaft Mylau gehörigen Reichslehn zusagt. Margarethe und Adelheid von Milin waren 1338 und 1340 Nonnen im Kloster Weida, und Katharina von Mylin 1379, sowie Elisabeth von Milin 1392 Priorinnen daselbst. Unter den Edelleuten, welche 1430 bei Erstürmung des Schlosses zu Plauen von den Hussiten niedergemacht wurden, befand sich auch ein Ritter Wilhelm von Milin, und endlich wird Heinz von Milin 1430 als Herr des Gutes Oberlosa bei Plauen genannt. Dieser Heinz scheint der Letzte seines Stammes gewesen zu sein.

Der Adel Deutschlands war es hauptsächlich, mit dessen Hülfe Kaiser Heinrich die slavischen Völkerschaften unterjochte, und die Edelleute wollten natürlich für ihre Dienste auch belohnt sein, deshalb gab ihnen der Kaiser bedeutende Strecken des eroberten Landes in Lehn, nebst einer Anzahl der unglücklichen Slaven, welche den neuen Herren als Leibeigene dienen mussten. Ueberall erhoben sich mit Thürmen und Gräben verwahrte feste Schlösser, auf welchen der Edelmann in stolzer Sicherheit die elenden Hörigen beherrschte. Diese waren an die Scholle, auf der sie lebten, gefesselt, und konnten nach Belieben von ihren Herren, denen sie frohnen und zinsen mussten, verkauft, verpfändet und verschenkt werden, woher die noch jetzt bisweilen vorkommenden verschiedenartigen und sich durchkreuzenden Gerichtsbarkeiten und Lehnsverhältnisse herrühren. Nur der Adel genoss damals persönliche Freiheit und Besitzthum, nur er war Herr und Gebieter im Lande, und willig fügten die unterjochten Slaven sich dem strengen Willen ihrer Grundherren, deren gewaltige Burgen sich dräuend über den niedrigen Erdhütten des Dörfchens erhoben.

Alles Land, das Kaiser Heinrich I. nicht dem Adel verlieh, wurde von kaiserlichen Voigten verwaltet, die ebenfalls zu ihrer Sicherheit Castelle erbauten und im Namen ihres Herrn Steuern erhoben, zu Gericht sassen und das ihnen anvertraute Gebiet vertheidigten. Im Voigtlande hausten dergleichen kaiserliche Statthalter auf den Schlössern Voigtsberg, Regnitzhof, Gera, Schleiz und Weida, doch gab es auch noch besondere Reichsdynastien, welche die Herren von Feilitzsch, Zedwitz, Kotzau und Andere unmittelbar vom Reiche zur Lehn trugen. Die Voigte wurden endlich so mächtig, dass sie sich wenig [10b] um ihre kaiserlichen Herren kümmerten, gleich Souverainen das ihnen untergebene Land beherrschten, und dasselbe durch benachbartes Gebiet vergrösserten, ohne in der Wahl der dazu führenden Mittel eben bedenklich zu sein. Im dreizehnten Jahrhundert befanden sich die Voigte von Plauen, welche ursprünglich ihren Sitz auf dem Schlosse Voigtsberg hatten, bereits im Besitze der Herrschaft Mylau, und empfingen dieselbe bald vom Kaiser, bald vom Könige von Böhmen zum Lehn; von Letzterem war die Herrschaft Mylau indessen nur ein Reichsafterlehn, indem Kaiser Friedrich II. im Jahre 1212 den Böhmischen König Ottokar mit dem Gebiet, welches Myla genannt wird, nebst Reichenbach und Zubehörungen belehnte. (Provinciam, quae Milin dicitur, cum Reichenbach et omnibus pertinentiis suis.)

Ueber die Oberlehnsherrschaft scheinen zwischen den Kaisern und den Böhmischen Königen häufige Zwistigkeiten stattgefunden zu haben, wenigstens belehnte Kaiser Ludwig der Baier 1323 Heinrich Reuss den Kleinen mit der Herrschaft Mylau, als diesem schon die Belehnung vom Böhmischen König geworden war. Heinrich der Strenge, Heinrichs des Kleinen Sohn, hatte das Unglück mit Kaiser Carl IV. und den Meissnisch-Thüringischen Fürsten in eine gefährliche Fehde verwickelt zu werden, durch welche die Macht der Reusse nicht wenig litt. Diese Fehde, der Voigtländische Krieg genannt, entstand hauptsächlich aus der Abneigung, welche Kaiser Carl IV., ein Sohn König Johanns von Böhmen, gegen das mit den Grafen von Schwarzburg verschwägerte Haus der Reusse empfand, denn aus Schwarzburgs Stamme war Kaiser Günther entsprossen, mit dem Carl so lange um die Krone des deutschen Reiches kämpfen musste, bis Günther in Frankfurt durch beigebrachtes Gift verschied. Dagegen hegte Carl gegen die Sächsischen Fürsten die aufrichtigste Dankbarkeit, indem Landgraf Friedrich der Ernste von Thüringen, welchen ein Theil der Reichsstände zum deutschen Kaiser gewählt, seine Ansprüche auf die Kaiserkrone für eine Abfindungssumme von 10,000 Mark Silbers an Carl abtrat. Böhmen und Sachsen strebten nunmehr, als die mächtigsten Dynastieen des Reichs, dahin, die reichen Reusse zu unterdrücken, ihnen einen Theil ihres Landes zu entziehen und sie zu zwingen, das Uebrige als Böhmisches und Meissnisches Lehn anzunehmen. Bei einer Zusammenkunft Kaiser Carls mit Markgraf Friedrich dem Strengen im Jahre 1350, verabredete man einem Plan, nach dem die Sächsischen Fürsten gewisse Ansprüche an die Reusse erheben mussten, und wie man erwartet hatte, weigerte sich Heinrich Reuss, genannt der Strenge, welchem der Schlag zunächst galt, dem Verlangen der Markgrafen sich zu fügen, sondern beschloss, sein Glück mit den Waffen, selbst der Uebermacht gegenüber, zu versuchen. Ohne ein Reichsgericht zu Rathe zu ziehen, erklärte der Kaiser unter dem falschen Vorwande, dass die Herren von Plauen hochverrätherische Verbindungen mit dem Voigtländischen Adel unterhielten, die Reusse in die Reichsacht, und beauftragte die Sächsischen Fürsten mit deren Vollstreckung. Vereinigt mit den aufgebotenen reichsständischen Contingenten von Mühlhausen, Erfurt und Nordhausen, nebst einem Böhmischen Hülfsheere, fielen die Markgrafen 1354 in die Besitzungen der Reusse von Plauen ein, und erschrocken verliessen nunmehr die Reusse von Weida und Gera die Sache ihres Hauses, indem sie von dem zu Ronneburg geschlossenen Bunde zurücktraten, und unter dem Vorgeben, ihrer Lehnsabhängigkeit von Meissen und Böhmen sich neutral erklärten. So sah sich Heinrich der Strenge von seinen nächsten Verwandten verlassen; aber der tapfere Mann liess deshalb den Muth nicht sinken, sondern kämpfte mit den Reussen von Elsterberg, die ihm treu geblieben, den ungleichen Kampf ritterlich fort.

Gleich einer Wetterwolke zogen die Meissnischen Heerhaufen unter Anführung des thüringischen Landvoigts, Heinrich von Brandenstein, über das Pleissnerland, stürmten und zerstörten die Schlosser Moringen und Hindenburg, eroberten die Städte Geithen, Rüne und Ziegenhain und zogen vor das Schloss Elsterberg. Hier befehligte Busso von Elsterberg die muthige Besatzung, aber trotz des kühnsten Widerstandes eroberte ein Graf Hohenstein mit seinen Meissnern und Böhmen die Burg und liess ihre Thürme und Mauern brechen. Basso und elf seiner adligen Kampfgenossen wurden als Aechter und Helfershelfer eines Aechters auf dem Marktplatze zu Elsterberg öffentlich enthauptet.

Diese Grausamkeit der Meissner verursachte allgemeinen Schrecken, und überall öffneten sich ihnen die Thore. Von allen seinen Freunden verlassen, entschloss sich nunmehr Heinrich der Strenge zur Unterwerfung, und so wurde 1355, wie ein unterm 5. October zu Altenburg ausgestellter Sühnebrief besagt, der Friede wieder hergestellt. Die Reusse von Plauen mussten sich unter der Benennung von Afterlehnsträgern als Böhmische und Meissnisch-Thüringische Lehnsträger bekennen, und von ihrer früheren Souverainetät blieb ihnen nichts übrig, als einige persönliche Vorzüge und die Ehre des Titels. Auf jeden Fall thut der Pirnaische Mönch Heinrich dem Strengen Unrecht, wenn er in seinem Werke sagt: „Zu gleicher Zeit ward mordliche Plackerei im Voigtland, Landgraf Friedrich, Balthasars Bruder, aber fing die Räuber und liess sie an die Bäume henken“; und eben so unwahr ist die Sage: Heinrich hätte alle gefangenen Meissnischen Edelleute bei Weida in eine Scheune sperren und darin verbrennen lassen.

Die Friedensbedingungen waren für die Reusse von Plauen und Elsterberg ebenso demüthigend als nachtheilig, denn nicht nur mussten sie alle vom Reiche und Meissen ihnen überlassene Verpfändungen ohne Entschädigung zurückgeben, sowie alle eroberten Schlösser, Dörfer, Städte und Güter den Siegern überlassen, sondern auch über alle ihnen verbleibenden Besitzthümer die Meissnische oder Böhmische Lehn suchen. In Folge dieser Bestimmungen nahmen die Sächsichen Fürsten die bisher verpfändeten Güter Ziegenrück, Triptis, Auma und das Schloss Freiburg zurück; die Schlösser Voigtsberg, Oelsnitz, Planschwitz, Stein und alle Besitzungen der Reusse im Pleissnerlande behielten sie als Eroberungen. Böhmen bekam die Schlösser Schöneck, Osseck und Landschütz. – Die Lehn anbetreffend, musste der besiegte Heinrich Reuss von Plauen die Stadt Plauen im Jahre 1356 als ein Böhmisches Lehn empfangen, sowie auch Mylau, Reichenbach und Treuen; Greiz, Ronneburg und Werda mit ihren Bezirken, wurden für Meissnische Lehen erklärt. Die getroffenen Bedingungen wurden im Jahre 1356 auf einem Reichstage zu Metz von Kaiser Carl IV. und den versammelten Churfürsten genehmigt und bestätigt.

Trotz ihrer Lehensunterwerfung, denen sämmtliche Linien der Reusse sich fügen mussten, hörten dieselben indessen nicht auf, für freie Reichsstände zu gelten, und wurden auch fernerhin zu den freien Dynasten gezählt, welche auf Reichstagen, und späterhin bei dem Wetterauischen Grafen-Collegium, bis [11b] zum Umsturz der deutschen Reichsverfassung Sitz und Stimme hatten. Von der Zeit dieses unglücklichen Friedens an legten sie indessen die Benennung der „Voigte“ ab. und nannten sich nur Herren von Plauen, Ronneburg, Greiz, Gera und Weida. Zur Ablegung dieses Titels wurden die Reusse auch durch das von Carl IV. erlassene Reichsgrundgesetz – die goldene Bulle – veranlasst, welches die Voigtswürde im ganzen deutschen Reiche aufhob. Urkundlich findet man die Reusse zuletzt 1371 und 1374 als Voigte benannt.

Nach dem für die Reusse so nachtheiligen Friedensschlusse blieben dieselben nur wenige Jahre noch im Besitz der Herrschaft Mylau, denn bereits 1367 verkaufte Heinrich der Aeltere zu Greiz, des unglücklichen Heinrichs des Strengen Sohn, die Herrschaft Mylau mit Reichenbach für 1010 Schock Böhmische Groschen oder 7700 Thaler an Kaiser Carl IV., der das Mylauer Schloss erweiterte, mit neuen Befestigungen verwahrte und es als Lust- und Jagdschloss benutzte. Noch jetzt erblickt man über einem Thore der Burg das in Stein gehauene Bild des Kaisers, durch soldatische Brutalitat zur Zeit des dreissigjährigen Krieges des Kopfes beraubt, und über dem inneren Schlossthore, zwischen den beiden nordwestlich gelegenen Thürmen, erinnert noch heute der aufgerichtete Löwe mit gespaltenem Schweife an Böhmens einstige Oberherrschaft. Noch giebt es in der altehrwürdigen Burg einen Kaiserhof und einen Kaisersaal, und ein uraltes schlecht erhaltenes Oelbild, den Kaiser Sigismund in Lebensgrösse darstellend, beweist, dass auch dieser Herrscher, gleich seinem Vater Carl IV., gern in Mylau verweilte, wo er verschiedene noch vorhandene Urkunden erliess. Die Besitznahme Mylau’s durch die Kaiser und ihr häufiger Aufenthalt daselbst war für die Herrschaft bis auf die neueste Zeit von grossem Vortheil, und namentlich Mylau, dem Kaiser Carl IV. sein Bildniss als Wappen verlieh, erlangte eine Anzahl Rechte und Freiheiten, deren verschiedene es von den meisten Lasten und Abgaben befreite, wie denn die Steuerfreiheit der Grundstücken erst in den Jahren 1843 und 1844 durch eine Ablösungssumme von fast 9000 Thalern beseitigt wurde. Das alte Rathssiegel von 1367 ist noch jetzt vorhanden; es zeigt das in diesem Jahre der Stadt verliehene Wappen, den Kaiser in ganzer Figur mit Krone und Mantel, den Scepter in der Rechten und in der Linken den Begnadigungsbrief haltend, mit der Umschrift: Sigillum Civitatis Milau 1367.

Der Hussitenkrieg kostete dem Kaiser Sigismund so bedeutende Summen, dass er sich gezwungen sah, zu deren Herbeischaffung einzelne Besitzthümer zu verpfänden, ein Schicksal, welches nebst anderen Voigtländischen Gebietstheilen auch die Herrschaft Mylau betraf, auf welche 1422 Markgraf Friedrich von Meissen, der spätere streitbare Churfürst, dem Kaiser eine beträchtliche Summe Geldes lieh. Erst 1459 gelangte Mylau mit Zubehör durch den sogenannten Egerschen Vertrag unter Botmässigkeit des Churfürsten von Sachsen, doch besass er es sammt den übrigen ihm überlassenen Voigtländischen Ortschaften als Böhmisches Lehen. So lange die Herrschaft Mylau kaiserliches Kammergut war, wohnte auf der Burg ein Edelmann als Burgvoigt oder Amtmann, in welcher Eigenschaft die Herren von Weissbach und später die von Schönau genannt werden. Im Jahre 1415 war kaiserlicher Voigt auf Mylau Petzold von Metzsch, dessen Sohn, Hans von Metzsch, von kaiserlicher Majestät für geleistete treue Dienste in Kriegs- und Friedenszeiten die Pflege Mylau erblich und eigenthümlich erhielt. Dass die Herren von Metzsch schon bei dem Egerschen Vertrage Erb- und Gerichtsherren über Reichenbach waren, erhellt aus einer Urkunde der sächsischen Fürsten Ernst und Albrecht vom Jahre 1464, worin diese Stadt eine erbliche der Herren von Metzsch genannt wird. Conrad von Metzsch der Aeltere, auf Mylau, kaiserlicher Majestät in Ungarn Matthiae Rath, wurde im Kloster Zelle begraben, und vererbte die Herrschaft Conraden von Metzsch, Ritter zu Mylau, Churfürst Johanns von Sachsen Rath, der 1526 starb und seine Güter Joseph Levin von Metsch hinterliess, einem gottesfürchtigen gelehrten Manne und Freunde Luthers, dessen Lehre er sehr zeitig huldigte. Von seinem Fürsten mit der Kirchenverbesserung beauftragt, trug Levin von Metzsch sehr viel zur raschen Verbreitung der Reformation im Voigtlande bei, und stand an der Spitze der vom Churfürsten angeordneten geistlichen Visitation. Er starb am 4. Juli 1571 und wurde in der Kirche zu Reichenbach beigesetzt; seine Güter aber theilten fünf Söhne unter sich, von denen Abraham Mylau im Jahre 1577 dem Ritter Nickel von Schönberg überliess. Im Jahre 1613 besass Mylau Hans Dietrich, und 1623 Burkhard von Schönberg, mit welchem Letzteren und dem Pfarrer Pöllmann der Besitzer des nahen Ortes Netzschkau, Carl Bose, der im Netzschkauer Schlosse eine Kirche gestiftet hatte, einen Vertrag abschloss, worin er versprach, den Pfarrer zu Mylau als Beichtvater zu gebrauchen, sich deshalb mit ihm abzufinden und dessen Amtsnachfolgern zum Recompens der Accidentien sechs Thaler jährlich zu erlegen. Später gelangte Mylau in Carl Bose’s Besitz, wodurch 1638 die Gemeinde Netzschkau aus dem kirchlichen Verbande getrennt wurde.

Carl Bose starb 1657, und Mylau wurde Eigenthum seines Sohnes, Carl Bose’s II., der 1711 im Erbbegräbniss zu Mylau seine letzte Ruhestätte fand, nachdem er schon im Jahre 1706 Mylau, Lengenfeld, Weissensand und Grün seinem erstgeborenen Sohne Carl Zdislav Bose hinterlassen hatte. Dieser war fürstlich Sächsisch-Eisenbergischer Stallmeister und ein sehr frommer für seine Unterthanen väterlich besorgter Herr, von dem die Kirche zu Mylau noch manches werthvolle Andenken aufbewahrt. Im Jahre 1722 kam Mylau an Carl Erdmann Bose, Czarischer Majestät Obristen bei einem Dragonerregiment, einen Bruder des vorigen Gutsherrn, welcher Letztere erst 1743 in hohem Alter mit Tode abging. Carl Erdmann Bose überliess Mylau schon 1727 einem Herrn von Planitz, Schwiegersohn Carl Bose’s II., der die Kirche mit einer Silbermann’schen Orgel und einer neuen Thurmuhr beschenkte, und 1747 Carl Christian August, Edlen von der Planitz, zum Nachfolger hatte, welcher 1784 in Mylau starb, nachdem das Gut bereits 1772 von ihm an den Kaufmann Petzold zu Greiz verkauft worden war. Im Jahre 1792 erwarb Mylau die Familie Golle, welche das vormalige Vorwerk Obermylau mit neuen Wohn- und Wirthschaftsgebäuden versah und es bewohnte. Die ersten Besitzer dieses Namens waren Herr Johann Caspar Golle und seine Söhne Johann Gottlob und Johann Gottfried, von denen Letzterer das Gut anfänglich mit seinem Bruder gemeinschaftlich, später aber allein besass. Von den beiden Söhnen Herrn Johann Gottfried Golle’s ist gegenwärtig alleiniger Besitzer Mylau’s Herr Franz Ludwig Golle.

Das am Fusse des Schlossbergs gelegene Städtchen Mylau zählt in etwa 250 Häusern 3000 Einwohner, die sich namentlich von Wollspinnerei und Weberei ernähren. Kaum eine halbe Stunde entfernt befindet sich ein [12b] bedeutendes Alaunwerk, in dem ziemlich dreissig Leute beschäftigt sind. Der Alaunschiefer bricht theils in einem nahen Bruche und darin abgesenkten Schächten, theils bei dem Dorfe Limbach, an der Strasse von Plauen nach Reichenbach. Der hiesige Brach ist über fünfzig Ellen tief und liegt unter einer acht Ellen starken Schieferdecke. Die Alaunhütte liefert einen jährlichen Ertrag von etwa 400 Centnern, welche grösstentheils im Lande verkauft werden.

Die Kirche zu Mylau entstand wahrscheinlich zu Anfang des zwölften Jahrhunderts, war indessen früher nur eine Kapelle, die Fronleichnamskapelle genannt, welche im Laufe der Jahrhunderte vielfache Anbaue, Veränderungen und Reparaturen erfuhr. In alten Zeiten besass das Ordenshaus des Deutschen Ritterordens zu Reichenbach das Patronat über Mylau’s Gotteshaus, in dessen Namen es sogar nach der Reformation noch einige Jahrzehnte von dem Pfarrer zu Reichenbach ausgeübt wurde. Der Orden der Deutschen Ritter oder Marianer hatte sich bald nach seiner Entstehung, die mit den Kreuzzügen zusammenhing, auch im Voigtlande einzuschleichen gewusst, und war zuerst von dem Grafen zu Eberstein auf Plauen mit offenen Armen aufgenommen worden, vermuthlich weil der Graf in dem an Macht immer mehr überhand nehmenden Orden einen Beistand gegen die ebenfalls immer mächtiger werdenden Voigte von Reuss zu erlangen hoffte. Bald wussten die Deutschen Ritter Plauen’s Stadtkirche mit allen dazu gehörenden Donationen und Rechten an sich zu bringen, und ihre kirchlichen Erwerbungen vermehrten sich von dieser Zeit an dergestalt, dass sie zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts bereits die Lehen über die Kirchen zu Strassberg, Jessnitz, Oberlosa, Roda, Pöhl, Kloschwitz, Kürbis, Geilsdorf, Leubnitz, Taltitz, Planschwitz, Würschnitz, Dröda, Schwand, Tossen, Rodersdorf, Altensalz, Theuma und Törpersdorf besassen; doch mag der Orden wohl auch einige dieser Kirchen erst fundirt haben. Von ihren Comthureien aus, die sie in verschiedenen Städten, wobei auch Reichenbach, gründeten, wirkten die Deutschen Ritter auf den Culturzustand des Voigtlandes höchst vortheilhaft ein und vernichteten namentlich die letzten Reste des alten sorbischen Heidenthums.

Die Kirche zu Mylau besitzt eine Silbermann’sche Orgel und eine sehr gute Copie einer Kreuzigung Christi von Rubens, sowie ein auf Holz gemaltes uraltes Oelbild, welches die Einsetzung des Abendmahls darstellt. In der Kapelle des Schlosses, die Carl Bose I. neu herstellen und ausschmücken liess, sind ausser einem grossen Marienbilde, mit dem Jesuskindlein im Arm, noch einige vortrefflich in Holz geschnitzte Heiligenbilder vorhanden. Von den zur Pfarrei gehörigen Grundstücken sind die meisten Geschenke von Edelleuten, welche zu Rodtscha gewohnt und die Tramer geheissen. Dem Pfarrherrn, der ausser von dem jetzigen und früheren Parochianen, auch von den beiden Rittergütern zu Schönfeld Erbzinsen an Geld und Naturalien zu empfangen hat, steht über verschiedene Häuser und Grundstücken in Netzschkau, Waldkirchen, Schneidenbach, Obermylau, Cunsdorf und Friesen das Recht der Lehensreichung zu. Eingepfarrt in die Kirche zu Mylau sind, ausser der Stadt Mylau, die fünf Dörfer Obermylau, Rotschau, Lambzig, Foschenroda und Friesen, von denen Letzteres bis zum Jahre 1545 eine eigene Kapelle besass, in der ein zu Reinsdorf wohnender Kaplan den Gottesdienst verrichtete, bis auf churfürstlichen Befehl das Dörflein Friesen nach Mylau eingekircht wurde.

Otto Moser, Redact.     




Netzschkau.


Am östlichen Abhange der Höhen, die sich von Westen her aus dem Grunde des Limbacher Bächleins erheben, liegt weithin sichtbar das freundliche Städtchen Netzschkau, überragt von den Spitzgiebeln und Thurmzinnen seines alten Edelsitzes, und umgeben von den Städten Mylau, Reichenbach, Lengefeld, Elsterberg, Greiz und Plauen, denen keine über drei Stunden entfernt ist. Das Rittergut, eins der bedeutendsten des Voigtlandes, besitzt die Gerichtsbarkeit über das gewerbthätige Städtchen, welches in seinen 187 Häusern, 1862 grösstentheils aus Fabrikarbeitern und Webern bestehende Einwohner zählt.

Es wird behauptet, dass Netzschkau noch im Anfange des funfzehnten Jahrhunderts ein unbedeutendes Wirthschaftsgebäude gewesen sei, welches nach Mylau gehörte und zur Schafzucht bestimmt war. Urkundlich kommt Netzschkau zuerst im Jahre 1464 vor, wo Churfürst Ernst von Sachsen den Ritter Peter von Metzsch mit dem Gute belehnte. 1492 besass dasselbe Caspar von Metzsch, der nach einem noch im Originale vorhandenen Begnadigungsbriefe von Churfürst Friedrich dem Weisen in genanntem Jahre auf sein dringliches Ansuchen beim Landesherrn für Netzschkau das Stadtrecht erlangte. Es ist nicht bekannt, weshalb der Ort von seinen städtischen Gerechtsamen bis zum Jahre 1687 keinen Gebrauch machte , denn bis dahin blieb Netzschkau ein Dorf, und erst auf wiederholte Anregung beim Churfürsten Johann Georg III., gelang es dem Rittergutsbesitzer auf Netzschkau, Carl Bose, die Anerkennung der Stadtrechte nochmals zu erlangen.

Das Schloss zu Netzschkau erbaute 1491 Caspar von Metzsch, und erhielt von dem damaligen Kaiser Friedrich III. besondere Erlaubniss, das neue Haus mit Thürmen, Gräben und Ringmauern zu verwahren. Es ist die letzte alterthümlich gebaute, und an die Fehden des Mittelalters erinnernde Burg, welche in hiesiger Gegend entstand. Um das Jahr 1542 war Eigenthümer des Schlosses, Caspar von Metzsch und bald darauf Jobst von Metzsch; 1587 aber gehörte Netzschkau bereits den Herren v. Reibold, von denen Joachim und Christoph urkundlich genannt werden. Die Reibolde besassen das Gut bis zum Jahre 1619, wo es durch Kauf an Hans Ernst Bose gelangte, der es seinem berühmten Sohne Carolus Bose, Obersten zu Ross und Fuss, sowie Amtshauptmann von Zwickau, Werdau [13] und Stollberg, hinterliess, einem der reichsten Edelleute Sachsens. Seine Mutter war Clara von Geilsdorf, aus dem Hause Schwand. Im zwölften Jahre trat Carolus Bose als Page in Dienste des Bischofs von Bamberg, und nach dessen Tode in die eines Herrn von Kreilsheim; als achtzehnjähriger Jüngling aber ging er mit seinem Bruder Julius Cäsar nach Metz, und liess sich in einem Garderegimente König Ludwigs XIII. von Frankreich, als Hellebardirer anwerben, wo er zum Gefreiten und später zum Corporal avancirte. Als Corporal gerieth er in Gefangenschaft, aus der ihn die besondere Vermittelung des Königs befreite; mit dem Ausbruche des dreissigjährigen Krieges aber ging Carl Bose nach Deutschland zurück, und nahm Dienste unter dem Banner des wilden Mannsfelders, der ihm ein Fähnlein Fussvolk anvertraute. Bei der Einberufung der Sächsichen Ritterschaft (1620), folgte Carolus Bose dem Befehle seines Landesherrn und wurde zum Capitain ernannt, trat jedoch nach erlangter Erlaubniss des Churfürsten Johann Georg I., im Jahre 1621 in kaiserliche Dienste, und wurde bei dem Drucksischen Regimente als Obristwachtmeister eingestellt, wo er bis zum Jahre 1631 blieb und dann in Sächsische Dienste zurückkehrte, weil Tilly den Churfürsten mit einem Einfalle in dessen Länder bedrohte. Im Regimente des Obersten Eustachius Löser, übernahm Carolus Bose die Stelle eines Obristlieutenants, und führte 1632 dem König Gustav Adolf von Schweden ein Sächsisches Regiment Hülfstruppen zu, worauf in Folge ausgezeichneter Dienste, der Churfürst dem Boseschen Regimente noch 1200 Reiter beigab, so dass Carolus Bose nunmehr Oberst zu Ross und Fuss war. Im Jahre 1638 schied Oberst Bose aus dem Kriegsdienste, leistete aber seinem Fürsten in Kriegsangelegenheiten durch seine Erfahrung noch manchen wichtigen Dienst im Rathe, und erhielt nach beendigtem dreissigjährigen Kriege die Amtshauptmannschaft zu Zwickau, Werdau und Stollberg. Er stand bei dem Churfürst in so hoher Gnade, dass ihn derselbe oft als Gesandten mit wichtigen Aufträgen betraute, und zum Inspektor der Thüringischen, Erzgebirgischen und Voigtländischen Befestigungen und Vertheidigungswerke ernannte.

Von dem ungeheuren Vermögen des Obersten Bose bestand ein grosser Theil in Rittergütern; er besass Schneckengrün, Christgrün mit der Bünauschen Mühle, Limbach, Elsterberg, Nosswitz mit der Mühle, Coschütz, Netzschkau mit der Schwarzhammermühle und Roitzschau, Mylau, Brunn, Weisensand mit der Hoyersmühle, Lengenfeld, Bosenhof, Frankenhof mit der Frankenmühle, Schweinsburg, Crimmitzschau, Lauterbach, Schiedel, Dewitz, Vollmershain, Fuchshain, Zechau, Breitingen, Hirschfeld, Regis, Frauenfels, Gerbitz, Thonhausen und Cannewurf, dabei ein Haus in Dresden und eins in Zwickau. Von seinen vier Gemahlinnen blieben ihm fünf Sohne und sechs Töchter. Der Oberst Bose starb am 12. Januar 1657 im einundsechzigsten Lebensjahre am Schagfluss, und zwar auf dem Rückwege von Leichenbegängniss seines Sohnes, Johann Carol Bose auf Schweinsburg. Bei der ungemein prachtvollen Bestattung des berühmten Kriegers und churfürstlichen Rathes, befanden sich Abgeordnete des Landesherrn und seiner Gemahlin, sowie des Herzogs von Sachsen, und Fürst Heinrich Reuss von Plauen folgte der Leiche in eigener Person. Seine letzte Ruhestätte fand Carolus Bose in der Hauptkirche zu Zwickau, wo sein Epitaphium, das er nebst dem Sarge sich schon mehrere Jahre vor seinem Tode anfertigen liess, noch jetzt vorhanden ist; sein Bildniss in Lebensgrösse, welches ihn im Kriegskleide eines Obersten der damaligen Zeit darstellt, befindet sich noch im Schlosse zu Netzschkau.

Nach Carolus Bose’s Tode gelangte Netzschkau an einen seiner Söhne, den churfürstlichen Hofmarschall und Domherrn zu Naumburg, Carl Gottfried Bose, welcher durch seine Bemühungen dem Dorfe Netzschkau die Stadtgerechtigkeit verschaffte. Kaiser Carl VI. erhob ihn sammt seinen Nachkommen 1715 in den Reichsgrafenstand. In einem Alter von siebenundsiebzig Jahren starb Carl Gottfried, Reichsgraf von Bose, im Jahre 1731 zu Dresden, und Netzschkau wurde Eigenthum seines Sohnes, des Grafen Carl Alexander, der nur bis 1744 lebte und in Netzschkau beigesetzt ist. Da er keine Kinder hinterliess, so erbte die Güter seines verstorbenen ältesten Bruders, der Reichshofrath und Domherr zu Wurzen gewesen war, einziger Sohn, Graf Friedrich Carl, churfürstlich Sächsischer Ober-Kammerherr und Geheimrath, Inhaber des Brandenburgischen rothen Adlerordens und Grosskreuz des Würtembergischen grosser Ordens. Derselbe starb zu Dresden in seinem einundvierzigsten Jahre.

Der letzte Besitzer Netzschkau’s aus der Bose’schen Familie war des Ober-Kammerherrn Grafen Friedrich Carl Sohn, Friedrich Wilhelm August Carl, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Netzschkau, Gamig, Neuschönfels, Mäuschau, Limbach und Reisewitz, Sächsischer Staatsminister, Staatssecretair der auswärtigen Angelegenheiten, Ritter des Ordens der Rautenkrone, Grosskreuz der französischen Ehrenlegion, Ritter des Bairischen Hubertusordens und Commandeur des Ordens vom Nordstern. Das Andenken an diesen wohlwollenden leutseligen Herrn, der am 9. September 1809 im dreiundsechzigsten Jahre seines Alters mit Tode abging, lebt noch im Andenken vieler seiner einstmaligen Unterthanen segensreich fort.

Netzschkau kam nunmehr an den königlich Sächsichen Kammerherrn, Grafen Moritz Levin Friedrich von der Schulenburg, und später an dessen Sohn, den Grafen Levin Friedrich auf Burgscheidungen, Kirchscheidungen, Branderode, Netzschkau und Limbach. Letzterer[WS 1] starb im kräftigsten Mannesalter am 16. Juni 1842, zur tiefen Betrübniss Aller, die so oft Gelegenheit hatten, seine Güte und Wohlthätigkeit kennen zu lernen. Durch testamentarische Bestimmung wurde die Gemahlin des Verewigten Universalerbin, und von ihr gelangte Netzschkau an den jetzigen Besitzer Herrn Johann Gottfried Opitz.

Die Kirche zu Netzschkau wurde im Jahre 1619 vom Obersten Carolus Bose erbaut, bis dahin war die Gemeinde nach Mylau eingepfarrt. Im Eingange der beiden von ihm 1629 und 1648 errichteten Fundationsurkunden sagt der Gründer des Gotteshauses: Aus christlicher Andacht und Bewegniss, dass Gott ihn mit gehäuften, unzähligen Wohlthaten durch sein ganzes Leben begabt und gesegnet, wolle er seine Dankbarkeit durch ein äusserlich Kennzeichen der Mildigkeit offenbaren, und habe darum seine Gedanken, Arbeit und Benutzung auf einen neuen Kirchenbau zu Netzschkau gerichtet. Am 10. August 1629 wurde die neue Kirche eingeweiht, eine Orgel erhielt dieselbe jedoch erst 1647, und den aus Salzburger Alabaster angefertigten und mit Marmorsäulen verzierten Altar im Jahr 1659, wo der Erbauer des neuen Gotteshauses bereits zwei Jahre im Grade ruhte. Die drei Glocken, von Lorenz Hendel und Stephan Buchaim zu Zwickau gegossen, sind ebenfalls ein Geschenk des Obersten Bose.

[14] Mit der neuen Kirche entstand nun auch ein Pfarr- und Schulamt, und zwar in der Art, dass der ganze kirchliche Verband keiner Superintendentur, sondern dem Oberconsistorium in Dresden untergeben war. Im Jahre 1629 einigte sich der damalige Eigenthümer von Mylau, ein Herr von Schönberg, in Gemeinschaft mit dem Pfarrer M. Pöllmann, und der Oberst Carolus Bose, in einem vom Churfürsten Johann Georg I. confirmirten Recess dahin, dass dem Erbauer der neuen Schlosskirche, sammt dessen Erben und Nachkommen, nebst ihren Weibern, Kindern und Dienstleuten, gestattet sei, den neuen Gottesdienst zu gebrauchen, wobei sich Ersterer verpflichtete, den derzeitigen Pfarrherrn zu Mylau, auf die Zeit seines Lebens für seine Person als Beichtvater in Netzschkau zu betrachten, und auch sonst zutragender Fälle halber jedesmal mit demselben sich abzufinden, dessen Nachfolgern aber zur Recompens der Accidentien sechs Thaler zu erlegen. Nachdem jedoch der Oberst Bose auch das Schloss Mylau mit Zubehör erkauft hatte, fand 1638 eine Trennung des kirchlichen Verbandes der Gemeinde zu Netzschkau mit Mylau statt, wobei urkundlich festgesetzt wurde, dass der Pfarrer zu Mylau, sammt seinen Amtsnachfolgern, die fünf Scheffel Korn, und der Schulmeister einen Scheffel, so sie früher vom Rittergut Netzschkau empfangen, für ewige Zeiten vom Rittergute Mylau empfangen sollten. Das Getreide, welches jetzt von Rittergute Netzschkau an den Pfarrer zu Mylau entrichtet wird, hat dieses für das Vorwerk Foschenroda und die sogenannten wüsten Häuser zu Netzschkau zu liefern. Ebenso sollte der Zehnten nicht bloss von Mühlberg, sondern auch von den Bewohnern Netzschkau’s, wie vor Alters geschehen, gegeben werden, und zur Entschädigung für die Accidentien von den Unterthanen erhielt die Kirche ein Capital, wovon der Pfarrer die Zinsen, bestehend in fünf Thalern, geniesst. Endlich enthält die Urkunde auch die Bestimmung, dass die Unterthanen schuldig und verbunden sein sollten, wenn Etwas an der Kirche zu Mylau oder dem dasigen Kirchhofe zu bauen nöthig würde, das Ihrige, wie bisher geschehen, dabei zu verrichten. Dieser Recess wurde im Jahre 1648, wo der Collator die Einkünfte des Schlosspredigers erhöhte, wiederholt und 1661 wiederum vom Landesherrn confimirt. – Einen eigenen Gottesacker erhielt die Gemeinde erst im Jahre 1666; bis dahin begrub man die Netzschkauer Leichen auf den Friedhof zu Mylau, und zwar seit 1629 unter Begleitung des Netzschkauer Pfarrers. Die vormaligen Geistlichen in Netzschkau wurden als Pfarrer und Hofprediger eingesetzt, indem der ausserordentlich reiche Oberst Carolus Bose allhier einen kleinen Hofstaat hielt; der jetzige Pfarrer aber führt den Titel eines Schlosspredigers.

Die von Carl Bose erbaute Kirche war im Laufe zweier Jahrhunderte so baufällig geworden, dass sie im Jahre 1814 völlig abgetragen werden musste. Der Gottesdienst wurde bis zum Jahre 1840 in einem Saale des Schlosses abgehalten, da in Folge verschiedener, nicht zu beseitigender Hindernisse lange Jahre nicht zu einem Neubau der Kirche geschritten werden konnte. Am 30. April 1838 legte man endlich den Grundstein zu einem neuen Gotteshause, dessen Einweihung am 18. October 1840 erfolgte. Die Baumeister waren die Maurermeister Herold, Vater und Sohn, aus Greiz, und der Zimmermeister Zehner aus Treuen; die Orgel ist ein Werk von Ernst Poppe in Altenburg. Der ganze Bau kostete 14592 Thaler 12 Groschen.

Zum Schluss gedenken wir noch als eines Curiosums einer Predigt des Netzschkauer Pfarrers Zimmermann vom Jahre 1667, worin er den Namen Netzschkau aus dem Hebräischen herzuleiten versuchte, und den Ort für eine Gottes-Küssens-Stadt oder eine Gottes-, Schatz- und Rüstkammer erklärte.

Otto Moser. Redact.     




Geilsdorf.


Geilsdorf liegt im Amtsbezirke Plauen, in der Nähe des Elsterthales, umgeben von dichtbewaldeten Hügeln, voll denen man prachtvolle Aussichten über einen grossen Theil des Voigtlandes geniesst. – Das Dorf ist wahrscheinlich deutschen Ursprungs und dürfte das Stammgut der Familie von Geilsdorf sein, welche einst im Voigtlande sehr begütert war. Die frühesten bekannten Besitzer Geilsdorf waren die Herren von Sack, oder die Säcke, wie sie urkundlich in der Mehrzahl genannt werden, eine uralte voigtländische Familie, welche bereits im dreizehnten Jahrhundert häufig erwähnt wird. Die Säcke waren einst Reichssassen gewesen, und hatten als solche das bei Wunsiedel gelegene Schloss Eckbrechtstein besessen, dieses aber im Jahre 1337 an Heinrich den Langen von Plauen verkauft, der auch von Kaiser Ludwig IV. die Belehnung darüber erhielt. Kaiser Karl V. verlieh den Gebrüdern Hans und Caspar von Sack auf Mühldorf 1532 das Prädikat Edle, welches in jener Zeit nur Reichsdynasten und Standesherren zukam, und in den kaiserlichen und markgräflichen Briefen und Urkunden nur den Herren von Reuss und später auch der Familie von Planitz zu Theil wurde. Ulrich der Sack unterzeichnete bereits 1206 zu Bobenneukirchen einen Vertrag dreier Herren von Reuss über die väterliche Erbschaft, und 1436 werden die Gebrüder Ulrich und Nickel Sack erwähnt, welche in diesem Jahre von dem Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen Schloss, Stadt und Gebiet Mühldorf erkauften, das sie schon vorher pfandweise besessen hatten. Wie einstmals, als eine besondere Herrschaft, Mühldorf von den Grafen Arnshaugk an die Reusse von Plauen und dann an die Markgrafen von Meissen gekommen, und in solcher Eigenschaft immer von einem Voigte oder Amtmann verwaltet worden war, ebenso behielten auch jetzt die Säcke und alle nachherigen Besitzer Mühldorfs das Recht, die Herrschaft mit einem besondern Amtmann für das Justizwesen zu besetzen. Die Familie der Säcke [15] bestand bis zum sechszehnten Jahrhundert, wo noch ein Balthasar von Sack genannt wird, welcher 1558 die Schlosskirche zu Mühldorf, welche später zur Stadtkirche erhoben wurde, erneuern und zum Gottesdienst einrichten liess. Der letzte seines Stammes war Nickel Sack, der um das Jahr 1564 mit Tode abging, und als Besitzer Geilsdorfs in der dasigen Kirche begraben liegt. Ihm folgte im Besitze des Gutes Hans Wilhelm von Geilsdorf, der indessen schon 1577 starb, worauf Geilsdorf an die Herren von Reizenstein kam, bei denen es bis in die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts blieb, wo es die Grafen von Tettenbach erkauften, von denen 1680 Graf Sigismund Reichard von Tettenbach auf Geilsbach genannt wird. Im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts besass das Rittergut eine Frau von Beulwitz, und von dieser erwarb es 1730 der Kammerjunker von Nauendorf, dem als Besitzer Geilsdorf der Geheimrath des Herzogs von Anspach und Hofrichter zu Jena, von Nauendorf, folgte. Um das Jahr 1755 gehörte das Gut einem kaiserlich Oesterreichischen Hauptmann von Nauendorf, und 1820 dem Kammerjunker und Lieutenant von Nauendorf; der jetzige Besitzer ist der königlich Sächsische Kammerherr Herr Ferdinand von Nauendorf.

Die schöne reiche Kirche zu Geilsdorf entstand durch einen Edlen von Sack. Bis zum Jahre 1487 war der Ort ohne Gotteshaus, denn damals besuchten sämmtliche Gemeinden der Umgegend die berühmte Wallfahrtskapelle, deren schöne altehrwürdige Ruinen noch jetzt vorhanden und weit und breit bekannt sind. Der Burgstein war bis zur Reformation eine reich dotirte Pfründe, die jedoch das Unglück hatte, bei dem Einfalle der Hussiten in das Voigtland, der ganzen Wuth dieses fanatischen Gesindels ausgesetzt zu sein, so dass sie fast gänzlich zerstört wurde. Diese Kirche bestand vormals aus zwei neben einander erbauten Kapellen, von denen die eine den frommen Pilgern und Wallfahrern zum Aufenthalte diente, während die andere das hochberühmte wunderthätige Marienbild enthielt, dessen Gnadenhandlungen den Burgstein zu so hohem Rufe und Reichthum gebracht hatten. Der Hussitenkrieg schlug jedoch dem Wohlstande der Pfründe Burgstein eine tiefe Wunde, denn die raublustigen Böhmen hatten nicht nur alle vorhandenen Schätze und heiligen Gefässe mit sich genommen, sondern auch die Gebäude dergestalt ruinirt, dass sie mit nicht geringen Kosten wieder reparirt werden mussten; den Pfarrer im nahen Orte Krebes aber beauftragte man mit dem Gottesdienste in den Kapellen.

Der Zustand des Gotteshauses zum Burgstein wurde indessen immer trauriger, so dass der damalige Rittergutsbesitzer in Geilsdorf Ulrich von Sack, sich an die Bischöfe Dietrich von Naumburg und Heinrich von Bamberg mit der Bitte wandte: Da der Pfarrherr von Krebes gestorben, und die Kirche so baufällig sei, dass sie jeden Augenblick zusammenstürzen könne, er, Ulrich von Sack, auch bis zum Burgstein einen weiten Weg habe, so möchten die hochwürdigen Herren ihm erlauben, in dem Dorfe Geilsdorf eine neue Kirche zu erbauen, und das zum Burgstein gehörige nicht unbedeutende Vermögen, welches in liegenden Gründen bestände, zur Dotation des neuen Pfarrers zu verwenden. In Betracht der Ansehnlichkeit des edlen Geschlechts der Säcke, und einverstanden mit der bequemeren und passenderen Einrichtung des kirchlichen Dienstes, bewilligten die beiden Bischöfe Ulrich von Sacks Bitte, und zwar um so eher, weil der fromme Rittersmann sich erbot, eine erkleckliche Summe zum Aufbau der neuen Kirche und Dotation des Pfarrers aus eigenen Mitteln herzugeben. Zugleich empfing Ulrich von Sack auch die Lehn über das neue Kirchengebäude, und während die Glocken desselben fröhlich ins Land hinaus erklangen, und die frommen Leute herbeiriefen zum Dienste des Schöpfers, lag der alte Burgstein öde und verlassen, nur selten noch von einem Messpriester besucht, wenn fern her ein Wallfahrerzug kam, um an der ehrwürdigen, heiligen Stätte zu beten. Die alte Kirche sank immer mehr in Ruinen und der Bauernkrieg brachte ihr den völligen Untergang. Die wenigen Heiligthümer, welche dem Burgstein geblieben, brachten katholische Priester heimlich nach dem Orte Greslas oder Grässlitz in Sicherheit, und jetzt wirkten Zeit und Menschenhände so gewaltig auf die Zerstörung des alten Gotteshauses ein, dass seine Gewölbe zusammenstürzten, und Wind und Wetter durch die schutzberaubten Hallen und Fenster ihren vernichtenden Einzug hielten. Die Volkssage erzählt von katholischen Priestern und Mönchen, die bisweilen in stiller Nacht die Ruinen der alten Wallfahrtskirche besuchten und in ihrem Innern verschwanden, aber Niemand erfuhr jemals woher die Männer kamen, was sie in den alten Gemäuer suchten, und wohin sie gingen.

Die im Jahre 1487 erbaute Kirche zu Geilsdorf erfuhr während der Amtsführung des Pastors Jördens eine bedeutende Reparatur, und im Jahre 1696 einen neuen Thurm; da aber im Laufe der Zeit die Bevölkerung auffallend überhand nahm, so sah man sich veranlasst eine neue Kirche zu erbauen, wozu das bedeutende Vermögen derselben die nöthigen Mittel hergab. Sie wurde am 1. Advent 1834 eingeweiht. Das Patronat über Kirche und Schule zu Geilsdorf hat der dasige Rittergutsbesitzer, und die Kirchengemeinde besteht aus den eingepfarrten Ortschaften Pirk, Türbel, Kleinzöbern und Burgstein mit der naheliegenden Kienmühle. Auf des Superintendenten Dr. Tischer regen Betrieb, wurde im Jahre 1812 die Schule zu Geilsdorf und 1822 die Pfarre daselbst neu erbaut.

Otto Moser, Redact.     




Tobertitz.


Auf einer Hochebene des Voigtlandes liegt das Rittergut Tobertitz mit dem Dorfe gleichen Namens. Letzteres besteht aus 56 Wohngebäuden mit etwa 300 Einwohnern, welche zum Theil Ackerbau treiben, zum Theil aber auf dem Rittergute mit Handarbeit beschäftigt sind, oder durch Weissnähen sich ihren Unterhalt verdienen. Das Rittergut hat nach geschehener Landesvermessung mit Einschluss einiger angekauften Wald - und Wiesengrundstücken 350 Acker Areal, und der nicht ganz undankbare Boden liefert bei sorgfältiger Bearbeitung völlig zufriedenstellende Erndten, sogar von Raps, Rübsen [16] und Weizen. Zum Rittergute gehören eine treffliche Schäferei und eine Ziegelhütte. Die Gegend von Tobertitz ist nicht unfreundlich, und von der eine halbe Stunde seitwärts sich hinziehenden Sächsisch-Bairischen Eisenbahn fällt der Ort recht angenehm ins Auge. Die Tobertitz zunächst liegenden Städte sind Plauen, Schleiz und Hof; nach Ersterem verkauft das Dorf seine landwirthschaftlichen Produkte.

Was den Ursprung des Dorfes anbelangt, so wurde dasselbe von den Sorben gegründet, und der Name bedeutet soviel wie „ein guter Ort.“ Im Jahre 1209 besassen Tobertitz drei adelige Brüder – wahrscheinlich aus dem Geschlechte der Herren von Oelsnitz – welche dem Kloster Wildenfurth einige Güter zu Tobertitz schenkten, und 1406 empfing das Kloster St. Clara zu Hof den Zehnten von einigen Gütern in Unterkotzau, Tobertitz und Gottwaldsreuth, welche Ritter Conrad von Lüchau, früher dem Kloster der heiligen Clara zu Eger geschenkt hatte, und die der Priester Nikolaus zu Hof jetzt für 120 Gulden zurückkaufte und den Nonnen zu Hof verehrte. Dasselbe Kloster empfing im Jahre 1422 wieder zwei Höfe in Tobertitz sammt dem Zehnten vom Dorfe, nebst einigen Zinsen, und 1503 gehörten zwei Höfe in Tobertitz dem Ordenshause der Deutschherren in Plauen. In der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts wird ein Herr von Oelsnitz als Eigenthümer von Tobertitz genannt, dessen Familie das hiesige Rittergut einige Mal gehörte, und die im Jahre 1780 mit dem Reussischen Oberstlieutenant, Johann Friedrich von Oelsnitz zu Gera ausstarb. 1613 kommt eine Wittwe, Maria von Feilisch als Besitzerin von Tobertitz vor, sowie später ein Herr von Leipziger, von dem das Gut an die Tettaus gelangte. Diese Familie war in frühern Jahrhunderten eine der reichstbegüterten des Voigtlandes, es werden von derselben erwähnt im funfzehnten Jahrhundert der Hauptmann Apel von Tettau auf Kauschwitz, Steinsdorf und Syra, und im sechszehnten Albrecht von Tettau auf Zobes, Christoph von Tettau auf Schillbach, Anshelm von Tettau auf Mechelgrün und Marquard von Tettau auf Ober- und Unterlossa. Von der Familie Tettau kam das Gut an die Herren von Schönfels, ein altes Sächsisches Geschlecht, dessen Stammschloss, die ehrwürdige Veste Altschönfels, zwischen den Städten Reichenbach und Zwickau gelegen, noch immer so fest und stattlich wie vor einem Jahrtausend von ihrer Felsenhöhe herabschaut. Der jetzige Eigenthümer von Tobertitz ist Herr August von Schönfels, der das Gut selbst verwaltet.

Tobertitz ist, sammt den Dörfern Rodau, Kornbach, Schönberg und Demeusel, in die Kirche zu Rodau eingepfarrt. Das Gotteshaus scheint in frühester Zeit eine Schlosskapelle gewesen zu sein, da an der den Gottesacker umgebenden Mauer noch Spuren von Vertheidigungsthürmen sichtbar sind. Zu der Zeit, wo den unterjochten Slaven das Christenthum mit dem Schwerte aufgezwungen wurde, mussten die neuen Kirchen zu ihrer Sicherung und zum Schutze ihrer Diener oft mitten in die Burgen hineingebaut werden, und eine solche Kirche war auch die Rodauer. Noch lange nach dem Anbaue der Umgegend durch die Sorben mag die Stelle, wo jetzt Rodau liegt, mit Waldungen überdeckt gewesen, und erst nach und nach durch die Deutschen ausgerottet und urbar gemacht worden sein. Bedeutende, noch jetzt vorhandene Waldstrecken, und die Ruinen eines uralten Gebäudes, von dem behauptet wird, es sei ursprünglich ein Tempel des slavischen Gottes Swantewith gewesen, und später in eine Wallfahrtskapelle verwandelt worden, sprechen dafür. Tief in den ungeheuren Waldungen mögen noch lange nach der Verbreitung des Christenthums die Sorben ihre vom Kreuze verbannten Götterbilder verehrt haben, und uralt ist die Sage von den Holzweibchen, welche vor ihren rohen Verfolgern flüchteten und endlich an einem Stamme mit drei eingeschnittenen Kreuzen Rettung und Sicherheit fanden. Ohne Zweifel waren diese Holzweibchen sorbische Frauen, welche, in den Wäldern versteckt, den alten Heidengötzen huldigten und sich zufällig den Blicken neugieriger Lauscher aussetzten. Uebrigens pflegten die mittelalterlichen Apostel wenn es thunlich war, ihre christlichen Kirchen immer an Plätzen aufzurichten, wo ein slavisches Gottesbild verehrt worden war, einmal um den Bekehrten die Unmacht ihrer Götter zu beweisen, und dann auch weil den Sorben die Stätte ihrer bisherigen Götteranbetung heilig und werth blieb.

Noch im sechszehnten Jahrhundert war die Kirche in Roda ein Filial von Leubnitz und blieb solches auch noch bei der Reformation. Erst im Jahre 1613 wurde die Parochie Leubnitz, welche elf Dorfschaften enthielt, dergestalt getheilt, dass Roda zur Parochialkirche erhoben und die Dörfer Tobertitz, Schönberg, Demeusel und Kornbach dahin gepfarrt wurden. Zur Gründung eines Pastorats brachten die Rittergutsbesitzer und Gemeinden des Sprengels eine Summe von 1200 Gülden zusammen, wofür man zu Rodau von einem Herrn von Ravensteiner ein Bauergut mit zwölf Äckern Feld erkaufte und es dem Pfarrer – Nikolaus Oehler hiess der erste – überliess. Zugleich erhielt der Pastor zu Rodau als Fixum sechszehn Scheffel Roggen von der Leubnitzer Schule, sowie drei Fuder Heu und den sogenannten Kleinhäuschengroschen, neun Gülden Tranksteuer und acht Klaftern Holz, nebst einigen Gefällen von den Rittergütern. Die damaligen Edelleute des Leubnitzer Kirchspiels waren Melchior von Bodenhausen auf Mühldorf und Leubnitz, Maria von Feilitzsch auf Tobertitz, Hildebrand Eichelberg von Trützschler auf Stein und Schneckengrün, Hans Caspar von Dobeneck auf Rodau und Schlegel, Hans von Reibold auf Rössnitz und Kloschwitz und Joachim Daniel Rabe auf Schneckengrün.

Die alte Kirche zu Rodau war zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts so baufällig geworden, dass sie in Trümmern zu stürzen drohte, weshalb nach erfolgter Besichtigung ein Neubau beschlossen wurde. Nach vielen und langwierigen Hindernissen und Schwierigkeiten entstand von 1810 bis 1813 das jetzige Gotteshaus. Bei dem Baue mögen verschiedene Nachlässigkeiten vorgekommen sein, denn der schon fast vollendete Thurm, welcher auf alten Gräbern in die Höhe gemauert war, bekam Risse und musste bis auf den Grund wieder abgebrochen werden, und die Kirche blieb wegen ihrer engen, hohen Mauern und des darauf sitzenden Thurmes eng und dunkel, bis sie 1833 bei einer Restauration durch acht lange Fenster Licht erhielt. – Seit 1839 ist Tobertitz von dem Schulverbande mit Rodau getrennt und besitzt ein eigenes neues Schulgebäude, in dem von einem confirmirten Lehrer etwa 48 Kinder unterrichtet werden.

Otto Moser, Redact.     




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Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Letzerer


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