Altbewährte Esel

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Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Ignaz Wrobel
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Titel: Altbewährte Esel
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jahrgang 22, Nummer 41, Seite 593-594
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 12. Oktober 1926
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Altbewährte Esel

Es gibt überhaupt nur noch „altbewährte Fachleute“. Wir haben alte bewährte Segelflieger (3 Jahre Praxis), bewährte alte Radiofachleute (2 Jahre) – wenn sie alle zusammen über Berufliches reden, so quatscht das, daß ihnen die Schnauze schäumt, und wenn sie gar noch so sprechen können, wie es im amtlichen Bericht steht: so unpersönlich, so darüber stehend, so vornehm abgeklärt, dann strahlen sie über das ganze Antlitz. Etwa so:

„Gestern abend wurde in der Wohnung des Berufszwerges Jakob Nietzke von dem diensthabenden Sohn Nietzkes, dem acht Jahre alten Fridolin, das dortige Wasserleitungsrohr als verstopft gemeldet. Die Meldung lief bei Frau Nietzke abends 9.10 Uhr ein.

Frau Nietzke gab die Meldung sofort ihrer Hausangestellten Fräulein Anna Koschmann weiter, die allerdings, da sie keinen Dienst mehr hatte, Weiteres zunächst nicht veranlassen konnte. Der gegen halb zwölf Uhr von ernster Berufspflicht aus der ‚Scala‘ heimgekehrte Ehemann Nietzke wurde gleich nach seiner Rückkehr verständigt. Die Operationen wurden auf seine Anordnung hin bis zum nächsten Tag verschoben.

Am nächsten Tage – also heute morgen – begab sich zunächst eine Kommission, bestehend aus dem Berufszwerg Nietzke, dessen Ehefrau als Beraterin sowie dem elfjährigen Sohn Hadubrand, zu dem fraglichen Rohr; geleitet wurde die Kommission von Herrn Zwerg Nietzke. Zwerg Nietzke erkannte sofort, daß das Wasserleitungsrohr nicht funktionierte, weil es verstopft sei, und begab sich daraufhin persönlich zu dem Hauswart Schippanofsky, obgleich derselbe seinen Dienst noch nicht angetreten hatte. Schippanofsky forderte dementsprechend Nietzke auf, welcher Aufforderung dieser aber nicht nachkam. Die Privatbeleidigungsklage ist eingereicht.

Gegen Nachmittag erschien dann, auf erneute Vorstellung, Frau Schippanofsky; die Wasserrohrbereinigungskolonne war folgendermaßen zusammengesetzt:

Technische Leitung: Frau Hauswart Schippanofsky, Personalaufsicht: Frau Zwerg Nietzke, Leitung der Hilfsmannschaft, bestehend aus dem Sohn Hadubrand Nietzke: Hadubrand Nietzke. Oberleitung: Herr Nietzke.

Umgeben von seinem Stabe, machte sich Direktor Nietzke persönlich an die fachtechnische Arbeit.

Die Beratung ergab Folgendes: Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus wäre die Anlegung eines neuen Wasserrohrs anstelle des alten allerdings empfehlenswert, doch bestanden aus allgemeinen wirtschaftlichen Erwägungen sowie auch wasserbautechnisch einige Bedenken. Während aesthetisch gegen die Einführung eines sogenannten Schrubbers in das Wasserrohr Einwendungen nicht bestanden, konnte doch dieselbe zunächst nicht vorgenommen werden, da vonseiten der Personalaufsicht hauswirtschaftlich eingewendet wurde, daß ein solcher Schrubber nicht vorhanden sei. Die Technische Leitung erklärte, daß sie ihrerseits zur Materialbeschaffung nicht beitragen könne, was die Personalaufsicht sowie die Leitung der Hilfsmannschaft heftig bestritten. Die Oberleitung entschied schließlich, daß aus hygienischen sowie aus ernährungswissenschaftlichen Gründen die sofortige Beschaffung des Wasserrohrreinigungsbehelfsmittels in augenblickliche Erwägung zu ziehen sei, da die Leitung der Oberleitung als langbewährter Fachmann darüber fachmännischen Rat zu erteilen sehr wohl in der Lage sei. Die Benennung ‚Alter Kuhkopp!‘ vonseiten [594] der Technischen Leitung lehnte der Leiter der Oberleitung, als lange im Berufsleben stehend, ab.“

Ja, da lachste!

Aber wenn drei Beamte einen Nagel einschlagen sollen und deshalb einen solchen Betrieb veranstalten, der weiter keinen Sinn hat, als Bedeutung, Notwendigkeit und Wichtigkeit der beamtlichen Existenz möglichst aufzublasen – da lacht Keiner. Denn Deutschland ist ein gründliches Land: kein Kind ohne Nachttopf, kein Erwachsener ohne fachliche Hochschulbildung, Titel und einen ganzen Kopf voller Einbildung.

Ignaz Wrobel