An eine Freundin in Straßburg
Fürwahr ihr habt ein Kühnes g’wagt,
Ihr fallt mir in eine poetische Zeit,
Meine Nacht zum rosigten Morgen tagt,
Die Fürstin der Elfen ist nimmer weit.
Es wallen die Düfte,
Und ihr spannt noch den Bogen zum mißlichen Streit?
Wollt ihr mich necken?
Ihr strebt nach gefährlichen Zwecken,
Nehmt Euch in Acht!
Sie leiht mir den Wagen;
Von Drachen getragen,
Reis’ ich in sternloser Nacht,
Durch die Welt,
Ohne Paß,
Ohne Spaß,
Den unser einer nicht macht.
Euch schützen nicht Gräben noch Schanzen,
Wenn um mich die Zauber der Königin tanzen.
Das habt ihr wohl schwerlich bedacht.
Euer Necken
Eine Schlange, ein Bär,
Eine feurige Ratt’,
Eine brennende Stadt,
Ein kochendes Meer,
Ein Riese, ein Zwerg,
Gaukl’ ich vor euren Sinnen umher;
Ein Igel mit stachlichter Brust,
Droh ich euch zärtlich zu küssen,
Ihr sollt den Frevel mir büßen.
Doch nein, euer Necken
Kann ich anderst bestehn.
Ich will Alles gestehn,
Ihr Schlaue seyd nur zum Scherzen erbötig,
Ich zur Wahrheit, Wahrheit ist sechszehnlöthig,
Die Verse müssen mich decken.
Frau Prosa ist gar eine züchtige Dam’,
In so ehrbarer Ruh
Hört einem die alte Begine zu.
Aber die Musen,
O die Holden,
Wehen selbst den Verliebten Wahnsinn zum Busen,
Lösen das Grämen,
Schenken das Schämen,
Loben, was Madam Prosa schilt,
Rosigt und mädchenhaft
Blühen sie in ewiger Jugendkraft,
Die zehnte nicht minder,
Als die neun andern lieben Kinder.
Ist die zehnte von nun an die Meine.
In wen sie verliebt ist, das frag’ ich sie nie,
Sie liebe wen sie will, ich liebe doch sie.
Ihr solltet sie schauen,
Diesen Kindskopf, diesen Mann, dieses Weib,
In der nämlichen Seel, in dem nämlichen Leib,
Und kosten den seligen Zeitvertreib.
Nun hab’ ichs gestanden, nun ist es heraus,
Eine Thorheit mehr,
Verliert sich im übrigen Heer,
Wie im Pelze des Juden eine neue Laus.
Nun sind wir des Scherzes am Ziele,
Doch lieber noch heut
Als morgen bereut,
Eh’ Gram die Herzen durchwühle.
Euer Wort
Ich führ ihn durch Sturm und durch Nebel
Hinein in den sichern Port,
Fallir ich, so heiß ich nicht Hebel.
Wollt Ihr mir ferner in Versen schreiben,
- ↑ Hebel war für die große mimische Künstlerin, Madame Hendel-Schütz, die im rheinländischen Hausfreunde als Schwiegermutter vorkommt, sehr eingenommen, und von hoher Bewunderung durchdrungen. Eine Freundin in Straßburg neckte ihn deßwegen in einem Gedichte, das sie ihm zusandte, und worin sie die Hendel eine Elfenkönigin aus einem andern Stern nannte. Darauf antwortet Hebel in dieser poetischen Epistel.
- ↑ Heldin des Hippels. Hierunter versteht Hebel ein Mädchen, das damals seinen Bräutigam eben aufgegeben hatte.
- ↑ Ein Geistlicher, den die Freundin, an welche die poetische Epistel gerichtet ist, empfohlen hatte.